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6 DISKUSSION

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Die sportliche Aktivität (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.3) im Erwachsenenalter im Zusam-menhang mit einer ausreichenden Versorgung mit Calcium ist für die Calcium-Einlagerung des Knochens bis zum 30. Lebensjahr von Bedeutung. Hier haben vor allem Betroffene einen erhöhten Bedarf durch Verwendung von systemischen Corticosteoriden in der Therapie und einem Vitamin-D-Mangel.156 Ebenfalls relevant ist hier die allgemeine Empfeh-lung, sportlich aktiv zu sein. Für CED-Betroffene ist jedoch je nach Krankheitsaktivität das Ausüben von Sport nicht immer möglich. Dies könnte in dieser Untersuchung ein Grund für die negative Differenz für die Betroffenen sein. In beiden Gruppen zeigen die Betroffenen im Vergleich zu den Nicht-Betroffenen seltener eine regelmäßige Bewegung auf.

Wie schon in Kapitel 2.3.2 beschrieben, scheint der Lebensstil westlicher Industriegesell-schaften einen Einfluss auf die Erkrankungen zu haben.157

Um der Hypothese der verminderten Exposition des Intestinaltraktes mit verschiedenen Pathogenen nach zu gehen158, werden die Angaben des Hygienestandards, der sportlichen Aktivität in der Kindheit, des Kindergartenbesuches, die Anzahl der Geschwister und die Geburtenreihenfolge (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.4) gemeinsam diskutiert.

Ein Marker für diesen Lebensstil ist der Hygienestandard. Bis auf zwei Personen geben alle Teilnehmer dieser Untersuchung an, in ihrer Kindheit sei eine durchschnittliche Hygiene gepflegt worden. Die Erfassung des Hygienestandards gestaltet sich jedoch schwierig. Die Beurteilung der Hygiene, so wie sie hier erfragt wird, unterliegt der subjek-tiven Wahrnehmung der Teilnehmer, die zudem im Vergleich mit dem Umfeld erfolgt. Die Hygienestandards in westlichen Industriegesellschaften sind jedoch im Allgemeinen deut-lich höher, als in nicht hoch industriell entwickelten Ländern. So ist schon zum Beispiel eine als durchschnittlich eingestufte Hygiene unter Umständen zu hoch. In diesem Zusammen-hang muss eine detailliertere Befragung erfolgen.

Alle Teilnehmer dieser Untersuchung geben an, in der Kindheit Sport ausgeübt zu haben.

Eine Differenzierung zwischen Schulsport und Aktivitäten außerhalb der Schule wurde nicht durchgeführt. Hier wäre interessant zu ermitteln, ob zum Beispiel Sport im Freien, wie Fußball, ausgeführt wurde. Analog zur Hygiene und Familiengröße könnte ebenfalls die „Trainingsfunktion“ des Immunsystems von Bedeutung sein.

Alle Nicht-Betroffenen der Colitis-ulcerosa-Gruppe und alle Teilnehmer der Morbus-Crohn-Gruppe geben an, den Kindergarten besucht zu haben. In diesem Zusammenhang

156 Schauder (1999), S. 268ff.

157 Schreiber1 et al. (2002), S. 1336.

158 Schreiber1 et al. (2002), S. 1336.

zeigen die Colitis-ulcerosa-Betroffenen ein seltenerer Besuch, der jedoch durch Verzerrungen entstehen könnte, da nicht alle Paare vollständig geantwortet haben. In einem weiteren Schritt müsste hinterfragt werden, ob auch der Zwilling den Kindergarten besucht hat.

Die Ergebnisse der Geburtenreihenfolge weisen in die gleiche Richtung wie die Resultate der unterschiedlichen Studien. In beiden Gruppen sind Erst- und Zweitgeborene am häufigsten anzutreffen. Hier ist davon auszugehen, dass vor allem bei den Erstgeborenen ein höherer Hygienestandard gepflegt werden kann. 159

Wie schon in Kapitel 5.1.5 dargestellt, erweist sich die Auswertung der Stillzeit in dieser Untersuchung als schwierig. Durch divergierende Angaben der Teilnehmer zweier Paare kann nicht davon ausgegangen werden, dass beide Zwillinge eines Paares dieselbe Stillzeit erfahren haben.

In Bezug auf den Nikotinabusus (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.6) wird der protektive Einfluss des Nikotins auf eine Colitis ulcerosa bestätigt.160 Das Odds Ratio von 0,7 besagt, dass eine Colitis ulcerosa bei den rauchenden Teilnehmern seltener auftritt. Ein OR für die Morbus-Crohn-Gruppe lässt sich nicht berechnen161. Die Angaben der Teilnehmer der Morbus-Crohn-Gruppe zeigen jedoch, dass unter den Betroffenen mehr Raucher sind.162 Die Ergebnisse der Angaben über die Umgebung des Wohnortes im Erwachsenenalter (OR = 0,83) sagen aus, dass die Colitis-ulcerosa-Betroffenen seltener in einer Großstadt oder Kleinstadt wohnen als die Nicht-Betroffenen dieser Gruppe (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.8). Für die Morbus-Crohn-Gruppe lässt sich kein OR berechnen, die Angaben weisen jedoch dieselbe Tendenz auf. Diese Werte bestätigen nicht die Ergebnisse anderer Studien163, wobei zu beachten ist, dass es sich in dieser Untersuchung nur um kleine Stichproben handelt.

