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Einheit und Vielfalt in einem religionspädagogischen Konzept

unterricht

Das religionspädagogische Konzept Godly Play breitet sich seit 10 Jahren in Deutschland stetig an unterschied-lichen Bildungsorten aus – von der Kirchengemeinde über den Elementarbereich und die kirchliche Erwach-senenbildung ist Godly Play längst auch in der Schule angekommen.1 Das Konzept wurde geprägt durch drei Wurzeln:2 seine Herkunft aus der Sonntagsschule der presbyterianischen und episkopalen Kirche der USA, die Montessori-Pädagogik und die Seelsorge an schwer-kranken Kindern. Es intendiert bei Teilnehmenden und Leitenden komplexe Veränderungen auf verschiede-nen Ebeverschiede-nen. Dazu gehören der Zuwachs an religiöser Sprach- und Ausdrucksfähigkeit und die Priorisierung eines selbstgesteuerten religiös-spirituellen Verände-rungsprozesses beteiligter Kinder, ein Anliegen, was sowohl mit der Gemeindepädagogik als auch mit dem schulischen RU zu teilen ist.

Ermöglichung individuellen Lernens

Wie wird individuelles Lernen in diesem Konzept er-möglicht? Verkürzt beschrieben gibt es bei Godly Play einen immer gleichen Ablauf, der idealtypisch in eine Doppelstunde passt:

eine materialgestützte

1. Erzählung, präsentiert durch

eine der beiden Erwachsenen, die die Arbeit mit Godly Play anleiten (die „ErzählerIn“ erzählt – im folgenden Beispiel ich selbst –, die „Türperson“3 be-gleitet die Gruppe),

ein moderiertes

2. Gruppengespräch mit wiederer-kennbaren Fragen („Ergründungsphase“), geleitet durch den/die vorher Erzählende/n,

eine

3. Freiarbeitszeit mit einer selbstgesteuerten Wahl unterschiedlicher Lernformen mit unterschiedlichen Lernergebnissen und Lernprozessen („Spiel-und Kreativphase“). Hier begleiten beide Erwachsenen.

Eingebunden ist das Ganze in eine Eröffnung der 4. besonderen Lernphase als Gruppe (auch wenn man schon mehrere Unterrichtsstunden gemeinsam ver-bracht hat) und wird abgeschlossen durch ein klei-nes Fest, das wieder durch den/die Erzähler/in ge-leitet wird.

Für eine Klasse mit einer typischen Heterogenität an kognitiver, motorischer, sozialer Entwicklung bietet der scheinbar enge Ablauf und Rahmen ein hohes Maß an Binnendifferenzierung. Für eine gemeindliche Kinder-gruppe käme ein weiterer Faktor erschwerend dazu:.

Die Alterspanne einer Kindergruppe reicht häufig vom Elementarbereich mindestens über mehrere Grundschul-klassen.

Godly Play bietet konzeptionell mehr als einen Zugang für die Frage nach dem ganzheitlichen und individuellen Lernen in der heterogenen Gruppe.

Ich wähle hier den Zugang über die Struktur der Ge-samt-Inszenierung einer Godly Play-Einheit, deren

vier-in Kontakt mit der Erzählervier-in oder mitevier-inander zu treten.

Neben diesen Reduktionen gibt es aber auf der Seite der Erzählung und der Erzählenden auch Erweiterungen:

Die elementare Sprach- und Gestaltungsform dieser

Erzählung bietet Raum für Tiefenschichten. Man kann die Geschichte als historische Geschichte hö-ren, aber ebenso einen Transfer in andere existen-tielle Erfahrungsräume vollziehen. Dazu wird beim Erzählen nicht aufgefordert, es geschieht jedoch be-reits hier;

die Erzählende hat für sich biografische Bezüge und

Kontextualisierungen bereits „durchgespielt“. Im Idealfall wird sie ihren eigenen Transfer verarbei-tet haben und daraus lediglich die Ermöglichung des Transfers anderer als potentiellen Tiefen-Reso-nanzraum in ihrem Sprechen und ihren Gesten bereit halten. Praktisch könnte das z.B. die Ruhe der Er-zählung sein. Oder das Aushalten einer inneren Stil-le, das bewusst langsame Setzen von Figuren. Hier wird Resonanzraum für das Entstehen und Erinnern von Erfahrungen der Kinder gelassen;

erweitert wird die Aufmerksamkeitspräsenz im

Raum aber auch, weil das Konzept mit einer zwei-ten Leitungsperson arbeitet („Tür- oder Gruppen-person“), deren Aufmerksamkeitsfokus ganz bei den Einzelnen dieser Gruppe ist.

