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Effekte der Aktivitäten: MultiplikatorInnen

3.4 Effekte der Aktivitäten

3.4.2 Effekte der Aktivitäten: MultiplikatorInnen

An dieser Stelle sollen die Effekte in den Blick genommen werden, die sich auf die Ebene der MultiplikatorInnen beziehen lassen. Auffällig ist, daß die Ebene der MultiplikatorInnen von zwei Ausnahmen abgesehen deutlich weniger im Mittelpunkt der jeweiligen Projektarbeit stand als die Arbeit mit der Zielgruppe der Mädchen. Dies läßt sich allerdings deutlich mit der Auswahl der Projekte durch den Auftraggeber begründen, die von ihren Zielsetzungen vorrangig pra-xisorientiert waren und weniger strukturell ausgerichtet. Zwar wird die Aufgabe der MultiplikatorInnenarbeit von allen Projekten bei der Ersterhebung angeführt, im Laufe der Programmlaufzeit zeigte sich aber, und diese Tendenz läßt sich programmübergreifend dokumentieren, daß diese mehr oder minder den Status einer Zusatzaufgabe neben der eigentlichen Arbeit mit der Zielgruppe der Mäd-chen und jungen Frauen besaß. Um die Effekte dieser Arbeit zu analysieren, sol-len zunächst die Projekte in den Blick genommen werden, bei den die Multipli-katorInnenarbeit weniger im Mittelpunkt der eigenen Arbeit stand.

Als zentrale Bezugsgruppe dieser Projekte wurden LehrerInnen als Multiplikato-rInnen einer geschlechtsbezogenen Arbeit benannt. Dieser Tatbestand läßt sich dadurch erklären, daß fast alle diese Projekte mehr oder minder intensiv mit der Institution Schule kooperierten, die Lehrerinnen und Lehrer also direkte

An-sprechpartnerInnen der Projekte waren. Die Effekte dieser Form der Multiplika-torInnenarbeit waren allerdings sehr begrenzt. In den positiveren Fällen wurde davon berichtet, daß sich sowohl Lehrer wie Lehrerinnen (bezogen auf das Ge-schlecht der LehrerInnen ließ sich hinsichtlich des Bundesmodellprogramms kein signifikanter Unterschied dokumentieren) überhaupt der Thematik Mäd-chenarbeit bzw. geschlechtsbezogener Arbeit geöffnet hätten:

SPI: Dann würde mich die andere Ebene noch mal interessieren. Sie haben auch viel MultiplikatorInnenarbeit gemacht mit LehrerInnen usw. Können Sie sagen, daß Sie auf der Ebene der MultiplikatorInnenarbeit Erfolge hatten? Gibt es jetzt LehrerInnen, die sagen, wir machen jetzt auch geschlechtsspezifische Arbeit, in irgendeiner Form?

Ja. Doch. In einer gewissen Weise, denke ich, haben wir da bei einigen doch zumindest den Stein des Anstoßes gegeben, daß man darüber nachdenkt, daß gerade auch in der Schule geschlechtsspezifische Arbeit doch wichtig ist. Ich denke, daß unsere Mitarbeit dort entscheidend mit war, um Inhalte mit hinein-zubringen und daß diese Problematik Zusammenarbeit Mädcheneinrichtungen und Schulen eine wichtige ist und auch über die öffentlichen Träger auch weiter transportiert werden muß, weil an bestimmten Stellen ja auch erkannt worden ist, daß also diese koedukative Erziehung natürlich ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung der Pädagogik gewesen ist. Aber daß man jetzt doch stärker auch wieder diese Geschlechterspezifik , also das haben wir herangetragen. Also daß z. B. die Frau L. von mir den Auftrag hat, also wenn sie zu Herrn H. geht, ihm zu sagen, daß dieses Projekt nicht gemacht wurde, um denen ein Vergnügen zu bereiten, sondern ganz spezifisch auch mal festzustellen ist, wie Mädchenarbeit an der Schule funktioniert. Und das hat er ja, das erste Jahr hat er das ja auch gesagt, daß also man mit Mädchen gut arbeiten kann. Und daß Mädchen kon-zentrierter arbeiten und daß Mädchen effektiver arbeiten und, und. Bloß man muß dann nachher sagen, und deshalb machen wir Mädchenarbeit und deshalb ist es wichtig, daß in den Schulen auch spezielle Mädchen ...

SPI: Aber es wird jetzt nicht weiter in den Schulen gemacht, sondern das war so ein einmaliges Projekt, oder haben die das jetzt aufgegriffen?

