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In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Studie zusammenfassend interpre-tiert hinsichtlich der Frage, welche Entwicklungsverläufe die befragten Fach- und Lehrkräfte in Bezug auf ihre Professionalisierung im Bereich der MINT-Bildung selbst einschätzten.

In Anlehnung an die COAKTIV-Studie von Kunter et al. (2011) zur professionel-len Kompetenz von Lehrkräften wurden in dieser Studie verschiedene Facetten der professionellen Kompetenz von Fach- und Lehrkräften im MINT-Bereich erfasst.

Dazu wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Fortbildungen der Initiative

„Haus der kleinen Forscher“ nach ihrer Einschätzung bezüglich ihres Professions-wissens, ihrer Motivation und ihren Einstellungen gefragt. Verläufe der Kompe-tenzentwicklung wurden über den Vergleich der Aussagen von erfahrenen und weniger erfahrenen Fach- und Lehrkräften nachgezeichnet. Die Erfahrung wurde dafür hinsichtlich der Anzahl an Berufsjahren, der Anzahl besuchter Fortbildun-gen und einem möglichen MINT-Hintergrund operationalisiert. Weiter wurde die Entwicklung durch eine retrospektive Einschätzung der Fach- und Lehrkräfte hin-sichtlich der Veränderung ihres Professionswissens nachgezeichnet.

9.1 Professionswissen: Stand und Entwicklung

Das Professionswissen wurde durch die Bereiche fachdidaktisches Wissen so-wie professionelle Verhaltensoptionen abgefragt und über Items zur Nutzung des „Forschungskreises“ (vgl. Marquardt-Mau, 2004, 2011; Rank et al., 2018;

Stiftung Haus der kleinen Forscher, 2013), zum Verhalten in Beispielsituationen sowie zur Fähigkeit, verschiedene Phänomene kindgerecht erklären zu können, operationalisiert. Der Schwerpunkt lag auf dem fachdidaktischen Wissen; inhalt-lich stehen die Items in einem engen Zusammenhang zum Fortbildungskonzept der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Insgesamt schätzten die Befragten hier-bei ihre eigene Kompetenz relativ hoch ein, besonders auffällig war dies hier-bei den pädagogischen Fachkräften. Dieser Befund steht im Gegensatz zu Studien, die das Professionswissen im MINT-Bereich bei Fach- und Lehrkräften objektiv erfasst haben und insgesamt als eher niedrig einschätzen (vgl. Appleton, 2003; Dune-kacke, 2015; Garbett, 2003)2015; Garbett, 2003. Offenbar stimmen selbstein-geschätzte und objektiv gemessene Fachkompetenzen in der Höhe nicht überein (Müllerbuchhof & Zehrt, 2006). In der vorliegenden Studie handelt es sich um Selbsteinschätzungen der Fach- und Lehrkräfte, deren Antworten auch durch so-zial erwünschtes Verhalten beeinflusst sein können.

Befragt nach der Veränderung dieser Kompetenzfacette fanden sich in der retrospektiven Einschätzung des eigenen Professionswissens zu verschiedenen Zeitpunkten signifikante Unterschiede und damit Anhaltspunkte, die auf einen Entwicklungsprozess hindeuten.

Um einen Entwicklungsprozess im Professionswissen abzubilden, wurden die Merkmale Berufserfahrung, MINT-Hintergrund und Anzahl besuchter Fortbil-dungen herangezogen. Die Anzahl der besuchten FortbilFortbil-dungen erwies sich als relevant für den Kompetenzzuwachs; dagegen ließen sich in den Antworten der befragten Fach- und Lehrkräfte Kompetenzzuwächse weder durch den beruflichen Hintergrund noch die Berufserfahrung erklären. Obwohl es sich auch hier um Selbsteinschätzungen handelt, deckt sich das Ergebnis mit Studien, die keinen Kompetenzzuwachs allein durch die Berufsjahre feststellen (Lipowsky & Rzejak, 2012; Nitsche et al., 2013; Steffensky et al., 2018; Brunner et al., 2006), sondern den Zusammenhang mit besuchten Fortbildungen herstellen (Richter et al., 2018;

Lipowsky & Rzejak, 2012; Nitsche et al., 2013; Steffensky et al., 2018). In der Studie EASI Science konnte hingegen gezeigt werden, dass die tatsächliche Sach- und Handlungskompetenz der Fach- und Lehrkräfte durchaus mit den Berufsjah-ren steigt (vgl. Steffensky et al., 2018).

Legt man die Anzahl der besuchten Fortbildungen den Analysen zugrunde, gaben die Befragten an, dass mit zunehmendem Fortbildungsbesuch ihr selbst-wahrgenommenes Professionswissen steigt. Das zeigte sich sowohl im direkten Vergleich zwischen erfahrenen und unerfahrenen Fach- und Lehrkräften als auch in der retrospektiven Einschätzung durch die Befragten selbst. Damit werden die Fortbildungen der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ als zentrale Lerngelegen-heiten wahrgenommen (Kunter et al., 2011), die für einen Entwicklungsverlauf verantwortlich gemacht werden.

