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Eduard Lorenz Lorenz-Meyer als Genealoge und Heraldiker

Im Dokument Eduard Lorenz Lorenz-Meyer (Seite 42-51)

Dieser basierte vor allem auf seinen zahl-reichen Veröffentlichungen: 1890 zeichnete er zusammen mit seinem Freund, dem Hamburger Hausmakler und Genealogen Oscar Louis Tesdorpf (1854–1933), die Wap-pen zu dem Werk „Hamburgische WapWap-pen und Genealogien“. Der „Meyer-Tesdorpf“

war das erste Geschlechterbuch größeren Ausmaßes in Hamburg. Der Grundtenor dieses Buches war, dass nicht nur Adlige, sondern auch Bürger volle Berechtigung hätten, auf ihre Wappen stolz zu sein und sich ihrer Familiengeschichte anzunehmen (bis 1919 bemühten sich die staatlichen He-roldsämter ausschließlich darum, das Wap-penwesen adliger Familien zu kontrollieren

und zu ordnen; die Pflege der Heraldik der bürgerlichen Familien blieb privaten Initia-tiven überlassen).

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1896 verfasste Eduard Lorenz Meyer das

„Wappenbuch der Hamburgischen Deputa-tionen“, welches eine Zusammenstellung und Herausgabe der Liste sämtlicher in den Deputationen von 1860 bis 1896 tätigen Bürger enthielt. Das Buch verzeichnete etwa 630 von ihm gemalte Wappen, außerdem waren den verschiedenen Abteilungen des Buches 18 Titelbilder vorgesetzt.

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1912 erschien dann im Selbstverlag Lorenz-Meyers wohl bedeutendstes Werk, die „Ham-burgische Wappenrolle“. Diese enthielt 2.398 Familienwappen auf 160 Tafeln sowie 152 Seiten Text, die den Tafeln vorausgingen.

Der Rezensent Weidler schrieb damals:

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„Die Hamburgische Wappenrolle bietet somit zugleich zuverlässigstes Material von solchem Umfange, dass sie für alle Zeiten eine wahre Fundgrube für den Familien-forscher darstellt (…). Das unbestreitbare Verdienst des Verfassers ist es, in der Ham-burgischen Wappenrolle (…) 2400 Famili-enwappen nicht nur endgültig festgelegt, sondern auch heraldisch richtiggestellt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht zu haben“.71

Eduard Lorenz Lorenz-Meyer als Genealoge und Heraldiker

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Von 1917bis 1921 beschäftigte sich Lorenz-Meyer mit einem weiteren, groß angelegten Projekt, dem „Wappenbuch bürgerlicher Offiziere“. Dieses, sein reichhaltigstes hand-schriftliches Sammelwerk, konnte er aller-dings nicht mehr zum Druck bringen. Das im Original vorliegende Werk enthält sämt-liche Wappen der aktiven und Reserve-Offiziere aus dem Bürgertum, die im Ersten Weltkrieg im Einsatz waren. Nach einer

letztwilligen Verfügung wurde es im Staats-archiv Hamburg niedergelegt. Nicht mehr erhalten hingegen ist das Manuskript „Un-geheuer als Wappentiere“. Es befand sich im Besitz der 1918 gegründeten „Zentralstelle für Niedersächsische Familiengeschichte“

(seit 1962 „Genealogische Gesellschaft Ham-burg“). Das Manuskript verbrannte im Juli 1943.

