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S. cerevisiae-Glyzerinkulturen

2. Selektionsschritt – β-Galaktosidase Plattenassay

4.1 Attractin und die DASH-Proteinfamilie

4.1.2 DP4-Aktivität

Die Verunreinigung der Attractin-Proben durch DP2 wurde bereits durch die Festlegung der optimalen Bedingungen zur Messung der DP4-ähnlichen Aktivität unwahrscheinlich. Sowohl die in Attractin-Proben enthaltene Aktivität als auch hrDP4 wiesen ein pH-Optimum um pH 8,0 auf. Bei diesem pH-Wert ist DP2 nahezu inaktiv. Das Enzym zeigt einen optimalen Substratumsatz zwischen pH 5,5 und 6,0 (Leiting et al., 2003). Eine Kontamination durch FAPα wurde nicht festgestellt. Dazu durchgeführte Gelatinase-Zymographien erzielten negative Resultate. Die dimere Protease FAPα würde bei dieser Methode eine Bande von 180 bis 190 kDa (Levy et al., 1999) aufweisen. Zudem sollte das Protein in gesunden adulten Geweben nicht vorkommen.

Die Charakterisierung des Umsatzes niedermolekularer fluorogener Substrate offenbarte eine mit DP4 vergleichbare, bevorzugte Hydrolyse von Xaa-Pro-AMC Substraten. Im Gegensatz dazu wird z.B. Pro-AMC nicht umgesetzt. Das schließt die Beteiligung von Aminopeptidasen am Substratumsatz aus. Die aus dem Plasma präparierte Aktivität konnte als prolinspezifische Dipeptidylpeptidase klassifiziert werden, die durch klassische Serinproteaseinhibitoren, wie DFP oder PMSF, hemmbar ist. Dies war insofern nicht verwunderlich, da bereits zuvor in anderen Studien ähnliche Ergebnisse erzielt wurden (Duke-Cohan et al., 1995; Duke-Cohan et al., 1996; Duke-Cohan et al., 1998). Anhand dieser Daten wurde Attractin in die Gruppe der sogenannten DASH eingeordnet (Sedo et al., 2001). Nach Reinigung und ersten Charakterisierungen hielten auch wir Attractin, in Übereinstimmung mit anderen Arbeitsgruppen, für ein eigenständiges DP4-ähnliches Protein. In den gewonnenen Attractin-Proben konnte zunächst keine Verunreinigungen mit anderen Proteinen (speziell DP4) festgestellt werden. Vergleichende Charakterisierung von Attractin und DP4 offenbarten unterschiedliche proteinbiochemische Parameter. In der analytischen und der präparativen

IEF ergab sich durch Gegenüberstellung von Protein- und Aktivitätsfärbung die übereinstimmende Fokussierung von Attractin als auch DP4-ähnlicher Aktivität in einem pH-Bereich von pH 3,5 - 4,2. Neben dieser Hauptaktivität konnte in einigen Fällen auch eine zweite DP4-ähnliche Aktivität im Plasma festgestellt werden, deren Anteil an der Gesamtaktivität nur sehr gering ist. Diese wurde für elektrophoretische Untersuchungen stark konzentriert und ein pI im Bereich von pH 4,7 bis 5,3 bestimmt (Abbildung 4-1). Als Vergleichsproben wurden sowohl die DP4 aus Schweineniere (M. Wermann, probiodrug AG), als auch die DP4 aus humaner Plazenta herangezogen. Der pI dieses zweiten Enzyms mit DP4-ähnlicher Aktivität aus humanem Plasma (minor form) ist annähernd identisch mit dem der humanen plazentalen DP4 (pH 4,9 - 5,5). Sie unterscheiden sich aber von Attractin und der in diesen Fraktionen enthaltenen Aktivität. Ein Unterschied, der auch durch die native PAGE verdeutlicht wird (siehe Abbildung 3-1, Seite 58). Auch dort zeigen die Hauptaktivität und die Proteinfärbung von Attractin ein identisches Laufverhalten, unterscheiden sich aber deutlich von bekannten DP4-Formen. Es konnte angenommen werden, dass neben Attractin auch DP4 im humanen Plasma vorhanden ist, sich aber die Plasma-DP4 von anderen humanen DP4-Formen kaum unterscheidet und nur einen geringen Teil der Aktivität verursacht.

Durch späteren Nachweis und die Separierung von DP4 und Attractin, konnten erstmals die pI-Werte dieser beiden Plasma-Proteine eindeutig zugeordnet werden. Sie besitzen beide den beschriebenen sauren pI, mit dem auch die Hauptaktivität im humanen Plasma verbunden ist.

