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„In den wichtigsten Ausbildungsstätten in Deutschland (Schulen, Fachhochschulen, Universitä-ten) gibt es keine professionelle Ausbildung zu fundamentalen Spielregeln von Kommunikation und Kooperation und zu „professioneller Menschenführung“ – selbst im Fach Psychologie und in der Kommunikationswissenschaft. Die Ausbildung beschränkt sich in ihrer Mindestanforde-rung ausschließlich auf die Vermittlung von juristischen, ökonomischen und technischem Fach-Know-How. Die zentralen Einrichtungen bilden viel zu wenig in den Schlüsselqualifikationen aus, die Führungskräfte in Wirtschaft, Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen dringend brauchen: Teamarbeit, Verantwortungsbewußtsein, vernetztes Denken, Zukunftsorientierung, Fähigkeit zu Innovation, Bereitschaft, Wagnisse einzugehen. In allen Fällen ist die „Fähigkeit zur Kommunikation“ die Basisvoraussetzung“ (Frey, 2000, S. 89f).

Diese anprangernde Aussage von Frey kann als Ausgangspunkt der hier vorliegenden Mas-terarbeit betrachtet werden. Die Förderung und (Aus-)Bildung von Schlüsselkompetenzen ist noch viel zu wenig an den Universitäten etabliert, zu stark ist der Fokus auf die fachliche Ausbildung; Schlüsselkompetenzen werden zwar von der Wirtschaft gefordert, aber nicht von der Hochschule geliefert. Obwohl Unternehmen ihre Bewerber1 aufgrund ihrer fachli-chen und überfachlifachli-chen Qualifikationen auswählen, ist eine direkte Förderung von Schlüs-selkompetenzen nur selten an den Universitäten vorgesehen und eingeplant. Doch seit etwa zehn Jahren findet auch in der Bildungslandschaft eine Veränderung statt: Mit dem Bologna-Prozess und dessen Umsetzung, nämlich der Einführung der Bachelor- und Mas-terstudiengänge, hat die bildungspolitische Debatte nach der (Aus-)Bildung von Schlüssel-kompetenzen wieder an Aktualität gewonnen. Neben der UNESCO (1997) oder dem Eu-ropäischen Rat (2006) fordert auch der deutsche Wissenschaftsrat (2008) eine Verbesse-rung der Lehre durch eine stärkere Konzentration auf selbstorganisiertes Lernen, auf Out-put statt InOut-put und die Vermittlung von „fachlichen sowie überfachlichen Kompetenzen“

(ebd., S. 8). Doch ist es wirklich die Aufgabe der Universität, diese Schlüsselkompetenzen zu vermitteln, wenn Wirtschaft und Politik sie fordert? Stellvertretend für die Studieren-denschaft beantworte ich diese Frage mit „ja“. Die von Frey genannten „Schlüsselqualifika-tionen“2 spielen eine wichtige Rolle im späteren Berufsleben der Studierenden. Die Verän-derungen der Lebens- und Arbeitswelt seit der Industrialisierung bringen neue Anforde-rungen für Berufseinsteiger mit sich. Es genügt nicht mehr nur über das fachliche Wissen einer Disziplin zu verfügen. Vielmehr werden die Absolventen bei der Berufssuche mit Anforderungen wie „Teamfähigkeit“, „Selbstständigkeit“ und „Verantwortungsbewusst-sein“ konfrontiert. Damit werden fachliche Kompetenzen keinesfalls obsolet, jedoch wächst der Druck, schon während des Studiums die überfachlichen Fähigkeiten zu erler-nen, die früher erst im Beruf ausgebildet wurden. Praktika sollen die Kompetenzen ergän-zen, die nicht in der Hochschulausbildung erworben werden. Gerne wird auch von der Generation Praktikum (DGB, 2007, S. 4) gesprochen. Eine Erhebung aus dem Jahr 2004 des Hochschul-Informations-Systems (HIS) zeigt, dass Studierende den Druck verspüren, bestimmte Kompetenzen zu besitzen, diese aber nur unzureichend an der Hochschule aus-gebildet werden. Nur 31 % der Absolventen geben an, dass sie nach Abschluss des

1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird hier und im Folgenden die männliche Schreibweise verwendet.