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Für seine heraldischen Arbeiten wurde Eduard verschiedentlich im In- und Aus-land geehrt: 1882 erhielt er den ersten Preis in der vom „Herold, Verein für Heraldik, Sphragistik und Genealogie zu Berlin“ ver-anstalteten heraldischen Ausstellung wegen

„vorzüglicher Leistungen auf dem Gebiete der Heraldik“; 1894 wurde ihm vom glei-chen Verein in „Anerkennung seiner Betei-ligung an der diesjährigen heraldischen Ausstellung“ die bronzene Erinnerungsme-daille verliehen. 1889 gewann Eduard die bronzene Medaille der Hamburgischen Ge-werbe- und Industrieausstellung „für sinn-reich erfundene und in heraldischem Sinne tüchtig stilisirte Wappen“. 1913 wurde er von der „Société Archéologique de France“

in Paris geehrt, indem er zum „Lauréat“ und

„Délégué“ ernannt wurde (später sandte er jedoch Orden und Diplom zurück). 1921 wurde er Ehrenmitglied des eben erwähn-ten Vereins „Zentralstelle für Niedersächsi-sche Familiengeschichte“ und 1925 Ehren-mitglied des heraldischen Vereins „Zum Kleeblatt“ von 1888 zu Hannover.

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Alle diese Ehrungen zeigen, dass Lorenz-Meyers hohe Produktivität auf dem Gebiet der Heraldik und der bemerkenswerte äs-thetische Reiz seiner Arbeiten weithin An-erkennung fanden.

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Familienwappen Lorenz-Meyer

Die heraldischen Zeichnungen Lorenz-Meyers – hier zeigt sich eine Parallele zu sei-nen übrigen Zeichnungen und Aquarellen – sind durch eine bemerkenswerte Einfach-heit charakterisiert und verraten einen durchaus eigenen Stil. Wie bei seinen archi-tektonischen Ideen, die er in seinem Aufsatz

„Deutsche Bauweise“ darlegte, spielte auch bei seinen Wappenbildern der Rekurs auf die „Gothik“ eine wichtige Rolle.72Das Ver-ständnis, das er von diesem Begriff hatte, zielte dabei wohl weniger auf den histori-schen Stilbegriff, sondern idealisierte die Gotik.73

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Infolgedessen konnte er dann auch Po-sitionen wie die folgende vertreten:

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„(…) die Nachbildung alter Vorlagen kann auf Dauer nicht befriedigen; freilich wird man sich immer an die geschichtlichen Schild- und Helmformen halten müssen, denn damals, als sie getragen wurden, war die Heroldskunst noch ein notwendiger Be-standteil des täglichen Lebens. Aber die Fi-guren soll man nicht zu ängstlich auf alte Dinge beschränken; das hat man zu keiner Zeit der lebendigen Heroldskunst getan bis ins Ende des 18. Jahrhunderts. Oft kamen damals Gebilde zu Stande, die uns heute et-was seltsam anmuten, aber sie zeigen den denkenden Wappenkünstler“.

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Das Bestreben, in Wappen und Schildhal-tern „unsere eigene Umgebung fest(zu)hal-ten“, führte während des Ersten Weltkrieges dazu, dass sich Lorenz-Meyer dafür aus-sprach, „die Felddienstordnung ins Heral-dische“ zu übersetzen und Kriegswaffen zu stilisieren. In der Fachzeitschrift „Der deut-sche Herold“ lobte er die von Max Freiherr von Gaisberg-Schöckingen (1888–1916)

wäh-rend des Weltkrieges entworfenen Wappen, bei denen u. a. ein Gasangriff dargestellt wird.74

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Sein genealogisches und heraldisches Inter-esse führte Eduard Lorenz Lorenz-Meyer 1908 in die Hamburger Ortsgruppe des „Ro-land, Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde“, zu deren Eh-renmitglied er 1918 ernannt wurde. 1914 war er Mitglied des „Deutschen Roland, Verein für deutsch-völkische Stammkunde“ gewor-den (dies blieb er bis 1917).75Die Ehrenmit-gliedschaft dieses Vereins, inzwischen um-benannt in „Deutscher Roland, Verein für deutsch-völkische Sippenkunde zu Berlin“, erhielt Lorenz-Meyer am 11. Januar 1921.76

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Der „Roland, Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde“ war am 18. Januar 1902 in Dresden von dem Lehrer und Schriftsteller Prof. Dr. Hermann Unbescheid (1847–1915) als erster bürgerli-cher genealogisbürgerli-cher Verein der Welt über-haupt gegründet worden. Schon bald traten in anderen deutschen Städten Ortsgruppen des Vereins, der von Beginn an seinen über-regionalen Charakter betont hatte, ins Le-ben. Dies geschah zunächst 1904 in Leipzig und Berlin, später dann in Magdeburg (1905), Hamburg (1908), Chemnitz (1919), Frankfurt am Main (1919), Nürnberg (1921), Stettin (1923), Hof (1924) und Stendal (1925).

