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Einfluss einer Änderung des Kortisolmilieus auf Netzwerke des Gehirns

Im Dokument fMRT-Ruhenetzwerke gesunder Probanden (Seite 120-124)

4. Diskussion

4.5 Auswirkungen einer veränderten Kortisolumgebung auf das Gehirn in Ruhe

4.5.1 Einfluss einer Änderung des Kortisolmilieus auf Netzwerke des Gehirns

Die Änderung der funktionellen Konnektivität in Abhängigkeit des Kortisolmilieus wurde zu drei Messzeitpunkten verglichen, vor der Injektion von Placebo oder Kortisol sowie 5 und 30 Minuten nach der Injektion.

Zum ersten Zeitpunkt zeigte sich dabei eine niedrigere funktionelle Konnektivität zweier Hippokampus-Subregionen (Subiculum und Cornu ammonis) im kortisolsupprimierten Status. Dass sich vor der Injektion die Placebobedingung noch nicht von der Kortisolbedingung unterschied, erklärt, weshalb der post hoc Test zwischen diesen beiden Bedingungen keine signifikante Unterschiedlichkeit der Konnektivität für diese Hippokampus-Subregionen zeigte.

Für den zweiten analysierten Zeitpunkt (EARLY) fand sich eine reduzierte funktionelle Konnektivität der Amygdala im Vergleich zwischen Kortisol und Placebo und eine noch niedrigere Konnektivität zwischen Kortisol und dem kortisolsuppremierten Status. Die Hippokampus-Subregionen aus dem PRE

Zeitfenster waren hier nicht mehr als unterschiedlich zu identifizieren, stattdessen zeigte sich eine schwache Unterschiedlichkeit der funktionellen Konnektivität in den Netzwerken des mPFC und rostralen ACC.

Die Abnahme der funktionellen Konnektivität des mPFC verstärkte sich dabei für den dritten Zeitpunkt (LATE), wobei hier weder die Änderungen der funktionellen Konnektvität des Hippokampus noch der Amygdala sichtbar waren.

Das Muster dieser Konnektivitätsunterschiede pro Zeitfenster ist nicht einfach zu interpretieren.

Grundsätzlich bestand aber eine Abhängigkeit von den Zeitfenstern, die mit dem Aufbau des Injektionsexperiments zusammenhing: Beim ersten Zeitfenster lag noch keine exogene Anhebung des Kortisolspiegels vor, beim zweiten war Kortisol bzw. Placebo einige Minuten im Organsimus und damit im Gehirn vorhanden und beim 3. Zeitpunkt etwa 30 Minuten. Da sich die Kortisolsuppres-sionsbedingung nicht änderte müssen alle zeitabhängigen Änderungen mit der Kortisol/Placebo-Injektion zusammenhängen. Das erste Zeitfenster mit Unterschieden in der hippokampalen Konnektivität könnte daher am ehesten den Kortisolentzugseffekt des Dexamethasons widerspiegeln. Eine spezifische

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Reaktion des Hippokampus, der über eine hohe GR-und MR-Dichte verfügt (Seckl et al., 1991), scheint plausibel. Im zweiten Zeitfenster scheint ein früher Kortisoleffekt auf die Amygdala eine Rolle zu spielen, der dann später von einer Reaktion des PFC abgelöst wird.

Dass es einen zeitabhängigen Effekt von GC im Gehirn gibt, wurde zuvor schon sowohl in Tier- als auch Humanstudien untersucht und festgestellt (Ferris und Stolberg, 2010; Henckens et al., 2010; Makara und Haller, 2001). Beispielsweise zeigte die Amygdala in einer fMRT-Studie eine zeitabhängige Änderung der Konnektivität in Ruhe gegenüber emotionalen (visuellen) Stimuli, die mit dem Kortisolgehalt des Speichels korreliert werden konnte. Eine Zeitabhängigkeit der Amygdalaantwort auf exogen apliziertes Kortisol wurde von Henckens et al. (2010) in einer Paradigma-fMRT-Studie gezeigt: Hier wurde eine, vom Zeitpunkt und vom Stimulus (glückliche gegen angstvolle Gesichter) abhängige BOLD-Antwort der Amygdala gefunden, sowie auch eine kortisolabhängige stärkere Konnektivität zwischen der Amygdala und dem mPFC.

