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2.4 Direktstart und Derivate

Bereits 1981 als Patent eingereicht [Gia81] hat erst der verbreitete Einsatz der Direkteinspritzung beim Benzinmotor die Forschung und Entwicklung an einem Startverfahren begünstigt, das gemeinhin als Direktstart bezeichnet wird.

Dafür wird Kraftstoff bei stehendem Motor direkt in den Brennraum des Zylin-ders eingespritzt und gezündet, der sich im Expansionstakt befindet. Die dabei frei werdende Energie beschleunigt den Motor und dieser startet ohne Aufbrin-gen eines externen Moments auf die Kurbelwelle durch systemimmanente Verbrennung. Dieser Vorgang ist schematisch in Abbildung 2-7 dargestellt.

Als Hauptvorteile des Direktstarts sind zu nennen:

Sehr kurze Startdauer Kein Anlassergeräusch Kostengünstig

Bordnetzentlastung

Um vor dem Start denjenigen Zylinder identifizieren zu können, der sich im Expansionstakt befindet und deshalb für die erste Verbrennung in Frage kommt, muss die absolute Position der Kurbelwelle bekannt sein. Dies ist nur bei Verwendung eines Drehzahlgebers mit Rückdreherkennung möglich, da es beim Motorauslauf zum Taumeln mit mehrfacher Drehrichtungsumkehr kom-men kann (Kapitel 2.1.3). Mittels eines solchen Drehzahlgebers können zudem bereits im Stillstand des Motors Einspritzung und Zündung für den ersten Ar-beitstakt berechnet werden.

Abbildung 2-7: Startablauf beim einfachen Direktstart [Kul04]

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2.4DIREKTSTART UND DERIVATE 21

Die bei der ersten Verbrennung frei werdende Energie muss ausreichen, um Gesamtmotorreibung und Kompressionsarbeit des in der Zündreihenfolge nächsten Zylinders zu überwinden. Nur wenn der nachfolgende Zylinder seinen oberen Totpunkt (OT) erreicht und überschreitet, kann der Motor durch die nächste Zündung weiter beschleunigt werden.

In [Sie04] werden als Hauptfaktoren für das Gelingen eines solchen einfachen Direktstarts der Startkurbelwinkel, der Restgasanteil im Startzylinder, die Ge-mischbildung sowie die Temperatur, das Verdichtungsverhältnis und die Steu-erzeiten des Motors genannt. Diese Faktoren beeinflussen die verfügbare Energie durch die erste Verbrennung und den Umsetzungsgrad der Verbren-nungsenergie in Kolbenarbeit. Wird aber der Startwinkel so gewählt, dass die im Zylinder vorhandene unkomprimierte Luftmasse bei stöchiometrischer Verbrennung energetisch für einen Starterfolg ausreicht, ergibt sich aus dem sehr späten Zündzeitpunkt (> 60°KWnZOT) ein äußerst schlechter Umset-zungsgrad, bedingt durch den sehr geringen Brennraumspitzendruck und einen deutlich verkürzten Integrationsweg des Arbeitsintegrals. Diese thermodyna-mischen Defizite im Umsetzungsprozess sind der Grund dafür, dass die Ent-wicklung des einfachen Direktstarts nicht weiter verfolgt wird.

2.4.1 Erweiterter Direktstart

Die Analyse des einfachen Direktstarts, bei dem die erste Zündung im Arbeits-takt erfolgt und den Motor in Vorwärtsrichtung bewegt, hat zur Entwicklung des so genannten erweiterten Direktstarts geführt (Abbildung 2-8), bei dem die erste Zündung im Kompressionstakt den Motor zur Vorverdichtung des Ar-beitstaktes zunächst in Rückwärtsrichtung bewegt [Sie99].

Kompressions-zylinder

Expansions-zylinder

Kompressions-zylinder

Kompressions- zylinder

Expansions-zylinder

Expansions-zylinder

Einspritzung in den Kompressionszylinder

Verbrennung im Kompressionszylinder Motor dreht rückwärts

Luft im Expansionszylinder wird komprimiert

Einspritzung in verdichtete Luft Zündung im Expansionszylinder

Motor dreht vorwärts

Abbildung 2-8: Erweiterter Direktstart [Bro08]

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22 2.4DIREKTSTART UND DERIVATE

Bei dieser Form des Direktstarts handelt es sich also auch um einen Start der ausschließlich durch Steuerung der Einspritzung und Zündung realisiert wird.

Im Vergleich zum einfachen Direktstart wird jedoch durch die Vorverdichtung und einen früheren Zündwinkel die erzielbare mechanische Arbeit aus der ers-ten Verbrennung in Vorwärtsrichtung deutlich gesteigert. Nach [Ger05] wird die indizierte Arbeit sogar um den Faktor 4 gegenüber dem einfachen Direkt-start erhöht.

