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Diskriminierung in Presse, Rundfunk, Internet und Werbung Internet und Werbung

Ansprüche und Rechtsschutzmöglichkeiten jenseits des AGG

4. Sozialrechtlicher Nachteil

4.5 Diskriminierung in Presse, Rundfunk, Internet und Werbung Internet und Werbung

Diskriminierungen durch mediale Darstellungen in Wort oder Bild können ei-nerseits durch Bezugnahme auf konkrete Einzelpersonen auftreten. So zum Beispiel im Fall der Berichterstattung über eine Politikerin in sexistischer Wei-se. Mediale Darstellun gen können aber auch abstrakt eine gesellschaftliche Gruppe diskriminieren – zum Beispiel, wenn in einer Print-Zeitung oder ei-nem Online-Blog rassistisch gegen türki sche Migrant_innen in Deutschland polemisiert wird, aber auch bei Werbung, die sich sexistischer Darstellungen bedient. Schließlich kann die Art und Weise der medialen Darstellung einer sozialen Gruppe gewollt und ungewollt diskriminie rende Stereotype bedienen oder produzieren, zum Beispiel wenn bei der Berichterstattung über Straftaten immer dann die Staatsangehörigkeit der verdächtig ten Person genannt wird, wenn sie nicht deutsch ist.

Die Diskriminierung kann in diesen Fällen in einer Persönlichkeitsrechtsver-letzung bestehen, die bei einer konkreten Person eingetreten ist. Sie kann sich aber auch als diskursive Diskriminierung darstellen, die zu einem diskriminie-renden gesellschaftli chen Klima beiträgt, das sich mittelbar nachteilig auf die Würde von Menschen aus wirkt und den Anspruch auf Gleichbehandlung und gleiche Teilhabe an der Gesell schaft vereitelt.

Das AGG bietet in all diesen Fällen keinen Schutz. Trotzdem gibt es verschiede-ne gerichtliche und außergerichtliche Interventionsmöglichkeiten. Infrage kommen zivil rechtliche und strafrechtliche Reaktionen sowie Beschwerde-möglichkeiten, die sich aus Selbstverpflichtungen verschiedener Medienak-teur_innen bzw. -verbände ergeben. In jedem Fall ist zu beachten, dass die Ge-genseite sich auf ihre grundrechtlich ge schützte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und im Fall von Satire auch auf die Kunstfrei heit (Art. 5 GG) be-rufen kann. Diese sind mit dem Persönlichkeitsrecht der diskriminierten Per-son aus Art. 1 und 2 GG abzuwägen.

4.5.1 Diskriminierende Darstellungen in Presse und Rundfunk

Während in der Alltagssprache unter Presse vor allem Zeitungen und Zeit-schriften verstanden werden, umfasst der Begriff im Rechtssinn sämtliche Druckerzeugnisse (Bücher, Plakate, Flugblätter) und darüber hinaus auch an-dere Formen der Gedankenver körperung wie z. B. Schallplatten, Kassetten oder CDs. Nicht zur Presse gehören dagegen „körperlose“ Massenmedien wie Fernsehen, Hörfunk und Internet (das gilt auch für Internetblogs von Zeitun-gen und Zeitschriften, vgl. insoweit 4.5.2).

Für die Gesetzgebung im Bereich des Presserechts sind in Deutschland die Bundeslän der zuständig. Die 16 Landespressegesetze stimmen in ihren Grund-sätzen weitgehend überein, die vor allem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs gerichts zum Recht auf Meinungs-, Presse- und Rundfunk-freiheit (Art. 5 GG) geprägt wur den. Zum Teil sind die Landespressegesetze auch auf den Rundfunk anwendbar. Das Recht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist daneben durch Staatsverträge zwischen den Bundesländern (vor allem den sog. Rundfunkstaatsvertrag) geregelt, für den privaten Rundfunk gelten die Landesmediengesetze.

4.5.1.1 Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Journalismus

In allen Pressegesetzen (mit Ausnahme Hessens) wird die Presse dazu ver-pflichtet, Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen ge-botenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen. Diese journalis-tische Sorgfaltspflicht gilt auch für den Rundfunk, d. h. Radio und Fernsehen

(vgl. Rundfunkstaatsvertrag). Träger_in der Pflicht ist das jeweilige Presse- oder Medienorgan, das dann seinerseits seine Mitarbeiter_innen vertraglich zur Einhaltung verpflichtet.

