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Diplomatie aus dem Untergrund

Im Dokument Diplomatie aus dem Untergrund (Seite 116-166)

Aber wieviel bleibt gerade für das 17. und 18. Jahrhundert noch zu erforschen, um für eine bestimmte Epoche oder für ein bestimmtes Land ein klares Bild der sehr vielfältigen und unterschiedlichen Art, Funktion, Technik und Wirkung dieses wichtigen Instruments der großen Politik der Mächte zu gewinnen, und wie sehr liegen für uns Motive und An-teil der leitenden Staatsmänner, vor allem auch der geheime diplomatische Untergrund des Geschehens im Dunkel !1

Auch Alexander Horn, der Bayern als Regensburger Ex-Konventuale wirklich kannte und einzuschätzen vermochte, konnte nichts mehr erreichen und wurde faktisch in den Untergrund getrieben.2 Das folgende Kapitel liefert einen Überblick über Horns Handeln und Leben im Unter-grund. Dabei wird es zunächst darum gehen, das Konzept »Untergrund« näher zu be-stimmen, um aufzeigen und beschreiben zu können, wie ein Akteur wie Horn bewusst seine Rollen in seinen Netzwerken nutzen musste, um im Untergrund zu überleben.

Die Analyse des Verhältnisses zwischen Diplomatie, Informationsgewinnung, Spionage und Untergrund dient dazu, den aufkommenden britischen Geheimdienst und dessen Funktion näher als bisher in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus wird anhand von Fallstudien gezeigt, wie Horn an wichtigen Ereignissen teilnahm, im Untergrund agierte und zu einem gewichtigen Teil eines geheimdienstlichen Netzwerks wurde.

»[A] hollow murmuring under ground«

Edmund Burkes Reflections on the Revolution in France wurden nach ihrem Erscheinen 1790 viel gelesen und kontrovers diskutiert, außerdem in mehrere Sprachen übersetzt.3 Auch einige der in diesem Buch behandelten Akteure nahmen auf Burkes Studie Bezug.

So kam erstens Horn in seinen Briefen und Berichten immer wieder auf Burke zu spre-chen und zitierte ihn in seinem Memorandum über den Reichsdeputationshauptschluss.

1 Max Braubach, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Wiesbaden 1962, S. 10.

2 Schütz, Gesandtschaft, S. 291.

3 Edmund Burke, Reflections on the Revolution in France, and the Proceedings in certain Societies in Lon-don relative to that Event. In a Letter intended to have been sent to a Gentleman in Paris, LonLon-don 17902.

Zweitens hatte Burkes Buch einen beträchtlichen Einfluss insbesondere auf britische Diplomaten im Hinblick auf ihre Einschätzung Frankreichs. Wurden die Reflections zu-nächst noch von manchen als zu strikt und rigide angesehen, veränderte sich ihre Auf-nahme durch die zunehmende Radikalisierung der Revolution. Diplomaten waren von den politischen Umwälzungen in Frankreich stark betroffen und nahmen in ihren offizi-ellen Berichten ebenso wie in privaten Briefen häufig eine zunehmend negative Haltung gegenüber der Revolution ein.4 Drittens empfand auch Castlereagh Sympathien für Burkes Überlegungen. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass gerade in seiner Heimat Irland Burkes Schrift als zu alarmistisch aufgefasst wurde und eher seine Gegenspieler präferiert wurden, also Charles James Fox oder Thomas Paine, der auf die Publikation der Reflections mit der Veröffentlichung seiner Studie Rights of Man (1791) reagierte.