9.2 Motivation: Stand und Entwicklung

Als weitere Facette der professionellen Kompetenz wurde die Motivation, sich mit MINT-Themen zu beschäftigen, erhoben (Kunter et al., 2011). Die Motivation hat einen großen Einfluss darauf, sich im MINT-Bereich fortzubilden und mit Kindern zu forschen (Rost-Roth, 2001). Erwartungsgemäß gaben die Fach- und Lehrkräfte hohe Motivationswerte an, sonst würden sie vermutlich auch keine Fortbildungen der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ besuchen und nicht an einer solchen Befragung teilnehmen. Die Motivation wurde im Fragebogen über mehrere Items wie die Anzahl der mit den Kindern durchgeführten Forschungsaktivitäten und Umsetzung von Beispielexperimenten oder zur Häufigkeit des Forschens allge-mein abgefragt. Alle Befragten gaben durchweg hohe Zustimmungswerte an, was sicher auch mit der Zusammensetzung der Stichprobe zu erklären ist. Als weiterer

Bereich wurde unter Motivation die Selbstwirksamkeitserwartung erhoben (siehe Abschnitt A 6.3.2), die ebenfalls bei allen Befragten in einem hohen Bereich lag.

Bedeutsame Unterschiede hinsichtlich der Motivation fanden sich für den MINT-Hintergrund: Sowohl Lehrkräfte als auch Fachkräfte mit einem MINT-Hinter-grund gaben an, motivierter zu sein, mit Kindern zu MINT-Themen zu forschen, sich mit den MINT-Themen zu beschäftigen etc. Hinsichtlich der Entwicklungs-verläufe gaben die Befragten an, dass sich ihre Motivation bezüglich MINT-The-men mit zunehMINT-The-mender Berufserfahrung und der Anzahl der besuchten Fortbil-dungen signifikant gesteigert habe. Das bezieht sich sowohl auf die Anzahl der Forschungsaktivitäten mit Kindern als auch auf die Selbstwirksamkeitserwartung.

Lediglich bei Personen, die bereits neun und mehr Fortbildungen der Initiative

„Haus der kleinen Forscher“ besucht haben, stieg die Motivation nicht mehr wei-ter an. Diesen Sachverhalt fanden auch Schulz-Hardt, Rott, Meinken und Frey (2001), der einen Anreizverlust und einen zunehmenden Widerwillen gegenüber der wiederholten Ausführung einer spezifischen Handlung kennzeichnet, im Fall der vorliegenden Studie die wiederholte Teilnahme an Fortbildungen. Denkbar wäre außerdem, dass sich die Befragten nach so vielen besuchten Fortbildungen kompetent genug fühlen und keine weitere Fortbildung mehr benötigen.

An Unterschieden zwischen den beiden Professionen hinsichtlich der Selbst-wirksamkeitserwartung zeigte sich, dass diese bei den Lehrkräften im Schnitt hö-her ist als bei den pädagogischen Fachkräften. Dies ist vermutlich darauf zurück-zuführen, dass von den Lehrkräften die Mehrheit einen MINT-Hintergrund hat (nur rund 26 Prozent haben keinen MINT-Hintergrund) und die pädagogischen Fach-kräfte mehrheitlich keinen (74 Prozent) MINT-Hintergrund aufweisen können. Die pädagogischen Fachkräfte nehmen jedoch häufiger an Fortbildungen teil, sodass hinsichtlich der Motivation im Allgemeinen (Index „Motivation“) keine signifikan-ten Unterschiede zwischen den Professionen bestehen.

9.3 Einstellungen: Stand und Entwicklung

Auch bei den Einstellungen zur Bedeutung von MINT-Bildung bereits für junge Kin-der sind hohe Werte bei den Befragten erwartbar: Würde man das Forschen mit Kindern zu MINT-Themen für weniger wichtig erachten, würde man keine Fortbil-dungen der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ besuchen. Entsprechend haben alle Befragten angegeben, dass sie die MINT-Bildung als wichtig oder sehr wichtig einschätzen – hier fanden sich kaum nennenswerte Veränderungen über die Zeit.

Außerdem ist der Befund erwartbar, dass Fach- und Lehrkräfte mit MINT-Hin-tergrund die Förderung im MINT-Bereich als wichtiger einschätzten als Pädago-ginnen und Pädagogen ohne MINT-Hintergrund, vor allem für den Kita-Bereich.

