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5 Diskussion

5.3 Diskussion der Ergebnisse

73 wurden in dieser Arbeit neben der Gesamtgruppe der Patienten auch die Untergruppe der Patienten mit schizophrenen Erstgradangehörigen, die Untergruppe der Patienten mit schizophrenen Angehörigen und die Untergruppe der Patienten mit psychisch erkrankten Angehörigen mit den Kontrollprobanden verglichen. Hinsichtlich des AADAT-Gens wurde eine vergleichbare Studie bislang noch nicht durchgeführt. Obwohl anzunehmen wäre, dass sich eine unterschiedliche Genotyp-/Allelverteilung zwischen Patienten und Kontrollen umso stärker zeigen sollte, je größer die familiäre Belastung ist, konnte dies in der vorliegenden Studie aufgrund der inkonsistenten Befunde zwischen den verschiedenen Subgruppen nur bedingt untermauert werden. Allerdings unterstützte insbesondere die Untersuchung der Subgruppe „Patienten mit psychiatrisch erkrankten Angehörigen“ zu einem Teil die Hypothese einer Pleiotropie psychischer Erkrankungen.

74 Erwähnenswert ist zudem, dass bei peripheren Messungen der Kynureninsäure, wie zum Beispiel im Plasma oder Serum, keine Unterschiede zu gesunden Kontrollpersonen gefunden werden konnten {Plitman et al. 2017}.

Es existieren zahlreiche Belege, dass Kynureninsäure in inverser bidirektionaler Beziehung zu mehreren Neurotransmittern steht, darunter Glutamat, Dopamin, Acetylcholin und GABA.

Auch der direkte Einfluss der Kynureninsäure auf die neuronale Aktivität konnte umfassend nachgewiesen werden, insbesondere die Aktivierung dopaminerger Neuronen im Mittelhirn, welche mutmaßlich auf die antagonistische Wirkung der Kynureninsäure auf glutamaterge Rezeptoren zurückzuführen ist. Daneben konnte auch ein direkter Einfluss von Kynureninsäure auf Verhaltensebene vielfach nachgewiesen werden. Bei Tierversuchen führten beispielsweise eine gezielte Erhöhungen der cerebralen Kynureninsäurespiegel zu schizophrenietypischen kognitiven Beeinträchtigungen, wohingegen eine Verminderung der Kynureninsäure die kognitiven Funktionen verbesserte {Linderholm et al. 2012; Erhardt et al.

2017; Plitman et al. 2017}.

Angesichts dieser Beobachtungen erscheint eine mögliche Beteiligung von Kynureninsäure bei der Ätiopathogenese der Schizophrenie sehr plausibel. Es stellt sich in der Folge die Frage warum und durch welche Mechanismen es zu erhöhten zerebralen Kynureninsäurekonzentrationen bei schizophrenen Patienten kommen kann. Hierbei stehen insbesondere ein möglicher gestörter Kynureninstoffwechsel und die daran beteiligten Substrate und Enzyme im Focus des Interesses {Kegel et al. 2014}.

Wie zuvor beschrieben entsteht Kynureninsäure im Rahmen des Tryptophanstoffwechsel über Kynurenin. Kynurenin kann im Gegensatz zu Kynureninsäure gut die Blut-Hirn Schranke überwinden {Fukui et al. 1991}. Im Hirn steht Kynurenin schließlich der KAT2 als Substrat zur Bildung von Kynureninsäure zur Verfügung {Albuquerque & Schwarcz 2013}. Es wäre denkbar, dass eine höhere Verfügbarkeit von Kynurenin in der Folge auch zu höheren Kynureninsäurespiegeln führt. Hierfür passend gehen bei schizophrenen Patienten erhöhte periphere Kynureninspiegel auch mit erhöhten cerebralen Kynurenin- und Kynureninsäurespiegeln einher {Linderholm et al. 2012}. Es wird vermutet, dass entzündliche Prozesse die Enzyme des Kynureninstoffwechsels aktivieren und somit zu einer Zunahme des peripheren Kynurenins führen könnten {Schwieler et al. 2015; Erhardt et al. 2017}.

75 Bei Untersuchungen zu Aktivität und Expression der Kynureninstoffwechelenzyme zeigte sich bei schizophrenen Patienten insbesondere eine erhöhte TDO2- und eine verringerte KMO-Aktivität und teilweise auch eine damit einhergehende erhöhte Kynureninsäurekonzentration {Plitman et al. 2017}. Es konnte zudem gezeigt werden, dass Polymorphismen im KMO-Gen mit erhöhten zerebralen Kynureninsäurespsiegel assoziert sind {Holtze et al. 2012}, darüber hinaus wurden in präklinischen Studien nach Verabreichung von KMO-Blockern ebenfalls erhöhte Kynureninsäurespiegel beobachtet {Jacobs et al. 2017}.

Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der zerebralen Kynureninsäure könnte in der Aktivierung von Astrozyten liegen, in welchen die für die für die Kynureninsäureproduktion verantwortliche KAT2 hauptsächlich vorliegen. Zur Unterstützung hierfür wurde bei Schizophreniepatienten Erhöhungen von S100B, einem Marker für die Astrozytenfunktion gefunden, die eine erhöhte astrozytische Aktivität widerspiegeln {Aleksovska et al. 2014}.

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Verabreichung von Interleukin 6 an kultivierte menschliche Astrozyten die Kynureninsäure erhöht, und dies somit auch im Einklang mit den diskutierten Entzündungsmechanismen steht {Schwieler et al. 2015}.

Bislang liegen kaum Studien vor, die gezielt das AADAT-Gen in Hinblick auf die Schizophrenie untersuchen. Bei GWAS konnten keine relevanten (i.e. signifikanten) Ergebnisse erzielt werden {Psychiatric Genomics Consortium 2014; Pardiñas et al. 2018}. Beachtenswert sind allerdings die Untersuchungsergebnisse von Coutinho et al., welche eine Assoziation zwischen einem Polymorphismus im AADAT Gen und erhöhten Kynureninsäurespiegeln bei Patienten mit Meningitis nachweisen konnte {Coutinho et al. 2014}. Interessanterweise liegt der betroffene SNP (rs1480544) aus deren Veröffentlichung in hohem Kopplungsungleichgewicht mit den beiden SNPs rs6553486 (r2=0,76; D'=1) und rs2466990 (r2=0,73; D'=0,89) aus der vorliegenden Arbeit, welche beide auf Haplotypblock 1 liegen.

Die Studie von Li et al., welche eine Assoziation zwischen de-novo Mutationen im AADAT-Gen und Autismus belegte {Li et al. 2018}, könnte zudem einen weiteren Hinweis für die Pleiotropie psychischer Erkrankungen liefern.

In der vorliegenden Arbeit konnten bei vier der acht untersuchten Polymorphismen tendenzielle oder signifikante Assoziationen zur Schizophrenie nachgewiesen werden.

76 Alle vier betroffenen Polymorphismen liegen in verschiedenen Introns des AADAT-Gens.

Introns stellen nichtcodierende Bereiche eines Gens dar, da die entsprechenden Sequenzen nach der Transkription aus der prä-mRNA gespleißt werden. Introns können jedoch Bindungsstellen für Spleißfaktoren oder Transkripitionsfaktoren enthalten, so dass bei Polymorphismen in diesen Bereichen zwar kein direkter Einfluss auf das Genprodukt zu erwarten ist, wohl jedoch z.B. eine Modulation der Proteinmenge durch reduzierte oder erhöhte Expression der mRNA oder des Mengenverhältnisses der Isoformen zueinander möglich ist {Kabat et al. 2006}.

Auffällig in den Befunden sind die sehr heterogenen Ergebnisse zwischen den vier verschiedenen Patientensubgruppen. Näheres hierzu in den folgenden Erläuterungen zu den einzelnen Polymorphismen.

rs2622068

In der Gesamtgruppe der Schizophreniepatienten lagen die stärksten Ergebnisse bei Polymorphismus rs2622068 vor. Hier zeigte sich das seltenere A-Allel bei den Patienten tendenziell seltener, die A-Allelträger kamen in dieser Gruppe signifikant seltener vor. Es zeigte sich zudem ein signifikanter Unterschied in der Genotypverteilung. Dabei kam der GG-Genotyp häufiger, und der AA- und AG-GG-Genotyp seltener bei den Patienten vor.

In den Untergruppen konnten die Resultate der Gesamtgruppe jedoch nicht in dieser Stärke reproduziert werden. Lediglich in der Gruppe der „Patienten mit psychisch erkrankten Angehörigen“ lag ebenfalls das A-Allel tendenziell seltener und die Anzahl der A-Allelträger signifikant niedriger vor.

Aus den Ergebnissen lässt sich interpretieren, dass das A-Allel bei diesem Polymorphismus möglicherweise eine schützende Komponente vor der Erkrankung darstellt. Sowohl in der Gesamtgruppe als auch in der beschriebenen Untergruppe kommen die Allele oder die A-Allelträger tendenziell oder signifikanter seltener bei den Patienten vor. Bestärkt wird diese Hypothese durch das seltenere Auftreten des AA- und AG-Genotyps in der Gesamtgruppe der schizophrenen Patienten.

