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Einleitung und Fragestellung

Die kindliche Femurfraktur ist im Vergleich zu den Femurfrakturen im Erwachsenen-alter ein eher seltenes Unfallereignis (www.gbe-bund.de). Grund hierfür ist die hohe Stabilität und Elastizität des kindlichen Knochens (Wanner und Trentz 2008). Tritt eine Femurfraktur auf, ist sie deshalb in den meisten Fällen auf ein Hochrasanztrau-ma zurückzuführen (v. Laer 1986; Wagner und Rüter 1999; Mutimer et al. 2007).

Bei der Behandlung kindlicher Femurfrakturen müssen die Besonderheiten des Pati-enten „Kind“ berücksichtigt werden. Kinder können nicht einfach als kleine Erwach-sene betrachtet werden (Amin et al. 2010). Wichtig ist, sie mit Respekt und in kindge-rechter Art und Weise zu behandeln. „Kinder sind überall gleich auf der Welt: Sie lieben es nicht ans Bett gefesselt zu sein, Arm und Bein in einem lästigen Gipsver-band, nicht mehr in der Lage zu sein zu spielen und in ihrem Bewegungsdrang ein-geengt zu sein.“ (übersetzt aus dem Englischen: Slongo 2005, S. 1). Zudem ergeben sich vor allem in den hoch entwickelten Ländern die Probleme der ausreichenden Betreuung verletzter Kinder, da oft beide Elternteile berufstätig sind (Slongo 2005).

Aus diesen Aspekten wird deutlich, wie wichtig das Thema der kindgerechten Thera-pie der Femurfrakturen ist.

Es gibt verschiedene Therapieansätze für Femurfrakturen im Wachstumsalter, wobei sich konservative und operative Behandlungsmethoden gegenüber stehen. Eine Durchsicht der Literatur zeigt, dass in den letzten Jahren in der Therapie kindlicher Femurfrakturen ein Umdenken stattgefunden hat. Wurden sie in früheren Jahren hauptsächlich konservativ behandelt, setzen sich heute vor allem bei älteren Kindern immer mehr die operativen Behandlungen durch (Schlickewei et al. 1999; Maier et al.

2003). Zu den konservativen Therapien zählen vor allem der Beckenbeingips und die Extensionsbehandlungen (v. Laer 1986). Unter den operativen Therapien hat sich in den letzten Jahren immer mehr die Elastisch Stabile Intramedulläre Nagelung (ESIN) durchgesetzt. Daneben sind die Plattenosteosynthese, der Fixateur externe, die Schraubenosteosynthese und die K-Draht-Osteosynthese zu nennen (Schmittenbe-cher und Menzel 2005). Bei Adoleszenten kann zusätzlich der Marknagel zur An-wendung kommen (Dietz und Schlickewei 2011). Ursächlich für den Wandel in der

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Therapie kindlicher Femurfrakturen sind zum einen die Nachteile und die Unannehm-lichkeiten der konservativen Therapie (Fuchs et al. 2003). Zum anderen hat die Wei-terentwicklung im Bereich der operativen Möglichkeiten mit der Einführung der ESIN als sicheres minimal-invasives Verfahren den Schwerpunkt der Therapie immer mehr hin zu einer operativen Therapie verlagert (Jubel et al. 2004 b).

Durch die Besonderheiten des kindlichen Knochens ergeben sich einige Unterschie-de zu Unterschie-den Frakturen Erwachsener. So weist Unterschie-der kindliche Knochen durch die noch offene Wachstumsfuge eine deutlich höhere Heilungs- und Korrekturpotenz auf.

Hierdurch besteht die Chance, geringe Achsabweichungen sowie Beinlängendiffe-renzen bis zum Ende der Wachstumsphase ausgleichen zu können (Wanner und Trentz 2008). Auf der anderen Seite können sich gerade durch diese Besonderheiten aber auch leicht Längendifferenzen entwickeln. Verantwortlich für diese Längendiffe-renz ist meist eine Hyperämie, wodurch die Potenz der Epiphysenfuge gesteigert wird. Hierdurch kann es sowohl zu einer Längenzunahme als auch zu einer relativen Verkürzung des verletzten Beines kommen, abhängig von dem jeweiligen Funktions-zustand der betroffenen Epiphysenfuge. Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Längendifferenzen hat die Dauer der Frakturheilung. Je mehr Zeit die Heilung in Anspruch nimmt, desto länger dauert die Phase der Hyperämie und somit die Funkti-onssteigerung der Epiphysenfuge. Daher sollten alle Faktoren, die zu einer zeitlichen Verlängerung des Reparationsprozesses führen - wie belassene Fehlstellungen, wiederholte Repositionen, sowie Verfahrenswechsel - vermieden werden. Eine tem-poräre Funktionssteigerung der Epiphysenfuge ist generell nach jeder Fraktur im Wachstumsalter zu erwarten. Eine große Herausforderung für die Therapie der kind-lichen Femurfrakturen besteht darin, diese Funktionssteigerung so weit wie möglich zu minimieren (v. Laer 1986).

Neben den genannten Schwierigkeiten bei der Therapie kindlicher Femurfrakturen müssen auch, stärker noch als bei Erwachsenen, die psychosozialen Aspekte be-rücksichtigt werden. Vor allem die Dauer der Hospitalisierung und somit die Tren-nung der Kinder von ihrer Familie und von ihrem sozialem Umfeld sind wichtige Fak-toren, die die Therapie beeinflussen (Hedin 2004; Mutimer et al. 2007).

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Die Schwierigkeiten, die sich bei Frakturen im Wachstumsalter ergeben, und die viel-fältigen Möglichkeiten in der Therapie führen noch immer zu lebhaften Diskussionen in der Literatur. Welche der aktuellen Therapien am geeignetsten ist, ein bestmögli-ches Resultat zu erreichen und zugleich eine kindgerechte Behandlung zu ermögli-chen, ist nicht pauschal zu beantworten und hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Alter der Patienten, der Art der Fraktur und den erlittenen Zusatzverletzungen (Hedin 2004). Weit verbreitet ist die Meinung, dass sehr junge Kinder in erster Linie konservativ behandelt werden sollten, ältere dagegen eher ope-rativ. Die Altersgrenze zur operativen Therapie wird allerdings unterschiedlich gezo-gen (Dietz et al. 2001; v. Laer und Kraus 2007; Dietz und Schlickewei 2011), wobei der Trend immer mehr dahin geht, auch jüngere Kinder operativ zu behandeln.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die verschiedenen Therapieoptionen bei der kind-lichen Femurfraktur gegeneinander zu gewichten. Es sollen jeweils die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren in den unterschiedlichen Altersgruppen ver-glichen werden. Weiterhin soll untersucht werden, ob der Wandel von der konserva-tiven zur eher operakonserva-tiven Therapie Vor- oder Nachteile für die kleinen Patienten und die Eltern bringt. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei der psychosozialen Bela-stung des Kindes geschenkt. Als Ergebnis der Studie soll eine Empfehlung für eine Therapie der kindlichen Femurfraktur gegeben werden.

Grundlagen

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