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Die Berliner Ortsgruppe hatte sich 1913 un-ter der Leitung des Juristen Bernhard Koer-ner (1875–1952) als „Deutscher Roland, Ver-ein für deutsch-völkische Stammkunde“

vom „Roland“ in Dresden abgespaltet. An-lass war die Weigerung des Dresdner Ver-eins, dem Antrag der Berliner Filialgruppe

zu folgen, ein „arisches Blutsbekenntnis“

zur Voraussetzung für eine Vereinsmitglied-schaft zu machen. Genau dieses Bekenntnis verankerte Koerner in der Satzung des

„Deutschen Roland“. Im Wappen führte der Verein das germanische Hakenkreuz.77 1920 änderte der „Deutsche Roland“ seinen Namenszusatz: Aus „Verein für deutsch-völ-kische Stammkunde“ wurde „Verein für deutsch-völkische Sippenkunde“. Der Be-griff „Sippenkunde“ (so wurde die Genealo-gie während der NS-Zeit genannt) umfasst ganz eindeutig auch rassenhygienische For-derungen. Koerner formulierte denn auch 1920 im Mitteilungsblatt des „Deutschen Rolands“ als Vereinsziel, „die arisch-germa-nische Rasse, vornehmlich in ihrem Deut-schen Aste vor weiterer Durchsetzung mit minderwertigem Blute und vor weiterem Rückgange zu bewahren“.78

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Der Leiter der Abteilung der Deutschen Zentralstelle für Genealogie im Staatsarchiv Leipzig, der nicht gerade linker Positionen verdächtige Volkmar Weiss, vertritt zur Mit-gliedschaft im „Deutschen Roland“ die An-sicht, „daß derjenige, der dem ,Deutschen Roland, Verein für deutsch-völkische Sip-penkunde zu Berlin‘ beigetreten war, nicht nur Kontakte zur Förderung seiner genealo-gischen Forschungen gesucht hat, denn die gab es auch (…) anderswo, sondern darüber hinaus sich über die politische Ausrichtung des Vereins ,Deutscher Roland‘ im klaren war und mit ihr zumindest teilweise sympa-thisiert hat, wenn auch in von Person zu Per-son unterschiedlichem Maße“.79

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Diese Einschätzung deckt auch die Posi-tion Eduard Lorenz Lorenz-Meyers ab.

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Der „Deutsche Roland“ bot ideelle

Unter-stützung für die Arbeit am 1889 gegründe-ten „Genealogischen Handbuch Bürgerli-cher Familien“, in dessen Redaktionskomi-tee Koerner seit 1896 tätig war, und das er von 1898 bis 1952 allein edierte. 1911 nannte er das Genealogische Handbuch demonstra-tiv in „Deutsches Geschlechterbuch“ um (unter diesem Titel wird es noch heute ver-öffentlicht und gehört in den meisten Uni-versitätsbibliotheken und Staatsarchiven zum festen Bestand historischer Nachschla-gewerke). Schon seit 1905 mehrten sich in den von Koerner verfassten Vorworten des Genealogischen Handbuches die rassenhy-gienischen Hinweise und Appelle. 1920 ver-anlasste Koerner, dass in diesem Jahr bei zwei Bänden (32 und 33) auf dem Titelblatt das Hakenkreuz auftauchte.80

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In den Jahren 1910 bis 1923 hat Lorenz-Meyer sämtliche Wappen zu den ersten sechs Bänden des Hamburger Geschlechter-buches, einer Reihe innerhalb des Deutschen Geschlechterbuches, gezeichnet. Schwer vorstellbar ist, dass er die Vorworte dieser Bände des Hamburger Geschlechterbuches nicht zur Kenntnis genommen hat. Über die Rezeption der Ansichten Koerners bei seinem Publikum hat der Historiker Joist Grolle folgende Einschätzung abgegeben, unter der sich auch die Position Eduard Lo-renz LoLo-renz-Meyers subsumieren lässt:

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„Nicht Koerners extremer Standpunkt ist typisch, wohl aber die Art und Weise, wie das bürgerliche Publikum ihn und seinen Rassismus teils annahm, teils hinnahm.

