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Eigenschaften und Wirkungsweise

B. ALLGEMEINER TEIL

3.2 Eigenschaften und Wirkungsweise

Die erste Zulassung einer auf Spinosynen basierenden Wirkstoff-Zubereitung wurde 1997 in den USA erteilt. Dabei handelte es sich um den Wirkstoff Spinosad, dessen Name eine phonetische Zusammensetzung des Begriffs Spinosyn mit den beiden Faktorennamen A und D darstellt. Spinosad wird durch Fermentation gewonnen und enthält die Spinosyne A (30) und D (31) in einem Verhältnis von etwa 85:15, wie es auf natürliche Weise von Saccharopolyspora spinosa produziert wird. Bis heute wurden etliche Produkte mit Spinosad als Wirkstoff für verschiedenste Anwendungen in der Landwirtschaft entwickelt. Im Handel erhältlich sind sie weltweit unter Markennamen wie SpinTor®, Entrust®, Tracer®, Conserve® sowie Success® und spielen auch im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes eine gewichtige Rolle.

Aufgrund seines ausgezeichneten ökologischen Profils und der Tatsache, dass es sich um einen Naturstoff handelt, ist Spinosad sogar für die Verwendung im ökologischen Landbau zugelassen. Die Naturstoffklasse der Spinosyne zeichnet sich neben ihrer

insektiziden Wirkung gegen Schädlinge, wie Lepidopteren (Schmetterlinge), Dipteren (Zweiflügler), Hymenopteren (Hautflügler), Thysanopteren (Fransenflügler) sowie Coleopteren (Käfer), auch durch ihre antiparasitäre Wirkung aus. Daher gibt es mittlerweile auch eine Reihe an Produkten, die in der Veterinärmedizin verwendet werden, um Nutz- und Haustiere vor dem Befall von blutsaugenden Parasiten zu schützen. Ganz aktuell aus dem Jahr 2011 ist die Zulassung des Spinosad-enthal-tenden Produktes Natroba™ in den USA. Dies ist ein Mittel aus der Humanmedizin, welches zur äußerlichen Behandlung von Kopfläusen verwendet wird.

Resistenzen spielen im Bereich der Schädlingsbekämpfung eine immer größer werdende Rolle. Ein verantwortungsbewusstes Resistenzmanagement zielt darauf ab, neue Wirkstoffe zu entdecken, die einen möglichst neuartigen Wirkmechanismus (mode of action) besitzen, um die Gefahr von Kreuzresistenzen zu minimieren. Der mode of action der Spinosyne konnte bis zum heutigen Tag nicht vollständig aufgeklärt werden. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die typischen Angriffsorte der handelsüblichen, als Neurotoxine wirkenden Insektizide.

Tabelle 1: Wirkort und zugehöriger Wirkstoff bei verschiedenen Insektiziden bzw. Insektizid-klassen.

Erste Studien führten zu der Vermutung, dass es sich bei dem Angriffsort der Spinosyne um einen noch nicht bekannten Subtypen des nicotinergen Acetylcholin-(nACh)-Rezeptors handeln könnte.24 Außerdem wäre ein antagonistischer Effekt auf den γ-Aminobuttersäure (GABA)-Rezeptor nicht auszuschließen.25 Neueste Untersu-chungen durch Tritium-[3H]-Austauschexperimente führten auf jeden Fall zu dem Ergebnis, dass die Spinosyne keine der bisher bei anderen Insektiziden bekannten Bindungsstellen adressieren, und somit einen völlig neuartigen Wirkmechanismus

besitzen müssen.26 Es konnte lediglich ein geringes Maß an Interaktion mit den spannungsabhängigen Calciumkanälen nachgewiesen werden. Auch wenn der genaue Wirkmechanismus des Spinosads nicht abschließend geklärt ist, sind die Auswirkungen auf den Schädling nach Kontamination mit dem Wirkstoff deutlich zu sehen. Es kommt zum Tremor, unkontrollierten Bewegungen der Mundwerkzeuge sowie hektischer Atmung bis hin zur vollständigen irreversiblen Lähmung des Schädlings. Dabei kann die Aufnahme des Wirkstoffs sowohl über Kontakt, als auch durch Fraßaktivitäten erfolgen. Die Wirkung setzt meist einige Minuten bis Stunden nach der Kontamination ein, wobei sie durch orale Aufnahme 5- bis 10-mal höher einzustufen ist als jene durch Kontakt. Durch Studien an der amerikanischen Tabak-eule (Heliothis virescens) konnte zudem gezeigt werden, dass es sich bei Spinosad um einen langsam in den Schädling penetrierenden Wirkstoff handelt, der im Organismus selbst wenig bis gar nicht metabolisiert wird. Dies könnte dafür sprechen, dass die biologische Aktivität nicht auf einzelne Strukturmerkmale, sondern auf das Molekül als Ganzes zurückzuführen ist.27

