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Eine Sakrallandschaft auf der Osterinsel

Im Dokument Alltag Archäologie (Seite 22-25)

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in Zeiten großer trockenheit, wenn die ernte bedroht war, baten die rapanui ihren König um hilfe. Der König befahl seinem Priester, gebete an den gott hiro zu sprechen. Der König war der Vermittler zwischen seinem Volk und dem Priester. Der Priester wurde mit roter und schwarzer Farbe bemalt und beaufsichtigte die Zeremonie. er sammelte Koral-len und frischen Seetang, der mit Seewasser vollgesogen war, und trug sie auf die Krone eines hügels. Dort betete er um regen, den man die „langen tränen des hiro“ nannte. er blieb auf dem hügel, bis es zu regnen begann und lief dann den hügel hinab, so dass die wolken ihm bis zu den Feldern folgen konnten.

Aus einem Bericht des Schweizer Ethnologen Alfred Métraux von den Rapanui auf der Osterinsel (1940).

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ava ranga Uka a toroke Hau liegt 270 Meter über dem Meeresspiegel an der Quebrada Vaipú, einem kleinen bach, der heute nur noch nach heftigen niederschlägen Wasser führt.

oktokopter-aufnahme: chr. Hartl-reiter und d. Schäfer

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„Bis vor kurzem wusste man nicht viel über die wassernutzung auf der osterinsel”, erklärt Burkhard Vogt, Direktor der Kommis-sion für archäologie außereuropäischer Kulturen (KaaK) des Dai und leiter eines Vorhabens, das auf der osterinsel die hydrauli-sche architektur und die komplexe Bedeutung des wassers unter-sucht. „außer ethnografischen hinweisen haben wir nicht viel”, beschreibt Vogt eine der anfangsschwierigkeiten des Unterfan-gens. Der Niederschlag auf der osterinsel gehört zwar innerhalb des subtropischen Klimagürtels zu den höchsten der welt, den-noch beklagten frühe Besucher der insel die schlechte Qualität des wassers und die auffällige abwesenheit von Flüssen und Bächen. Der Missionar Sebastian englert fertigte 1948 eine liste von Brunnen und Zisternen an – soweit die Quellenlage.

als die osterinsel zum ende des 1. Jahrtausends besiedelt wurde, begannen die rapanui, die im rahmen der Polynesischen expan-sion ursprünglich von Mangareva oder von den Marquesas kamen, ihre insel in großem Maßstab zu verändern. Sie führten neue Pflanzen- und tierspezies ein, bauten Siedlungen und zere-monielle Zentren, beuteten Steinbrüche aus und errichteten rie-sige Felsgärten. einer der dramatischsten eingriffe war die Ver-nichtung des Palmenbestandes, der die insel zur Zeit der ankunft der Siedler bedeckt hatte – was nicht ohne weitreichende Folgen blieb.

Die Böden degradierten. andauernde erosion war die Folge.

im Vorhaben von Burkhard Vogt und seinen Kollegen ging es anfangs „nur“ um hydraulische architektur. Seit 2008 sind die archäologen, ein team aus deutschen und chilenischen For-schern, vor ort und mussten schließlich erkennen, dass ihr Projekt eine unerwartete wendung genommen hatte. „Die art der was-sernutzung stellte die unterschiedlichen aspekte gezielter

land-schaftsgestaltung, opferhandlungen und Bestattungssitten in einen Sinnzusammenhang“, erklärt Vogt. „Und plötzlich sahen wir uns mit der herausforderung konfrontiert, die rolle des wassers im Kontext einer rituell veränderten landschaft untersuchen zu müssen.“ auf der osterinsel waren die Kunst der wasserbauinge-nieure und diejenige der landschaftsgestalter integrale teile ritu-eller Praktiken. es ging also nicht in erster linie um wasserbau im technischen Sinne, etwa um das aufstauen von wasser oder um Bewässerung. So wurde aus dem Projekt eine umfassende, multi-disziplinäre Studie einer Sakrallandschaft, in der das Zusammen-spiel von hydraulischer und Sakralarchitektur eine herausragende rolle spielt.

d E r F u N d P l at z

ava ranga Uka a toroke hau ist mit seinen Veränderungen der natürlichen Umgebung und landschaft, mit der Monumentalar-chitektur, den hydraulischen installationen, umfangreichen Deponierungen von opfergaben und grabkonstruktionen einzig-artig unter den rituellen Plätzen auf der osterinsel. hier beson-ders zeigt sich, dass das wassermanagement – die rapanui waren gut vertraut mit grundlegenden techniken und den Funktions-prinzipien der hydraulik – eine starke rituelle Komponente bein-haltete.

Mit den archäologischen und geoarchäologischen Untersuchun-gen in ava ranga Uka a toroke hau, das am einziUntersuchun-gen saisonal wasser führenden Bachlauf der osterinsel liegt, wird nun erstmals ein ensemble von wasserwirtschaftsbauten mit Dämmen, Kanä-len und wasserbecken, landschaftsgestaltender Monumentalar-chitektur mit terrassen und Pflasterungen, von gräbern und Sa kralstrukturen mit ritualplattform und Feuerstellen erfasst, wie es in dieser Kombination auch im restlichen Polynesien bisher noch nicht untersucht wurde. „wir deuten es vorläufig als ein

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1 Die prominentesten hydraulischen Installatio-nen sind zwei dammartige KonstruktioInstallatio-nen R1 und R2, die das Tal in einem Abstand von 45 Metern vollkommen blockierten. Sie funktionier-ten als System.