Diesem Verhalten werden im einzelnen unterschiedliche Motive zugrundegelegen haben: die einen werden tendenziell zuge-stimmt, andere nur keinen Anstoß genom-men oder sogar stille Vorbehalte gehabt

ha-ben. Die rassistischen Vorworte Koerners haben sie nicht abgeschreckt“.81

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Seit 1905 stand Eduard Lorenz Lorenz-Meyer in regem Briefkontakt mit dem Wie-ner „Dichter-Seher“ Guido von List (1848–

1919), eigentlich Karl Anton List, der Adels-titel war selbstgemacht.82 Nach dem Tod seines Vaters 1877 hatte List den Kauf-mannsberuf aufgegeben und sich seinen schriftstellerischen und journalistischen In-teressen mit Schwerpunkt auf Geschichte und Brauchtum der Germanen zugewandt.

List sah in Wappen das Ergebnis altgerma-nischer Runensymbole. Diese Deutung gründete auf pseudomythologischen Spe-kulationen und fand in einer Gruppe von Heraldikern großen Widerhall. Lists wich-tigster Schüler war Bernhard Koerner, des-sen vierbändiges Werk „Handbuch der He-roldskunst (1920–30)“ auf der List’schen Hypothese vom Ursprung der Wappen auf-baute.83

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Solche Theorien stießen bei positivisti-schen Heraldikern, z. B. dem Grafiker Otto Hupp (1859–1949), auf vehementen Wider-spruch. Die Auseinandersetzung nahm, ganz untypisch für historische Hilfswissen-schaften, den Charakter eines politisch-ideologischen Richtungsstreites an, der während der gesamten Zeit der Weimarer Republik ausgefochten wurde.

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Die enge Verbindung zu List geht auch da-raus hervor, dass Lorenz-Meyer 1907 als Stif-ter der „Guido-von-List-Gesellschaft“ mit Sitz in Wien beitrat, deren Ehrenmitglied er später wurde.84 1908 gewann er Conrad Hermann Tietgens (1851–1941), ebenfalls ein Begründer der HAMBURGISCHEN WIS-SENSCHAFTLICHEN STIFTUNG, als

weiteren Stifter für die Gesellschaft. Über seine Stiftertätigkeit hinaus unterstützte Lo-renz-Meyer diese durch finanzielle Zuwen-dungen: 1912 spendete er 2.000 Mark für den Reservefonds der Gesellschaft, dessen Zinsertrag dem finanziell meist klammen

„Meister“ List (wie er von seinen Gefolgs-leuten genannt wurde) zufloss.85

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Die Gesellschaft war 1905 in erster Linie zur Finanzierung der „Forschungen“ und Verbreitung der Werke Lists ins Leben geru-fen worden. Zu diesem Zwecke veröfgeru-fent- veröffent-lichte sie die „Guido-List-Bücherei“. Diese wandte sich „beileibe nicht nur an die All-deutschen, Deutschnationalen usw. allein, sondern sie will dem ganzen ario-germa-nisch-deutschen Volke, dessen Grenzen weiter als staatliche Grenzpfähle reichen, Beweise liefern für die Richtigkeit stamm-verwandten, rassengemäßen Denkens und Fühlens, sie will wissenschaftlich begrün-den, was alle ario-germanisch-deutschen Stämme eint, was fremde Zutat im Laufe der Zeiten wurde, wie sich dieses Denken und Fühlen zukunftsformend vertiefen lässt, um die große pangermanische Welt-macht zu begründen“.86