Dies schließt immer auch Studentinnen, Teilnehmerinnen oder Forscherinnen mit ein. Wenn möglich, wird die neutrale Form (z.B. Studierende) verwendet.

2 In der hier vorliegenden Arbeit wird – mit Ausnahme von direkten Zitaten – der Begriff ‚Schlüsselkom-petenzen’ verwendet. Dort wo der Qualifikationsbegriff verwendet wird, ist davon auszugehen, dass er sinngemäß dem Kompetenzbegriff entspricht. Für genauere Ausführungen siehe Kapitel 2.4.1.

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ums über ausreichende Sozialkompetenzen verfügen, 83 % schätzen sie aber als sehr wich-tig oder wichwich-tig für das Berufsleben ein (Schaepner & Briedis, 2004, S. 35).

Es muss bedacht werden, dass die Schlüsselkompetenzförderung jedoch nicht nur ein An-liegen der Wirtschaft und der Studierenden ist – auch die Universität selbst profitiert da-von. Studierende können mit Hilfe von Schlüsselkompetenzen den Studienalltag besser bewältigen, schwierige Situationen meistern und ihre Persönlichkeitsentwicklung unterstüt-zen, was letztlich eine traditionelle Aufgabe des Bildungssystems darstellt (Orth, 1999;

Chur, 2004).

In den letzten Jahren gewinnt ein Bereich der Schlüsselkompetenzen immer mehr Auf-merksamkeit, was ein Blick in die Stellenanzeigen illustriert: Die Bewerber sollen teamfähig, flexibel, kommunikationsfähig und konfliktfähig sein. Gerade die Sozialkompetenzen ste-hen im Fokus der Forderungen nach einer ganzheitlicste-hen Ausbildung. Gefragt sind dabei nicht – und das ist, was den Universitäten heutzutage angekreidet wird – Einzelkämpfer und Verwaltungsgenies. Vielmehr wird auf soziale Aspekte des Verhaltens untereinander wert gelegt: Es geht um die Fähigkeit in einer sozialen Organisation zu funktionieren, in-dem man mit anderen effektiv kommuniziert und kooperiert.

Wie kann die Hochschule diesen Forderungen jedoch gerecht werden? Dieser Frage wid-met sich die hier vorliegende Arbeit. Den Untersuchungskontext stellt dabei der Studien-gang Medien und Kommunikation an der Universität Augsburg dar. Es handelt sich dabei um einen relativ kleinen3 Bachelor- und Masterstudiengang, der aus den Kernfächern Me-dienpädagogik, Kommunikationswissenschaft und Medieninformatik aufgebaut ist und seit dem Jahr 2001 besteht. Studierende absolvieren in diesem Studiengang relativ viele Grup-penarbeiten, bei denen Sozialkompetenzen in großem Maße gefordert sind. Aufgrund der auftretenden Konflikte in den studentischen Arbeitsgruppen wurde im Jahr 2006 die Pro-jektgruppe der studentischen Mediatoren gegründet, die Konflikten vorbeugen, sie lösen und analysieren soll (Dürnberger & Jenert, 2007). Aus der Arbeit dieser studentischen Gruppe von Mediatoren entsteht der erste Ansatz zur Förderung von Sozialkompetenzen im Studiengang Medien und Kommunikation:

Hauptaufgabe der Mediatoren ist es zwar, bei Konfliktfällen in studentischen Arbeitsgrup-pen zu vermitteln und mit den Konfliktparteien eine Lösung zu erarbeiten. Jedoch ist die Hemmschwelle, um Hilfe bei der Lösung eines Konflikts zu bitten, anscheinend zu hoch, obwohl es genügend Konfliktfälle gibt. Die Mediatoren schlagen daraufhin eine Präventiv-strategie ein: ‚Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen’.

