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Der Calliope mini ist nicht der erste Mikrocontroller, der für Unterrichtszwecke entwickelt wurde. Aber er ist der erste Mikrocontroller, der in Deutschland gezielt für Grundschü-ler*innen entwickelt wurde und mit der Absicht verbunden ist, ihn flächendeckend einzusetzen. Nach der Vorstellung des Calliope mini in der Öffentlichkeit lösten diese Absichtserklärungen starke Reaktionen aus: zum einen eine Debatte über den Sinn des Programmierens in der Grundschule, zum anderen einerseits Begeisterung, andererseits Vorbehalte gegenüber der schnellen und breiten Distribution der Geräte. Denn welchen Bärendienst würde man einer Bildung für die digitale Welt erweisen, wenn zwar mit großem Einsatz Lernmaterialien an alle Grundschulen verteilt werden, diese dort aber – mangels erprobter Unterrichtskonzepte und mangels einer Bereitschaft der Lehrer*innen, mit ihnen zu arbeiten – ungenutzt liegen bleiben?

Der vorliegende Abschlussbericht zur Explorationsstudie Calliope mini stellt die Rahmen-bedingungen und Zielsetzungen einer Unterrichtserprobung in drei Schulen sowie die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der begleitenden Untersuchung vor. Er macht die erprobten Unterrichtskonzepte zugänglich und spricht Handlungsempfehlungen aus. Diese basieren angesichts der nur einjährigen Dauer des Projektes und der damit verbundenen Beschränkung auf vier Lerngruppen auf begrenzten Erfahrungen. Zugleich beziehen sie sich allerdings auf eine gewisse Breite an unterschiedlichen Ausgangsbedingungen mit Blick auf die beteiligten Schulen, Lehrpersonen sowie Schüler*innen.

Da generalisierende Aussagen auf dieser Grundlage nur vorsichtig getroffen werden können, konzentriert sich die Darstellung nicht ausschließlich auf Vorgehensweisen und Ergebnisse, sondern gibt Einblick in konkrete Bedingungen und Situationen, wie sie sich im Verlauf des Projektes an den Schulen zeigten. Die Studie stellt im Kontext eines gesellschaftlichen Prozesses zunehmender Digitalisierung einen Versuch dar, Ziele, Grenzen und Potenziale einer frühen schulischen Begegnung mit grundlegenden Funktionsweisen und

Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Technik am konkreten Beispiel zu untersuchen und aufzuzeigen.

Die Fragestellungen und Erkenntnisse beziehen sich daher zwar auch auf technische und infrastrukturelle Bedingungen der Durchführung von Unterricht mit dem Calliope mini. Sie fokussieren aber insbesondere auf die Lehr-Lern-Herausforderungen im Schulkontext. Zentral dafür sind die Inhalte und Lernhandlungen im Unterricht und die Perspektiven der

Lehrpersonen sowie der Schüler*innen, die sich auf das Lernabenteuer ‚Programmierung‘

eingelassen haben.

1.1 VORBEMERKUNG

Hinter dem Projekt „Calliope“ steht eine gemeinnützige GmbH, in der auch die Internet-botschafterin der Bundesregierung mitwirkt sowie verschiedene große IT-Unternehmen und der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ im Bundesministerium für Wirtschaft. Ziel der Initiative „Calliope“ ist es in erster Linie, die kompetente Nutzung von und das Interesse an digitaler Technik zu fördern, indem deutschlandweit jedem/jeder Schüler*in ab

Klassenstufe 3 ein Calliope mini zur Verfügung gestellt wird. Der Presse war zu entnehmen, dass es einen ersten Einsatz des Calliope im Saarland geben werde und weitere Bundesländer, u. a. Bremen, ihr Interesse bekundet haben, Calliope in den Schulen einzuführen. Auf dem IT-Gipfel 2016 in Saarbrücken wurde dann von der Calliope gGmbH das Mikrocontrollerboard öffentlichkeitswirksam vorgestellt.

Eine der frühen öffentlichen Reaktionen stammte von Patrick Beuth, Redakteur bei ZEIT ONLINE, der unter der Überschrift „Dieser Computer kann das Schulsystem revolutionieren“

seine Begeisterung zum Ausdruck brachte (Beuth 2016). Die Macher des Calliope mini äußerten sich trotz ihrer Überzeugung, dass eine flächendeckende Einführung wünschenswert sei, vorsichtiger und Bildungspolitiker*innen formulierten deutlich unterschiedliche

Einschätzungen.

Im Januar 2017 gab es zur Einführung von Calliope eine kleine Anfrage an den Bremer Senat, die wie folgt beantwortet wurde:

Insgesamt sieht der Senat bei der eher technikgetriebenen Calliope-Initiative noch einen hohen methodisch-didaktischen Klärungsbedarf. Auch über die pädagogischen Implikationen eines Einsatzes gerade im Grundschulbereich gibt es noch keine Erkenntnisse. Vor einem flächendeckenden Einsatz favori-siert der Senat daher zunächst einen kleinen, begrenzten und wissenschaftlich begleiteten Calliope-Pilotversuch in Bremen, mit dem unmittelbare Erfahrun-gen gesammelt werden, um anschließend mit allen relevanten und beteiligten Akteuren die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. (Senat der Freien Hansestadt Bremen 2016)

Die Deutsche Telekom Stiftung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Initiative ergriffen, im Rahmen ihres Projektes „Digitales Lernen Grundschule“ die vorliegende Studie zu fördern.

1.2 ZIELSETZUNG DER UNTERSUCHUNG

Ziel der Explorationsstudie ist es, die Möglichkeiten, gegebenenfalls die Limitierungen und den notwendigen Modifikationsbedarf des Mikrocontrollers Calliope und der Programmier-umgebung für den Grundschulunterricht, zu eruieren, vor allem aber auch zu explorieren, inwieweit die Förderung von Medienbildung und informatischer Bildung (insbesondere auch algorithmischem Denken) in der Grundschule mit dieser Technologie möglich ist. Im

Einzelnen wurden folgende Ziele verfolgt:

• Die vorliegende Hardware und Programmierumgebung wird daraufhin geprüft, ob sie funktional für die Grundschule geeignet und einsatzfähig sein kann. Die Usability soll in einer ersten Einschätzung auf ihre Eignung für Grundschü-ler*innen geprüft werden.

• Fachdidaktiker*innen entwickeln pädagogisch-didaktische Unterrichtseinheiten, exemplarisch für die Fächer ‚Mathematik‘ und ‚Sachunterricht‘ sowie für die fächerübergreifende Medienbildung. Mit diesen soll exploriert werden, inwie-fern auf der Basis existierender Lernsettings und Kompetenzbeschreibungen die Arbeit in der Grundschule projektiert werden kann.

• Die Erprobung von Lernumgebungen und Unterrichtseinheiten mit der Hard-ware Calliope und der entsprechenden Programmierumgebung in Grundschul-klassen im Bundesland Bremen soll Aufschluss darüber geben, ob und wie mit solchen Mikrocontrollerboards und entsprechender Software in der Grundschule gearbeitet werden kann. Die Unterrichtsversuche sollen erste Erkenntnisse dazu liefern, welche Kompetenzen gefördert werden können. Ein besonderes Augen-merk liegt darauf, ob und wie algorithmisches Denken initiiert werden kann.

2. THEORETISCHE UND BILDUNGSPOLITISCHE