• Keine Ergebnisse gefunden

1.1 Vorbemerkungen

Holz als nachhaltiger und CO2-neutraler Rohstoff bietet zahlreiche Möglichkeiten sowohl zur stofflichen als auch zur energetischen Nutzung. Die 2002 verabschiedete Charta für Holz hat eine verstärkte Nutzung heimischen Holzes zum Ziel, zugunsten von Klima, Lebensqualität, Innovationen und Arbeitsplätzen. Von Regierungsseite wird aber auch die energetische Nutzung von Holz über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2009 inkl. Novelle 2011) und das Erneuerbare-Energien-Wäremegesetz (EEWärmeG 2009/2011) explizit gefördert. In der Konsequenz ergab sich über die letzten Jahre eine steigende stoffliche und energetische Holzverwendung (Mantau 2012). Die Entwicklungen der Einschlagszahlen entsprechen diesem Trend. Von 2001 bis 2007 nahm der bundesweite Holzeinschlag von 39 Mio. m³ (ohne Rinde) auf 77 Mio. m³ zu. Nach einem zu verzeichnenden Rückgang auf 48 Mio. m³ im Jahr 2009 erfolgte bis 2014 wieder ein deutlicher Anstieg auf 56 Mio. m³ (Statistisches Bundesamt 2014).

Mit Blick auf eine zunehmende Verknappung von Rohöl und mögliche Weiterentwicklungen im Bereich der Biokraftstoffe der zweiten Generation sowie einer verstärkten Nachfrage nach Brennholz geraten zunehmend auch forstwirtschaftliche Flächen als potenzielle Rohstofflieferanten in den Blickpunkt. Zusätzlich werden die angestrebte Verringerung des Nadelholzanteils in Wäldern sowie die Ziele der nationalen Biodiversitätsstrategie, wonach bis zu 10 % der öffentlichen Wälder aus der Nutzung genommen werden sollen, zu Verknappungen bei bestimmten Holzsortimenten führen.

Vor diesem Hintergrund erscheint im Zuge einer möglichen Intensivierung der Rohholzproduktion die Betrachtung von Baumarten sinnvoll, die bisher nahezu ungenutzt blieben oder zu Produkten geringer Wertschöpfung verarbeitet werden. Zu diesen zählt die Gruppe der Laubhölzer mit niedriger Produktionszeit (ALn) mit den Baumarten Birke, Erle, Pappel, Weide und Eberesche. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass Baumarten aus der ALn-Gruppe im Zuge einer in Deutschland angestrebten Laub- und Mischwaldvermehrung zumindest als Begleitbaumarten an Bedeutung gewinnen könnten. Als Pioniergehölze weisen die meisten ALn-Arten bestimmte ökologische Besonderheiten auf, die sich im Rahmen eines naturnah ausgerichteten Waldbaus als vorteilhaft erweisen können. Dazu zählt nach Leder (1992, 1995) ein hohes Verjüngungspotenzial, ein starkes vegetatives Regenerationsvermögen, eine geringe Empfindlichkeit gegenüber klimatischen Extremen (Wind, Hitze, Frost) und ein schnelles Wachstum in der Jugendphase.

Auswertungen der Bundeswaldinventuren (BWI) haben gezeigt, dass vor allem in den norddeutschen Bundesländern mit ihren eiszeitlich geprägten Standorten bemerkenswert hohe ALn-Vorräte stocken (Fischer et al. 2011; BMEL 2014). In den Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen liegt der ALn-Anteil am gesamten bestockten Holzboden bei 15-20 % (Stichjahr 2012) und übertrifft damit sowohl den Buchen- als auch den Eichenanteil (TI 2015). Gleichzeitig ist aber der Nutzungsanteil, d.h. der Anteil des verwerteten Abgangs am gesamten ausgeschiedenen Vorrat, im Vergleich zu den Hauptbaumarten sehr gering. Zwischen 2002 und 2012 betrug dieser in den genannten Ländern 57-63 %, etwa 40 % des ausgeschiedenen Vorrates blieben beim ALn folglich ungenutzt. Demgegenüber liegt der Nutzungsanteil bei Eiche, Buche, Fichte und Kiefer bei 80-95 % (TI 2015). Auch im deutschlandweiten Vergleich ist diese hohe Diskrepanz zu beobachten.