Trotzdem äußerte sich bereits der junge Castlereagh bei öffentlichen Reden zustimmend zu Burkes Thesen, obwohl dieser sich negativ über die irischen Unabhängigkeitsbestre-bungen ausgelassen hatte. Die Verdammung aller neuen philosophischen Ideen durch Burke stieß jedoch bei Castlereagh durchaus auf Widerstand.5 Viertens beschäftigten sich auch Horns Feinde Metternich und Gentz, wie später gezeigt wird, ausführlich mit Burkes Überlegungen. Gentz’ Übersetzung von Burkes Werk machte beide schlag-artig im deutschsprachigen Raum bekannt.6 Metternich beschäftigte sich mit mehreren Schriften und Briefen Burkes. In seinem Nachlass lassen sich Exzerpte eines Briefes von 1795 finden, wie Siemann herausarbeitet.7 Fünftens waren die Reflections auch Thema innerhalb der schottischen Bezugspersonen Horns : So schrieb Geddes an Hay : »Mr.

Burke is too declamatory ; but the Substance of the Work is, in my Opinion, very just.«8 Sechstens stand Burke, während er die Reflections schrieb, in Kontakt mit französischen Emigranten, die nach Großbritannien geflohen waren. Einer dieser Flüchtlinge war der Jesuit und bekannte Verschwörungstheoretiker Augustin Barruel, der im Kapitel über die Illuminaten näher behandelt wird.

In seinem Buch stützte sich Burke auf viele der Argumente, die bereits vor der Revolu-tion von französischen Kritikern der Aufklärungsphilosophie entwickelt worden waren.

Er interpretierte die Revolution als einen tiefgreifenden Bruch mit der Vergangenheit und attackierte die damit einhergehende Ablehnung von Erfahrung, Tradition, histori-schen Entwicklungen, Religion oder natürlicher Hierarchie.9 Er warnte vor weiteren

4 Mori, Culture, S. 36.

5 Bew, Castlereagh, S. 42ff.

6 Zuletzt : Harro Zimmermann, Friedrich Gentz. Die Erfindung der Realpolitk, Paderborn 2012, S. 47ff.

(Kapitel 3).

7 Siemann, Metternich, S. 143 – 145.

8 SCA, BL/4/43, Geddes an Hay, Edinburgh, 14. April 1791.

9 Nigel Aston, Burke and the Conspiratorial Origins of the French Revolution : Some Anglo-French

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»[A] hollow murmuring under ground« | bevorstehenden Umbrüchen und schrieb : »Many parts of Europe are in open disorder.

In many others there is a hollow murmuring under ground ; a confused movement is felt, that threatens a general earthquake in the political world.«10 In einer Fußnote zu diesem Abschnitt verwies Burke auf die Originalschriften des Illuminatenordens,11 die 1787 auf Veranlassung der kurpfalzbayerischen Regierung veröffentlicht worden waren. Diese be-merkenswerte Fußnote ist als Ausgangspunkt dafür verwendet worden, eine Verbindung zwischen der konservativen Kritik an der Französischen Revolution und konspirativem Denken herzustellen.12 Grundsätzlich zeigte Burke auf, welchen Einfluss die radikalen Ideen der französischen Revolutionäre haben konnten. Dabei ging es ihm vor allem um die Abwehr eines Übergreifens dieser Ideen nach Großbritannien. Er verglich in seinen Überlegungen die Errungenschaften der Glorreichen Revolution mit den Rechtsbrü-chen der FranzösisRechtsbrü-chen Revolution. In diesem Buch wird Burkes Zitat verwendet, um die Handlungen Horns im Untergrund näher beschreiben zu können.

Andrew McKenzie-McHargs Auseinandersetzung mit dem »Untergrund« hilft dabei diesen konzeptuell schärfer in den Blick zu nehmen.13 Das Handeln von Akteuren im Untergrund war eine Vorstellung, die wesentliche Konfliktlinien in der Frühen Neuzeit offenlegen kann : Erstens handelte es sich bei »Untergrund« um eine reale Bedrohung, da gerade zu Beginn der Frühen Neuzeit die Untergrundkriegsführung (Sprengungen mit Schießpulver und das Untergraben von Stadtmauern) diskutiert wurde und sich auch in bildlichen Darstellungen, wie Wiggins zeigt, niederschlug.14 Neben dieser rea-len Kriegstechnik etablierte sich zweitens im Laufe des 16. Jahrhunderts die Vorstellung vom Handeln von Jesuiten im Untergrund, die angeblich danach trachteten, katholische Komplotte vorzubereiten. Diese beiden Ansichten kulminierten in England in der soge-nannten Pulververschwörung (Gunpowder Plot, 1605) und später in den Vorstellungen