Auf Einzelitemebene zeigt sich, dass alle Pädagoginnen und Pädagogen

MINT-Förderung im Grundschulbereich als wichtiger einschätzen, was vermutlich auf die längere Tradition solcher Themen im Sachunterricht der Grundschule zurück zu führen ist. Die Einstellung gegenüber der Wichtigkeit des Förderbereichs MINT im Kindergarten ist bei pädagogischen Fachkräften sowie Lehrkräften am posi-tivsten, die bis zu zwei Fortbildungen besucht haben, nicht bei denjenigen mit mehr Fortbildungsbesuchen; dieser Unterschied ist signifikant. Für den Grund-schulbereich bleibt die Einstellung über die steigende Anzahl von Fortbildungs-besuchen nahezu gleich. Diese Ergebnisse decken sich mit bereits berichteten Annahmen, dass Überzeugungen recht stabil sind (Kunina-Habenicht, Decker &

Kunter, 2016), aber gleichzeitig scheinen Fortbildungen auch das Potenzial für Veränderungen von Einstellungen zu bieten (Kunina-Habenicht, Decker & Kunter, 2016; Lipowsky & Rzejak, 2012). Hinweise darauf finden sich in den Ergebnissen aus dem kumulierten Index „Einstellungen“: Durch eine steigende Anzahl an Fort-bildungsbesuchen entwickeln sich die Einstellungen gegenüber MINT-Themen signifikant positiv.

9.4 Fazit

Insgesamt zeichneten die Befragten ein äußerst positives Bild sowohl ihrer pro-fessionellen Kompetenz als auch ihrer Entwicklung, die sie durch die Fortbildun-gen im Rahmen der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ erfahren haben. 50 Pro-zent der Befragten sahen keinen Bedarf, das Fortbildungsangebot der Initiative

„Haus der kleinen Forscher“ zu verändern und sprachen sich dafür aus, das bishe-rige Format genauso weiterzuführen. Die andere Hälfte formulierte Änderungsvor-schläge in eher begrenztem Rahmen, z. B. mehr praktische Tipps zum Forschen mit Kindern zu erhalten oder die unterschiedlichen Altersstufen von Kindern mehr zu berücksichtigen. Die Varianzen im Antwortverhalten waren generell gering, große Unterschiede konnten weder zwischen den Berufsgruppen (Fach- und Lehrkraft) noch zwischen Personengruppen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund ausgemacht werden. So handelt es sich bei den in Kapitel A 8 und im Folgenden berichteten Unterschieden in den Entwicklungen nur um geringe Ausprägungen.

Demzufolge stellt sich die Gruppe der befragten Fach- und Lehrkräfte als recht homogene Gruppe dar, was ihre Einschätzungen bezüglich ihrer professionellen Kompetenz im MINT-Bereich und deren Entwicklung angeht. Unterschiede zeigten sich erst in detaillierten Analysen.

Um die Entwicklungsverläufe von Fach- und Lehrkräften in ihrer professionel-len Kompetenz im MINT-Bereich zu beschreiben, erwiesen sich die Teilnahmen an Fortbildungen der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ als prägende Lern-gelegenheiten. Nach ihrer eigenen Wahrnehmung steigerten sich vor allem das Professionswissen und die Motivation bezüglich MINT-Themen und dem Forschen

mit Kindern mit zunehmender Anzahl besuchter Fortbildungen. Obwohl es sich um Selbsteinschätzungen handelt, wurden im Rahmen der EASI-Science-Studie (Steffensky et al., 2018) Unterschiede hinsichtlich des Fachwissens, der Motiva-tion und der Einstellungen von pädagogischen Fachkräften abhängig von der Häu-figkeit naturwissenschaftlicher Fortbildungen auch mithilfe von Fremdeinschät-zungen berichtet. Unterschiede im fachdidaktischen Wissen dagegen konnten dort nicht nur auf die Häufigkeit des Besuchs von Fortbildungen, sondern auch auf einen MINT-Hintergrund zurückgeführt werden (Steffensky et al., 2018). Die-ser Zusammenhang zeigte sich in der vorliegenden Studie dagegen nicht, was si-cher auf die Selbsteinschätzung zurückzuführen ist.

Als besonders wichtige Rahmenbedingungen für den Erfolg der Fortbildun-gen für ihre Professionalisierung nannten die Befragten in der Online-Erhebung der vorliegenden Studie das eigene Forschen und Entdecken, die Verknüpfung von Theorie und Praxis in der Fortbildung sowie das regelmäßige und vielfältige Angebot der Fortbildungen. Die Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer beton-ten vor allem das selbstständige Forschen und Entdecken in den Fortbildungen als Schlüsselereignisse („Aha-Momente“) für das Verstehen. Fortbildungen die-nen nach eigener Aussage auch dazu, Hemmnisse und Ängste hinsichtlich des Forschens im MINT-Bereich abzubauen und die Selbstwirksamkeitserwartung zu steigern, insbesondere bei pädagogischen Fachkräften. Die Bedeutung von spezi-fischem Fachwissen bleibt dabei unklar.