Nein, also die Schule, mit der Schule in S. werden wir zukünftig auch wieder, so wir denn die Möglichkeit haben, ein Mädchenprojekt machen.

SPI: Es ist dann so, daß Sie den Eintritt da geschafft haben, um Mädchenarbeit machen zu können.

Ja, den Eintritt wieder mit künstlerischen, mit niedrigschwelligen Sachen, um uns einfach die Tür zu öffnen für gute Inhalte, inhaltliche Arbeit. Aber sicherlich auch, weil der Direktor und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort sich ge-öffnet haben. Und das hat zwei Jahre gedauert. (0221111/1177)

In mehreren Projekten wurde allerdings auch berichtet, daß sie hinsichtlich der

‚Verbreitung‘ eines geschlechtsbezogenen Ansatzes ‚gar nichts‘ erreicht hätten.

Zwar seien die LehrerInnen bereit gewesen, mit den MitarbeiterInnen der Pro-jekte zusammenzuarbeiten, weil durch deren Arbeit die LehrerInnen entlastet würden, aber diese Zusammenarbeit erfolgte ohne genauere Zielbestimmung und ohne einer geschlechtsbezogenen Sichtweise eine besondere Bedeutung zu-zumessen. Die MultiplikatorInnenarbeit verlief hier eher unter der Prämisse, daß einerseits die ProjektmitarbeiterInnen den Kontext Schule und die LehrerInnen nutzten, um dort und über diesen das Projekt bekannt zu machen und Mädchen zu rekrutieren, während andererseits die LehrerInnen durch die MitarbeiterInnen der Projekte eine direkte Unterstützung erfahren haben, etwa in der Form, daß diese ihnen eine Stunde ‚Sexualkundeunterricht‘ abnahmen. Die angestrebte Qualifizierung der LehrerInnen durch die ProjektmitarbeiterInnen hinsichtlich eines geschlechtsbezogenen Arbeitsansatzes konnte nicht erreicht werden. Teil-weise hatten die MitarbeiterInnen der Projekte auch nach drei Jahren Projekt-laufzeit noch immer mit erheblichen Widerständen zu kämpfen, etwa indem ih-nen von LehrerInih-nen weiterhin unterstellt wurde, die erreichte Koedukation wieder rückgängig machen zu wollen. In einem anderen Projekt wurde sogar dezidiert von einer Ablehnung der Mädchenarbeit berichtet:

SPI: Was haben Sie bei den MultiplikatorInnen der Mädchenarbeit wie Lehre-rInnen usw., was haben Sie da erreicht, wenn Sie mal in diese Richtung gucken?

Also ich glaube, da sind die Effekte noch mittelbar, also sehr mittelbar. Unsere Kontakte mit Lehrern und das dann erzählen und darüber reden und die nicht mehr gleich so mit ihrer Ablehnung kommen, aber Ablehnung ist eigentlich das, was uns am meisten entgegenkommt. So: „Ist denn das nötig, muß man das ma-chen?“ Also zumindest ist das meine Erfahrung. Ich weiß nicht, warum man schon immer wieder und wieder das erklären muß.

SPI: Man muß es immer wieder rechtfertigen? Ist das wirklich so?

Ja. Wir haben in der Broschüre explizit die Angebote auch für die Schulklassen drin, und wir können nicht sagen, daß die Lehrer hier reihenweise ankamen und sagten, wir müssen also mal unbedingt ein geschlechtsspezifisches, getrenntes Projekt oder so haben, also wir versuchen das dann schon, aber es ist nicht so, daß die da nun die Tür deswegen einrennen. Lehrer ist da auch ein ganz schwie-riges Feld für dieses Thema. Also, in einer Schulklasse, da hatte ich erwähnt, daß halt demnächst im Mädchenraum so ein Workshop wieder stattfindet zu Liebe und Beziehung und so, und da meinte die eine Lehrerin gleich: „Aber für Jungen ist das doch genauso wichtig, wenn nicht gar noch wichtiger.“

(0131884/1517)