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Der 1910 erschienene Band 5 der Guido-List-Bücherei „Die Bilderschrift der Ario-germanen (Ario-Germanische Hierogly-phik)“ ist Eduard Lorenz Lorenz-Meyer gewidmet (im gedruckten Widmungstext steht: „Herrn Eduard Lorenz Lorenz-Meyer ostindischen Handelsherren zu Hamburg dem feinsinnigen u. kunsterfahrenen Heral-diker in Armantreue vom Verfasser“). Mit Publikationen wie dieser führte List den Okkultismus in die völkische Bewegung ein. Er betrachtete sich als letzten Magier der „Armanen“, ein Kunstwort aus „Arier“

und „Germanen“. Die Armanen waren nach seiner Beschreibung die geistigen Füh-rer und Priester der „Arier“. Als Feind glaub-te List eine „inglaub-ternationale jüdische Ver-schwörung“ ausmachen zu können.87

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1911 gründete List den „Hohen Armanen Orden“ als inneren Zirkel der List-Gesell-schaft. Der Orden, mit List als „Hohem Meister“ an der Spitze, verstand sich als männerbündisch-elitären Priesterbund und strebte nach „Regenierung des Ario-Germa-nenthums“.88Zu diesem Zweck fanden sich deutsche Männer „auf Grundlage uralter ar-manischer Überlieferung im wiedererstan-denen Armanen-Orden (…) [zusammen], um nach den Ausführungen des Armanen Guido von List in Wien zum Gul oder der Sommer-Sonnenwende 1911 das erste Arma-nenthing abzuhalten“.89

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Schon 1911 trat Lorenz-Meyer, ebenso wie Koerner, dem Orden bei.90Ritualisierte Ge-heimtreffen waren im Wien der Jahrhun-dertwende durchaus verbreitet und tauchen, etwa in Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, auch als literarisches Motiv auf.

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Ähnliche Ziele wie die „Guido-von-List-Gesellschaft“ verfolgte die 1915 in Schweden gegründete pangermanische „Germanen-Gilde“, die das Ziel hatte, „bei den Germa-nen der Welt das Gefühl der Zusammenge-hörigkeit der Rasse zu wecken“ durch „An-näherung aller Völker germanischer Rasse und Besserung ihrer geistigen und wirt-schaftlichen Beziehungen“.91 (Der Reime-schmied Heinrich Feisel setzte ins Internet:

„Es war nicht immer ganz im Bilde, einst-mals die Germanengilde“).92Lorenz-Meyer trat im November 1915 der Gilde bei, einem eingetragenen Verein mit Hakenkreuz im

Briefkopf, der plante, seinen Sitz nach Hamburg zu verlegen.93 Die Gilde entfal-tete allerdings keine Wirksamkeit, da es schon im Dezember 1915 zu schwerwiegen-den Zerwürfnissen zwischen dem Vorstand und dem Geschäftsführer A. K. Heller kam, der Vereinsgelder veruntreut hatte.

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Das im Nachlass Lorenz-Meyers gefundene handschriftliche, undatierte Textfragment

„Die äußere Erscheinung des Deutschen“

zeigt einen Blick auf die deutsche Geschich-te, der mit der falschen Gleichsetzung von Germanen mit Deutschen beginnt, mit der Romantisierung des Mittelalters und der Abwertung der Renaissance als „undeutsch“

fortfährt, mit der Verdammung der Moder-nisierungen der Napoleonischen Reformära und der Revolution von 1848 endet und ins-gesamt um die Erhaltung der „Rasse“ be-sorgt ist. In Verbindung mit der Mixtur aus sozialkonservativem Engagement und über-steigertem Nationalismus, auf die in den vorherigen Kapiteln eingegangen wurde, deutet sich eine bedenkliche Nähe zur spä-teren NS-Ideologie an, die ja nicht „aus ei-nem Guss war“, sondern sich eklektisch vie-ler Quellen bediente.

