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6.2 Diskussion der eigenen Ergebnisse

6.2.1 Diskussion der Ergebnisse aus Teilstudie 1

Im ersten Studienarm war die Gruppe von Akne-Patienten in einer Fall-Kontroll-Studie einer parallelisierten Gruppe Gesunder hinsichtlich psychosomatischer Aspekte gegenübergestellt worden. Zunächst wird nun ausführlich auf die beiden Hauptzielkriterien der Arbeit eingegangen:

Hypothese 1.1: Soziale Interaktionsangst (SIAS)

„Akne-Patienten haben mehr Angst in sozialen Interaktionssituationen als Gesunde“

In der Auswertung zeigten die Studienteilnehmer mit Acne vulgaris nur minimal höhere Angstwerte in sozialer Interaktion als die gesunde Kontrollgruppe, das Ergebnis war nicht signifikant. Die Punktwerte lagen zudem bei beiden Gruppen in einem Bereich, der als klinisch vollkommen unbedenklich gilt. Dieses Ergebnis erscheint unerwartet, da bereits mehrfach in der Literatur beschrieben wurde, dass Akne-Patienten sich aufgrund ihres als entstellend empfundenen Äußeren nicht nur häufig aus dem sozialen Leben zurückziehen (Gieler 2007, S. 92), sondern auch verstärkt unter Ängsten in sozialen Interaktionssituationen leiden (Niemeier et al. 1998; Su et al.

2015). Diese Ängste schränken sie im gesellschaftlichen Leben ein, verhindern die Ausbildung von Freundschaften und sexuellen Beziehungen (Halvorsen et al. 2011).

Die von Ängsten und Hemmung geprägte Wirkung der Patienten nach Außen ist besonders in sozialen Präsentationssituationen nachteilig und vermutlich verantwortlich für die schlechteren Schulleistungen und die höhere Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten mit Akne (Halvorsen et al. 2011; Cunliffe 1986). In einer großen Studie mit Schülern von Schachter et al. zeigten sich zwar in der Fremdbeurteilung durch Lehrer und Schulangestellte überraschenderweise keine Unterschiede in der sozialen Akzeptanz von Jugendlichen mit und ohne Akne, in einer angefügten Fragebogenuntersuchung gaben jedoch die Schüler mit Akne an, sich aufgrund ihres Erscheinungsbildes im Kontakt mit anderen unsicherer und weniger angenommen zu fühlen (Schachter et al.

1971). Umso erstaunlicher ist das vorliegende Ergebnis, welches trotz eines sehr ähnlichen Fragenkomplexes keinen signifikanten Unterschied der sozialen Ängste zwischen beiden Gruppen aufzeigt. Eine mögliche Ursache könnte vielleicht der hohe

Anteil an Teilnehmern mit Abitur in dieser Studie darstellen: Es wäre denkbar, dass sich Menschen mit höherem Bildungsniveau im sozialen Umfeld eventuell weniger über ihr Äußeres definieren und daher in ihrem zwischenmenschlichen Verhalten kaum eingeschränkt sind.

Hypothese 1.2: Ekel (Hautzuf4)

„Akne-Patienten erleben mehr Ekel als Hautgesunde“

Das Ekelgefühl gehört zu den frühesten Affekten des Menschen (Kluitmann 1999).

Patienten mit Hauterkrankungen wie Acne vulgaris empfinden ihre Hautveränderungen häufig als nicht zum eigenen Körper gehörend und abstoßend. In der Folge eines ungelösten tiefenpsychologischen Konflikts kann die Haut somit als ekelig erlebt werden (Gieler 2007, S. 88f). Auch in alltäglichen Situationen ist das Ekelempfinden oft gesteigert.

