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2.3 Schichten mit senkrechter leichter Achse

2.3.3 Dom¨anenw¨ande

Eigenschaften und innere Struktur magnetischer Dom¨anenw¨ande sind im allgemeinen experimentell nur sehr schwer zu ermitteln. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass diese Informationen stattdessen meist analytisch oder numerisch berechnet wer-den, was wohl den bei weitem wichtigsten Beitrag des Mikromagnetismus zur Analyse magnetischer Dom¨anenstrukturen darstellt.

Die planare 180-Wand

Die planare 180-Wand, die zwei entgegengesetzt magnetisierte Dom¨anen in einem unendlich ausgedehnten Medium mit uniaxialer Anisotropie trennt, stellt die wohl einfachste Form einer Dom¨anenwand dar. Im energetisch g¨unstigsten Zustand liegt die Magnetisierung der Dom¨anen parallel zur Anisotropieachse und damit auch parallel zur Wand, die die Anisotropieachse enth¨alt. Magnetostriktive Effekte sowie Anisotropien h¨oherer Ordnung sollen hier vernachl¨assigt werden.

N´eel- und Blochwand: Die 180-Wand stellt einen kontinuierlichen ¨Ubergang zwi-schen den beiden homogen magnetisierten Bereichen dar. Da die Wand in zwei Dimen-sionen als unendlich ausgedehnt angenommen wird, kann dieser ¨Ubergang eindimen-sional als Rotation des Magnetisierungsvektors in Abh¨angigkeit vom Ort x auf einer zur Wand senkrechten Achse beschrieben werden. Die Kurve, die die Magnetisierungs-richtung dabei mit x als Parameter auf der Einheitskugel beschreibt, wird als Magne-tisierungspfad bezeichnet. Man kann nun annehmen, dass nur Magnetisierungspfade mit minimaler L¨ange – also Halb-Meridiane – in Frage kommen, da Abweichungen davon keinen energetischen Vorteil br¨achten. Von den verbliebenen Pfaden sollen nun zwei extremale M¨oglichkeiten betrachtet werden, die in Abbildung 2.8 dargestellt sind:

Blochwand: Die Rotationsachse steht senkrecht auf der Wandebene.

N´eelwand: Die Rotationsachse liegt in der Wandebene.

Da die Rotationsachse in beiden F¨allen senkrecht auf der Anisotropieachse steht, unterscheiden sie sich nicht in ihrer Anisotropieenergie. Im Gegensatz zur N´eelwand

Abbildung 2.8: Die Rotation der Magnetisierung innerhalb einer 180-Wand.a)Die Bloch-wand ist streufeldfrei und daher energetisch g¨unstiger. b) Die N´eelwand tritt in d¨unnen Filmen oder angelegten Feldern auf. Die entgegengesetzte Rotationsrichtung ist in beiden F¨allen genauso m¨oglich. Aus [HS98, Seite 216].

ist die Blochwand allerdings streufeldfrei und daher energetisch g¨unstiger [HS98, Seite 215ff.].

Eigenschaften der idealisierten Blochwand: Sei ϕ der Winkel der Magnetisie-rung, der in der Blochwand von +90bis -90rotiert. Die spezifische Wandenergie er-rechnet sich aus Austausch- und Anisotropieenergiedichte:

γw =

Z

−∞A ϕ02 +Kcos2ϕ dx

mit den Randbedingungen ϕ(−∞) = π2 und ϕ(∞) = −π2. Der Verlauf von ϕ mit minimaler Energie kann mit Hilfe der Variationsrechnung gefunden werden (Variation der Wandenergie γw):

δγw = 0 ⇔ 2A ϕ00 =−2Ksinϕcosϕ . Multiplikation mit ϕ0 und unbestimmte Integration liefert

A ϕ02 =Kcos2ϕ+C .

Im Unendlichen muss ϕ0 verschwinden, woraus zusammen mit den Randbedingungen folgt, dass C = 0 und somit

dx=qA/K dϕ/cosϕ womit sich die Energiedichte integrieren l¨asst:

γw = 2

Z

−∞Kcos2ϕ dx= 2√ AK

Z π/2

π/2cosϕ dϕ .