Im nordwestdeutschen Raum gehören Baumarten aus der ALn-Gruppe auf einer Vielzahl von Standorten zumindest als Zeitmischung zum natürlichen Baumartenspektrum. Vor diesem Hintergrund als auch mit Blick auf die angestrebte Erhöhung des Laubbaumanteils und der Strukturvielfalt sieht die aktuelle Waldbauplanung im Landeswald daher vor, das ALn am

Bestandesaufbau wenigstens zeitweise zu beteiligen. So sind bspw. Birke, Aspe, Weide und Eberesche in nahezu allen 38 für Niedersachsen und Schleswig-Holstein definierten Waldentwicklungstypen explizit als Begleitbaumart vorgesehen (ML 2004a; SHLF 2011).

Demgegenüber ist das ALn aber nur in wenigen, oftmals für Extensivstandorte vorgesehene, Waldentwicklungstypen am Hauptbestand beteiligt (z.B. Kiefer-Birke, Eiche-Birke, Moorbirke, Roterle, Roterle-Esche).

Die bezogen auf die Holzerzeugung eher untergeordnete Bedeutung von ALn in der Forstwirtschaft ist ausschlaggebend dafür, dass weiterführende Analysen zur großräumigen Charakterisierung der ALn-Vorkommen bislang fehlen. Erste Untersuchungen auf Basis der BWI finden sich bei Fischer et al. 2011 und Fischer (2013) für den nordwestdeutschen Raum, allerdings wurden dort schwerpunktmäßig die Vorräte betrachtet. Kenngrößen, die für eine umfassendere Analyse des aktuellen Zustandes und darauf aufbauend eine Abschätzung der künftigen Entwicklung erforderlich sind, wurden nicht einbezogen. Dazu zählen z.B.

Altersaufbau, Nutzung, Zuwachs, Mischungsform und Verjüngungszusammensetzung.

In der forstlichen Forschung und Praxis finden Bestandesmodelle in Form von Ertragstafeln und in neuerer Zeit auch flexibler einsetzbare Einzelbaummodelle Anwendung. Im Vergleich zu den Hauptbaumarten existiert für das ALn im deutschsprachigen Raum jedoch nur eine sehr begrenzte Anzahl an waldwachstumskundlichen Untersuchungen. Ältere Bestandesmodelle für Birke und Roterle (Schwappach 1903; Mitscherlich 1945) werden als nicht mehr geeignet angesehen, um Wachstum und Ertrag dieser Baumarten adäquat zu beschreiben, so dass Lockow (1995a, 1997a) auf Basis von Versuchsflächen neue Ertragstafeln mit veränderter Durchforstungsweise für Nordostdeutschland aufstellte. Darüber hinaus entwickelten Lockow (1997b) und Lockow u. Schrötter (2004) für dieselbe Region Bestandesmodelle für Moorbirke und Grauerle. Ertragstafeln für verschiedene Pappelsorten wurden von Blume (1949), Crocoll (1954) und Rätzel (1969) auf Basis regionaler Versuchsanbauten erstellt. Einzelbaummodelle liegen für Birke (Baden-Württemberg, Hein et al. 2009), Erle (Mecklenburg-Vorpommern, Schröder 2006) oder Eberesche (Nordrhein-Westfalen, Hillebrand 1996) vereinzelt vor. Oftmals weisen die genannten Modelle einen engen regionalen Bezug auf, so dass diese aufgrund unterschiedlicher Wuchsverhältnisse nicht ohne Weiteres übernommen werden können und die Gültigkeit für Nordwestdeutschland zumindest zu überprüfen ist. Nagel (1999) entwickelte auf Basis der Versuchsflächendaten der ehemaligen Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt (jetzt Nordwestdeutsche Forstl. Versuchsanst.) ein Einzelbaumwachstumsmodell für die Hauptbaumarten in Nordwestdeutschland. Die ALn-Arten blieben jedoch bedingt durch die sehr begrenzte Datenlage unberücksichtigt. Gleiches gilt auch für weitere im deutsprachigen Raum verwendete Einzelbaumwachstumsmodelle (z.B. SILVA, Pretzsch et al. 2002). Entsprechend gering ist auch die Anzahl an veröffentlichten Auswertungen ertragskundlicher Versuchsreihen, in welchen die Wirkung von Standort und Behandlung auf Wuchsleistung und Qualität untersucht wird. Lediglich für Birke (Dong et al. 2009) und Erle (Utschig 2003) existieren einige Beispiele, während umfangreichere Untersuchungen vor allem aus Skandinavien (Hynynen et al. 2009) und Westeuropa vorliegen (Claessens et al. 2010).