In der vorliegenden Untersuchung ergab sich bezüglich der Variable „Ekel“ ein hoch signifikantes Ergebnis (p = 0.002): Die Teilnehmer mit Akne empfanden deutlich mehr Ekel als Probanden ohne Akne. Den vorgelegten Items wie beispielsweise

„Körperliches wie Schweißgeruch stößt mich oft ab“, „Es gibt öfter Menschen, die ich sehr ungepflegt und abstoßend finde“, „Ein verschmutztes Glas ist mir sehr unangenehm“ begegneten die Akne-Patienten mit deutlicher Zustimmung. Diese Aussagen spiegeln sowohl ihre eigene Distanz und Abneigung gegenüber allem

„Körperlichen“, als auch das allgemein gesteigerte Ekelerleben in Bezug auf andere Menschen, Gegenstände und Situationen wieder. Das Ergebnis bestätigt und untermauert somit weiter die bestehende Studienlage.

Nachfolgend sollen nun weitere interessante Hypothesen aus dem ersten Studienarm beleuchtet werden:

Hypothesen 2.1 – 2.4: Hautzufriedenheitsfragebogen

Zu Umgang und Zufriedenheit mit der eigenen Haut wurden neben dem Primäraffekt

„Ekel“ noch vier weitere Skalen erhoben. Bezüglich der Berührung des eigenen Körpers wurde in der Auswertung die Tendenz sichtbar, dass sich Teilnehmer mit Akne weniger gern berührten als Teilnehmer ohne Akne (marginale Signifikanz mit p = 0.057). Korrelationen mit dem Gießen-Test in der Validierungsstudie des HautZuf hatten erbracht, dass Menschen, die sich sozial akzeptiert und integriert fühlten, auch die Berührung ihres Körpers als wohltuend erleben konnten. Sie hatten außerdem viel Nähe innerhalb der Familie erfahren und empfanden weniger Scham. Umgekehrt konnten Menschen mit eher depressiver Grundstimmung weniger Selbstberührung

zulassen und zeigten ein größeres Schamgefühl (Grolle et al. 2003). Akne-Patienten, die sich aufgrund ihrer Erkrankung stigmatisiert und sozial nicht angenommen fühlen und deren Selbstwertgefühl darunter stark gelitten hat, könnten sich demnach wohltuende „Streicheleinheiten“ entweder bewusst versagen, da der Körper bzw. die entstellte Haut dies „nicht verdient“ hat, oder aber mangels Selbstachtung derartige Aufmerksamkeitsbekundungen gegenüber der eigenen Person gar nicht erst in Erwägung ziehen. Die verminderte Selbstberührung steht möglicherweise auch in einem Zusammenhang mit dem signifikant erhöhten Ekelgefühl der Akne-Patienten (Hypothese 1.2): Wer seinen Körper als abstoßend empfindet, wird jeglichen Kontakt soweit als möglich vermeiden.

Die Berührung durch die Eltern als eine der frühesten Erfahrungen von Nähe und Kontakt prägt unser Körperverständnis und unser Bedürfnis nach Zuneigung entscheidend. In der Auswertung konnte in diesem Punkt jedoch kein Unterschied zwischen den Gruppen nachgewiesen werden, beide hatten gleich viel Zuwendung in ihrer Familie erhalten. Somit ließen sich mögliche soziale Rückzugstendenzen bei Teilnehmern mit Akne zumindest nicht auf einen Mangel an Zuneigung in der Kindheit zurückführen.

Die partnerschaftliche Berührung unterschied sich bei den Probanden mit Akne ebenfalls nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Die Akne-Gruppe erreichte sogar leicht höhere Werte in der Skala, was einerseits möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass Menschen mit Akne durch das häufig verminderte Selbstwertgefühl ein stärkeres Bedürfnis nach partnerschaftlicher Berührung haben zur ständigen Bestätigung, dass „der Partner sie auch wirklich so akzeptiert und liebt“. Andererseits wäre es auch denkbar, dass die erhaltene körperliche Zuneigung intensiver empfunden wird, da der von Selbstekel erfüllte Akne-Patient dem Partner jegliche Berührung voller Dankbarkeit hoch anrechnet.

Entgegen der Erwartung zeigte die Akne-Gruppe für das Schamgefühl nur leicht erhöhte Werte verglichen mit der Kontrollgruppe, der Unterschied war nicht signifikant.