Auch in anderen Untersuchungen wurden DP4-ähnliche Aktivitäten in diesen beiden Bereichen nachgewiesen. Die Enzyme, die diese Aktivitäten im Plasma verursachen, wurden nicht identifiziert (Krepela et al., 1983). Vermutlich stellt der breite pI-Bereich die Mikroheterogenität von Isoformen der DP4 dar. Diese kann durch posttranslationale Modifikationen wie Glykosylierungen, Phosphorylierungen, Sulfatierungen oder

Abbildung 4-1:

Elektropherogramm nach analytischer isoelektrischer Fokussierung und

Aktivitätsfärbung mittels Gly-Pro-β-MNA;

Bahn 1: snDP4; Bahn 2: humane plazentale DP4; Bahn 3: Fraktion mit DP4-ähnlicher Aktivität aus humanem Plasma (minor form);

Bahn 4: Attractin-Fraktion aus humanem Plasma mit DP4-Aktivität

Acetylierungen verursacht sein. Möglicherweise entstammen sie auch unterschiedlichen Expressionsorten (Ursprungsgeweben). Mit einer Ausnahme enthalten alle von Kähne et al.

(1996) untersuchten Organhomogenate und Zelltypen DP4 mit pI-Werten im Bereich von ca.

4,6 - 5,3. Einzig die Lysate PHA-aktivierter Lymphozyten enthalten Gly-Pro-β-MNA-spaltende Aktivitäten, die in exakt den beiden pI-Bereichen fokussieren, die von uns im Plasma bestimmt wurden. Die saure Form ist Neuramidase-sensitiv (Kahne et al., 1996).

Wahrscheinlich wird der Hauptanteil der DP4-Aktivität im humanen Plasma von DP4 verursacht, die von aktivierten Lymphozyten freigesetzt wird.

Humanes Plasma-Attractin ist kein DP4-ähnliches Enzym

Die enzymatische Aktivität von Attractin wurde zuvor keinesfalls als DP4-identisch beschrieben. Allerdings konnte von uns weder die Hemmung der DP4-ähnlichen Aktivität in Attractin-Proben durch EDTA (Duke-Cohan et al., 1996), noch die spezifische Detektion von Attractin durch [3H]DFP (Duke-Cohan et al., 1995) bestätigt werden. Die DP4-Konzentration in Attractin-Proben ist sehr gering. Daher bindet [3H]DFP trotz intensiver Dialyse unspezifisch an das hoch konzentrierte Attractin. Dies wurde durch eine inaktive S630A-Variante der rekombinanten DP4 bestätigt (nicht gezeigt). Auch die differenzierte Hydrolyse des Chemokines RANTES durch Attractin und rhDP4 (Duke-Cohan et al., 2000) wurde von uns widerlegt, da die sukzessive Abspaltung der ersten beiden Dipeptide von RANTES sowohl durch rhDP4 als auch durch die später identifizierte humane Plasma-DP4 nachgewiesen werden konnte. Die ermittelte Zeitkonstante der Freisetzung von Tyr3-Ser4 ist um ca. zwei Größenordnungen geringer als die Abspaltung von Ser1-Pro2. Ob die Bildung von RANTES (5-68) eine physiologische Bedeutung hat, ist offen.

Speziell die zur Charakterisierung eingesetzten enzymspezifischen Inhibitoren (DP4I1 und DP8/9I1) verdeutlichen, dass sich die isolierte Plasmaaktivität von allen DP4-ähnlichen Enzymen, jedoch nicht von DP4 unterscheidet. Dabei besitzt Attractin keinerlei strukturelle Ähnlichkeit zu DP4. Selbst eng mit DP4 verwandte humane Proteine und Orthologe des Enzyms zeigen charakteristische Unterschiede. Sowohl der reversible Inhibitor DP8/9I1 als auch der irreversible Inhibitor Ala-Pro(OPh-4-Cl)2 (nicht gezeigt) können zur Differenzierung von DP4Schwein und DP4Mensch eingesetzt werden. Auch in ihrer Fähigkeit Proteininteraktionen einzugehen unterscheiden sich DP4-Paraloge. Die DP4-Formen von Ratten und Mäusen sind, im Gegenteil zu denen von Mensch, Rind oder Kaninchen, nicht zur ADA-Bindung fähig (Dinjens et al., 1989; Schrader et al., 1990; IwakiEgawa et al., 1997).

Mit der X-Pro-Dipeptidylpeptidase (EC 3.4.14.11) aus Lactococcus lactis (Chich et al., 1992)

Verwandtschaft zu DP4. Wie Attractin weist das Protein nur eine etwa zu 15% identische Aminosäuresequenz zu DP4 auf. Die Sequenz um das aktive Serin (G-X-S-Y-X-G) entspricht jedoch dem Motiv anderer Serinproteasen wie DP4, DP2 oder PEP.