Aus dem Ruhe-fMRT-Bereich liegt eine Arbeit vor, die sich mit der Auswirkung einer oralen Kortisolapplikation speziell auf die Amygdala-Konnektivität befasst.

Henckens et al. (2012) zeigten hier in einer seedbasierten Analyse, dass nach 105 Minuten nach der Einnahme von 10 mg Kortisol die Konnektivität der Amygdala zum Hypothalamus, zum Hippokampus und zum Locus coerullus abnahm. Eine dieser Zielregionen (Hippokampus) stimmt damit mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit überein. Die Ergebnisse stimmen sogar bezüglich ihrer Richtung mit den hier gezeigten überein, obwohl sowohl das Zeitfenster, als auch die Kortisolmenge der beiden Analysen nicht vollständig vergleichbar sind.

Unter anderem auch wegen ihrer reziproken Verbindungen zu dem dorsalen Kontrollnetzwerk, zu welchem auch der Hippokampus, dorsale Regionen des ACC und der präfrontale Kortex gehören, wird die Amydgala mit der Regulation von affektivem Verhalten in Verbindung gebracht (Drevets et al., 2008; Phillips, 2003;

Roy et al., 2009). Dass daher die Amygdala, als Knotenpunkt der Emotionsverarbeitung, sehr früh auf die Änderungen des Kortisolmilieus reagiert, scheint plausibel. Das Verschwinden dieses Unterschieds der Konnektivität der Amygdala nach 30 Minuten könnte spezifisch für die hier gewählte Dosis und Zeitachse sein, verweist aber in jedem Fall auf eine Zeitabhängigkeit der Amygdalareaktion auf Kortisol.

Dem im LATE Zeitfenster prominenten mPFC werden, je nach Subregion und abhängig vom Stressortyp, unterschiedliche Modulationsmöglichkeiten der HPA-Achse zugesprochen (Czeh et al., 2008; Dedovic et al., 2009b). Interessant bei dem vorliegenden Befund ist, dass sich die Konnektivitätsabnahme des mPFC schon zum EARLY Zeitpunkt durch einen Trendeffekt andeutet, aber erst für das

LATE Zeitfenster signifikant wurde. In Tiermodellen wurde gezeigt, dass der mPFC dicht besetzt mit GR ist (Sanchez et al., 2000), was darauf hindeutet, dass diese Region die Auswirkungen der Kortisolsuppression durch Dexamethason sensitiv

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registrieren sollte. Da Dexamethason zum Zeitpunkt der Messung bereits 14 Stunden im Organismus war, war das Netzwerk des mPFC an diese Kortisol-Deprivation bereits adaptiert, weshalb möglicherweise für diese Region keine funktionelle Konnektivitätsänderung im PRE Zeitfenster gefunden wurde. Beim Zeitpunkt der Kortisolgabe könnte der mPFC (möglicherweise sogar über die Amygdala ausgelöst vgl. Veer et al.(2011b)) das Signal zur Änderung der HPA-Achsen-Modulation erhalten haben und daher in Folge der Anpassung sich erst später der Effekt auf funktionelle Konnektivitätsänderung im Vergleich zum supprimierten Status zeigt.

Durch die Interaktion zwischen rechtem und linkem mPFC nach Injektion könnte die Inhibition auf die HPA-Achse möglicherweise gelöst worden sein. Dies hätte dann zur Folge, dass die Produktion und Ausschüttung von Kortisol, in Reaktion auf die Injektion, wieder aufgenommen werden kann. Zu klären bleibt, weshalb für den mPFC kein (messbarer) Unterschied zwischen Placebo und Kortisol gefunden wurde. Möglicherweise war die Menge an injiziertem Kortisol nicht ausreichend, um ausreichende Effekte im mPFC im Vergleich mit einer Placeboinjektion zu erzielen.

Des Weiteren könnte die mPFC-Region eine hierarchisch übergeordnete Regulatorfunktion in den kortikalen Netzwerken innehaben. Dass die Sensitivität gegenüber einer Änderung des Kortisolmilieus im präfrontalen Kortex am höchsten ist, wurde auch durch die Ergebnisse der FCDM-Analyse unterstützt.

