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Im Falle von Digonogastra spp. wurde ein Hexanextrakt von weiblichen Individuen im Hinblick auf seine Inhaltsstoffe gaschromatographisch-massenspektrometrisch untersucht. In Abbildung 5.2 ist der entsprechende Bereich des Chromatogramms dargestellt, und die Verbindungen sind nummeriert. Die genaue Begutachtung der Massenspektren ergab, dass in dem leider recht kontaminierten Extrakt vier Verbindungen existieren, die analoge Strukturmerkmale zeigen und daher in einem biogenetischen Zusammenhang stehen könnten.

Die relevanten Verbindungen sind mit den Nummern 3-6 gekennzeichnet. Bei den Komponenten 1 und 2 handelt es sich um die beiden Hexanhydroperoxide (128) und (129), die wegen der Anwesenheit starker Peroxidasen in den Insekten während der Präparation des Extraktes entstanden sind. Die mit 3 und 4 gekennzeichneten Verbindungen konnten durch vorhandene Referenzsubstanzen abgesichert werden. Es handelt sich hierbei um ein einfach ungesättigtes Methylketon (130) und ein Diketon (131) der Kettenlängen C8. Die Strukturen der Verbindungen 1-4 sind in Abbildung 5.3 gezeigt, auf die Darstellung der Massenspektren wurde hier verzichtet. Bei den mit 5 und 6 bezeichneten Verbindungen handelt es sich um die zwei zu identifizierende Bestandteile, die aufgrund ihrer Fragmentierungen in Analogie zu (130) und (131) betrachtet wurden, und für die keine Referenzsubstanzen existierten. Die mit K bezeichnete Komponente resultiert aus einer Kontamination. In Abbildung 5.4 ist das Massenspektrum der in Abbildung 5.2 mit 5 bezeichneten Verbindung dargestellt.

10:0015:0020:0025:0030:0035:0040:0045:00

23 Rt

4

5 6

? ?

K Ausschnitt aus dem Chromatogramm (TIC) des Hexanextraktes einer weiblichenDigonogastra spp. (Säule: BPX-5, 30 m, 0.25 mm, 0.33 μm, Temperaturprogramm: 60-3-3-270, 1μL on-column)

O OH

O OH

O

O O

(128) (129) (130) (131)

Artefakte

Abbildung 5.3 Strukturen aus dem Pheromonbouquet von Digonogastra spp.

43

45

58

68 71

40 50 60 70 80 90 100 110 120 130

41 55

83

97

111

126

61

100 100

%

m/z 93

Abbildung 5.4 Massenspektrum der in Abbildung 5.2 mit 5 bezeichneten Verbindung aus Digonogastra spp.

Auffällig ist das Fragment m/z 45, das aus der α-Spaltung eines sekundären Alkohols resultieren könnte. M/z 58 ist das typische McLafferty Ion eines Methylketons. Methylketone spalten m/z 15 ab, was sich in diesem Spektrum aus der Differenz von m/z 126 und m/z 111 herleiten lässt. Mit m/z 71 ergibt sich zu m/z 58 eine Differenz von 13 Masseneinheiten, d.h., dass dieses Ion bei Vorliegen eines Methylketons aus einer β-Spaltung resultiert. Unter Einbeziehung der Tatsache, dass es sich bei den bereits identifizierten Verbindungen (130) und (131) um Strukturen mit einer Kettenlänge von C8 handelte, wurde für die gesuchte Komponente ein Methylketon mit derselben Kettenlänge postuliert, das an Position C-7 zusätzlich eine Hydroxylfunktion trägt. Demnach hätte die Verbindung ein Molekulargewicht von M+ = 144. Damit ließe sich das Fragment m/z 126 durch eine Abspaltung von Wasser

Massenspektrum eines postulierten Hydroxyketons aus Digonogastra spp.

erklären. Das Acyliumion m/z 43 entsteht durch α-Spaltung neben der Carbonylgruppe. Nicht erklären lässt sich das Fragment m/z 61, das normalerweise aus protonierter Essigsäure resultiert.

Um die Verbindung sicher identifizieren zu können folgt die Synthese der beiden Enantiomere des 7-Hydroxyoctan-2-ons (132). Anschließend sollte die Struktur nach gaschromatographisch-massenspektrometrischer Trennung der Synthese- und Naturprobe über einen Vergleich der Massenspektren und der Retentionszeiten identifiziert werden. Der Syntheseweg für die beiden Enantiomere der Verbindung (132) ist in Abbildung 5.5 dargestellt.