Bezogen auf die LehrerInnen als MultiplikatorInnen geschlechtsbezogener Ar-beit konnten im Rahmen dieses Bundesmodellprogramms kaum wesentliche Ef-fekte erzielt werden. Dies läßt sich aber wohl weniger mit der Arbeit der jewei-ligen Projekte begründen, als vielmehr durch die institutionellen Schwierigkei-ten, die einer Vernetzung von Jugendhilfe und Schule generell entgegenstehen (vgl. 3.5) und die von sozialpädagogischen MitarbeiterInnen kaum aus dem Weg geräumt werden können. In diesem Sinne war auch nicht zu erwarten, daß eine Qualifizierung der LehrerInnen hinsichtlich geschlechtsbezogener Arbeitsansät-ze statusbezogen, gleichsam ‚von unten‘, durch die sozialpädagogischen Mitar-beiterInnen in den Bundesmodellprojekten gelingen würde. Da die Rahmenbe-dingungen für eine Zusammenarbeit von LehrerInnen und SozialpädagogInnen allgemein als schwierig gelten, kann daher konstatiert werden, daß es durchaus als Erfolg gewertet werden kann, daß es den MitarbeiterInnen der Projekte über-haupt möglich war, Kooperationsbezüge mit LehrerInnen aufzubauen und einen geschlechtsbezogenen Arbeitsansatz in der Schule umzusetzen.

Andere MultiplikatorInnen sind in diesen Projekten, in denen die Multiplikator-Innenebene weniger im Mittelpunkt der eigenen Arbeit stand, nur begrenzt an-gesprochen worden. So wurde von einem Projekt noch die Qualifizierung der männlichen Mitarbeiter des eigenen Trägers als positiver Effekt des Projektes benannt. Während bezogen auf ein weiteres Projekt angeführt werden kann, daß die MitarbeiterInnen des Bundesmodellprojektes mit ihrer Arbeit dazu beigetra-gen haben, daß MitarbeiterInnen in umgrenzenden Jubeigetra-gendeinrichtunbeigetra-gen von ih-rer Arbeit profitiert haben und hinsichtlich einer geschlechtsbezogenen Sicht-weise qualifiziert wurden. Daneben gab es einige Ansätze, ehrenamtliche Mitar-beiterInnen, vornehmlich ältere Mädchen für das Projekt zu gewinnen. Dieses ist allerdings vor allem in dem Projekt gelungen, in dem eine Arbeitsgruppe der angesprochenen Zielgruppe das Projektes selbst mit geplant, durchgeführt und begleitet hat (vg. 3.4). In anderen Projekten handelte es sich dabei um einmalige Angebote und Maßnahmen der Projekte, entweder indem ältere Mädchen jünge-re Mädchen in bestimmten Kursen, wie ‚Nagelpflege‘ oder Nähkursen, angelei-tet haben oder – in etablierterer Form – indem ältere Mädchen als Jugendgrup-penleiterInnen ausgebildet wurden, um die Betreuung jüngerer Mädchen zu übernehmen. Letzterer Ansatz war bei zwei Projekten erfolgreich, konnte sich – nachdem die ehrenamtlichen Mädchen wegen ihrer Ausbildung die Stadt verlas-sen hatten – aber nicht projektbezogen etablieren.

Andere, präzisere Aussagen lassen sich für die vier Projekte treffen, für die die MultiplikatorInnenarbeit im Rahmen ihrer jeweiligen Projektarbeit zentral war.

In einem dieser Projekte sollte im Blick auf die MultiplikatorInnenarbeit, die eine der drei Säulen der Projektarbeit ausmachte, ein trägerübergreifendes Wei-terbildungscurriculum für eine geschlechtsbezogene Jugendarbeit erstellt wer-den, um den eigenen Träger geschlechtsbezogen zu qualifizieren und darüber hinaus insgesamt dazu beizutragen, Mädchenarbeit wie Jungenarbeit in der

länd-lichen Region zu etablieren und auch zur Qualifizierung der koedukativen An-sätze beizutragen. Dieses Weiterbildungscurriculum, das ein Qualifizierungs-modell für haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der Region darstellen sollte, wurde in weitgehender Kooperation mit anderen Institutionen vor Ort, vor allem mit der Uni Dresden (Böhnisch, Funk, Möller) entwickelt. Im Rahmen der Schlußerhebung konnte allerdings nur benannt werden, daß dieses wohl erarbei-tet wurde, es aber im Rahmen der Projektlaufzeit nicht umgesetzt werden konn-te:

SPI: Was macht denn die Weiterbildung? Das Weiterbildungscurriculum?