In dieser Phase des Ablaufs gibt es wenig Seitengesprä-che, jedeR ist mit dem eigenen Erlebens-und Erfahrens-prozess befasst. Und zugleich gibt es gemeinschaftliche Erfahrungen: mal ein Gelächter, eine einzelne Bemer-kung, die ausdrückt, was viele zu fühlen scheinen, ei-nen gemeinschaftlichen Prozess der Zunahme von Stille Ebenen und die Inhalte von neu entstandenen und

erin-nerten Erfahrungen.

Die Erzählung ist eine Form der Inszenierung. „Erfah-rung“ dieser Art wird aus der Bildungsperspektive von mindestens zwei Perspektiven her konstruiert. Einerseits entsteht sie aus der Perspektive der Inszenierenden durch Thema, Wortlaut, Gestaltungsform und Gestaltungsqua-lität der Erzählung, zu der auch situative und subjektive Faktoren wie Sprache, Stimme, Mimik, Gestik, Präsenz der Erzählenden gehören. Andererseits wird diese Er-fahrung konstruiert von Seiten jedes einzelnen Kindes durch kognitive (themenbezogene, gegenstandsbezoge-ne, prozessuale) Verknüpfungen mit seinen Kontexten, durch motivationale Faktoren, durch emotionale und äs-thetische Verknüpfung mit dem Material der Erzählung (einschließlich der Worte, Gesten, Materialien), durch Identitäten- und Rollen-Übernahme.

Bevor es aber zu dieser immensen Vervielfältigung von Konstrukten im Blick auf diese Erzählung kommt, findet man bei Godly Play aus der Lehrperspektive zunächst einige auffällige Reduktionen:

Eine reduzierte, elementare Satzkonstruktion,

ein-• fache Wortwahl, bewusst eingesetzte Wiederholun-gen, reduziertes elementares Material, kaum erzähl-te Gefühle;

die Zurücknahme der personalen Präsenz der

Er-• zählenden hin zu einer Fokussierung auf die eige-ne Erzählpräsenz hin: sie ist ganz in der Geschichte und zeigt das auch mit einer Reduktion der Blick-richtung: sie sucht nicht die begegnenden Blicke der SchülerInnen, sondern fokussiert allein die Erzäh-lung, die langsam in der Mitte der Gruppe entsteht.

Das ermöglicht den Kindern, auch ihre Blicke dar-auf zu fokussieren und nicht an dieser Stelle schon

Evamaria Simon

Godly Play –

Einheit und Vielfalt in einem religionspädagogischen Konzept

oder Motorik der Hände auf dem Teppich…

Das Ergründungs-Gespräch

2. a) In der darauf folgenden Ergründungsphase frage ich als Moderatorin des Ergründungsgesprächs interessiert nacheinander z.B. nach dem subjektiv Liebsten in der Geschichte, dem Wichtigsten, dem, was man lieber weg-lassen würde… Das sind Fragen nach dem emotionalen und kognitiven Zugang zum Ganzen der Erzählung, Fragen, die auffordern, den Inhalt zu strukturieren und zu gewichten, nach eigener Ablehnung und Kritik am Ganzen oder an Teilen der Geschichte und der Funktion einzelner Teile zu suchen, und Fragen, die nach Identifi-zierung bzw. Rollenübernahme fragen. Die Kinder ant-worten subjektiv – existentiell aus dem Erleben und Er-fahren der Geschichte, aus der eigenen Biografie. Alle Antworten werden gewertschätzt, einzelne Fragen reizen die Kinder zu Diskussion untereinander und bringen den Sozialisationsprozess stärker in Gang. Inhaltlich ist alles möglich, sogar, dass ernsthaft experimentiert wird mit der Wegnahme zentraler Gestalten der Erzählung.