O Br

OH

O O Br (133)

(136) BF3 Et2O

(C2H5)4N Br CHCl3, 20 °C, 5h

Jones

O Mg, CuI THF, -78 °C

O Mg, CuI THF, -78 °C

O O

(CH3)3Si

Si(CH3)3 F3C

S O O

O Si(CH3)3 , CH2Cl2, - 78 °C

Br O

(135)

O O

(S)-(137) OH p - TsOH Aceton, 20 °C

p - TsOH Aceton, 20 °C

O O

OH (R)-(137)

OH O

(S)-(132) OH

O

(R)-(132) (134)

Abbildung 5.5 Synthesen von (7S)- und (7R)-7-Hydroxyoctan-2-on (132)

Die Ringöffnung des 2-Methyltetrahydrofurans (133) mit Tetraethylammoniumbromid, katalysiert durch Bortrifluorid erfolgt nicht wie in der Literatur103 angegeben mit Ausbeuten über 90 % selektiv zwischen Position 4/5. Es entsteht vielmehr mit 43 % der primäre Alkohol, das Produkt aus der Ringöffnung zwischen Position 1/2. Da aber der gewünschte sekundäre Alkohol (134) deutlich unpolarer ist als der primäre Alkohol, können die beiden Produkte der Reaktion säulenchromatographisch gut voneinander getrennt werden. Man erhält das 5-Brompentan-2-ol (134) mit einer Ausbeute von 57 %. Die anschließende Oxidation der Hydroxylgruppe zum Keton (135) wird mit Jones-Reagenz [Chrom(VI)Oxid in konzentrierter Schwefelsäure] durchgeführt. Diese Reaktion lief in quantitativer Ausbeute. Bevor eine Kettenverlängerung durchgeführt werden kann, wurde die Ketofunktion der Verbindung (135) in das Acetal (136) umgewandelt. Die Reaktion wurde nicht nach dem Standardverfahren mit 1,2-Ethandiol, säurekatalysiert durch p-Toluolsulfonsäure durchgeführt104, sondern das 1,2-Ethandiol durch den entsprechend reaktiveren Trimethylsilylether ersetzt105. Leider brachte dies nicht die erwünschte Verbesserung, denn das Produkt (136) wurde lediglich mit einer Ausbeute von 66 % erhalten. Zur Einführung des Stereozentrums wird aus dem Dioxolan (136) das Grignard-Reagenz hergestellt und dieses durch Cupratkupplung mit (R)- bzw. (S)-Propylenoxid umgesetzt. Die Reaktionen verliefen mit Ausbeuten von 44 % im Falle des (R)-Enantiomers und 70 % im Falle des (S)-(R)-Enantiomers. Bei beiden Stereoisomeren wurde nun säurekatalysiert die Acetalfunktion gespalten und so das jeweilige (7R)- bzw. (7S)-Hydroxyketon (132) erhalten. Beide Zielverbindungen (132) entstanden in Ausbeuten von 60 %.

Ein gaschromatographisch-massenspektrometrisches Experiment ergab das in Abbildung 5.6 gezeigte Resultat für das (S)-Enantiomer. Zum Vergleich ist auch das Massenspektrum des Naturstoffs dargestellt.

Die Massenspektren gleichen sich in den Schlüsselfragmenten, die Verhältnisse der Intensitäten stimmen weitestgehend überein. Die absoluten Intensitäten differieren aufgrund unterschiedlicher Aufnahmetechniken. In Abbildung 5.7 ist der Vorschlag für ein Fragmentierungsmuster dargestellt. Es handelt sich hierbei lediglich um ein Postulat, da die Zusammensetzungen der Ionen nicht durch hochauflösende Massenspektrometrie bewiesen worden sind. Ob es sich bei der gesuchten Substanz tatsächlich um ein 7-Hydroxyoctan-2-on (132) handelt, konnte bisher noch nicht endgültig geklärt werden, da aufgrund mangelnder Naturprobe kein Vergleich der Retentionszeiten bei einer gaschromatographischen Trennung erfolgen konnte.

43

71

111 126

40 50 60 70 80 90 100 110 120 130

41 45

55 58

68

83 43

45

58

68 71

40 50 60 70 80 90 100 110 120 130

83

97 111 126

m/z

m/z 100

100

%

%

97 100

100

41 55

61 61

93 93

Abbildung 5.6 Vergleich der Massenspektren von (7S)-7-Hydroxyoctan-2-on (S)-(132) und dem postulierten 7-Hydroxyoctan-2-on aus Digonogastra spp.