semblances, in : Barry Coward/Julian Swann (Hg.), Conspiracies and Conspiracy Theory in Early Modern Europe. From the Waldensians to the French Revolution, London 2004, S. 213 – 234 ; Darrin M. McMa-hon, Enemies of the Enlightenment : The French Counter-Enlightenment and the Making of Modernity, Oxford 2003.

10 Burke, Reflections, 1790, S. 229.

11 Einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwack durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. Oktob. etc. 1786 vorgenommen worden, Mün chen 1787.

12 David Armitage, Edmund Burke and Reason of State, in : Journal of the History of Ideas 61 (2000), S. 617– 634 ; Michael Freeman, Edmund Burke and the Theory of Revolution, in : Political Theory, 6/3 (1978), S. 277 – 297.

13 Andrew McKenzie-McHarg, »Der Untergrund als tödliche Falle : von einer Realität des religiösen Kon-flikts zu einer Metapher der politischen Subversion, in : Martin Mulsow unter Mitarbeit von Michael Multhammer (Hg.), Kriminelle – Freidenker – Alchemisten. Räume des Untergrunds in der Frühen Neu-zeit, Köln-Weimar-Wien 2014, S. 619 – 668.

14 Kenneth Wiggins, Siege Mines and Underground Warfare, Buckinghamshire 2003.

von der Unterwanderung durch den Papst (Popish Plot).15 Überspitzt auf den Punkt ge-bracht wurde die Verbindung zwischen der realen Gefahr und der Verschwörung der Je-suiten von Henry Sacheverell in der berühmten Predigt The Perils of False Brethren, deren Rezeption zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Tories und Whigs in England führte.16 Neben den Jesuiten unterstellte man im Laufe des 18. Jahrhunderts vor allem Freimaurern, Illuminaten und Mitgliedern von anderen Geheimgesellschaften, dass sie sich im Untergrund gegen die Ordnung von Thron und Altar verschworen hätten. Hier-bei standen aber nicht mehr die Auswirkungen einer realen Sprengung im Vordergrund, sondern insbesondere im Hinblick auf den Ausbruch der Französischen Revolution die Unterminierung und Zerstörung des Fundaments der politischen Ordnung des Ancien Régime. Es sei hier angemerkt, dass einige Ausgaben der Protokolle der Weisen von Zion davor warnten, dass es ein Ziel der Verschwörung sei, Bomben in U-Bahnschächte zu legen, um die staatlichen Archive zu zerstören.17 Metaphorisch war der Angriff auf das Bündnis von Thron und Altar auch einer auf die Grundfesten der Gesellschaft. Neben diesen Überlegungen über Explosionen, welche durch das Erdbeben von Lissabon 1755 noch geschärft wurden, und dem angeblichen Handeln von Jesuiten und Geheimgesell-schaften verschiedener Couleur verweist das Konzept des Untergrunds auch auf eine Interpretation vom Handeln in einer Gesellschaft.