Sehr häufig entstehen hier Gesprächsphrasen, die als

„Theologisieren“ der Kinder zu bezeichnen sind. Kin-der stellen eigene Fragestellungen oKin-der Thesen dar, ver-tiefen diese oder diskutieren miteinander, verknüpfen Gesprächsfäden und Kontexte und lassen sie auch wie-der fallen.

Wie erzeugen Kinder hier Theologie? Zunächst gewinnt man als Beobachtende den Eindruck, die Kinder reihten eine Meinung an die andere, eine Antwort folgt auf die nächste, manchmal scheinbar ohne Bezugnahme.5 Jeder führt zunächst seine eigene Sache. Mir fällt auf, dass sich sehr viele Kinder beteiligen, manchmal alle Kinder.

Die Ergründungsfragen beginnen sehr niedrigschwellig und setzen bei der subjektiven Erfahrung der Insze-nierung an, deren Prozess in das Gespräch unmittelbar

hineinragt. Das gibt Kindern die Möglichkeit, sich zu beteiligen, die bei eher kognitiven Prozessen weniger beteiligt sind. Die Motivation zum Sprechen speist sich aus den gerade erlebten Erfahrungswelten, aus deren In-tensität. Das macht es möglich, dass manchmal gerade diejenigen das Gespräch hoch frequentieren, die in ei-nem angrenzenden Fachunterricht eher wenig beteiligt sind.

Auch die Gestalt des Gesprächs unterscheidet sich von moderierten Erwachsenen-Gesprächen.

Unterschiedliche Kinder führen im eigenen

Interes-• se nebeneinander verschiedene Gesprächsfäden an unterschiedliche Ziele.

Kinder entwickeln eine andere

Themenführungs-• weise (z.B. sprunghaft nach einer Phase ein Thema wieder aufnehmen und weiterführen).

Kinder nutzen den vorbereiteten Raum, die

präsen-• tierte Geschichte und andere Wirklichkeiten wie Pa-rallelwelten nebeneinander als Experten und innere Impulsgeber im Gespräch, indem sie sie zunächst unbegründet aufeinander beziehen („…das ist wie bei..“). Dabei werden vielfältige Erfahrungsspiel-räume komplex nebeneinander gelassen in ihrer Verschiedenheit und nur manchmal „geklärt“ , z.B.

mittels Diskussionen.

Erwachsene haben Mühe, gedanklich

„hinterherzu-• kommen“, können um Verständigungshilfen bitten, die wiederum interessante, theologisch „fremde“

Linienführungen ermöglichen. Eine symmetrisch-thematische Kommunikation wird möglich.

b) Auch in diesen inhaltsbezogenen Gesprächsphasen ist (wie in der Montessori-Pädagogik) von der Lehrper-son eine fast „leitungs-abstinente“ Haltung gefordert, auch hier eine Reduktion. P. Freudenberger-Lötz be-nennt für die Lehrperson in theologischen Gesprächen mit Kindern/Jugendlichen drei situative Rollen: die

auf-Die Spiel-und Kreativphase

3. a) Diese Phase ist konzeptionell gedacht als Antwort der Kinder auf den Impuls der präsentierten Erzählung. Die Kinder gehen nun ihren subjektiven Lernprozessen nach, die in der vagen Umgebung der durch die Erzählung ini-tiierten Themenvielfalt entstehen. In der Spiel- und Kre-ativphase führen sie diese Prozesse zu einer individuel-len Fokussierung. Qualität und Vielfalt des angebotenen Kreativmaterials sollte unbedingt der Heterogenität und möglichen Erfahrungsvielfalt der Kinder entsprechen, um wirklich vielfältige Prozesse für möglichst viele Sin-ne zu ermöglichen.

Kinder wählen für diese Phase entweder das Geschich-tenmaterial der eben erlebten Erzählung oder einer an-deren Erzählung, oder Material, was elementares Spiel ermöglicht (Bausteine, Sand, Naturmaterial) oder sie wählen aus den Kreativmaterialien eine Methode der Auseinandersetzung mit ihrem Thema.

Die Kinder erleben kreative Prozesse und manchmal steht die Erarbeitung eines „Werks“ im Vordergrund, sie führen innere und soziale Auseinandersetzungen, sie inszenieren eigene Identitäten und Rollen im gemein-samen oder Einzel-Spiel, sie praktizieren spirituelles Probehandeln und führen ohne weitere Hilfsimpulse die eigene Sache auf eine andere eigene Erfahrungsebene.

