• Keine Ergebnisse gefunden

Ein Schulungskonzept für fachfremde Berater

Bei der Arbeitszeitgestaltung – und somit auch der Arbeitszeitberatung – erwarten Unternehmen eine professionelle und sachkundige Beratung. Arbeitszeitgestaltung wie auch Arbeitszeitberatung findet nicht in einem (rechts-)freien Raum statt. Vielmehr ist sie eingebunden in ein normatives Regelwerk, das zu kennen und das zu beachten ist. Dieses arbeitszeitbezogene Regelwerk umfasst arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Empfehlungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, gesetz-liche und tarifgesetz-liche Regelungen sowie die betriebgesetz-liche Mitbestimmung (Betriebsverfassungsgesetz).

Es ist zwar Aufgabe des Arbeitgebers, die Vorschriften und Bestimmungen zur Arbeitszeit einzuhal-ten. Eine sachkundige – und insbesondere rechtskonforme – Arbeitszeitberatung setzt allerdings ebenfalls das Wissen um die arbeitswissenschaftlichen, arbeitsorganisatorischen und normativen Aspekte der Arbeitszeitgestaltung voraus.

Das im Modellprojekt entwickelte und erprobte Qualifizierungskonzept richtet sich in erster Linie an die Gruppe der KMU-Berater ohne einschlägige Erfahrungen oder Kenntnisse in der Arbeitszeitberatung und Arbeitszeitgestaltung. Die Qualifizierung diente der Vermittlung von Grundlagenwissen zur Arbeitszeitgestaltung und sollte die Berater befähigen, eine sachkundige und rechtskonforme Kurz- oder Erstberatung in kleinen und mittleren Unternehmen durchführen zu

können. Die modular angelegte Qualifizierung stellte das Rüstzeug für den Einstieg in die Arbeits-zeitberatung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnah-me war zudem Voraussetzung für die Mitwirkung der in der Arbeitszeitberatung nicht einschlägig ausgewiesenen Unternehmensberater am Modellprojekt.

Qualifizierung – modular, rekursiv, bedarfsgerecht

Das Qualifizierungskonzept des Modellprojekts „Neue Arbeitszeitpraxis“ war modular und reflexiv angelegt. Das hatte den Vorteil, dass im Projektverlauf anhand der konkreten Beratungserfahrun-gen weitere Qualifizierungsbedarfe gezielt ermittelt und zeitnah durch passförmige Schulungsan-gebote abgedeckt werden konnten.

Zu den Bestandteilen des Qualifizierungsangebots gehörten:

ƒ Eine dreitägige Grundqualifizierung vor Beginn der Beratungsphase,

ƒ vier eintägige Schulungsmodule zur vertiefenden Qualifizierung im Projektverlauf in Form von Workshops,

ƒ auf Wunsch und bei Bedarf ein individuelles Coaching.

Für die inhaltlichen Schulungseinheiten konnten in der Arbeitszeitberatung ausgewiesene Berater als Trainer gewonnen werden, die sowohl über langjährige Erfahrungen in der Beratung als auch in der Durchführung von Arbeitszeitseminaren verfügen.

Zusätzlich erhielten die Berater eine im Modellprojekt erstellte Beratermappe, in der sowohl die Schulungsmaterialien als auch weitere praxiserprobte Instrumente und Checklisten zur Arbeitszeit-gestaltung, kommentierte Gesetzestexte, Handlungshilfen und beispielhafte Arbeitszeitmodelle für

31  Mehr zur

„Arbeitszeitberatungs- Info- & Tool-Box“

>>> in Kapitel 3.5 die Arbeitszeitberatung zusammengestellt

wor-den waren. Die Beratermappe war gedacht als Hilfe zum Selbststudium, als Nachschlagewerk und zur Vertiefung des vermittelten Wissens.

Für Unternehmensberater und Beratungsein-richtungen hat das Modellprojekt ein praxis-orientiertes Handbuch mit dem Titel

„zeitberatungs-Info- & Tool-Box“ erstellt, das der Vermittlung von Grundlagenwissen zur Arbeits-zeitberatung und -gestaltung dient und das auch als Schulungsmaterial in Qualifizierungsmaß-nahmen zur Arbeitszeitberatung genutzt werden kann.

Die ‚Basics‘ der Arbeitszeitgestaltung

Die dreitätige Intensivschulung vor Beginn der Beratungsphase hatte das Ziel, in komprimierter Form die Grundlagen der Arbeitszeitgestaltung zu vermitteln. Dabei wurden zwei inhaltliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen. Zum einen ging es um

die Vermittlung von Kenntnissen zu den normativen Regelun-gen und RahmenbedingunRegelun-gen der Arbeitszeitgestaltung, zum anderen um die Vermittlung von praxisorientiertem Wissen und anwendungsbezogenem Know-how in der Arbeitszeitgestal-tung, wobei exemplarisch Arbeitszeitmodelle mit hohem Ver-breitungsgrad bzw. hohen Flexibilitätspotenzialen herange-zogen wurden. Das Curriculum beinhaltete folgende Schulungs-module:

ƒ Rechtliche und tarifliche Rahmenbedingungen der Arbeitszeitgestaltung;

ƒ Arbeitswissenschaftliche Grundlagen / Empfehlungen der Arbeitszeitgestaltung;

ƒ Anforderungen und Handlungsbedarfe in der Gestaltung von Schicht- und Nachtar-beit;

ƒ Flexible Arbeitszeitmodelle (Zeitkontenmodelle, Funktionszeiten, Vertrauensarbeits-zeit);

ƒ Lerngruppenbezogene Aufgabenstellungen zur Anwendung des vermittelten Wissens im Rahmen einer fiktiven Arbeitszeitberatung.