Die Struktur der in Abbildung 5.2 mit 6 bezeichneten Komponente aus Digonogastra spp.

konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgeklärt werden. Das Massenspektrum ist in Abbildung 5.8 dargestellt, die mit Hilfe hochaufgelöster Massenspektrometrie identifizierten Ionenzusammensetzungen sind entsprechend eingefügt. Das Molekulargewicht dieser Verbindung wurde durch Chemische Ionisation mit i-Butan als Reaktandgas zu M+ = 200 ermittelt. Die Fragmente m/z 169, m/z 158 und m/z 140 ergeben sich hieraus durch Abspaltung von Formaldehyd [CH2O]+, Keten [C2H2O]+ und Essigsäure [C2H4O2]+. Des Weiteren ist die Abspaltung von Wasser aus dem Fragment m/z 129 mit der Zusammensetzung [C6H13O2]+ zu m/z 111 [C6H11O]+ möglich. Da das aus dieser Wasserabspaltung resultierende Ion mit so hoher Intensität gebildet wird, liegt es nahe, dass es sich hier um einen Cyclus handelt, dessen genaue Struktur nicht vorhersagbar ist.

Weiterhin gibt das Massenspektrum Auskunft über eine Acetatfunktion im Molekül, da sowohl ein entsprechendes Fragment m/z 140 resultierend aus der Abspaltung von Essigsäure aus dem Molekülion existiert, als auch ein Ion m/z 61 mit der Zusammensetzung [C2H5O2]+, aus der protonierte Essigsäure abgeleitet werden kann. Zusätzlich wird ein Acyliumion mit m/z 43 durch α-Spaltung an der Carbonylgruppe gebildet. Die Stellung der Acetatgruppe im

7-Hydroxyoctan-2-on aus Digonogastra spp.

OH

M+ = 144 O

Syntheseprodukt

OH

O

M = 144

m/z 43 m/z 45

- H2O McLafferty

OH

m/z 58 OH

m/z 86 - H2O

m/z 68 McLafferty

m/z 71 m/z 73

- H2O m/z 55

m/z 111 O

α - Spaltung

H2C

m/z 83 O

m/z 126 α - Spaltung

Abbildung 5.7 Vorschlag für ein Fragmentierungsschema von 7-Hydroxyoctan-2-on (132)

befinden, da im Massenspektrum ein entsprechend signifikantes Fragment m/z 87 fehlt.

Denkbare alternative Fragmente höherer Massen, hervorgehend aus einer α-Spaltung lassen sich aus den hochaufgelösten Ionen nicht ableiten. Sehr wahrscheinlich wäre also nur ein Acetat in primärer Position. Zusätzlich zu den bisher postulierten Annahmen lässt sich feststellen, dass z. Bsp. das Fragment m/z 140 zwei Doppelbindungsäquivalente hat, d.h. es können entweder zwei Doppelbindungen im Molekül vorhanden sein oder es könnte eine einfach ungesättigte cyclische Verbindung oder ein Bicyclus vorliegen. Im Vergleich dazu besitzt z. Bsp. m/z 158 mit der Zusammensetzung [C9H18O2]+ nur ein Doppelbindungs-äquivalent.

43 111 158 405060708090100110120130140150160170180190200

55 68

79 85

98 116

129 169 200

140 m/z61

127 94 Hochaufgelöstes Massenspektrum einer unbekannten Verbindung aus Digonogastra spp.

C H 7

O 11

C H 6

O 10

C H 6

O 12 2

C H 6

O 13 2

C H 9

O 16

C H 7

O 11 2

C H 7 9

C H 5 8

C H 6 7

C H 2

O 5 2

C H 9

O 18 2

C H 10

O 18 2

C H 11

O 20

+ M 3

- Formaldehyd

+ M - Keten

+ M - Essigsäure

- H2O

Da aus den bisherigen Ergebnissen keine zusammenhängende Struktur postuliert werden konnte ist es notwendig, den Naturextrakt verschiedenen Derivatisierungsreaktionen zu unterziehen. Zum Beispiel würde man durch Hydrierung mit anschließender hochaufgelöster Massenspektrometrie erfahren, wie viele Doppelbindungen im Molekül vorhanden wären bzw. ob eine cyclische Struktur vorliegt. Ebenso wäre eine Methylierung bzw. Acetylierung des Extraktes hilfreich, um Aussagen über eventuell vorhandene Hydroxylgruppen machen zu können. Bisher konnten diese Experimente aufgrund mangelnder Naturprobe noch nicht durchgeführt werden. Sollte jedoch die Aufklärung der Verbindung mit Hilfe der aus den genannten Derivatisierungsreaktionen hervorgehenden Ergebnissen gelingen, muss die Substanz trotzdem synthetisiert werden. Auch hier bringen erst der Vergleich der Massenspektren von Natur- und Syntheseprobe, sowie ein Vergleich der Retentionszeiten bei einer gaschromatographischen Trennung die sichere Identifizierung der Struktur.