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1.4 Grundlagen des Elektroenzephalogramms

1.4.1 Dipolstruktur des Neokortex

Das Ruhepotenzial der Pyramidenzellen liegt bei –50 bis -80 mV. Das Ruhepoteztial (oder Membranpotenzial) wird überwiegend vom Konzentrationsgradienten der Kaliumionen (K+) bestimmt, da im Ruhezustand die Kanäle in der Zellmembran größtenteils geöffnet sind. Das Membranpotenzial wird durch die Aktivität des Natrium-Kalium-Ionen-ATPase-Antiports ermöglicht. Die Na+-K+-Transporter befinden sich in der Plasmamembran des Neurons und tauschen in einem Pumpzyklus drei Na+ gegen den Konzentrations- und Potenzialgradienten mit zwei K+-Ionen aus (siehe Abb. 3). Bei diesem Prozess wird aus der energiereichen Verbindung Adenosintriphosphat (ATP) durch Phosphatabspaltung Adenosindiphosphat (ADP). Die Permeabilität der Membran für Chloridionen ist während des Ruhepotenzials sehr gering.

Zellmembran

Abbildung 3: Ladungsverteilung der neuronalen Zellmembran (nach Zilles und Rehkämper 1998, S. 51)

Die Funktion der Nervenzellen im Organismus ist die Informationsweiterleitung. Während dieser Informationsverarbeitung ist die betroffene Zelle aktiv und es entsteht durch eine schnelle Depolarisierung der Zelle ein Aktionspotenzial. Der Ablauf eines Aktionspotenzials lässt sich in unterschiedliche Stadien einteilen, wovon insbesondere die Verläufe der Ladungsverteilung hinsichtlich des EEGs von Interesse sind.

Während der Phase der Depolarisation wird das Membranpotenzial positiv und mit Erreichen eines Schwellenwertes erhöht sich die Leitfähigkeit der Membran für Na-Ionen und diese strömen ins Zellinnere. Danach folgt die Phase der Repolarisation durch vermehrt geöffnete K+ -Kanäle und den gleichzeitigen K+-Ausstrom. Das Ruhepotenzial der Zelle stellt sich wieder ein.

Die Amplitude des Aktionspotenzials einer Pyramidenzelle beträgt ca. 60-100 mV über eine Dauer von 0,5-2 ms. Durch synaptische Verbindungen der Zellen untereinander kommt es zu Unterbrechungen des Ruhepotenzials, wenn exzitatorische Transmitter in den präsynaptischen Spalt abgegeben werden und so am Axonhügel der postsynaptischen Zelle die Bildung von Aktionspotenzialen startet, die sich dann nach peripher über das Soma und die proximalen Dendriten ausbreiten. Hierbei unterscheidet man erregende postsynaptische Potenziale (EPSP), bei denen größtenteils Na+ in die Zelle einströmt und es zur Depolarisation kommt, von inhibitorischen postsynaptischen Potenzialen (IPSP), bei denen ein vermehrter K+-Ausstrom aus dem Zellinneren zu einer Intensivierung des Ruhepotenzials führt. Da es keine ausgeprägten Nachpotenziale gibt, entladen die einzelnen Pyramidenzellen mit einer Frequenz von bis zu 100 Hz.

Pyramidenzellen sind die einzigen Zellen im Neokortex, die Afferenzen aus dem Neokortex besitzen. Dies hat zur Folge, dass das EEG die Informationen sichtbar macht, welche vom Neokortex aus an andere Hirnregionen weitergeleitet werden. Wenn Pyramidenzellen erregt sind, führt dies zu einer relativen Spannungssenke, folglich löst eine Hemmung bzw.

Deaktivierung von Pyramidenzellen eine Positivierung im EEG aus. Exzitatorische und inhibitorische postsynaptische Potenziale lösen die elektrischen Spannungsschwankungen der Großhirnrinde aus.

Die Neurone des Neokortex lassen sich zwei Haupttypen zuordnen, den Pyramiden- und Sternzellen. Die Erregung der Pyramidenzellen ist exzitatorisch, wogegen die Sternzellen hauptsächlich inhibitorisch wirken. Dabei machen Pyramidenzellen 80% der Neurone des Neokortex aus, die lokal durch Axonkollateralen miteinander in Verbindung stehen. Bis zu 90%

ihrer Axone verlaufen in andere kortikale Regionen sowohl ipsilateral als Assoziationsfasern als auch kontralateral in Form von Komissurenfasern. Die übrigen 10% verlaufen als Projektionsfasern in andere Regionen des Nervensystems (Schmidt und Thewes 1996).

