• Keine Ergebnisse gefunden

Digitale Forensik und Datenanalyse – Innenministerium und Justizministerium

Allgemeines

45 Die Sicherung, Aufbereitung und Auswertung von Daten waren im Bereich Cyber-kriminalität – mittlerweile aber auch in vielen anderen Kriminalitätsbereichen – grundlegende und wichtige Instrumente zur Ermittlung strafrechtlich relevanter Sachverhalte und zur gerichtlichen Verwertung elektronischer Beweismittel. Damit kam einer geeigneten technischen Unterstützung im Bereich der digitalen Forensik wie auch der Analyse der daraus gewonnenen Daten steigende Bedeutung zu.

Analysesoftware

46.1 (1) Im Zuge von Ermittlungsverfahren sichergestellte bzw. beschlagnahmte Datenträ-ger lieferten teilweise große Datenmengen, die zur Aufklärung von Straftaten – oftmals auch gemeinsam mit zusätzlichen (eingescannten) Papierdokumenten – gezielt durchsucht und aufbereitet werden mussten. Für solche Zwecke verwendete das Cybercrime Competence Center eine Suchmaschine für Massendaten, die nach Maßgabe der vorhandenen Lizenzen von den ermittelnden Bediensteten (auch aus den Landeskriminalämtern) nach Anforderung und Zulassung genutzt werden konnte.

(2) Insbesondere bei großen Wirtschaftsverfahren mit komplexen Daten mussten Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften Daten auch zielgerichtet analysieren. Im Jahr 2016 richteten daher Innen– und Justizministerium gemeinsam mit dem

Bundesministerium für Finanzen50 eine Arbeitsgruppe IKT–Großstrafverfahren ein.

Diese sollte Lösungskonzepte hinsichtlich der Anforderungen an die einzusetzende Analysesoftware und die Bereitstellung von Speicherkapazitäten sowie für die Schnittstellen zwischen den Beteiligten und für den Datenzugriff erarbeiten. Weiters sollte eine ressortübergreifende Organisation definiert und damit die Basis für den Abschluss eines Verwaltungsübereinkommens geschaffen werden.

Die Arbeitsgruppe legte im Dezember 2016 ihren abschließenden Bericht vor, in dem sie die wesentlichen Eckpunkte für ein Verwaltungsübereinkommen über die Kooperation betreffend IKT–Einsatz in Großstrafverfahren skizzierte.

Im April 2018 trafen das Innen– und das Justizministerium ein Verwaltungsüberein-kommen zur Kooperation beim Einsatz eines spezifischen Software–Tools zur Auswertung und Analyse großer Datenmengen in Strafverfahren. Die Nutzung der zugrunde liegenden Basis–Software erfolgte unentgeltlich auf der Basis einer unbe-fristeten Vereinbarung zwischen dem Justizministerium und einem Software–Unter-nehmen als Lizenzgeber. Weitere Dienstleistungen des Software–UnterSoftware–Unter-nehmens zur Unterstützung bei der Bearbeitung konkreter Fälle und dafür notwendige Weiter-entwicklungen wurden über einen zwischen dem Justizministerium und der Bundes-rechenzentrum GmbH geschlossenen Vertrag51 bezogen. Das Verwaltungsüberein- kommen war als Pilotprojekt für eine Laufzeit bis Ende 2019 sowie einen Rahmen von 300 Beratertagen ausgelegt. Für dieses verpflichtend abzurufende Kontingent von 300 Personentagen war ein Entgelt von rd. 292.000 EUR vereinbart. Die Kosten trugen in der Regel (ausgenommen spezifische Leistungen an eines der Ressorts z.B.

für Schulungen) Innen– und Justizministerium zu gleichen Teilen.

Im Mai 2020 legte die gemeinsame Steuerungsgruppe von Innen– und Justizminis-terium52 ihren Abschlussbericht zum Einsatz des Analysetools in insgesamt acht in das Pilotprojekt einbezogenen Fällen vor. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um von der WKStA mit dem Bundeskriminalamt oder dem Landeskriminalamt Wien bearbeitete Fälle. Die Steuerungsgruppe kam zum Schluss, dass das Verwaltungs-übereinkommen fortgesetzt sowie Software und Infrastruktur funktional weiterent-wickelt werden sollten. Als wesentliche Probleme identifizierte sie etwa die fehlende bzw. erst im Aufbau befindliche technische Infrastruktur, insbesondere bei der

Krimi-50 Das Bundesministerium für Finanzen wirkte mit, weil ursprünglich auch (größere) gerichtliche Finanzstrafver-fahren eingebunden werden sollten.

51 Die Bundesrechenzentrum GmbH – als Dienstleister des Justizministeriums in IT–Angelegenheiten – hatte wiederum das Softwareunternehmen beauftragt und verrechnete dessen Leistung an das Justizministerium weiter.