McKenzie-McHarg macht nämlich darauf aufmerksam, dass das Sprechen über den Untergrund auf das Engste mit dem Nachdenken über Geheimes, Sichtbarkeit, Anwesen-heit und AbwesenAnwesen-heit zusammenhängt. Darüber hinaus hebt er hervor, dass das Konzept Untergrund nicht immer heißt, dass etwas wirklich unterirdisch vonstattengeht, sondern vielmehr, dass ein Akteur sich dem Zugriff einer Obrigkeit entzieht und im Verborgenen weiterhin aktiv bleibt. Auf diese Art und Weise lassen sich Vorstellungen von den Jesuiten als »Staat im Staat« bzw. »unsichtbarer Staat« und die Furcht vor »konvertierten Juden«

oder »Krypto-Protestanten« fassen.18 Gerade diese Schlagworte offenbaren eine weitere Ebene des Nachdenkens über den Untergrund, die wiederum auf das reale Handeln im Untergrund verweist. »Untergrund« heißt eben nicht immer nur Verschwörung gegen die Gesellschaft oder Sprengung ihrer Grundfesten, sondern der Begriff bezieht sich eben auch auf eine Ebene der Diplomatie, die sich hinter geschlossenen Türen abspielt.

15 Vgl. zuletzt : André Krischer, Papisten als Verräter. Gewaltimaginationen und Antikatholizismus im früh-neuzeitlichen England, in : André Krischer (Hg.), Verräter. Geschichte eines Deutungsmusters, Köln-Wei-mar 2019, S. 175 – 194.

16 Vgl. Brian Cowan, The State Trial of Doctor Henry Sacheverell, Malden 2012 ; Geoffrey Holmes, The Trial of Doctor Sacheverell, London 1973.

17 Vgl. u. a. Jeffrey L. Sammons (Hg.), Die Protokolle der Weisen von Zion, die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung, Text und Kommentar. Wallstein, Göttingen 1998.

18 Oberhauser, Trias.

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»[A] hollow murmuring under ground« | Während Studien über Geheimdiplomatie, in denen geheimes Handeln und Krypto-grafie im Vordergrund stehen, ein durchaus florierendes Forschungsfeld sind,19 kommen Überlegungen zum Untergrund in Bezug auf die Geschichte von Geheimdiensten und Geheimagenten im Allgemeinen viel zu kurz. Dabei ist die Metapher des Underground War20 nicht nur ein sensationsheischender Titel einer Abhandlung über das Wirken von Geheimdiensten in den Revolutionskriegen, sondern eine Beschreibung des Handelns von verschiedenen Akteuren, die versuchten, auf ihre Art und Weise Geschehnisse in dieser Zeit im Untergrund zu beeinflussen. Es gilt dabei, sich nicht von klischeehaften Vorstellungen leiten zu lassen, sondern das Wirken von Geheimdienstoperationen in ihrer Zeit zu verstehen. Geheimdiplomatie ist nur ein Aspekt der Informationsgewin-nung von diplomatischen Missionen. Es wäre verfehlt, eine diplomatische Mission in der Frühen Neuzeit darauf zu reduzieren, zeremonielle Funktionen zu erfüllen oder Ent-scheidungen auf dem politischen Parkett herbeizuführen. Vielmehr haben Forschungen zuletzt gezeigt, dass man eine Gesandtschaft als ein Konglomerat von verschiedenen Akteuren formeller sowie informeller Natur auffassen muss.21 Das Ziel war hierbei pri-mär Informationsgewinnung, bevor jemand anderer Informationen in der Hand hält.

Informelle Netzwerke spielten dabei eine zentrale Rolle : Horn war zum Beispiel lange Jahre kein akkreditierter Diplomat, sondern nahm vielmehr eine informelle Position im Netzwerk der britischen Informationsgewinnung rund um Regensburg und Mün-chen ein. Die fehlende Akkreditierung macht ihn vor dem Hintergrund der Ereignisse 1804/05 und auch noch später zu einem paradigmatischen Akteur des diplomatischen Untergrunds.