Allerdings sind Signale erst im EEG messbar, wenn eine größere Anzahl an Zellen synchron beginnt Potenziale „abzufeuern“. Dies passiert, wenn viele Zellen eines Hirnareals gleichzeitig erregt oder gehemmt werden. Es werden somit nicht einzelne Aktionspotenziale im EEG

abgebildet sondern die Summe vieler postsynaptischer Potenziale. Die Nervenzellen müssen außerdem von ihrer räumlichen Ausrichtung in dieselbe Richtung zeigen und senkrecht zur Schädeloberfläche liegen. Hierbei ist der zytoarchitektonische Aufbau des Neokortex von Bedeutung, der zum Großteil von einer fünfschichtigen (I-V) Grundstruktur dominiert wird:

 Schicht I und II (schädeloberflächennah): Dendriten der Pyramidenzellen

 Schicht III, IV und V (schädeloberflächenfern): Zellkörper der Pyramidenzellen.

Diese senkrechte Ausrichtung und Schichtung der Zellen führt zu einer spezifischen Spannungsverteilung in unmittelbarer Umgebung der Zellen, sodass an der Kopfhaut Feldpotenziale registriert werden können. Inhibitorische Potenziale tragen kaum zur Entstehung von Feldpotenzialen bei, EPSP hingegen sind von großer Bedeutung für die Messung des EEGs.

Hierbei dient der Extrazellulärraum als Kondensator, der hohe Frequenzen abschirmt. Apikale Dendriten spielen eine bedeutende Rolle bei der Generierung von Spannungsänderungen. Wenn thalamokortikale oder andere kortikale Afferenzen Erregungssalven an einen apikalen Dendriten abgeben, wird der extrazelluläre Bereich des Dendriten negativ (siehe Abb. 4, S. 25).

Bei einem postsynaptischen erregenden Potenzial erfolgt eine Depolarisierung des Zellkörpers, was zu einer Zunahme an negativer Ladung im extrazellulären Bereich führt. Liegt hingegen die Angriffsstelle einer exzitatorischen Synapse am Apikaldendriten, wird in diesen Bereich die extrazelluläre Umgebung negativ, wohingegen die extrazelluläre Umgebung des Zellkörpers positiv wird (Schmidt und Thews 1996). Durch den Na+-Einstrom in den Dendriten entsteht ein negatives Feldpotenzial. Die positive Ladung (Strom) verteilt sich in Richtung Soma der Zelle.

Die positiven Ladungen wandern dann wiederum vom Soma hin zum depolarisierten Dendriten.

Der Ort des Stromeintritts wird als „Senke“ bezeichnet, da dieser negative Pol positive Ladungen anzieht. Die Lokalisation des Stromaustritts wird „Quelle“ genannt (siehe Abb. 4, S.

25). Der Strom fließt von Gebieten geringer Konzentration (Soma) zu den depolarisierten Regionen (apikaler Dendrit). Daraus ergibt sich, dass die Polarität der extrazellulären Spannung im Bereich der Senke, relativ zur Quelle gesehen, negativ ist. Folglich verhält sich die intrazelluläre Spannung umgekehrt. Aufgrund der umgekehrten Polarisierung zwischen den unteren und oberen Schichten des Neokortex, kann man die Hirnrinde regional als einen elektrischen Dipol beschreiben (Birbaumer und Schmidt 2006). Diese elektrophysiologische Eigenschaft macht es überhaupt erst möglich, oberflächlich Potenziale im EEG abzuleiten und anatomischen Strukturen zuzuordnen.

Abbildung 4: Schema eines kortikalen Dipols. Oberflächennegative langsame Hirnpotenziale werden durch Depolarisation des Kortex erzeugt, wobei Afferenzen die apikalen Dendriten von

Pyramidenneuronen aktivieren. Die extrazellulären Ströme erzeugen an der Kopfhaut messbare Potenziale (aus Birbaumer und Schmidt 2006, S. 472)