Wenn die Studierenden mit ihren Problemen sich keine Hilfe holen, müssen die Mediato-ren woanders ansetzen, und zwar am besten dort, wo Konflikte noch gar nicht entstanden sind. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist die Planung eines Workshops zur Konflikt- und Kommunikationskompetenz. Dieser Workshop soll den Studierenden das notwendige

„Handwerkszeug“ vermitteln, um durch richtige Kommunikation und bewusste Gruppen-arbeit einen Konflikt im Vornhinein zu verhindern oder wenigstens zu einem positiven Ergebnis zu führen. Zielgruppe für diesen Workshop sind die Erstsemester ab dem Win-tersemester 2007/08. Für die erste Vorlesungswoche wird daher ein halbtägiger Workshop konzipiert, der den Studierenden die Problemsituationen, die im Laufe eines Studiums in

3 Jedes Jahr wächst der Studiengang um etwa 50 bis 80 Teilnehmer, insgesamt studieren aktuell ca. 300 Studierenden den Studiengang.

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Gruppen auftreten können, verdeutlichen, und ihnen zeigen soll, wie man solche Situatio-nen vorab verhindert und/oder für alle Beteiligten positiv löst.4

1.1 Einordnung und Ziel der Arbeit

An diesem Punkt setzt die hier vorliegende Arbeit an: Sie will herausfinden, welchen Nut-zen der Workshop für die (Aus-)Bildung von SozialkompetenNut-zen hat und wie dieser Work-shop durch weitere Möglichkeiten der Förderung von Sozialkompetenzen ergänzt werden kann. Um Empfehlungen für eine Ergänzung geben zu können, muss auch die Frage ge-klärt werden, wie Schlüssel- bzw. Sozialkompetenzen gefördert werden können und wie im Vergleich andere Universitäten diese Aufgabe bewältigen.

Konkret sollen die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden:

1. Wie können Sozialkompetenzen an der Hochschule gefördert werden?

a. Welche theoretischen Ansätze gibt es dazu?

b. Welche Empfehlungen gibt die Literatur hinsichtlich der Lernformen, die verwendet werden sollten?

c. Wie fördern andere Hochschulen Sozialkompetenzen?

2. Was leistet das aktuelle Förderungsangebot zu Sozialkompetenzen (Workshop Kom-munikations- und Konfliktkompetenz) an der Universität Augsburg, Studiengang Me-dien und Kommunikation?

a. Welche Inhalte und Methoden beinhaltet der Workshop?

b. Was ist der unmittelbare Nutzen des Workshops?

c. Was ist der langfristige Nutzen des Workshops?

3. Wie kann das Angebot in Augsburg entsprechend ausgeweitet werden?

a. Wie kann der bestehende Workshop ggfs. verändert und ergänzt werden?

Als theoretisches Ziel meiner Arbeit kann die Erarbeitung der Grundlagen zur Förderung von Schlüssel- bzw. Sozialkompetenzen festgehalten werden (Fragenkomplex 1). Dabei sollen sowohl Notwendigkeit als auch die Möglichkeiten einer Förderung an der Hoch-schule illustriert werden. Im praktischen Sinne wird ein daran anknüpfendes Ziel verfolgt:

Hier wird erarbeitet, was der bestehende Workshop leistet und wie er ausgebaut werden kann. Das theoretische Ziel ist dabei Ausgangspunkt für die Evaluation des Workshops sowie für die Erarbeitung von möglichen Förderungsalternativen oder -ergänzungen. Das empirische Ziel ist die Evaluation des Workshops. Das Gestaltungsziel stellt vor allem für die Mediatoren selbst, also die Veranstalter des Workshops einen Mehrwert dar, da es ih-nen aufzeigt, welche Aspekte am Workshop gut und welche verbesserungsfähig sind:

Durch die Kombination von theoretischem und empirischem Teil werden also Handlungs-empfehlungen abgeleitet und damit die Förderung von Sozialkompetenzen unterstützt bzw. verbessert.

Ähnlich wie bei den Untersuchungen der OECD (‚Definition and selection of competencies: theore-tical and conceptual foundations; DeSeCo’; Rychen, 2004) wird auch in der vorliegenden Arbeit eine holistische Perspektive auf Schlüsselkompetenzen eingenommen. Sie sind ein komple-xes Konstrukt, das durch viele Einflussfaktoren geprägt wird und gefördert werden kann.