Es steht die Frage im Raum, ob sein Handeln als geheimdienstlich zu klassifizieren ist. Hierbei ist sicherlich Pohlig zu folgen, der das Wirken von Geheimdiensten in In-formationsgewinnungsnetzwerken als wichtig ansieht. Innerhalb einer diplomatischen Mission wurden nicht selten verschiedene Rollen von denselben Akteuren ausgefüllt. So war Drake gleichzeitig der bevollmächtigte Minister in München und der Chef einer geheimdienstlichen Operation. Kryptografie oder das Schreiben mit sympathetischer Tinte sind dementsprechend nichts anderes als Techniken innerhalb von

Informations-gewinnungsnetzwerken. Man muss sich bei der Beschäftigung mit Horns Handeln vom

19 Vgl. die Sektion Spionage, Bestechung und Geheimdiplomatie, in : Mulsow (Hg.), Kriminelle, S. 179ff ; Anne-Simone Rous/Martin Mulsow (Hg.), Geheime Post. Kryptologie und Steganographie der diploma-tischen Korrespondenz europäischer Höfe während der Frühen Neuzeit, Berlin 2015.

20 Harvey Mitchell, The Underground War against Revolutionary France. The Missions of William Wick-ham, 1794 – 1800, Oxford 1965.

21 Vgl. Thiessen, type ancien. Barbara Stollberg-Rilinger, Die Frühe Neuzeit – eine Epoche der Formalisie-rung ?, in : Andreas Höfele/Jan-Dirk Müller/Wulf Oesterreicher (Hg.), Die Frühe Neuzeit. Revisionen einer Epoche, Berlin-Boston 2013, S. 3 – 27.

Gedanken verabschieden, Spionage und Diplomatie als getrennte Sphären des politi-schen Handelns zu betrachten, vielmehr gilt es darauf zu achten, wie die Informations-gewinnung funktionieren konnte.22 Zu betonen ist, dass unter dem Konzept der Infor-mationsgewinnung zwei wesentliche Funktionen von Horns Rollenhandeln gezeigt werden müssen : Er hatte den Auftrag, Informationen in Regenburg mittels Pamphleten und Zeitungsartikeln zu streuen, um für Verwirrung und Diskussionen unter den Di-plomaten zu sorgen. Es handelt sich hierbei um bewusste Desinformationskampagnen, die darauf abzielten, Personen schlecht darzustellen. Ferner sollten Entscheidungsträger dadurch beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass man sich auch in Bezug auf diesen Punkt nicht von der heutigen Diskussion über fake news oder durch militärische Geheimdienstoperationen in den zwei Weltkriegen blenden lassen darf : Spionage, Geheimdiplomatie, informelle Netzwerke und aufzubauende Informations-kanäle gehörten zum Alltag einer diplomatischen Mission.

Horn als Akteur des britischen Geheimdienstes ?

(H)istorical accounts are usually based almost wholly upon official documents and ignore the wide variety of information accessible in memoirs, private letters, and reports of secret agents. The reader, in consequence, is given the false impression that the great international settlements of Europe – as those of 1648, 1713, 1815 – were more formally arrived at than was actually the case.23

Der von Thompson bereits 1937 beschriebene »falsche Eindruck« erhärtet sich insbe-sondere durch Horns Rollenhandeln und Funktion in seinen Netzwerken sowie durch seine eigene Selbststilisierung. Die Spionage bzw. Geheimdiplomatie in der Frühen Neuzeit ist zuletzt durch verschiedene Einzelstudien beleuchtet worden, welche für den Fall Horn von Interesse sind.24 Bereits festgestellt wurde die Verbindung zwischen Di-plomatie und Spionage.25 Ferner werden die Rolle der Post und die damit zusammen-hängenden Kommunikationsstrukturen hervorgehoben. Horns Freundschaft mit dem

22 Hierbei folge ich den bereits erwähnten Ausführungen Pohligs.

23 J. W. Thompson/S. K. Padover, Secret Diplomacy. A Record of Espionage and Double-dealing : 1500 – 1800, London 1937, S. 5.

24 Vgl. dazu den Tagungsbericht : Johannes Frankow/Felicitas Kahle/Franca Reif, Spies, Espionage and Secret Diplomacy in the Early Modern Period. 05.10.2017–07.10.2017 Bayreuth, in : H-Soz-Kult, 21.12.2017, [http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7475, letzter Zugriff : 28.07.2021].