An das hab ich jetzt gar nicht gedacht. Also es ist jetzt so, das hatte ich schon mal angedeutet, daß ich das nicht allein gemacht habe, daß wir das praktisch überregional angeboten haben. Das ist eine Arbeitsgruppe, die halt entstanden ist aus, aus der Heide Funk, die Berit Möller macht mit und die W., die ist jetzt Geschäftsführerin von der LAG Mädchen und junge Frauen, die war vorher an der Uni hier in Dresden, der L., der ist an der Uni, der R., der ist jetzt im Euro-pa-Center, der macht nur sporadisch mit, weil er jetzt einen anderen Job hat und anderweitig eingebunden ist, ja und ich. Wir sind jetzt soweit gekommen, daß wir sagen, wir wollen, also unser Traum von einer festen Installierung also, daß wir auch Stellen gefördert kriegen, haben wir erst mal ad acta gelegt, das funktioniert nicht, auch nicht mit einer Lobby. Also wir haben dieses Jahr im Februar ein Fachgespräch gehabt, wo der Prof. Böhnisch und ich praktisch die Landjugend eingeladen haben, es waren auch Vertreter aus Politik usw. da, also es war schon ganz günstig, aber selbst mit einer Lobby usw. ist es kein Thema, also geschlechtsbezogene Arbeit, und wir haben halt gesagt, wir müssen jetzt irgendwas auf die Reihe kriegen, daß wir einfach anfangen mit der Weiterbil-dung, und sind jetzt soweit, daß wir sagen, wir wollen nächstes Jahr anfangen, die Weiterbildung zu machen. (043160/186)

Offensichtlich ließen sich hinsichtlich dieser Zielsetzung keine Effekte ver-zeichnen. Warum dieser Tatbestand eingetreten war, konnte auch von der wis-senschaftlichen Begleitung nicht eindeutig geklärt werden. Zu vermuten ist al-lerdings, nach Auswertung der verschiedenen Erhebungsphasen, daß sich in der Region eine jugendpolitische Parallelstruktur entwickelt zu haben schien, von einigen Eingeweihten einerseits, die im Dunstkreis der Uni Dresden arbeiteten und hinsichtlich geschlechtsbezogener Arbeitsansätze neue innovative Konzepte verfolgten, und der ‚realen‘ Haltung der Institutionen und ihrer MitarbeiterInnen in der Jugendhilfe vor Ort auf der anderen Seite, die jeglichen Ansätzen einer geschlechtsbezogenen Jugendarbeit mehr als skeptisch gegenüberstanden. Das in anderen Darstellung durchaus präzise erdachte Weiterbildungscurriculum schien nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten der regionalen Jugendhil-festrukturen bezogen gewesen zu sein, sondern ist unter den Bedingungen uni-versitärer Denkgewohnheiten entstanden und wurde dementsprechend

konzi-piert. Unter den auch finanziellen Gegebenheiten der Jugendhilfe vor Ort ist es deshalb mehr oder minder ins Leere gelaufen.

Da die Idee eines Weiterbildungscurriculums während der gesamten Projekt-laufzeit nicht umgesetzt werden konnte, beschränkte sich die MultiplikatorIn-nenarbeit vorrangig auf Aufgaben, die Tätigkeiten von Frauenbeauftragten gleichkam. So widmeten die Mitarbeiterinnen dieses Projektes sich institutionel-len Vorgängen, bei denen der Gleichstellungsgedanke in verschiedenen Aufga-benbereichen der Jugendhilfe vernachlässigt wurde. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Einhaltung der weiblichen Sprachform gelegt. Diesbezüg-lich konnten auch einige Erfolge (selbst der Zielgruppe der Mädchen wurde dies eindrücklich vermittelt) verzeichnet werden:

SPI: Was haben Sie bei den MultiplikatorInnen der Mädchenarbeit erreicht?

Was ist jetzt mit den MultiplikatorInnen? Wir haben einen bösen Brief an die Landrätin geschrieben, auf Grund der Jugendhilfeplanung wegen der weibli-chen Sprachform, und was meinen Sie, was wir da auf den Deckel gekriegt ha-ben? Ist schwierig. Also sagen wir mal so, also bei uns ist, was ich so ziemlich erreicht habe, wenn bestimmte Leute mich jetzt sehen oder mit denen ich im Ge-spräch bin und nur einmal wieder sage, ich erinnere nur an die weibliche Spra-che dann: ah, ja. Also das ist dann auch wieder so die Erinnerung oder auch die Kollegin vom Kreisjugendring P., die jetzt ganz schlagartig immer die weibliche Sprache in einem Brief nutzt. (0431278/1292)