Von verschiedenen Autoren wird die Möglichkeit einer Förderung von Sozialkompetenzen an der Hochschule angezweifelt, da früheren Erfahrungen und Erlebnissen ein stärkerer Einfluss auf die Ausbildung von Sozialkompetenzen zugeschrieben wird. Es wird

4 Die Struktur und der Aufbau werden weiter unten genauer beschrieben.

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nommen, dass ein Großteil der Kompetenzen im Jugend- und Schulalter vermittelt werden (weiterführende Diskussion siehe u.a. Euler & Hahn, 2007, S. 449ff.). Bisher gibt es jedoch keine Erkenntnisse, die beweisen würden, dass eine Förderung zu späterer Zeit, etwa in der tertiären Ausbildung, keine Früchte trägt (ebd.). Die in der vorliegenden Arbeit vertretene Annahme ist weiters, dass den Studierenden die Notwendigkeit, Sozial- bzw. Schlüssel-kompetenzen auszubilden, durchaus bewusst ist und aktiv angestrebt wird, da sie um die Anforderungen im späteren Arbeitsleben wissen. Trotzdem muss relativierend erwähnt werden, dass eine Förderung an der Hochschule immer vor dem Hintergrund bereits durchlaufener Entwicklungen zu sehen ist und ihre Wirksamkeit auch von der bisherigen Entwicklung abhängt.

1.2 Aufbau der Arbeit

Um die Forschungsfragen beantworten zu können wird die Arbeit folgendermaßen aufge-baut:

Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Begriff der Schlüsselkompetenzen. Hier werden zuerst gesellschaftliche und bildungspolitische Bedingungen für die Forderung nach Schlüssel-kompetenzen thematisiert, um die Aktualität der vorliegenden Arbeit zu zeigen. Danach wird das Konzept der Schlüsselkompetenzen definiert, abgegrenzt und genauer beschrie-ben.

Kapitel 3 widmet sich den Sozialkompetenzen als Teilbereich der Schlüsselkompetenzen.

Auch hier erfolgt eine Abgrenzung und Definition des Konzeptes der Sozialkompetenzen.

Außerdem wird auf Modelle der Entstehung von sozialkompetentem Verhalten eingegan-gen. Ferner werden die zwei inhaltlichen Aspekte des Workshops Kommunikations- und Konfliktkompetenz näher betrachtet: die Kommunikations- und die Konfliktfähigkeit.

Kapitel 4 setzt sich mit der Förderung von Sozial- bzw. Schlüsselkompetenzen auseinander.

Dabei werden sowohl verschiedene Lernformen und Aspekte der Lernumgebung sowie der didaktische Dreischritt als Konsistenz der Lernziele, Methoden und Prüfung thematisiert.

Hier wird die Reflexion als wesentliches Element der Kompetenzförderung herausgestellt, das vor allem bei selbstgesteuertem Kompetenzerwerb, der bei Studierenden wahrscheinli-cher ist als bei bspw. Schülern, gewinnbringend eingesetzt werden kann. Anschließend werden eher organisatorische Ansätze zur Förderung von Sozialkompetenzen besprochen.

Kapitel 5 gibt einen Überblick über die innovativsten Ansätze zur Schlüsselkompetenzförde-rung an anderen Hochschulen im deutschsprachigen Raum und ordnet sie in ein entwickel-tes Bewertungsraster ein.

Kapitel 6 widmet sich dem empirischen Teil der hier vorliegenden Masterarbeit. Dabei wer-den wer-den Forschungsfragen entsprechend der Workshop und seine Inhalte dargestellt und daraus ein Evaluationskonzept entwickelt. Methodisch wird dazu auf mehrere Teilnehmer-befragungen zurückgegriffen. Anhand dieser Befragungen sollen Veränderungen in Bezug auf die Sozialkompetenzen abgebildet und auf den Workshop bzw. seine didaktische Aus-gestaltung zurückgeführt werden.

Kapitel 7 dient der Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung und überführt die-se in Handlungdie-sempfehlungen für die weitere Gestaltung der Sozialkompetenzförderung an der Universität Augsburg für den Studiengang Medien und Kommunikation

Kapitel 8 setzt sich schließlich mit der kritischen Würdigung der Arbeit sowie dem Ausblick und der Einordnung der Forschungsergebnisse auseinander.

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