25 Huw J. Davies, Diplomats as Spymasters : A Case Study of the Peninsular War, 1809 – 1813, in : Journal of Military History 76 (2012), S. 37 – 68.

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Horn als Akteur des britischen Geheimdienstes ? | Haus Thurn und Taxis brachte ihm, so viel sei vorweggenommen, einen entscheiden-den Vorteil ein. Nicht zu unterschätzen ist auch der prekäre Status der Informationsge-winnungsnetzwerke, da sie häufig personenzentriert waren, ohne viele andere Akteure einzuweihen. Deshalb stand ihr Fortbestand mit dem Tod einer bestimmten Person oder aber durch die Aufdeckung einer geheimen Operation jedes Mal infrage. Der Fall Drake zeigte dies eindrücklich. Hervorgehoben wird auch, dass der Begriff »Spion« kei-neswegs eindeutig zu bestimmen ist. Dieser ist abhängig vom jeweiligen Kontext und auch von der Eigendefinition des jeweiligen Akteurs. Horn selbst hätte sich nicht als Spion bezeichnet, seine Feinde taten dies aber sehr wohl. Schlussendlich liegt auch ein Quellenproblem vor : Teilweise kann man chiffrierte Akten heutzutage nicht mehr lesen, nicht immer haben sich Archivalien über Operationen eines Geheimdiensts erhalten und häufig wurden diese auch bewusst zerstört. Dessen ungeachtet liegen insbesondere für den britischen Geheimdienst, der sich in der Zeit der napoleonischen Kriege ins-titutionell und personell formierte, Studien vor, die es erlauben, Horns Funktion und Rollen zu kontextualisieren.

Aufbauend auf älteren Arbeiten von Alfred Cobban26 und verschiedenen Auseinander-setzungen mit britischen Aktivitäten während der Konterrevolution27 sind es vor allem die Studien von Michel Durey28 und Elizabeth Sparrow,29 neben einigen Publi kationen noch jüngeren Datums,30 welche wesentliche Einsichten hinsichtlich der umtriebigen britischen Geheimdienstaktivitäten dieser Zeit liefern. Große Bedeutung kommt dem Wirken und der Biografie William Wickhams (1761 – 1840) zu, der mit Horn während seiner kurzen Zeit in Regensburg in brieflichem Austausch stand. Es wäre jedoch ver-fehlt, deshalb anzunehmen, dass Horn zu diesem Zeitpunkt ein Teil von Wickhams Geheimdienst bzw. Korrespondentennetzwerk war. Vielmehr handelte es sich dabei um

26 Alfred Cobban, Alfred, The Beginning of the Channel Isles Correspondence, 1789 – 1794, in : The Eng-lish Historical Review 77 (1962), S. 38 – 52 ; ders., British Secret Service in France, 1784 – 1792, in : The English Historical Review 69 (1954), S. 226 – 261.

27 Vgl. dazu : Elizabeth Sparrow, Secret Service under Pitt’s Administration, 1792 – 1806, in : History 83 (1998), S. 280 – 294 (Fußnoten 4 und 5).

28 Michael Durey, William Wickham, Master Spy : The Secret War Against the French Revolution, London 2009 ; ders., William Wickham, the Christ Church Connection and the Rise and Fall of the Security Ser-vice in Britain, 1793 – 1801, in : English Historical Review 121 (2006), 714 – 745 ; ders., Lord Grenville and the Smoking Gun : the Plot to assassinate the French Directory in 1798 – 1799, in : Historical Journal 45 (2002), S. 547 – 568 ; ders., The British Secret Service and the Escape of Sir Sidney Smith from Paris in 1798, in : History 84 (1999), S. 437 – 457.