Hypothesen 2.5 – 2.8: Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers

Mit dem FBeK sollten Erkenntnisse über das subjektive Körpererleben der Probanden gewonnen werden. Bei der Auswertung der Skala Attraktivität/Selbstvertrauen bewahrheitete sich die zugehörige Hypothese 2.5 mit einem hoch signifikanten Ergebnis (p = 0.005): Die Akne-Patienten fühlten sich in ihrer Attraktivität deutlich herabgesetzt und hatten weniger Selbstvertrauen als die Teilnehmer, die nicht unter Acne vulgaris litten. Dies erscheint nicht verwunderlich, da es sich bei der Akne schließlich um eine stigmatisierende Erkrankung handelt, welche die Betroffenen in der

Regel im Gesicht befällt, im wichtigsten Areal der ersten Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht (Isaacsson et al. 2014). Bei dem Betroffenen wie dem Gegenüber können die Läsionen Ekelgefühle oder sogar Assoziationen mit mangelnder Hygiene oder Körperpflege auslösen (Beltraminelli & Itin 2008). Kein Wunder also, dass sich Menschen mit Akne als weniger attraktiv empfinden.

Die Akzentuierung des äußeren Erscheinungsbildes wies keinen signifikanten gruppenspezifischen Effekt auf. Bezüglich der Unsicherheit und Besorgnis gegenüber dem eigenen Körper erreichten die Probanden mit Akne wie erwartet höhere Werte als die Kontrollgruppe, das Ergebnis besaß jedoch keine Signifikanz.

Auch körperlich-sexuelles Missempfinden wurde in beiden Gruppen nahezu gleich stark empfunden, wieder erreichte die Akne-Gruppe einen etwas höheren Mittelwert.

Hypothesen 2.9 – 2.17: Fragebogen zum Gesundheitszustand

In acht Skalen wurden hier Aspekte zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität untersucht. In den Bereichen Körperliche Funktionsfähigkeit, Körperliche Rollenfunktion, Körperliche Schmerzen, Allgemeine Gesundheitswahrnehmung, Vitalität, Emotionale Rollenfunktion und Psychisches Wohlbefinden erreichten die Akne-Patienten stets niedrigere Mittelwerte als die Kontrollgruppe. Dies deutet darauf hin, dass ihre Lebensqualität verglichen mit der Kontrolle in den genannten Punkten herabgesetzt ist. Auch bewerteten die Teilnehmer mit Akne ihren Gesundheitszustand verglichen mit dem Vorjahr etwas schlechter als die Hautgesunden (Veränderung der Gesundheit). Eine Signifikanz der Werte war jedoch nicht gegeben.

Hinsichtlich der sozialen Funktionsfähigkeit erbrachte die Auswertung jedoch ein interessantes Ergebnis: Die Akne-Gruppe zeigte sich durch ihre Erkrankung bei sozialen Aktivitäten signifikant beeinträchtigt (p = 0.016). In den Items wurde die Auswirkung von krankheitsbedingten körperlichen oder psychischen Problemen auf das soziale Leben und Freundschaftsbeziehungen der Teilnehmer erfragt (Treffen mit Freunden, Bekannten; Gruppenaktivitäten). Offenbar fühlten sich die Betroffenen aufgrund ihres Aussehens und verbundener emotionaler Schwierigkeiten darin gehemmt ihren normalen sozialen Kontakten nachzugehen bzw. neue Kontakte aufzubauen. Dieser soziale Rückzug und die Vermeidung von sozialer Interaktion wurden bereits in Hypothese 1.1 untersucht. Umso verblüffender erscheint die Diskrepanz der Ergebnisse. Ein Erklärungsversuch des unerwarteten Resultats von Hypothese 1.1 ist bei ihrer Diskussion bereits unternommen worden (Überproportionaler Anteil an Abiturienten in den Stichproben). Dass sich dieser

„Bildungseffekt“ in der Skala „Soziale Funktionsfähigkeit“ nicht auswirkt, könnte an der geringen Anzahl von nur 2 Items liegen, auf welche sich die Skala stützt, sowie an der

globaleren Formulierung der Fragen. Damit fällt das Ergebnis hier im Gegensatz zu Hypothese 1.1 der Erwartung entsprechend aus.