Sie suchen manchmal auch die Einzel- oder Kleingrup-penbegleitung durch einen Erwachsenen.

Aber was erarbeiten sie inhaltlich? Aufgrund des kon-zeptionellen Respekts vor dem inneren Raum des Kin-des ist das am wenigsten analysierbar. Sie arbeiten in Prozessen, die unterschiedlichen Dimensionen von Bil-dung zuzuordnen sind:

Jemand stellt eine Spielszene auf und inszeniert

eine Geschichte, die nur materialiter noch an eine biblische Geschichte erinnert. Als Beobachtende ahnt man, hier geht es um eine herbeizuführende Problemlösung, die irgendwie biografisch bei die-sem Kind verankert ist;

manchmal wird eine Figur immer wieder einen

be-• stimmten Weg geführt, in unendlicher Zahl scheint hier etwas geübt zu werden. Die Beobachtende ahnt, vielleicht ist es hier ein Probehandeln, vielleicht ein spiritueller Weg, vielleicht geht es auch um ein fast magisches Vertiefen einer Veränderung;

ein Kind malt ein Bild, gefüllt mit verschiedenen

Tötungsmethoden: Vorher wurde darüber diskutiert, was wäre, wenn es das Gebot „Du sollst nicht töten“

nicht gäbe. Hier wurde möglicherweise einer Angst der nötige Raum gegeben und ein nichtsprachlicher Ausdruck für Unsagbares gefunden;

vieles bleibt so unklar, wie es zu sehen ist.

Manch-• mal suchen Kinder Erwachsene als Begleitung aus und zeigen einem ein Stück dieses Prozesses. Sie verbalisieren, was nötig ist.

Die Kinder genießen diese Phase besonders. In der Mei-nung der Kinder dürfte sie in der Praxis niemals fehlen.

merksame BeobachterIn, die stimulierende Gesprächs-partnerin und die begleitende Expertin,6 die jeweils auch unterschiedliche Kommunikationsebenen7 betreffen.

Die Moderatorin des Ergründungsgespräches bei God-ly Play reduziert ihre situativen Rollen überwiegend auf die symmetrische (Beziehungs-) Kommunikationsebene und wenig auf die asymmetrische Kommunikation der Inhaltsebene.

Indem sie dafür sorgt, dass die Fragen und Deutungen der Kinder gewertschätzt werden, zielt ihr Agieren in dieser Rolle auf eine symmetrische Kommunikation. Dazu ver-hilft eine Variante dieser situativen Beziehungs-Rolle:

die Sicherung des Gesprächsraumes, der Gesprächsre-geln, die allerdings eine asymmetrische Kommunikati-onsebene betreffen können, wenn Störungen vorliegen.

Aber auch, wenn sie fragt: „Ich frage mich, was euch hier das Liebste ist?“, fragt sie das auf einer symmetri-schen inhaltlichen Ebene. Auch sie fragt sich das dabei.

Eine weitere situative Rolle ist die der aufmerksamen Beobachterin, die auf umgekehrt-asymmetrischer Kom-munikationsebene stattfindet: die Lehrende wird durch die Aussagen der Kinder angeregt. Sie bewirkt auch bei Godly Play eine flexiblen Umgang mit eigenen Intenti-onen bzw. hier beim Ergründungsgespräch im Umgang mit den weiteren Fragen. Zwei weitere situative Rollen werden stark eingeschränkt bzw. übertragen: die stimu-lierende Gesprächspartnerin wird stark eingeschränkt und mit der Wahrnehmenden-Rolle verbunden: wenn die Gruppe eigene Fragen bewegt bzw. bei einer bestimm-ten Frage vertieft, entscheide ich mich Prozessbezogen gegen eine weitere Impulsgabe und halte so auch diese Rolle verstärkt auf der Beziehungsebene, weniger auf der Inhaltsebene.

Auf der Rückseite dieser reduzierten Haltung ist wieder eine umso stärkere Öffnung und Erweiterung zu beob-achten. Die aufmerksame BeobachterIn agiert in zwei Wahrnehmungsformen:

Die fokussierte Wahrnehmung: Hören und Verste-hen dessen, was der/die Einzelne äußert, seinen Ge-sprächsfaden durch das ganze Gespräch, Themen der Gruppe, die sich nach und nach entwickeln und deren unterschiedliche Lösungsversuche;

die diffuse Wahrnehmung: Hören und Erspüren des gesamten Gesprächsprozesses und seiner situativen Wendungen, Atmosphäre, Energie bestimmter Fra-gestellungen /Äußerungen in der gesamten Gruppe, verhinderte, vermiedene Themen.