Der Kampf um die weibliche Sprachform, den die MitarbeiterInnen dieses Pro-jektes während der gesamten Projektlaufzeit geführt haben, erweist sich aber bei genauerem Hinsehen als mehr als ein Nebenschauplatz. Bezogen auf dieses Pro-jekt und sein regionales Umfeld wird in dem Insistieren der Mitarbeiterinnen auf die politisch korrekte Verwendung auch deutlich, wie gering die Kenntnisse in den Institutionen der Jugendhilfe vor Ort zu werten sind. Wenn das Hauptau-genmerk der ProjektmitarbeiterInnen während der gesamten Laufzeit des Projektes darauf gelegt wird, den KollegInnen in den Institutionen der Jugendhilfe deutlich zu machen, daß auch sprachlich nach Geschlechtern zu differenzieren ist – etwa im Rahmen der Jugendhilfeplanung – von Jungen und Mädchen die Rede zu sein hat und dieser Vorgang allein schon auf Unver-ständnis stößt, dann wirft dies auch ein Licht auf eine grundsätzliche Unkenntnis hinsichtlich geschlechtsbezogener Arbeitsansätze bei den MitarbeiterInnen in den Institutionen der Jugendhilfe vor Ort und vermutlich auch auf grundsätz-liche diesbezüggrundsätz-liche Widerstände (vgl. 3.7.1). So läßt sich das Scheitern der Umsetzung dieses Weiterbildungscurricula auch durch diese Umstände erklären.

Deutlich andere Erfahrungen wurden von den beiden verbleibenden Projekte, dem Projekt des Behindertenverbandes und dem ‚Jungenprojekt‘ des Instituts

für regionale Innovationen und Sozialforschung benannt, die jeweils die Multi-plikatorInnenarbeit als zentrale Projektaufgabe beschrieben hatten.

Die Arbeit des Projektes des Behindertenverbandes für Körper- und Mehrfach-behinderte „Mittendrin“ zielte dabei in zwei Richtungen. Zunächst sollten pro-jektbegleitende Angebote als Möglichkeit zur Qualifizierung und Fortbildung für MitarbeiterInnen in der Behinderten- und Jugendhilfe bereitgestellt werden, die selber in den zehn bundesweit geförderten Ortsgruppen engagiert waren. Des weiteren sollten über den zentralen Verteiler des Bundesverbandes und die Ar-beit des Projektes Materialien, Informationen, Angebote für MitarAr-beiterInnen zur Verfügung gestellt werden, die in anderen Zusammenhängen mit behinder-ten Mädchen und jungen Frauen arbeibehinder-ten. Hinsichtlich beider Ebenen dieser MultiplikatorInnenarbeit ließen sich weitreichende Effekte erzielen. In der pro-jektbegleitenden MultiplikatorInnenarbeit der zehn Ortsgruppen stand allerdings eher der Erfahrungsaustausch der Mitarbeiterinnen, die seit Jahren in diesem Feld tätig waren, im Vordergrund. Im Zuge dessen und abgeleitet von dem ho-hen und oft ehrenamtlicho-hen Engagement dieser Mitarbeiterinnen wurde deutlich, daß der Bedarf nach einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch über die zu lei-stende Arbeit ähnlich hoch liegt wie der Bedarf der behinderten Mädchen und jungen Frauen nach mädchenbezogenen Angeboten. So wurde erst durch die Realisation dieser Fortbildungsangebote deutlich, daß die Mitarbeiterinnen in diesem Handlungsfeld genauso isoliert waren wie die Zielgruppe der behinder-ten Mädchen und jungen Frauen selbst. Der Austausch über die Arbeit, die Aus-einandersetzung um methodische Herangehensweisen etc. konnte dementspre-chend bedarfsnah realisiert werden:

Die Frauen haben dann gesagt, wir haben so wenig Möglichkeiten, uns über unsere Erfahrungen auszutauschen, daß uns, daß wir dieses, also diese Treffen dazu nutzen möchten und sie sich praktisch gegen also eine Einleitung von einer Referentin von außen ausgesprochen haben.

SPI: Das ist ja interessant.

Also, weil sie gesagt haben, wir würden lieber unter uns. Und wir haben dann im Vorfeld einfach Themen abgefragt, haben dann die Sachen auch vorbereitet.

Also wie gesagt, einmal gab es Sexualität und einfach Thema Mädchenarbeit, was heißt das überhaupt, wie sieht das aus und Wohnen hattest du auch schon mal. Beim letzten Mal war halt sehr dieser Zukunftsaspekt wohnen, Arbeit, selbstbestimmt wohnen für schwerstbehinderte Frauen, wo und wie geht das?