Im Unterschied zur X-Pro-Dipeptidylpeptidase aus Lactococcus lactis besitzt das von Duke-Cohan et al. (1998) postulierte aktive Zentrum des humanen Attractin nur geringe Ähnlichkeit zu denen von typischen Vertretern der DP4-Klasse (Attractin: G-R-S-G-G). Wie im Anhang auf S. 120 dargestellt, ist der N-Terminus des ansonsten hoch konservierten Proteins im Vergleich zum Attractin verschiedener Säugerspezies sehr variabel. Der Serinrest an Position 26 (in der Sequenz G-R-S-G-G) ist ausschließlich beim menschlichen Protein vorhanden. Zudem wurde Attractin von uns erstmals N-terminal sequenziert. Das prozessierte, zirkulierende Attractin beginnt an Positions 84. Dies wurde durch alle folgenden Sequenzierungen gereinigten Plasma-Attractins bestätigt. Vermutlich wird das Signalpeptid an dieser Stelle abgespalten. Das postulierte aktive Zentrum ist demnach am zirkulierenden Protein nicht vorhanden, sondern Bestandteil einer langen Signalsequenz. Auch die Vorhersage der Signalpeptidasespaltstelle (Programm: SignalP) ermittelte für Attractin eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Spaltung an dieser Stelle. Die Aminosäuren um die Spaltstelle sind konserviert, so dass sie für alle Säugerspezies in Frage kommt. Nach Abspaltung dieses inhomogenen N-Terminus sind alle bekannten Attractin-Sequenzen von Säugern annähernd identisch. Der Anteil identischer Aminosäuren beträgt im Vergleich zum Menschen mindestens 95% (Beispiele s. S. 120).

Atrn3 beinhaltet eine Deletion im N-terminalen Bereich, in der sich auch die oben genannte Signalpeptidasespaltstelle befindet. Wie aus verschiedenen Veröffentlichungen hervorgeht, handelt es sich bei dem von Duke-Cohan et al. beschriebenen löslichen Attractin aus humanem Serum um diese Isoform 3. Wie diese sollte auch das rekombinante Atrn3 proteolytisch aktiv sein (Duke-Cohan et al., 1995; Duke-Cohan et al., 1998; Gunn et al., 1999). Atrn3 konnte allerdings bei keiner unserer Präparationen identifiziert werden.

Identifizierung der humanen Serum-DP4

In Übereinstimmung mit Duke-Cohan et al. (1995) konnten wir zunächst keine Verunreinigungen durch DP4 feststellen. Obwohl inzwischen eine Reihe von Autoren von einer DP4-ähnlichen Aktivität von Attractin ausgeht (Duke-Cohan et al., 1996; Duke-Cohan et al., 1998; Duke-Cohan et al., 2000; Malik et al., 2001; Sedo et al., 2003; Busek et al., 2004; Sedo et al., 2005; Wrenger et al., 2006a und b), waren wir nach Charakterisierung der

"Attractin-Aktivität" der Überzeugung, dass nur Spuren der Dipeptidylpeptidase 4 die Ursache dieser Aktivität sein können. Für den nötigen Nachweis war der hohe Grad der

Reproduzierbarkeit der Attractin-Reinigung Vorraussetzung. Im Unterschied zu DP4, sollten Attractin und auch DP4-β keine ADA-Affinität besitzen (Kameoka et al., 1993; Morrison et al., 1993; Duke-Cohan et al., 1995; Jacotot et al., 1996; Dong et al., 1996; Blanco et al., 1998). Mittels ADA-Affinitätschromatographie konnte aus gereinigten, stark konzentrierten Attractin-Proben ein Enzym isoliert werden. Die Aktivität dieses Enzyms wurde zuvor deutlich als DP4-identisch charakterisiert. Es besitzt ADA-Affinität, ein monomeres Molekulargewicht von 110 kDa und ist DP4 immunoreaktiv. Attractin ist nicht in der Lage an ADA zu binden. Die so getrennte Attractin-Fraktion enthält annähernd die Gesamtproteinmenge der Ausgangsprobe jedoch keine Aktivität. Mindestens 99,7% der in Attractin-Proben enthaltenen Aktivität sind daher der Plasmaform der Dipeptidylpeptidase 4 zuzuordnen, da sie in der Attractin-freien, DP4-immunoreaktiven Fraktion aufgefangen wurden. Damit wurde erstmals der Beweis erbracht, dass Attractin aus humanem Plasma keine DP4-ähnliche Aktivität besitzt.