Auch als Moderatorin hängt die ermöglichte Weite des entstehenden Gespräches mit meinem inneren Ge-sprächs-Resonanzraums zusammen, mit meiner eigenen Vor-Vertiefung von Themen und mit meiner authenti-schen Bezogenheit (Interesse) auf das, was die Einzel-nen und diese konkrete Gruppe als Ganze bewegen und hervorbringen. Denn nur wenn ich wirklich darauf be-zogen bin, werde ich nachfragen, wenn eine interessante Verknüpfung geschieht oder werde ich noch abwarten, bevor ich meine nächste Frage einbringe.

Aber die „Produkte“ bzw. „prozessualen Ergebnisse“

dieser Phase bleiben unklarer als in verbalisierten Pha-sen dieses Konzeptes.

In der Adaption des Konzeptes innerhalb einer Projekt-arbeit ließen wir Kinder ihre Arbeiten präsentieren, wie sie es von anderen Projektarbeiten gewohnt waren. Hier entzogen sich die eigentlichen Dinge, Kinder veränder-ten willentlich, was sie eben noch „gespielt“ hatveränder-ten. Dar-aus und Dar-aus weiteren Beobachtungen leitete ich ab, dass das eigentliche Spiel für das jeweilige Kind selbst unge-mein wichtige, klare und authentische Prozesse erzeugt, die sie selber „verstehen“ und ihnen selbst Veränderung bringen.

Bei alldem sind im Godly-Play-Raum keineswegs nur Individualisten am Werk. Die Kinder spüren und sehen und erleben miteinander (im selben Raum), was die je anderen erarbeiten, lassen sich anstecken, grenzen sich ab und übernehmen bisher vergessene Anteile des Grup-penprozesses.

b) Die völlige Reduktion intentionaler Aktivität erfor-dert in dieser Phase von den Lehrenden mehr als eine Zurücknahme: darauf zu vertrauen, dass hier Bildung geschieht, ohne ein Hinterfragen der gewählten Art der Beschäftigung mit dem Gegenstand. Erwachsene sind hier vorsichtige Hinterherhorchende, nur als Gefrag-te auch BegleiGefrag-terInnen. Das ruft nach seelsorgerlicher Kompetenz, meint aber auch andere Kompetenzen, die auf der Beziehungsebene angesiedelt sind: Neugier und Offenheit, Umgang mit dem eigenen nur fragmentari-schen Verstehen eines ganz anderen Konstruktes.

Anders als beim Theologisieren mit Kindern übernimmt hier der vorbereitete Raum die Expertenrolle (z.B. ein vorhandener Atlas für die mögliche Frage: Wo liegt eigentlich Babylon?) und auch die Rolle des stimulie-renden Gesprächspartners („wozu ist dieses Material eigentlich da?“), aber auch das Kind selbst und seine Motivation zur Veränderung einer Situation übernimmt solche Rollen. Das ist gewöhnungsbedürftig bzw. fordert von Lehrenden die innere (auch Trauer-)Arbeit am „Las-sen“ bzw. eine eigene innere Arbeit hin zum Spielenden bzw. zum informellen Lernen im Rahmen des formellen Bildungsprozesses. M.E. ist es möglich zu solcher Re-duktion zu gelangen, wenn Lehrende ihre Beobachten-den- und Wahrnehmungsrolle im oben benannten Sinn stark ausweiten. Das bedeutet, dass sie ihre Rollen-Ar-beit auf der thematischen Kommunikationsebene stark eingrenzen und auf die symmetrische Beziehungsebene fokussieren müssten.