Spinosyne zeigen eine außerordentlich hohe Selektivität gegenüber dem Zielorga-nismus, während sie nur eine geringe bis keine toxische Wirkung für Säugetiere, Vögel und Wasserlebewesen aufweisen (Tabelle 2).28,29

Spezies Test Ergebnis Einstufung Kaninchen Akute dermale LD50 >5000 mg/kg Körpergewicht Nicht toxisch

Forelle 96 h akute LC50 30 mg/L Wasser Nicht toxisch

Stockente Akute orale LD50 >2000 mg/kg Körpergewicht Nicht toxisch

Tabelle 2: Toxische Wirkung von Spinosad auf ausgewählte Säugetiere, Fische und Vögel.

Ein entscheidender Faktor bei der Betrachtung eines Insektizids ist auch immer dessen Toxizität gegenüber Nutzinsekten. Hier konnte gezeigt werden, dass Spinosad

auch für eine Vielzahl von Raubmilben sowie räuberischen Insekten nicht schädigend ist. Daher kann der Wirkstoff bedenkenlos im integrierten Pflanzenschutz eingesetzt werden. Eine wichtige Rolle unter den Nutzinsekten kommt den Bienen und Hummeln zu, da sie einen großen Anteil an der Bestäubung der Kulturpflanzen haben. Daher werden alle Insektizide in vier Kategorien nach ihrer Bienentoxizität eingeteilt: B4 (nicht bienengefährlich), B3 (nicht bienengefährlich, da durch Zulassung nur festgelegte Anwendungen des Mittels erlaubt sind), B2 (bienengefährlich, ausgenommen bei Anwendung nach dem täglichen Bienenflug bis 23.00 Uhr) und B1 (bienengefährlich).30 Spinosad ist in der Kategorie B1 zugelassen und unter Laborbe-dingungen akut toxisch für Bienen.31 In Feldversuchen konnte jedoch gezeigt werden, dass bei sachgemäßer Anwendung nur eine geringe Gefährdung für Bienen besteht.

Wurden die Bienen z. B. bereits auf der Pflanze angetrockneten Wirkstoffrückständen ausgesetzt, konnten keinerlei Vergiftungserscheinungen festgestellt werden.32

Die hochpotente Wirkung des Spinosads zeigt sich vor allem dadurch, dass die auszu-bringende Wirkstoffmenge zur Kontrolle verschiedener Schädlingspopulationen in den meisten Fällen unter 100 g pro Hektar Ackerfläche liegt (Tabelle 3).28

Spezies Wissenschaftlicher Name Aufwandmenge (g/ha)

Tabelle 3: Aufwandmengen für Spinosad im Bereich Insektenbekämpfung.

Neben einer hohen Wirksamkeit und Selektivität ist die Umweltverträglichkeit ein ganz entscheidender Faktor für die Etablierung eines Insektizids auf dem Weltmarkt.

Wichtige Aspekte sind hierbei vor allem der Einfluss des Wirkstoffs auf die Grund-wasserqualität sowie dessen mögliche Abbauprozesse in den oberen Bodenschichten und auf der Pflanzenoberfläche.

Die Spinosyne sind relativ unpolare Verbindungen (log P = 4.0, bei pH 7 für Spinosyn A) und besitzen eine schlechte Wasserlöslichkeit (235 mg/L bei pH 7).

Besonders die schlechte Wasserlöslichkeit verhindert, dass der Wirkstoff in tiefere Bodenschichten gespült wird, so dass es zu keiner Kontamination des Grundwassers kommen kann. Darüber hinaus unterliegt es im Boden schnellen, mikrobiell gesteu-erten Degradierungsprozessen. Auf der Pflanzen- und Bodenoberfläche sowie in Gewässern stellt die Photolyse den primären Abbaumechanismus dar.33 Unter direkter Sonneneinstrahlung beträgt die Halbwertszeit im Freiland in etwa einen Tag.