Für den erweiterten Direktstart ist allerdings ein anderer Aspekt kritisch: Die dritte Verbrennung (die zweite in Vorwärtsrichtung) findet in dem Zylinder statt, in dem sich größtenteils Restgas aus der ersten Verbrennung befindet und kann deshalb nur bedingt gefeuert werden. Deshalb muss die zweite Verbrennung genügend Energie freisetzen und in Kolbenarbeit umsetzen, dass die nächsten zwei folgenden Kompressionen samt Motorreibung überwunden werden. Dazu muss aber die zur Rückdrehung genutzte Verbrennung den Mo-tor gerade so stark beschleunigen, dass der Drehrichtungsumkehrpunkt kurz vor OT des Expansionszylinders liegt, um eine möglichst hohe Vorverdichtung zu erzielen. Dreht der Motor aber über den OT hinweg, dann beschleunigt die zweite Verbrennung den Motor theoretisch weiter in die falsche Richtung und ein Richtungswechsel kann nicht erfolgen. Die Position der Kurbelwelle zu Startbeginn muss deshalb nach [Kra05] in einem engen Winkelbereich von etwa 100°-120°KWnOT liegen, der nach seinen Untersuchungen nur mittels einer zusätzlichen Positioniervorrichtung zu 100% erreicht werden kann. Das wiederum ist aus technischer und ökonomischer Sicht wenig sinnvoll.

Die Arbeit von [Kul04] stellt zudem fest, dass der Direktstart eine starke Ab-hängigkeit von den thermodynamischen und motorischen Randbedingungen aufweist. Ein 100%iger Starterfolg könne selbst in einem eng gefassten Fenster um die rechnerischen Idealbedingungen nicht sichergestellt werden, weil ins-besondere die Gemischbildung wegen unzureichender Luft-Kraftstoff-Vermischung bei den sehr niedrigen Drehzahlen ungenügend sei. Kommt es aber zu einem Fehlstart, dann befindet sich Restgas in den Startzylindern und ein weiterer Startversuch wäre ebenfalls nicht erfolgreich. Kramer folgert des-halb über den Einsatz des Direktstarts in Ausblick seiner Dissertation wie folgt:

„In Anbetracht der sehr eingeschränkten Applizierbarkeit und der erforderlichen Kompromisse bei Applikation des Direktstarts an ein Motorkonzept […] können einem reinen Direktstartkonzept keine großen Chancen eingeräumt werden, jemals den Weg in die Se-rienproduktion zu finden.“ [Kra05, Seite 265]

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2.4.2 Unterstützter Direktstart

Abgesehen von der Eventualität eines Fehlstarts selbst bei Idealbedingungen gibt es weitere Gründe, die einen erfolgreichen Direktstart unmöglich machen und deshalb die ausschließliche Verwendung eines solchen Startsystems im Fahrzeug verbieten:

Die sich bei einem Kaltstart weiter verschlechternden Bedingungen für die Gemischbildung (Kraftstoffverdampfung, Durchmischung von Kraft-stoff und Frischluft) und die erhöhte Zündunwilligkeit sowie Motorreibung lassen keinen reinen Direktstart mehr zu.

Selbst wenn der geforderte sehr enge Startkurbelwellenwinkelbereich durch Beeinflussung des Motorauslaufs eingestellt würde, könnte dieser bei ausgeschaltetem Motor aber eingelegtem Gang wieder verlassen werden und müsste durch eine aktive Positionierung vor dem nächsten Startversuch erneut hergestellt werden.

Kommt es zum Abwürgen des Motors durch den Fahrer, lässt sich der Startkurbelwellenwinkelbereich nicht verlässlich einstellen. Selbst mit aktiver Positionierung wäre ein folgender Direktstart u. U. nicht möglich, weil sich durch die unzureichende Spülphase Restgase im startrelevan-ten Zylinder befinden könnstartrelevan-ten.

Nach [Kra05] kann ein erfolgreicher Direktstart außerdem bei Kühlmittel-temperaturen über 100°C oder Umgebungsdrücken unter 1bar (wie z.B.

ab 1000 m Höhe) nicht garantiert werden.

Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass jeder missglückte Startversuch den Antriebsstrang auch für weitere Versuche startunfähig macht und der Fahrer auf externe Hilfe zum Starten des Motors angewiesen wäre.

Auf eine Andrehunterstützung des an sich viel versprechenden Konzepts „Di-rektstart“ kann also nicht verzichtet werden [Kul04][Kra05][Alt05][Lau05].

Durch das Aufbringen externer Energie auf die Kurbelwelle ist dieser über den OT des startrelevanten Zylinders zu bewegen. Der weitere Drehzahlhochlauf des Motors kann dann allein durch Verbrennungsenergie erfolgen.

Welches System dieses initiale Andrehen des Motors bewirkt, muss im Zu-sammenhang des Gesamtantriebsstranglayouts entschieden werden. Soll ein bestehendes Fahrzeug mit einem Stopp-/Startsystem ausgestattet werden, bietet sich der konventionelle Starter-Motor an, der über Jahrzehnte erprobt

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