29 Elizabeth Sparrow, Secret Service. British Agents in France 1792 – 1815, Woodbridge-Rochester 1999 ; dies., The Swiss and Swabian agencies, 1795 – 1801, in : Historical Journal 35 (1992), S. 861 – 884 ; dies., The Alien Office, 1792 – 1806, in : The Historical Journal 33 (1990), S. 361 – 384.

30 Hervorzuheben ist hierbei vor allem : Tim Clayton, This Dark Business. The Secret War against Napoleon 2018.

einen freundschaftlichen Austausch.31 Trotzdem war dieser Kontakt wiederum eine An-näherung Horns an bekannte Persönlichkeiten, auch wenn dies aufgrund der diploma-tischen Tätigkeit Wickhams in Regensburg und München nicht erstaunlich war. Durey zeigt in seiner Biografie über Wickham auf, wie ihm seine Ausbildung, seine Herkunft und auch Patronage den Staatsdienst ermöglichten. Wickham studierte mit späteren Mitarbeitern zusammen am Christ Church College in Oxford. Dort traf er unter ande-rem auf Charles Abbot (1757 – 1829) oder auf John King (1759 – 1830). Dessen Weg in das Home Office wurde von William Grenville (1759 – 1834) geebnet, der ebenfalls eine Zeit lang am Christ College studiert hatte.32 Dieser Hintergrund macht deutlich, dass Horn zwar durchaus in Kontakt mit diesen Persönlichkeiten war, er aber erstens aufgrund seiner Herkunft, zweitens aufgrund seines Glaubens, drittens aufgrund seines Mönchtums und viertens aufgrund seiner Sozialisierung rund um Regensburg keines-wegs dazu auserkoren werden konnte, eine Art von Geheimdienst zu leiten. Anders-lautende Darstellungen über Horn, vor allem in Zusammenhang mit der Drake-Affäre, sind demgemäß häufig stark übertrieben.

Wickham war 1793 am Aufbau des Alien Office beteiligt, welches in Reaktion auf die französische Immigration in das Vereinigte Königreich im Zuge der Französischen Revolution geschaffen wurde. Im Laufe des gleichen Jahres wurde er von Grenville engagiert und erhielt den Auftrag, die London Corresponding Society (L.C.S.) zu in-filtrieren, was ihm zur besten Zufriedenheit gelang. In der Forschung wird hervorge-hoben, dass diese erste Phase des britischen Geheimdienstes noch recht unkontrol-liert vonstattenging.33 Ab 1794 wurde Wickham im Zusammenspiel mit Evan Nepean (1751 – 1822) unter der Führung des Duke of Portland (1738 – 1809) immer wich-tiger. Mit dem Spezialauftrag in der Schweiz ab Dezember 1794 wurde seine Rolle ausdifferenziert : Unter dem Vorwand einer offiziellen diplomatischen Mission galt das eigentliche Interesse dem Aufbau eines Geheimdienstes auf der Basis eines

Wickham war 1793 am Aufbau des Alien Office beteiligt, welches in Reaktion auf die französische Immigration in das Vereinigte Königreich im Zuge der Französischen Revolution geschaffen wurde. Im Laufe des gleichen Jahres wurde er von Grenville engagiert und erhielt den Auftrag, die London Corresponding Society (L.C.S.) zu in-filtrieren, was ihm zur besten Zufriedenheit gelang. In der Forschung wird hervorge-hoben, dass diese erste Phase des britischen Geheimdienstes noch recht unkontrol-liert vonstattenging.33 Ab 1794 wurde Wickham im Zusammenspiel mit Evan Nepean (1751 – 1822) unter der Führung des Duke of Portland (1738 – 1809) immer wich-tiger. Mit dem Spezialauftrag in der Schweiz ab Dezember 1794 wurde seine Rolle ausdifferenziert : Unter dem Vorwand einer offiziellen diplomatischen Mission galt das eigentliche Interesse dem Aufbau eines Geheimdienstes auf der Basis eines

Im Dokument Diplomatie aus dem Untergrund (Seite 116-166)