Was kann ich den Mädchen bieten insgesamt? Daß sie gesagt haben, also wir wollen lieber unter uns über die Arbeit austauschen. Das hat sich bewährt. Also wie gesagt, es sind Methoden ausgetauscht worden, wie pack ich das Thema an?

Thema Sexualität ist halt für die Frauen selber zum Teil ein schwieriges Thema anzusprechen und den Mädchen nahe zu bringen und dann also diese Tips für

die praktische Arbeit. Das war sehr viel wichtiger für die Frauen als jetzt theo-retischer Input von außen. (093885/911)

Daß diese Multiplikatorinnenarbeit auf einen notwendigen Bedarf zielte, wurde auch in dem Engagement der Mitarbeiterinnen deutlich, die kontinuierlich und – dies ist festzuhalten – aufgrund der mangelnden Freistellungspraxis ihrer Träger zunächst in ihrer Freizeit diese bundesweiten Arbeitstreffen wahrgenommen haben:

SPI: Welche inhaltliche Resonanz hatten Sie mit diesen MultiplikatorInnenan-geboten?

Ja. Also wie gesagt, die Resonanz ist, daß wir jetzt beim letzten Treffen alle Pro-jekte vertreten hatten. Also es war aus jedem Projekt eine Frau da. Die opfern ihre Freizeit. Die fahren freitags mittags nach der Arbeit los, nach Kassel, tref-fen sich dort. Also wir haben uns auf Kassel geeinigt, weil das so für alle unge-fähr gleich ist, es noch zusätzlich behindertengerechte Tagungsmöglichkeiten gibt, ausnahmsweise, und ja, die setzen sich nach ihrer Arbeit in den Zug, fah-ren da hin, arbeiten intensiv bis von, also wir treffen uns 18 Uhr, da geht's los, freitags bis Samstag 16 Uhr und fahren dann nach Hause. Und die haben dann grade den Sonntag noch, und Montags geht die Arbeit wieder los. (093925/947) Die andere Ebene der Multiplikatorinnenarbeit war dagegen vorrangig auf die Implementierung von Mädchenarbeit im Behindertenverband gerichtet. Neben einer umfangreichen Informationspolitik über das Projekt, der regelmäßigen Er-stellung und Herausgabe der MIMI, eine Zeitung von und über behinderte Mäd-chen und junge Frauen, den Tagungen, die von dem Projekt durchgeführt wur-den, konnte ein Zulauf von interessierten Mitarbeiterinnen und anderen Frauen erzielt werden, so daß sich Netzwerke etablierten, über die gleichzeitig eine Im-plementierung von Mädchenarbeit in dem Bundesverband der Körper- und Mehrfachbehinderten erzielt wurde. Die MultiplikatorInnenarbeit hatte in die-sem Sinne also nicht nur den Effekt, die Mitarbeiterinnen zu qualifizieren,

Ja. Also wie gesagt, die Resonanz ist, daß wir jetzt beim letzten Treffen alle Pro-jekte vertreten hatten. Also es war aus jedem Projekt eine Frau da. Die opfern ihre Freizeit. Die fahren freitags mittags nach der Arbeit los, nach Kassel, tref-fen sich dort. Also wir haben uns auf Kassel geeinigt, weil das so für alle unge-fähr gleich ist, es noch zusätzlich behindertengerechte Tagungsmöglichkeiten gibt, ausnahmsweise, und ja, die setzen sich nach ihrer Arbeit in den Zug, fah-ren da hin, arbeiten intensiv bis von, also wir treffen uns 18 Uhr, da geht's los, freitags bis Samstag 16 Uhr und fahren dann nach Hause. Und die haben dann grade den Sonntag noch, und Montags geht die Arbeit wieder los. (093925/947) Die andere Ebene der Multiplikatorinnenarbeit war dagegen vorrangig auf die Implementierung von Mädchenarbeit im Behindertenverband gerichtet. Neben einer umfangreichen Informationspolitik über das Projekt, der regelmäßigen Er-stellung und Herausgabe der MIMI, eine Zeitung von und über behinderte Mäd-chen und junge Frauen, den Tagungen, die von dem Projekt durchgeführt wur-den, konnte ein Zulauf von interessierten Mitarbeiterinnen und anderen Frauen erzielt werden, so daß sich Netzwerke etablierten, über die gleichzeitig eine Im-plementierung von Mädchenarbeit in dem Bundesverband der Körper- und Mehrfachbehinderten erzielt wurde. Die MultiplikatorInnenarbeit hatte in die-sem Sinne also nicht nur den Effekt, die Mitarbeiterinnen zu qualifizieren,