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Da Lorenz-Meyer sich in seinen veröffent-lichten Texten sonst meist zu praktischen Fragen äußerte, soll an dieser Stelle ein län-gerer Ausschnitt des Fragments wiedergege-ben werden:

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„Hört man was Tacitus sagt, so schwillt ei-nem das Herz: hohe blonde Gestalten, ver-schlossen gegen Außenstehende. So war es noch das ganze Mittelalter hindurch, so lange die Deutschen die deutschen Einrich-tungen und deutsche Sprache übten – wenn-gleich leider die amtlichen Eintragungen oft

lateinisch waren und dadurch dazu beitru-gen, unsere Eigenart zu untergraben. Aber bis vor 1500 war deutsche Art, deutsche Sprache, deutsche Kunst, deutscher Sang und deutscher Tanz und deutsche Namen doch noch an der Tagesordnung. Vor allem hütete sich das Volk als solches noch vor fremden Einflüssen (…). So blieb die Rasse erhalten.

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Das ward Alles anders, als die Renaissance über uns herein traf. Da schielte alle Welt auf fremde Vorbilder und konnte sich gar nicht genug tun, ,klassische‘ Vorbilder nach-zuahmen, auch wenn sie deutscher Art noch so wenig entsprachen. Nach dem

lateini-schen kam unter Karl V. das spanische, dann das französische und unter der Franzosen Herrschaft wurde viel Gutes vernichtet. Mit 1848 ward die Grenze allen fremden Völkern geöffnet und dann strömten die Schwarzha-rigen in Scharen herein und vermischten unseren Stamm mit fremden Blut.

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Wie groß das Unheil ist, kann man rasch er-messen, wenn man vom Land zur Stadt fährt; auf dem Lande ist der Stamm glück-licherweise noch nicht ganz stark vermischt, aber in der Stadt gibt es kaum noch blonde Menschen, wenn sie nicht vom Lande zuge-wandert sind“.94

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70 Scheibelreiter, Heraldik, S. 17.

71 Zitiert nach Weidler, Lorenz-Meyer, S. 90.

72 Herold 44 (1913), Anzeigen-Beilage.

73 Vgl. Nicolaisen, Studien, S. 84.

74 Vgl. für die obigen Zitate Herold 48 (1917), S. 10, 15, 17.

75 Roland 2 (1914), S. 8.

76 Roland 14 (1921), S. 219. Dort wird „Eduard Lorenz-Meyer, Großkaufmann, Hamburg, Tesdorpf-Str. 18 als neues Ehrenmitglied aufgeführt.

77 Grolle, Geschlechterbuch, S. 314; Weiss, Vorgeschichte, S. 419. – Das Hakenkreuz ist bis in die älteste Ge-schichte nachzuweisen, war aber vor 1900 nicht allgemein bekannt (Hamann, Wien. S. 298).

78 Roland 12 (1920), S. 157.

79 Weiss, Vorgeschichte, S. 501.

80 Grolle, Geschlechterbuch, S. 314, 320; Weiss, Vorgeschichte, S. 498.

81 Grolle, Geschlechterbuch, S. 323.

82 Vgl. die zahlreichen überlieferten Briefe von List an Lorenz-Meyer im Staatsarchiv Hamburg: 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4e.

83 Scheibelreiter, Heraldik, S. 18.

84 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: Guido von List an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 27. Dezem-ber 1907; Roland 2 (1914), S. 18.

85 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer,C Xg 4 e: Friedrich Wannieck an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 6. Fe-bruar 1912.

86 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: Informations- und Werbebroschüre der „Guido-von-List-Ge-sellschaft“.

87 Vgl. List, Guido von auf der Website des Lexikons Rechtsextremismus (http://lexikon.idgr.de/l/l_i/list-guido/

list-guido.php).

88 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: Guido von List an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 16. Juni 1911.

89 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: Rundschreiben, unterzeichnet u. a. von Guido von List und Bernhard Koerner.