2 Die Dämme bestehen aus Erdaufschüttungen, die talseitig mit einer Geröll- und Bruchstein-mauer verblendet wurden. Die Radiokarbonana-lyse ergab, dass die Bauten im späten 13. Jahr-hundert errichtet und möglicherweise gleichzeitig einige Jahrzehnte vor dem Eintref-fen der ersten Europäer im Jahr 1722 durch eine außergewöhnliche Flut zerstört wurden.

Fotos: B. Vogt, DAI KAAK

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consejo de Monumentos Nacionales Sant-iago, hanga roa; Museo antropológico Padre Sebastian englert; hanga roa; Fran-cisco torres hochstetter; consejo National Forestal, hanga roa; Mata Ki te rangi Foundation, hanga roa; hafencity Univer-sität hamburg; christian-albrechts-Uni-versität zu Kiel; Bayrisches landesamt für Denkmalpflege, München; Fachhoch-schule Köln.

ser- und Fruchtbarkeitsheiligtum, das wohl zwischen dem 13. und dem frühen 17. Jahrhundert in Benutzung war“, sagt Vogt.

Der Name des grabungsplatzes gibt einen hinweis auf ein weite-res bedrohliches Phänomen im wasserhaushalt der osterinsel.

„wo der Körper der Uka, tochter des toroke hau, im Flussbett trieb” könnte die orale tradition bestätigen, nach der es in frühe-rer Zeit schwere Sturzfluten oder Überschwemmungen gab, was im Kontext der dramatischen erosion durchaus wahrscheinlich ist.

d i E s t r at i g r a P h i E d E s P l at z E s

Die Deponierungen in ihrer zeitlichen tiefe und ihrem stratigra-phischen Detail sind ein Merkmal, das ava ranga Uka a toroke hau zu einem einzigartigen Fundplatz auf der osterinsel macht.

Die geomorphologische analyse der Profile konnte zeigen, dass die meisten Schichten ihre Formation nicht alluvialem transport verdanken, sondern menschlichem eingriff. einige Schichten wur-den duch das aufbringen von anderen ortes aufgesammeltem Sediment gebildet, das ausgeglichen und verdichtet wurde, wäh-rend für andere Schichten vom Bach mitgeführte Fracht von hand flächig eingeebnet wurde.

„aber warum sollte man so etwas tun?”, fragt der archäologe.

„warum sollte man mit großem aufwand Konstruktionen ‘beerdi-gen’, die einst mit so großer anstrengung errichtet wurden?”

Funktional-technische gründe konnten die wissenschaftler keine finden. war es vielleicht eine rituelle Versiegelung?

„womöglich war es ein tabu, das hier zum ausdruck kommt”, sagt Burkhard Vogt. „Vor allem angesichts begrenzter ressourcen könnte eine tabuisierung das knappe wasser zu einen wertvollen, und damit schützenswerten gut gemacht haben.” Zugang und Nutzung des heiligtums ava ranga Uka a toroke hau blieben so unter der Kontrolle der rapanui-elite – vielleicht für hiro, den polynesischen gott des wassers und der Fruchtbarkeit.

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1 Die kleine Talweitung ist großflächig – und dies auf mehre-ren Niveaus - von Kopfsteinpflasterungen überzogen. Die oberste Pflasterung wurde von mindestens drei, teilweise unterirdisch geführten Kanälen sowie von mehreren Pflanz-gruben unterbrochen.

Oktokopter-Fotogrammetrie: Chr. Hart-Reiter und und D. Schäfer

2 Einige Meter stromaufwärts von Damm R1 finden sich die Überreste eines megalithischen Beckens T1, wahrscheinlich die späteste hydraulische Anlage des Platzes. Das sorgfältig und raffiniert gebaute Wasserbecken (5 x 2,75 m innen, Tiefe 1,5 m) war aus großen, sauber behauenen Basaltplatten errichtet und diente möglicherweise rituellen Bädern.

Foto: B. Vogt, DAI KAAK

die gepflasterte talweitung, aber auch der Vorplatz der zeremonialplattform ahu Hanua nua Mea waren einst mit Palmen bepflanzt. das belegen Pflanzgruben mit Wurzelresten. dagegen war in der Umgebung der größte teil des baumbestandes bereits abgeholzt. die zeichnerische rekonstruktion zeigt die Pflanzungen nicht nur als integralen bestandteil der landschafts- und Sakralarchitektur, sondern auch die anordnung wie in einem Hain – ausdruck der hier praktizierten Wasser- und Fruchtbarkeitsrituale.

zeichnerische rekonstruktion: b. Vogt, dai KaaK dr. burkhard vogt, Direktor der

Kommission für Archäologie Außereu-ropäischer Kulturen des DAI, ist studierter Vorderasiatischer Archäologe und seit gut 20 Jahren auf Forschun-gen zu Wasserwirtschaftsbauten und zum Wassermanagement spezialisiert.

Auf der Osterinsel ist er seit 2007 tätig.

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Im Dokument Alltag Archäologie (Seite 22-25)