Es ergibt sich f¨ur die spezifische Wandenergie der idealisierten Blochwand [HS98]:

γw = 4√

AK . (2.13)

F¨ur das Wandprofil erh¨alt man den Ausdruck

ϕ(x) = arcsin tanhξ; ξ= x

qA/K , dessen Verlauf in Abbildung 2.9 dargestellt ist. Die Gr¨oße √

A/K wird als Aus-tauschl¨ange bezeichnet.

-4 -2 0 2 4

-90 -45 0 45 90

A/K x

WL

(x) in Grad

Abbildung 2.9:Berechnetes Wandprofil einer 180Blochwand mit Lilley-Wandbreite.

Lilley-Wandbreite: Aufgrund des kontinuierlichen Wandverlaufs sind beliebige De-finitionen f¨ur die Wandbreite denkbar. Sehr h¨aufig wird allerdings die Definition von Lilley [Lil50] verwendet, welche die Steigung des Magnetisierungswinkels in der Wand-mitte bis ±90extrapoliert, wie in Abbildung 2.9 gezeigt. Die Lilley-Wandbreite der Blochwand skaliert mit der Austauschl¨ange:

WLqA/K .

Anwendbarkeit des Modells: Das oben vorgestellte Wandmodell liefert in massi-ven Proben aufgrund der meist ausgedehnten W¨ande mit – in Relation zur Dom¨anen-gr¨oße – kleiner Breite eine gute N¨aherung von spezifischer Energie und Verlauf einer

Blochwand, solange magnetoelastische Effekte oder eine Anisotropie h¨oherer Ordnung vernachl¨assigbar sind. Ind¨unnen Schichten ist die Blochwand jedoch begrenzt und so-mit nicht mehr streufeldfrei, so dass dieses einfache eindimensionale Modell nur noch grobe Absch¨atzungen erm¨oglicht. Tats¨achlich stellt man fest, dass sich beim ¨ Uber-gang vom ausgedehnten Festk¨orper zur d¨unnen Schicht ein Skalenwechsel vollzieht, so dass neben der Anisotropie-Austauschl¨ange √

A/Ku auch die Streufeld-Austauschl¨ange

A/Kd und die Schichtdicke Bedeutung erlangen. Eine bessere Beschreibung von Dom¨anenw¨anden in d¨unnen Schichten erfordert jedoch nicht nur die Einbeziehung des Streufelds, sondern zudem eine mindestens zweidimensionale Behandlung des Pro-blems, weshalb eine L¨osung durch triviale Integration nicht mehr m¨oglich ist. Anstelle dessen bedient man sich z.B. der Variationsrechnung basierend auf sorgf¨altig gew¨ahlten Reihenentwicklungen oder muss gleich auf diskrete numerische Verfahren zur¨uckgreifen [HS98].

W¨ande in Filmen mit starker senkrechter Anisotropie

In Filmen mit leichter Anisotropieachse parallel zur Schichtnormalen und Q > 1 ge-nerieren die senkrecht magnetisierten Dom¨anen untereinander starke Streufelder, wie in Abbildung 2.10 zu sehen ist. Da sich die Streufelder in der zu den Oberfl¨achen par-allelen Mittelebene der Schicht gegenseitig aufheben, hat die Wand hier Bloch-artigen Charakter: Die Rotationsachse des Magnetisierungspfades steht auf der Wandebene senkrecht. In der Wandmitte liegt die Magnetisierung daher parallel zur Schichtebene und tangential zur Wand. Oberhalb und unterhalb dieser Mittelebene wird die Wand-magnetisierung dagegen um so mehr von den Streufeldern beeinflusst, je kleiner der Abstand von der Oberfl¨ache wird, und die Wand bekommt N´eel-artigen Charakter, wo-bei die Magnetisierung direkt an der Oberfl¨ache – vor allem wo-bei gr¨oßeren Schichtdicken – vollst¨andig in die Schichtebene gezwungen werden kann. Auf diese Art entsteht die typische verwundene Wandstruktur, die in Abbildung 2.10 dargestellt ist.

Abbildung 2.10: Schematische Darstellung einer Dom¨anenwand in einer Schicht mit stark bevorzugter senkrechter Achse. Die Wand ist in ihrem Zentrum Bloch-artig, wird aber auf-grund von Streufeldern zu den Oberfl¨achen hin N´eel-artig. Aus [HS98, Seite 256].