Ein großes Potenzial für die Aufstellung von Wachstumsmodellen bieten neben langfristigen Versuchsflächen aber auch Einzelbaumerhebungen aus den forstlichen Großrauminventuren.

Während diese Datengrundlage in anderen Ländern bereits seit längerem für Modellierungszwecke verwendet wird (z.B. Monserud u. Sterba 1996), sind die Erfahrungen in Deutschland begrenzt. Das bislang einzige Beispiel bildet WEHAM (Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung, Bösch 2005), das aber anhand der deutschlandweiten Daten der BWI parametrisiert wurde und bei regionaler Anwendung aufgrund eines zu erwartenden räumlich korrelierten Modellfehlers zu verzerrten Schätzungen führen würde.

Dennoch bilden sowohl die BWI als auch andere Großrauminventuren, wie z.B.

Stichprobenerhebungen größerer Forstbetriebe, aufgrund des großen Datenumfangs eine

wichtige Grundlage, um Wachstumsmodelle für seltenere oder bislang wenig beachtete Baumarten zu entwickeln.

1.2 Zielsetzung

Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet das ALn in Nordwestdeutschland. In einem ersten Schritt werden allgemeine Aspekte zur waldbaulichen Stellung dieser Baumartengruppe kurz erläutert und es wird auf einzelne Baumarten näher Bezug genommen. Anschließend wird das großräumige Aufkommen auf Basis der niedersächsischen Daten der BWI genauer analysiert. Im Rahmen bisher veröffentlichter Standardauswertungen der BWI wurde auf die ALn-Gruppe nur selten genauer Bezug genommen (Fischer et al. 2011), so dass eine entsprechende Informationsgrundlage für den nordwestdeutschen Raum fehlt. Trotz der zahlreichen Auswertungsmöglichkeiten erlauben die bereitgestellten Ergebnistabellen der Bundeswaldinventuren (TI 2015) außerdem keine Einzelbetrachtung der unter ALn zusammengefassten Baumarten, obwohl einige Arten wie Birke oder Erle quantitativ von Bedeutung sind. Vor diesem Hintergrund wurden in Anlehnung an BMELV (2008) Auswertungsroutinen entwickelt, um wichtige Kenngrößen wie Baumartenanteile, Vorräte, Zuwachs, Nutzung und Verjüngungszusammensetzung aus den niedersächsischen Inventurdaten der BWI 2 und BWI 3 zu berechnen und darzustellen.

Anschließend wird für die Arten Birke, Erle, Pappel, Weide und Eberesche ein Einzelbaumwachstumsmodell nach dem in TreeGrOSS (Nagel 1999; Hansen u. Nagel 2014) verwendeten Schema aufgestellt. Dieses beinhaltet baumartenspezifische Teilmodelle für den Durchmesser- und Höhenzuwachs, Kronenbreite und -ansatz, Einzelbaumvolumen und Biomasse, Site Index, maximale Bestandesdichte und altersbedingte Mortalität. Soweit möglich, sollen die Modelle baumartenweise an den Daten der BWI und der Betriebsinventur der Niedersächsischen Landesforsten (Böckmann et al. 1998; NFP 2009) parametrisiert werden. Bei nicht ausreichendem Datenumfang werden bereits veröffentlichte Modelle auf ihre Plausibilität überprüft und ggf. übernommen.

Die aufgestellten Einzelbaumwachstumsmodelle werden in das Softwaresystem WaldPlaner (Hansen u. Nagel 2014) implementiert und darauf aufbauend wird mit dem System für die Baumarten Birke und Erle eine waldbauliche Szenariensimulation mit verschiedenen Behandlungsvarianten durchgeführt. Hintergrund ist, dass beiden Baumarten eine gewisse forstwirtschaftliche Bedeutung zukommt, bislang aber im deutschsprachigen Raum kaum wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, die sich aus ertragskundlicher Perspektive mit der Wirkung verschiedener waldbaulicher Behandlungskonzepte befassen. Hier sollen die Simulationsergebnisse einen Beitrag dazu leisten, den derzeitigen Kenntnisstand zu erweitern.

Außerdem sollen auf Basis der Simulation die aktuellen waldbaulichen Behandlungsempfehlungen für Birke und Erle, die zusammenfassend eine früh einsetzende und gezielte Bestandespflege zur Stammholzerzeugung vorsehen, mit vier alternativen Behandlungsvarianten aus ertragskundlicher Sicht verglichen werden.