Die Verhältnisse (Odds) der Angaben über die Umgebung im Kindesalter zeigen für Colitis-ulcerosa-Gruppe eines von 2,2 und für die Morbus-Crohn-Gruppe eines von 3.

Der Vergleich mit den einzelnen Odds aus dem Erwachsenenalter der Colitis-ulcerosa-Gruppe mit denen aus dem Kindesalter zeigt, dass die Betroffenen (Odds = 3,33)

159 Schreiber1 et al. (2002), S. 1336.

160 vgl. Dignass et al. (1998), S. 1005.

161 Divisio durch Null.

162 vgl. Sicilia et al. (2001).

163 Hugot2et al. (1999), S. 2.

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gegenüber den Nicht-Betroffenen (Odds = 4) seltener die Umgebung vom Land zur Großstadt bzw. Kleinstadt gewechselt haben. Eine ähnliche Tendenz ist für die Morbus-Crohn-Gruppe zu konstatieren.

In Kapitel 5.1.9.2 werden die Ergebnisse der Konkordanzrate wiedergegeben. Diese spiegeln die Resultate anderer Untersuchungen wider. Für eine Colitis ulcerosa lässt sich eine Konkordanzrate von 7,69 % ermitteln. Die Angaben anderer Autoren liegen zwischen 6–20 %. Für einen Morbus Crohn ist eine Konkordanzrate von 33,33 % zu konstatieren; sie spiegelt die Ergebnisse von 20–60 % wider.164

Das Alter bei der Diagnosestellung (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.9.3) entspricht ebenfalls den Angaben aus anderen Untersuchungen. In den ersten drei Dekaden manifestiert eine CED am häufigsten. Nach einem Plateau kommt es um das 50.–60. Lebensjahr zu einem Anstieg der Häufigkeiten. 165

In der Colitis-ulcerosa-Gruppe beträgt das Odds Ratio für das Bestehen weiterer Erkrankungen (vgl. Ergebnisse Kapitel 5.1.9.4) 0,94. Es treten demnach seltener weitere Erkrankungen bei Colitis-ulcerosa-Betroffenen auf. Das OR für den Vergleich der Betrof-fenen und Nicht-BetrofBetrof-fenen der Morbus-Crohn-Gruppe ergibt 0,17. Demzufolge treten deut-lich seltener weitere Erkrankungen auf. Für beide Gruppen ist zu konstatieren, dass häufig Erkrankungen wie Allergien (viermal; zum Teil Nahrungsmittel-, Kontakt-), Neurodermitis (zweimal), Asthma (zweimal) und Quaddeln (einmal) aufgeführt werden. Für diese Erkran-kungen besteht ebenfalls die Hypothese, dass eine verminderte Antigenexposition eine Rolle bei der Entstehung spielt.

Mit einem OR von 0,33 weisen die Colitis-ulcerosa-Betroffenen seltener ärztlich diagnostizierte Unverträglichkeiten oder Allergien (vgl. Kapitel 5.1.9.5) im Vergleich zu den Colitis-ulcerosa-Nicht-Betroffenen auf. Für die Morbus-Crohn-Gruppe ist kein OR zu errechnen.166 Hier stehen 25 % Betroffene gegenüber 0 % Nicht-Betroffene.

Für die weiteren Erkrankungen und ärztlich diagnostizierte Unverträglichkeiten und Allergien ist zu erwähnen, dass einige Teilnehmer in beiden Fragen divergierende An-gaben machen. Zudem haben diese in einer früheren Untersuchung ebenfalls AnAn-gaben zu

164 in Anlehnung an Hugot2 et al. (1999), S. 2; Keller et al. (2002), S. 1408; Ochsenkühn et al. (2003), S. 2.

165 Hilliges (1998), S. 38.

166 Division durch Null.

Unverträglichkeiten und Allergien gegeben, die sie zum Teil hier nicht erwähnen.

Lediglich eine von sechs Personen aus der früheren Untersuchung macht identische Angaben. Unter Umständen resultieren die verschiedenen Aussagen durch den Zusatz

„ärztlich diagnostiziert“. Hier könnten Angaben zu Allergien und Unverträglichkeiten gemacht werden, die die Personen beobachtet, aber nicht ärztlich überprüft haben.

Die Ergebnisse über die Wahl der Einkaufsstätte sind in Kapitel 5.4.1 und 5.4.2 dargestellt.

Angaben aus dem Kindesalter werden wegen divergierenden Angaben getrennt betrachtet.

Hier zeigen sich zwischen den Betroffenen und Nicht-Betroffenen ähnliche Tendenzen. Der Supermarkt als Bezugsort wird von allen Teilnehmern deutlich als häufigstes genannt.

Inwieweit Kinder bis zum 14. Lebensjahr eine Präferenz für Lebensmittel bestimmter Herkunft aufweisen ist nicht bekannt. Unter Umständen könnten die Unterschiede durch in der Kindheit bestehende Unverträglichkeiten und Allergien resultieren.