Zur vertiefenden Qualifizierung im Projektverlauf wurden die regelmäßig stattfindenden Work-shops mit den Beratern genutzt. Die Qualifizierungsmodule, die jeweils angeboten wurden, orien-tierten sich an den zuvor ermittelten Qualifizierungsbedarfen der Berater, die im Beratungsprozess virulent wurden. Dabei wurden einige der bereits in der Grundqualifizierung behandelten Themen-felder aufgrund ihrer hohen Relevanz im Beratungsprozess erneut aufgegriffen, zum einen zur Wis-sensauffrischung, zum anderen zur Wissensvertiefung. Die ganztätigen Qualifizierungsmodule umfassten folgende Themenblöcke:

ƒ Rechtskonforme Arbeitszeitgestaltung: gesetzliche Anforderungen, Ausnahmeregelun-gen und Einhaltung der ArbeitsschutzbestimmunAusnahmeregelun-gen – aus Sicht der Aufsichtsbehör-den;

32 

ƒ Schichtplangestaltung konkret - unter Berücksichtigung der arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen;

ƒ Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie /Pflege; Familienpflege-zeitgesetz.

Individuelles Coaching

Die Beraterqualifizierung beinhaltete neben der Grundqualifizierung und der modularen Vertie-fungsqualifizierung einen dritten Baustein, nämlich ein individuelles Coaching für KMU-Berater während der Projektlaufzeit. Dieses Angebot richtete sich

speziell an solche Berater, die vorab noch nicht auf dem Feld der Arbeitszeitberatung aktiv waren und im Modellprojekt erste Beratungserfahrungen auf diesem Geschäftsfeld sammelten.

Durch das individuelle Coaching erhielten Berater im Rahmen von Fallbesprechungen konkrete Anregungen zu Vorgehens-weisen in der betrieblichen Erstberatung, hilfreiche Impulse zur Entwicklung passförmiger Arbeitszeitlösungen oder vertiefende Informationen zur Handhabung der im Modellprojekt einge-setzten Beratungsinstrumente.

Im Workshop können Berater von Beratern lernen

Regelmäßig stattfindende Workshops für Berater sind prinzipiell zu empfehlen, denn sie bieten eine Plattform für den wechselseitigen Erfahrungsaustausch innerhalb des Netzwerks. Sie stoßen zudem wechselseitige Lernprozesse an und unterstützen dadurch den Wissenstransfer. So erhiel-ten die Berater des Modellprojekts wichtige Lernimpulse durch die Vorstellung und Diskussion von Fallstudien aus der konkreten Beratungspraxis. Nach der Devise „Berater lernen von Beratern“

wechselten sich KMU-Berater und die in der Arbeitszeitberatung erfahrenen Fachberater bei der Vorstellung von Fallstudien in den Workshops ab. Durch die spezifischen Herangehensweisen und des komplementären Wissens der beiden Gruppen wurde der wechselseitige Wissenstransfer ge-fördert, von dem letztlich alle Beteiligten profitierten. Die ausgewiesenen Arbeitszeitberater erhiel-ten vertiefende Einblicke in eine KMU-affine Beratung, umgekehrt bekamen die KMU-Berater wich-tige fachliche Anregungen zur Arbeitszeitberatung. Durch die Workshops wurden zudem engere Kooperationen zwischen einzelnen Beratern angestoßen. Die durchgängig hohe Teilnahmequote und das große Interesse an einem offenen und vertrauensbildenden Erfahrungsaustausch verwei-sen auf den großen Nutzen derartiger Angebote.

Weiterbildung zum zertifizierten Arbeitszeitberater

Die beschriebenen Vorgehensweisen und Schwerpunktsetzungen in der Qualifizierung der Berater dienen lediglich als Orientierung. Einrichtungen, die eine Arbeitszeitberatung anbieten und keine internen Qualifizierungsmaßnahmen durchführen möchten, können für die fachliche Qualifizie-rung ihrer Berater auf vorhandene Schulungsangebote zur Arbeitszeitberatung zurückgreifen. Se-minare und Schulungen zur Arbeitszeitgestaltung und zu arbeitszeitbezogenen Themenfeldern werden u.a. von Berufsgenossenschaften, spezialisierten Arbeitszeitberatungen oder einschlägigen Informations-/Servicestellen angeboten. Diese Seminarangebote sind in der Regel auf betriebliche Akteure (u.a. Geschäftsführer, Personaler, Fachkräfte des Arbeitsschutzes und der Zeitwirtschaft,

33  Schulungs- und Seminarangebote des „FOM Zeitbüro“ unter

>>> www.zeitbuero.fom.de

Betriebsärzte, Betriebsräte) und deren Informationsbedarfe zugeschnitten. Sie richten sich weniger an Unternehmensberater, um diesen das fachliche Rüstzeug für eine fachkundige Arbeitszeitbera-tung zu vermitteln. Spezielle Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Unternehmensberater, die diese für eine Arbeitszeitberatung fit machen, gibt es nur wenige.

Das „Zeitbüro FOM“ der Hochschule für Ökonomie und Management bietet beispielsweise eine Qualifizierung zum Arbeitszeitberater an, die eine

aus Wahl- und Pflichtmodulen bestehende Se-minarreihe beinhaltet. Als Praxismodul zählt eine eigenständig durchgeführte Arbeitszeitberatung.

Bei erfolgreicher Absolvierung aller vorgeschrie-benen Module der Qualifizierungsmaßnahme er-halten die Teilnehmer eine Zertifizierung zum FOM-Fachberater.