Blochlinien und -Punkte: Dreht man in Abbildung 2.10 die Magnetisierung in der Wandmitte um, so dass sie nun aus der Zeichenebene heraus zeigt, so erh¨alt man eine ¨aquivalente Form der Wand, die sich von der anderen nur in ihrem Drehsinn unterscheidet. Da die Wandenergie identisch ist, k¨onnen beide Formen koexistieren. Die Trennlinien zwischen solchen Segmenten heißenBlochlinien. Sie sind in allen m¨oglichen Orientierungen vorstellbar; in senkrechten Schichten mit Band- und Zylinderdom¨anen unterscheidet man aber haupts¨achlich zwischen zwei F¨allen:

Horizontale Blochlinien verlaufen entlang der Wand durch die Wandmitte, so dass zwei”Zentren“ mit gegenl¨aufiger Magnetisierungsrichtung entstehen.

Vertikale Blochlinien stehen, wie in Abbildung 2.11 angedeutet, senkrecht zur Wandrichtung. Zwei vertikale Blochlinien mit entgegengesetztem Umlaufsinn k¨onnen einander annihilieren, ansonsten stoßen sie sich aufgrund ihrer magneti-schen Ladung ab.

Die Berechnung von Energie und Breite einer Blochlinie verl¨auft analog zur Blochwand (siehe Seite 25), nur dass zus¨atzlich lokale Streufelder ber¨ucksichtigt werden m¨ussen [HS98, Seite 259f.]. F¨ur Q À 1 ergibt sich eine spezifische Energie von 8A/

(Q) und eine Breite von π

A/Kd.

Abbildung 2.11: Vertikale Blochlinien in einem Film mit Band- und Zylinderdom¨anen. Die hintere, verwundene Blochlinie folgt dem von den Dom¨anen generierten Streufeld und ist daher energetisch g¨unstiger als der vordere, einfache Fall. In ihrem Zentrum befindet sich eine Singularit¨at, ein sogenannter Blochpunkt. Aus [HS98, Seite 256].

Abbildung 2.11 zeigt zwei m¨ogliche F¨alle von vertikalen Blochlinien. Die verwun-dene Blochlinie kann durch Dom¨anen-generierte Streufelder entstehen und besitzt in ihrer Mitte einen Blochpunkt. Wenn man die unmittelbare Umgebung dieses Punktes n¨aher betrachtet, so stellt man fest, dass jede m¨ogliche Magnetisierungsrichtung vor-kommt. Der Blochpunkt besitzt also keine vorgegebene Magnetisierungsrichtung und

stellt somit eine mikromagnetische Singularit¨at dar, in der die magnetische Ordnung aufgehoben ist.

Abschlusskonfigurationen: Betrachtet man eine Wand wie in Abbildung 2.12 (links) im Querschnitt, so sieht man, dass die Magnetisierung um das Wandzentrum einen Vortex bildet, der einen gewissen Teil des magnetischen Flusses zwischen den Dom¨anen schließt und somit das Streufeld reduziert. Der damit verbundene Energie-gewinn ist h¨aufig so hoch, dass sich die Wand an den Schichtoberfl¨achen verbreitert, um einen noch vollst¨andigeren Feldschluss zu erreichen: es bildet sich eine kontinuierliche Abschlusskonfiguration, die besonders bei reduzierter Anisotropie (Q& 1) sehr stark ausgepr¨agt sein kann, da in diesem Fall der damit verbundene Zuwachs an Anisotropie-und Austauschenergie minimal ist. Die Breite dieser Abschlusszone kann so ein Viel-faches der Wandbreite im Schichtzentrum betragen, wie in Abbildung 2.12 (rechts) skizziert. Diskrete Abschlussdom¨anen (

”Landau-Konfiguration“) findet man dagegen nur in sehr dicken Schichten mit Q <1, also im Zusammenhang mit dichten Streifen-dom¨anen [HS98].

Abbildung 2.12:Links:Verwundene Wandstruktur in hochanisotropen senkrechten Schich-ten (QÀ1) mit schwach ausgepr¨agter Abschlusskonfiguration.Rechts:Ausgepr¨agte konti-nuierliche Abschlusskonfiguration bei reduzierter Anisotropie (Q&1).