Das Fest und der Rahmen

4. a) Am Ende gibt es ein Fest. Es ist klein, vom Konzept her bietet es eine minimale Gottesdienststruktur, Essen und Trinken und ein Lied, ein spirituelles Angebot von Feier, Gebet, Segen…. Ein Probehandeln oder doch erfahrbare Spiritualität oder der Abschluss einer beson-deren gemeinsamen Erfahrung? Manchmal fallen hier würdigende Worte über die Gemeinschaft in der Klasse und ihren Prozess: ich finde, dass wir eine tolle Klasse

sind…

b) Das Fest ist vielleicht die Phase, die im Schulkontext am schwersten integrierbar ist. Und doch ermöglicht es wie im Anfang, dass viele individuelle Fäden sich be-gegnen, ohne sie noch einmal zu thematisieren. Hetero-genität kann ausgehalten werden, wenn man zusammen isst, trinkt und in der Mitte eine Kerze brennt, wenn ge-meinsam Stille erfahren wird und eine liturgische Wach-heit und vielleicht sogar Sprache sich findet.

Am Ende die Frage: Wer lernt hier was und wie? Na-türlich lernen die Kinder, auch beim Spielen. Aber auch unterschiedliche Lehrende lernen Verschiedenes: z.B.

dass Lernen anders geht, als reflektierend manchmal klar zu planen und zu beschreiben ist. Dass Ebenen in das religiöse Lernen hineinfinden, die in Bildungspro-zessen schnell störend wirken: Beziehung und Emotion, Biografie und Existenz, auch die mediale Erfahrungs-ebene… Lehrende lernen neue Sichten auf biblische Geschichten und dass Gespräche nicht so gehen, wie Gespräche gehen müssten. Lehrende lernen, wie ver-bunden Parallelwelten sein können und wie verwandelt Kinder manchmal lernen können. Und sie buchstabieren einmal mehr ihre eigenen „special needs“.

Evamaria Simon ist Studienleiterin im AKD und Godly-Play-Fortbildnerin.

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1 Zu grundsätzlichen Adaptionen, Chancen und Grenzen des Konzeptes in der Schule: Martin Steinhäuser: Godly Play in der Schule? – Aporien und Chancen . Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 9 (2010), H.2, 199-211 Dort finden sich auch Hinweise auf weitere Literatur bezüglich Godly Play und Schule.

2 Auf die ich hier aus Platzgründen nicht näher eingehen kann, differenzierter s. M.Steinhäuser: Godly Play Bd. 1 und 5 , Leipzig 2006/ 2008

3 Ein/e zweite Erwachsene/r, ist für die Gruppe und für situative Prozesse Einzelner da, sie gewährleistet Subjektorientierung und sorgt für die Wah-rung des „sicheren Raumes“ Einzelner und der ganzen Gruppe. „Sicherer Raum“ meint in Anlehnung an die Montessori-Pädagogik hier innere und äu-ßere Räume pädagogischer und situativer Prozesse, die im kirchengemeind-lichen Bereich manchmal nicht so klar abgegrenzt sind, wie im schulischen Bereich.

4 Ich beschreibe Godly Play im Folgenden aus der Erfahrung meiner Zu-sammenarbeit mit der Ev. Grundschule Brandenburg, wo das Konzept in Themen-Projekten seinen Platz hat, aber auch im regulären schulinternen Curriculum als ein Konzept zwischen vielen anderen in situativer Regel-mäßigkeit eingesetzt wird und wo inzwischen ein eigener Godly Play-Raum eingerichtet wurde.

5 Vollständiges Transkript eines Ergründungsgespräches: download unter http://www.godlyplay.de/literatur-zu-godly-play-2/volltexte-zum-download.

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6 Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Jugendlichen.

Erfahrungen- Beispiele-Anleitungen, München 2012, S.15.

7 Dies., Theologische Gespräche mit Kindern, Stuttgart 2007, 51f in Anleh-nung an H. Schluß.

Es ging ein ziemliches Raunen durch Deutschland, als der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, nach seiner Inspektionsreise 2006 das Land, das sich als Land der Dichter und Denker bezeich-net, für seine mangelhafte Integrationspolitik kritisierte.

Traditionell ist man in Deutschlands Bildungswesen der Auffassung, man schafft dem schulischen Lernen da-durch die besten Voraussetzungen, dass man möglichst homogene Lerngruppen bildet. Dafür steht nicht nur das

Traditionell ist man in Deutschlands Bildungswesen der Auffassung, man schafft dem schulischen Lernen da-durch die besten Voraussetzungen, dass man möglichst homogene Lerngruppen bildet. Dafür steht nicht nur das