Zu den Rechten Dritter, die bei der Berichterstattung zu beachten sind, gehört vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es muss jeweils eine Güterabwä-gung zwischen den Grundrechten der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ei-nerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits erfolgen. Da-bei gilt: Je größer das öffentliche Interesse an einem Ereignis ist, desto eher wird bei einer gerichtlichen Überprüfung die Güterabwägung zugunsten der Meinungsäußerungs- und Pressefrei heit erfolgen. Auf der anderen Seite sind die Anforderungen an die Sorgfalt umso höher, je stärker durch die Bericht-erstattung in Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird.

Zur weiteren Konkretisierung des Begriffs der Sorgfaltspflicht in den Landes-pressegesetzen kann auf die „Publizistischen Grundsätze“ des Deutschen Presse rats, den sog. Pressekodex, zurückgegriffen werden (BGH 30.1.1979 – VI ZR 163/77, NJW 1979, S. 1041). Der Deutsche Presserat ist das Organ der frei-willigen Selbstkontrolle der Presse. In Ziffer 12 heißt es darin: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu ei-ner ethni schen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert wer-den.“ Dieses Diskriminierungsverbot wird durch „Richtlinie 12.1 – Berichter-stattung über Straftaten“ weiter konkretisiert. Danach wird in der Berichterstattung über Straftaten „die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Tä-ter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbe-zug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegen-über Minderheiten schüren könnte.“

Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist auf § 41 des Rundfunk-staatsvertrages zu verweisen, der die Programmgrundsätze regelt. Danach ha-ben die Rundfunkprogramme „die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Sie sol-len die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die

interna-tionale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken.“ Für den privaten Rundfunk gelten u.a. die folgenden allgemeinen Programmgrundsätze: die Achtung und der Schutz der Menschenwürde, die Achtung der sittlichen, weltanschaulichen und religiösen Überzeugung, die Achtung der Rechtsordnung und die journalistischen Sorgfaltsgebote.

Bei Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht können Ansprüche auf Unterlas sung, Widerruf, Schadensersatz und Entschädigung gegen den/die Ver-leger_in, unter bestimmten Voraussetzungen gegen den/die Herausgeber_in und gegen den/die Redakteur_in geltend gemacht werden. Im Streitfall sind die Zivilgerichte, d.h. die Amts- und Landge richte, zuständig.

4.5.1.2 Jugendmedienschutz

Weitergehende Anforderungen bestehen im Bereich des Jugendmedienschut-zes. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche vor „sozialethischer Desorientierung“

zu bewahren, worunter eine der Werteordnung des Grundgesetzes krass wi-dersprechende sozialethi sche Haltung verstanden wird. Zu den maßgeblichen verfassungsrechtlichen Wertentschei dungen gehören dabei neben der Men-schenwürde und dem Persönlichkeits recht auch die Diskriminierungsverbote (BVerfGE 90, S. 1, 19). Zu den Instrumenten des Jugendmedienschutzes gehören insbesondere die Indizierung, d. h. die Erstellung einer Liste von Medienpro-dukten, die für Jugendliche nicht geeig net sind (mit der Folge eines Abgabe-, Verbreitungs- und Werbeverbots), und die Alterskennzeichnung. Zur Anzeige eines Verstoßes gegen den Jugendmedienschutz, siehe unten 4.5.2.

4.5.1.3 Besondere presserechtliche Behelfe

Mit dem Recht auf Gegendarstellung und der Beschwerde beim Deutschen Pres-serat stehen zudem zwei spezielle außergerichtliche Reaktionsmöglichkeiten auf diskriminierende Berichterstattung zur Verfügung:

Die Landespressegesetze verpflichten den/die verantwortlichen Redakteur_in und den/die Verle ger_in zum Abdruck einer Gegendarstellung jeder Person oder Stelle, die durch eine in der Zeitung oder Zeitschrift aufgestellte Tatsa-chenbehauptung betroffen ist. Die Gegendarstellung muss innerhalb von drei