90 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: Guido von List an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 31. März 1911.– Im Wikipedia-Artikel Guido von List (http://de.wikipedia.org/wiki/Guido_von_List) wird, allerdings ohne nähere Belege, darauf hingewiesen, dass der junge Adolf Hitler ebenfalls Mitglied des Armanenordens gewesen sein könnte. Vgl. hierzu auch Hamann, Wien, S. 300: „In Hitlers bruchstückhaft erhaltener Privatbibliothek befindet sich ein Buch von Rabindranath Tagore [18611941, JG] über den Nationalismus mit der handschriftlichen Wid-mung zum Geburtstag 1921: ‚Herrn Adolf Hitler meinem lieben Armanenbruder B. Steininger‘. Babette Steinin-ger war ein frühes Münchener Parteimitglied. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Hitler Kontakt zu ei-nem der Geheimbünde um List hatte, wahrscheinlich aber erst in München [wohin er 1913 ging, JG]. Allerdings könnte das Wort ‚Armane‘ auch allgemein gemeint sein, um Hitlers hohen Rang innerhalb der ‚germanischen‘

Hierarchie zu unterstreichen.“

91 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: A. K. Heller an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 9. September 1915, 11. September 1915.

92 Weblog Heinrich Feisel (http://heinrichfeisel.typepad.com/nachdenkliches/2005/12/index.html).

93 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xg 4 e: A. K. Heller an Eduard Lorenz Lorenz-Meyer, 7. November 1915.

94 StA Hbg., 622-01 ⁄65 Lorenz-Meyer, C Xh 1 b: Die äussere Erscheinung des Deutschen, o. J.

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Eduards Leben endete versöhnlich. Seit dem verlorenen Weltkrieg hatte er es ab-gelehnt, den britischen Generalkonsul in Hamburg zu treffen. Nach langer Weige-rung konnte ihn jedoch 1926 der damalige Bürgermeister Carl Petersen (1868–1933) da-zu überreden, einer Einladung des General-konsuls zu einem Diner Folge zu leisten und den Kontakt wieder aufzunehmen.

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Hierzu kam es unglücklicherweise nicht mehr: Als sich Eduard für dieses Diner den Frack anzog, traf ihn der Schlag, an dessen Folgen er am 25.April 1926 verstarb.

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Am 28. April 1926 fand die Trauerfeier in der achten Kapelle des Friedhofes Ohlsdorf statt. An ihr nahmen u. a. die Bürgermeister Carl Petersen, Max Schramm (1861–1928) und Carl August Schröder (1855–1945) sowie der Senator Paul de Chapeaurouge (1876–

1952) teil. Eduard fand seine letzte Ruhe-stätte unter dem noch von ihm selber ent-worfenen Grabmal. Der Grabstein besteht – seinem Kunstgeschmack angemessen – aus einer Backsteinmauer mit kupfernem Wap-pen und dem Wahlspruch der Familie „Om-nia cum Deo“.

Epilog

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1910:

Koerner, Bernhard (Hg.): Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien, Band 18 (Ham-burger Geschlechterbuch, Band 1), Görlitz 1910 [die Wappen sind von Eduard Lorenz Lorenz-Meyer gezeichnet]

1911:

Ebert, Paul (Hg.): Die Veddel in Wort und Bild: Mit Beiträgen von Hamburger Kunstfreun-den und Schriftstellern, Hamburg 1911 [mit Wap-penzeichnungen und Zeichnungen von Eduard Lo-renz LoLo-renz-Meyer]

Koerner, Bernhard (Hg.): Deutsches Ge-schlechterbuch, Band 19, 21, 23, 27, 44 (Hamburger Geschlechterbuch, Band 2 bis 6), Görlitz 1911–1923 [die Wappen sind von Eduard Lorenz

Koerner, Bernhard (Hg.): Deutsches Ge-schlechterbuch, Band 19, 21, 23, 27, 44 (Hamburger Geschlechterbuch, Band 2 bis 6), Görlitz 1911–1923 [die Wappen sind von Eduard Lorenz

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