Die inkonsistenten Ergebnisse zwischen den Untergruppen sind möglicherweise dem komplexen Erbgang der Schizophrenie geschuldet. Es wäre denkbar, dass das Fehlen des

A-77 Allels öfter bei einer spontanen Manifestation der Erkrankung auftritt als bei Erkrankten mit familiärer Belastung. Möglicherweise liegt die Ursache der Inkonsistenz auch in Schwächen der angewendeten statistischen Verfahren. Diese ließen sich mit Tests zur Reliabilität prüfen.

Da hierfür jedoch eine Mindestgröße der Stichprobe erforderlich ist, könnte es sein, dass der Effekt des Polymorphismus in den Subgruppen nicht mehr signifikant nachweisbar ist, da die Subgruppen kleiner als die Gesamtgruppe der Schizophreniepatienten sind.

rs6553486

Bei Polymorphismus rs6553486 zeigte sich in der Gesamtgruppe der Schizophreniepatienten ein signifikant selteneres Auftreten der G-Allelträger, sowie eine tendenziell unterschiedliche Genotypverteilung im Vergleich zur Kontrollgruppe.

In den Untergruppen sind die Ergebnisse der Gesamtkohorte auch bei diesem Polymorphismus nicht replizierbar. Lediglich in der Untergruppe der „Patienten mit psychisch erkrankten Angehörigen“ findet sich auch ein tendenziell niedrigerer Wert bei den G-Allelträgern.

Möglicherweise zeigt sich das seltenere Auftreten eines G-Allels eher bei spontan erkrankten Patienten sowie bei Patienten, deren Familienmitglieder einen anderen Phänotyp von psychiatrischer Erkrankung aufweisen. Ein weiterer Erklärungsansatz für die differierenden Ergebnisse könnte auch hier in methodischen oder statistischen Gründen liegen, insbesondere in der kleinen Stichprobengröße.

rs17711677

Bei SNP rs17711677 zeigten sich tendenzielle oder signifikante Werte nur in der Untergruppe der „Patienten mit an Schizophrenie erkrankten Erstgradangehörigen“. Hier lag das seltenere C-Allel tendenziell häufiger vor, die Anzahl der C-Allelträger war signifikant erhöht. Bei der Genotypverteilung zeigte sich zudem eine tendenziell unterschiedliche Verteilung im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Scheinbar prägt das Risikoallel rs17711677-C seinen Effekt nur im 1. Grad der Verwandtschaft aus, während weiter entfernte Verwandte oder spontan Erkrankte davon nicht berührt

78 werden. Auch hier läge ein alternativer Erklärungsansatz in methodischen oder statistischen Mängeln.

rs963660

Während bei Polymorphismus rs963660 in der Gesamtgruppe der Schizophreniepatienten keine tendenziellen oder signifikanten Ergebnisse vorlagen, zeigte sich in allen Untergruppen eine tendenziell oder signifikant erniedrigte Anzahl von A-Allelträgern. In der „Untergruppe Patienten mit psychisch erkrankten Angehörigen lag das A-Allel zudem signifikant seltener vor.

Zusätzlich zeigte sich in allen drei Untergruppen ein tendenzieller oder signifikanter Unterschied in der Genotypverteilung.

Offensichtlich spielt der Polymorphismus bei spontan Erkrankten keine größere Rolle, wohingegen die unterschiedlichen Ergebnisse in den Subgruppen möglicherweise wieder dem komplexen Erbgang der Schizophrenie geschuldet sind. Wie zuvor könnten aber auch hier methodische oder statistische Effekte vorliegen.

Für die Polymorphismen rs2955256, rs10213032, rs716822, rs2466990 konnten keine Assoziation nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse legen insgesamt die Vermutung nahe, dass das AADAT-Gen Einfluss auf die Ätiopathogenese der Schizophrenie nimmt. Eine weitere Untersuchung des Gens wäre wünschenswert, insbesondere dabei auch unter Einbeziehung weiterer SNPs in deutlich größeren Stichproben, und hinsichtlich einer möglichen Replikation der Ergebnisse in anderen ethnischen Untersuchungskollektiven. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob die betroffenen Polymorphismen mit veränderten Kynureninsäurespiegel einhergehen und welche strukturellen Änderungen gegebenenfalls die Funktionalität des Enzyms beeinflussen.

Weiterhin sollte das Zusammenspiel mit anderen Genen, insbesonderen solchen, die ebenfalls in Kynureninstoffwechsel beteiligt sind, und deren Substrate und Produkte weiter untersucht werden. Längsmessungen von Kynureninsäure im Krankheitsverlauf könnten zudem helfen, deren Rolle in der Pathophysiologie der Schizophrenie genauer zu definieren.

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