Auch hier wurde eine starke Reduktion der Konnektivität in der kortisol-suppremierten Bedingung beobachtet. Die Änderung der Konnektivitätsdichte war jedoch interessanterweise im DLPFC am stärksten. Diese hypothesenfreie Analyse zeigte auf dem gewählten Signifikanzniveau keine sonstigen Areale, insbesondere auch nicht die erwähnten limbischen und paralimbischen Seedregionen. Der ohnehin schon sehr subtile Effekt der limbischen Region (Amygdala) und des mPFC in den seedbasierten Analysen scheint also insgesamt schwach im Vergleich zum Effekt im DLPFC. Der Nachteil der FCDM-Methode wird hier auch sichtbar, da die genauen Zielorte der Konnektivitätsänderung zum DLPFC unklar sind.

Einschränkend muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werde, dass auch eine andere Ursache für die hier gefundenen Konnektivitätsunterschiede verantwortlich gemacht werden könnte. Ein Unterschied zwischen der Aufnahme der drei unterschiedlichen Kortisolmilieubedingungen bestand nämlich darin, dass nur in der Placebo- und Kortisolbedingung den Probanden eine intravenöse Verweilkanüle gelegt wurde. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Probanden sowohl in der Placebo- als auch in der Kortisolbedingung vor der eigentlichen Intervention einen erhöhten Kortisolspiegel auf Grund des physischen Stressors hatten. Die zusätzliche Injektion von 20 mg Kortisol könnte dann keinen besonders ausgeprägten Effekt mehr auf die ohnehin schon durch endogenen Stress

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beeinflussten (Kontroll-)Netzwerke haben (van Marle et al., 2010; Veer et al., 2011a).

Als weitere Erklärungsalternative weshalb zwischen der Placebo- und der Kortisolbedingung kein deutlicher Konnektivitätsunterschied detektiert werden konnte, könnte auch an der antizipatorischen Angst der Probanden gegenüber der Kortisolinjektion gelegen haben. Da die Probanden bezüglich der Art der Intervention verblindet waren und sie, einer Befragung nach, zwar den Zeitpunkt, aber nicht die Art der Injektion wahrnehmen konnten (vgl. dazu auch Strelzyk et al.

2012, Lovallo et al., 2010) ist es plausibel, dass die Annahme Kortisol zu erhalten, an beiden Messtagen bestand, aber nicht während der Messung unter Dexamethasoneinfluss. Auch hatten die Probanden angegeben, den Injektionszeitpunkt durch die kühle Temperatur der Flüssigkeit bemerkt zu haben.

Für zukünftige Studien bedeutet dies:

Erstens, sollte die zu injizierende Lösung möglichst auf Körpertemperatur angewärmt werden;

Zweitens, sollten die Probanden noch ausführlicher darüber aufgeklärt werden, dass Kortisol keine spürbaren physiologischen Akuteffekte hat, um eine Antizipationsangst zu minimieren;

Drittens, sollten Kortisolmessungen vor der Injektion durchgeführt werden, um die durchschnittliche Dauer der Stressreaktion, ausgelöst durch das Anlegen einer Veneverweilkanüle besser dokumentieren zu können.

Aus dem letztgenannten Versuchsaufbau könnte dann der nötige Abstand zwischen Anlegen der Venenverweilkanüle und Normalisierung des Kortisolhaushaltes bestimmt werden. Es ist denkbar, dass die Berücksichtigung dieser „vorgeschaltenen“ Kortisolausschüttung nach physischem Stress (Schmerz), sogar noch entscheidender ist, als die exakte Einhaltung der gleichen Tagesuhrzeit zur Vermeidung von zirkadian Effekten.

Abschließend lässt sich an dieser Stelle zusammenfassen, dass die Änderungen des Kortisolmilieus insgesamt andere Auswirkungen auf die untersuchten Netzwerke hatten, als zu Beginn der Studie vermutet. Durch die genannten zusätzlichen Einflussfaktoren auf das Kortisolmilieu, die vor allem die Placebobedingung moduliert haben könnten, scheint die schwache limbische Reaktion zumindest teilweise erklärbar. Es wurde dennoch ein Netzwerk mit zeitlich gestaffelter Sensitivität gegenüber Änderungen des Kortisolmilieus, bestehend aus Teilen des Hippokampus, der Amygdala und Regionen im PFC, als ein Ruhenetzwerk der Stressreaktion erkennbar.

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4.5.2 Placebo-kontrollierte Effekte der Kortisolinjektion auf die funktionelle

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