52 Die Steuerungsgruppe trat während der Projektphase bedarfsorientiert (je nach Anforderung als strategische oder operative Steuerungsgruppe) in unterschiedlicher Besetzung zusammen. Die Koordination und Festle-gung der Teilnehmenden erfolgte durch die Abteilung III 3 (Rechtsinformatik, Informations– und Kommuni-kationstechnologie) im Justizministerium und die für die IKT im Innenministerium zuständige Sektion IV (Service).

nalpolizei, aber auch bei der Justiz, sowie die teilweise mangelhafte Koordination zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft.

(3) Ein hoher Datenanfall bei Großverfahren war nur mit entsprechender techni-scher Unterstützung zweckmäßig und effizient abzuarbeiten (siehe dazu den RH–

Bericht „Bundeskriminalamt“ (Reihe Bund 2015/14, TZ 18) und die nachfolgende Follow–up–Überprüfung (Reihe Bund 2018/6, TZ 10)).

Das Regierungsprogramm 2020–2024 sah Maßnahmen im Hinblick auf die effektive Analyse großer Datenmengen mittels eines gemeinsamen Systems für Polizei und Staatsanwaltschaft vor.

46.2 Der RH erachtete eine zielgerichtete, zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwalt-schaft koordinierte Durchsuchung und Analyse sichergestellter Daten für unverzicht-bar. Gerade bei großen Datenmengen mit Komplexität war es wesentlich, die zur Führung des Strafverfahrens notwendigen Inhalte zeitnah zu filtern und zu struktu-rieren, um effektive und effiziente Ermittlungen sicherzustellen.

Der RH beurteilte das bis Ende 2019 befristete Pilotprojekt von Innen– und Justizmi-nisterium zur gemeinsamen Datenanalyse in Großstrafverfahren daher grundsätz-lich positiv. Im Hinblick auf eine dauerhafte effektive Zusammenarbeit wären allerdings die Aufgabenverteilung zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft (bzw. deren IT–Expertinnen und –Experten) und die Kostentragung klar zu regeln.

Weiters wäre eine grundlegende Entscheidung bezüglich der einzusetzenden Analy-sesysteme zu treffen.

Der RH empfahl dem Innenministerium und dem Justizministerium, die Kooperation bei der Datenanalyse in Großstrafverfahren auf Basis der im Pilotprojekt gemachten Erfahrungen institutionalisiert fortzuführen und dabei klare rechtliche, organisatori-sche und finanzielle Rahmenbedingungen festzulegen.

Er empfahl weiters, nach entsprechender Markterkundung geeignete, anforde-rungsspezifisch weiterentwickelbare Softwareprodukte für die Analyse großer Datenmengen in Strafverfahren zu beschaffen.

46.3 (1) Laut Stellungnahme des Innenministeriums habe es zur Datenanalyse in Groß-strafverfahren auf Basis der bisherigen Erfahrungen ein detailliertes Umsetzungs-konzept in Form einer Handlungsanleitung erstellt, das entsprechend klare Vorgaben für eine zügige und flüssige Projektabwicklung beinhalte und als Grundlage für die nächsten Schritte dienen solle. Ein ressortübergreifendes, kollaboratives Arbeiten durch eine gemeinsame Softwarelösung zwischen der Kriminalpolizei, der Staatsan-waltschaft und dem Bundesministerium für Finanzen stelle dabei aus Sicht des Innenministeriums einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.

Zusätzlich zu den bereits laufenden Anwendungen werde eine ständige Markterkun-dung bzw. Testung geeigneter Softwareprodukte durchgeführt. Weiters plane das Innenministerium die Konzeption eines breiten Portfolios an Softwareprodukten in Form einer „Toolbox“, das mit den Anforderungen im Kriminalitätsbereich weiterent-wickelt werde und neben Basisprodukten neue innovative Produkte beinhalten solle.

(2) Das Justizministerium führte in seiner Stellungnahme aus, dass in gemeinsamen Arbeitsgruppen organisatorische und technische Rahmenbedingungen für Koopera-tionen und Schnittstellen erarbeitet würden.

Neben den laufenden Marktbeobachtungen werde bis zur Identifikation von Alter-nativen der Einsatz des bereits vorhandenen Softwareprodukts forciert.

46.4 (1) Der RH wiederholte gegenüber dem Innenministerium, dass für die ressortüber-greifende Zusammenarbeit unter Verwendung einer gemeinsamen Softwarelösung auch klare rechtliche, organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen festge-legt werden sollten.

(2) Dem Justizministerium entgegnete der RH, dass ein institutionalisierter Rahmen für die Datenanalyse in Großverfahren durch Polizei und Justiz geschaffen werden sollte; gemeinsame Arbeitsgruppen können nur die Grundlagen dafür erarbeiten. Er bekräftigte auch gegenüber dem Justizministerium, dass für die Zusammenarbeit in diesem Bereich auch klare rechtliche, organisatorische und finanzielle Rahmenbe-dingungen festzulegen sind.