Rekombinante humane Attractin-Isoformen sind enzymatisch nicht aktiv

Die Trennung der beiden nativen Formen von Attractin und DP4 aus einer gemeinsamen Ausgangsprobe war entscheidend für die Entkräftung der postulierten DP4-ähnlichen Aktivität von humanem Plasma-Attractin. Wie aber ist die publizierte DP4-ähnliche Aktivität von rekombinantem Attractin zu erklären (Duke-Cohan et al., 1998)? Auch die Beantwortung dieser Frage ist von zentraler Bedeutung gewesen.

Aus Gründen, die vermulich im stark GC-haltigen N-terminalen Bereich begründet liegen, waren die Amplifikationen der kompletten kodierenden Sequenzen der Isoformen 1 und 2 nur im analytischen Maßstab möglich. Atrn2 wurde daher mit Hilfe überlappender Sequenzabschnitte in den Expressionsvektor pPICZαA integriert. Da die Expression von rhAtrn2 im Hefesystem nicht nachgewiesen werden konnte, wurde das Säugerzellsystem bevorzugt. Für die Expression in Säugerzellen konnten Vektoren verwendet werden (pcDNA3.1/Myc-His B/Atrn1, pcDNA3.1/Myc-His B/Atrn3 und pSecTag2B/Atrn3), die freundlicherweise von Duke-Cohan zur Verfügung gestellt und von uns durch Sequenzierung überprüft wurden. Zudem wurde Atrn2 von uns kloniert (pcDNA3.1/Myc-His B) und in die Experimente einbezogen. Die Lysate aller transfizierten 293HEK-Zellen enthielten eine DP4-ähnliche Aktivität. Diese unterscheidet sich nicht von der intrinsischen Aktivität untransfizierter Kontrollen und konnte durch chromatographische Methoden von den rekombinanten Attractin-Isoformen separiert werden. Der Einsatz des Inhibitors DP8/9I1

reduzierte die Substrathydrolyse in HEK-Zelllysaten auf unter 5%. Dies lässt vermuten, dass die Aktivität zu einem großen Teil von DP8 und/oder DP9 verursacht wird. Die Expression

der beiden Isoformen von DP9 in den verwendeten Zellen wurde per Western Blot bestätigt.

Alle exprimierten rekombinanten humanen Isoformen von Attractin sind enzymatisch inaktiv.

Fünf Isoformen des humanen Attractin waren zu Beginn dieser Arbeit in Datenbanken verzeichnet. Trotz Verwendung spezifischer Primerkombinationen zur Erkennung aller Isoformen, gelang nur die Amplifikation differenzierender Abschnitte von Atrn1 und Atrn2.

Die anderen Isoformen konnten nicht nachgewiesen werden. Unsere Ergebnisse wurden inzwischen bestätigt. Atrn4 und 5 wurden nach der Deklaration „nicht auf experimentellen Daten beruhend“ aus allen Datenbanken entfernt (expasy.org, NCBI). Obwohl Atrn1 und 2 rekombinant mit Hilfe des Vektors pcDNA3.1/Myc-His B hergestellt werden konnten, war dies für Atrn3 nicht möglich. Erst nach N-terminaler Fusion einer artifiziellen leader sequence (pSecTag2B), die eine zusätzliche Signalpeptidasespaltstelle enthält, konnte das Protein exprimiert werden. Vermutlich war die vorhergesagte N-terminale Deletion der Grund für die Expressionsprobleme. Atrn3 wurde kürzlich aufgrund von Klonierungsartefakten vom Antragsteller selbst zurückgezogen (NCBI, NM012070, AF034957). Daher ist davon auszugehen, dass beim Menschen neben dem Precursor Atrn1 nur die lösliche Form Atrn2 existiert. Die Bestimmung der DP4-ähnlichen Aktivität von rhAtrn3 (Duke-Cohan et al., 1998) erfolgte daher anhand eines nativ nicht existenten Proteins.

Im ersten Teil dieser Arbeit gelang erstmalig eine homogene Präparation von Attractin. Durch enzymologische Charakterisierung dieses humanen Proteins aus Blutplasma wurde die

„Attractin-Aktivität“ der humanen löslichen Form der Dipeptidylpeptidase 4 zugeordnet und anschließend durch Separierung der Plasma-DP4 belegt. Der dabei erreichte Reinigungsfaktor zur Präparation von DP4 aus humanem Plasma war größer als 100 000. Diese Ergebnisse wurden durch rekombinante Expression und Reinigung aller bekannten Isoformen des humanen Attractins bestätigt. Auch diese rekombinanten Isoformen wurden erstmals bis zur Homogenität präpariert. Der am weitesten entwickelte Ansatz der Funktionsaufklärung von Attractin, die DP4-ähnliche Aktivität, konnte erstmals widerlegt werden. Der mahogany-Phänotyp muss daher andere primäre Ursachen haben, als den Verlust einer Proteaseaktivität.