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Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter

Im Dokument Dr. CARL MENGER. (Seite 44-89)

Die Bedürfnisse entspringen unseren Trieben, diese aber wurzeln in unserer Natur; die Nichtbefriedigung der Bedürf-nisse hat die Vernichtung, die mangelhafte Befriedigung die Verkümmerung unserer Natur zur Folge; seine Bedürfnisse befriedigen, heisst aber leben und gedeihen. Die Sorge für die Befriedigung unserer Bedürfnisse ist demnach gleichbedeutend mit der Sorge für unser Leben und unsere Wohlfahrt; sie ist die wichtigste aller menschlichen Bestrebungen, denn sie ist die Voraussetzung und die Grundlage aller übrigen.

Diese Sorge äussert sich im practischen Leben der Men-schen dadurch, dass sie darauf bedacht sind, alles dasjenige in ihrer Gewalt zu haben, wovon die Befriedigung ihrer Bedürf-nisse abhängt. Verfügen wir nämlich über die zur Befriedigung unserer Bedürfnisse erforderlichen Güter, so hängt diese letz-tere dann lediglich von unserem Willen ab; damit ist aber unserem practischen Zwecke vollkommen Genüge gethan, denn unser Leben und unsere Wohlfahrt sind dann in unsere eigene Hand gegeben. Die Quantität von Gütern, welche ein Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benöthigt, nennen wir seinen Bedarf. Die Sorge der Menschen für die Aufrechter-haltung ihres Lebens und ihrer Wohlfahrt wird demnach zur Sorge für die Deckung ihres Bedarfes.

Nun wäre aber die Befriedigung der Bedürfnisse und somit das Leben und die Wohlfahrt der Menschen sehr schlecht gesichert, würden sie erst dann darauf bedacht sein, ihren Be-darf an Gütern zu decken, wenn die Bedürfnisse nach diesen letzteren sich bereits unmittelbar geltend machen.

Man setze den Fall, dass die Bewohner eines Landes beim Einbruche der rauhen Jahreszeit ohne alle Vorräthe von Nahr-ungsmitteln und Bekleidungsstoffen wären, so ist kein Zweifel, dass die Mehrzahl derselben, selbst bei den angestrengtesten auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigheit, sich vom Untergange nicht zu retten vermöchte. Je weiter aber die Cultur fortschreitet und je mehr die Menschen angewiesen sind, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nöthigen Güter durch einen langen Productionsprocess zu gewinnen (S. 21 ff.), um so zwingender wird für dieselben die Nothwendigkeit, für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse von vorn herein zu sorgen, das ist, ihren Bedarf für kommende Zeiträume zu decken.

So geht selbst der australische Wilde nicht erst dann auf die Jagd, wenn ihn bereits hungert und er baut nicht erst dann seine Behausung, wenn die rauhe Jahreszeit eingetreten und er den schädlichen Einflüssen der Witterung bereits ausgesetzt ist

*). Die Culturmenschen zeichnen sich aber dadurch vor allen andern wirthschaftenden Individuen aus, dass sie nicht nur für eine kurze Spanne Zeit, sondern weit hinaus für die Befriedig-ung ihrer Bedürfnisse sorgen, die SicherstellBefriedig-ung derselben für viele Jahre, ja für ihr ganzes Leben anstreben und der Regel nach noch darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass es auch ihren Nachkommen an den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Mitteln nicht fehle.

Ueberall wo wir unsere Blicke hinwenden, sehen wir bei Culturvölkern ein System grossartiger Vorsorge für die Be-friedigung menschlicher Bedürfnisse.

Während wir uns zum Schutze gegen die Winterkälte noch in unsere Winterkleider hüllen, sind schon die fertigen Früh-jahrsstoffe am Wege in die Läden der Detailhändler, und in den Fabriken werden bereits die leichten Stoffe gewebt, mit welch-en wir uns im nächstwelch-en Sommer, und die Garne für die Stoffe gesponnen, mit welchen wir uns im nächsten Winter bekleiden werden. Wenn wir erkranken, bedürfen wir der Dienstleistung-en eines Arztes, und bei RechtsstreitigkeitDienstleistung-en des Beirathes

* Selbst manche Thiere legen Vorräthe an und sorgen so von vorn herein dafür, dass es ihnen im Winter nicht an Nahrung und einem warmen Lager gebreche.

eines Rechtskundigen. Tritt nun für Jemanden ein solcher Fall ein, dann wäre es für ihn viel zu spät, wollte er sich die medici-nischen oder juridischen Kenntnisse und Fertigkeiten selbst an-eignen, oder andere Personen für seinen Dienst besonders aus-bilden lassen, selbst wenn er die Mittel hiefür besässe. Auch ist in Culturländern für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach sol-chen und ähnlisol-chen Dienstleistungen von langer Hand bereits vorgesorgt, indem erfahrene und bewährte Männer, welche sich bereits vor vielen Jahren für ihren Beruf herangebildet und inzwischen durch ihre practische Thätigkeit reiche Erfahrungen gesammelt haben, der Gesellschaft ihre Dienste zur Verfügung stellen. Während wir aber solcherart die Früchte der Vorsorge vergangener Zeiten geniessen, bilden sich an unseren Hoch-schulen bereits zahlreiche Männer heran, um den Bedürfnissen der Gesellschaft nach ähnlichen Dienstleistungen in der Zu-kunft gerecht zu werden.

Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be-dürfnisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Bedarfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern, die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeit-raumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befried-igen *).

* Das Wort „Bedarf“ hat in unserer Sprache eine doppelte Bedeutung.

Einerseits bezeichnet man damit die zur vollständigen Befriedigung der Bedürfnisse einer Person erforderlichen, andererseits jene Güterquantitäten.

welche eine Person voraussichtlich consumiren wird. In diesem letztern Sin-ne hat z. B. ein Mann, der 20.000 Thaler Renten hat und dieselben zu verbrauchen gewöhnt ist, einen sehr grossen, ein ländlicher Arbeiter, dessen Einkommen 100 Thaler beträgt, einen sehr geringen und ein dem Elende preisgegebener Bettler gar keinen Bedarf, während in ersterer Beziehung der Bedarf der Menschen, je nach ihrer Bildungsstufe und ihren Gewohnheiten, zwar gleichfalls eine sehr grosse Verschiedenheit aufweist, indess selbst eine Person, die von allen Mitteln entblösst ist, noch immer einen Bedarf hat, der in den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Güterquantitäten sein Mass findet. Kaufleute und Industrielle gebrauchen den Ausdruck

„Bedarf“ der Regel nach in dem engeren Sinne des Wortes und verstehen darunter nicht selten die „voraussichtliche Nachfrage“ nach einem Gute. In diesen Sinne sagt man auch, dass „zu einem gewissen Preise“ Bedarf an einer Waare besteht, zu einem andern Preise jedoch nicht, u. dgl. m.

Die Vorsorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be-dürfnisse, soll sie anders eine erfolgreiche sein, hat nun aber eine doppelte Erkenntniss zu ihrer Voraussetzung. Wir müssen uns klar werden:

a) über unseren Bedarf, das ist, über die Güterquantitäten, die wir in jenen Zeiträumen, auf welche sich unsere Vorsorge erstreckt, zur Befriedigung unserer Bedürfnisse benöthigen werden, und

b) über die Güterquantitäten, die uns für den obigen Zweck zur Verfügung stehen.

Die gesammte auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ge-richtete vorsorgliche Thätigkeit der Menschen beruht auf der Erkenntniss dieser beiden Grössen. Ohne die erstere Erkennt-niss wäre sie eine blinde, denn die Menschen wären sich des Zieles derselben nicht bewusst, ohne die zweite Erkenntniss wäre sie eine planlose, denn sie wären ohne Einblick in die verfügbaren Mittel.

Wir werden aber in dem Nachfolgenden zunächst darthun, wie die Menschen zur Erkenntniss ihres Bedarfes in kommend-en Zeiträumkommend-en gelangkommend-en, hierauf, wie sie die ihnkommend-en für diese Zeiträume verfügbaren Güterquantitäten berechnen, und end-lich jene Thätigkeit derselben zum Gegenstande unserer Dar-stellung machen, durch welche sie die ihnen verfügbaren Güterquantitäten (Genuss- und Productionsmittel) der Befried-igung ihrer Bedürfniss auf das zweckentsprechendste zuzuführ-en bemüht sind.

§. 1.

Der menschliche Bedarf.

a) Der Bedarf an Gütern erster Ordnung (an Genussmitteln).

Die Menschen empfinden zunächst und unmittelbar nur Bedürfnisse nach Gütern erster Ordnung, das ist nach solchen Gütern, welche unmittelbar zur Befriedigung menschlicher Be-dürfnisse herangezogen werden können. (S. 8.) Besteht kein Bedarf an Gütern dieser Art, so kann auch ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung nicht entstehen. Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist also durch unseren Bedarf an Gütern erster

Ord-nung bedingt und die Untersuchung über diesen letzteren die Grundlage unserer Untersuchungen auf dem Gebiete des menschlichen Bedarfes überhaupt. Wir werden uns demnach zuerst mit dem Bedarfe der Menschen an Gütern erster Ord-nung beschäftigen und hierauf die Grundsätze darlegen, nach welchen sich der menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt.

Die Quantität eines Gutes erster Ordnung, welche zur Be-friedigung eines concreten menschlichen Bedürfnisses und so-mit auch die Quantität, die zur Befriedigung der gesammten, innerhalb eines gegebenen Zeitraumes nach einem Gute erster Ordnung sich geltend machenden Bedürfnisse erforderlich ist, ist durch das Bedürfniss, beziehungsweise durch die Bedürfnis-se Bedürfnis-selbst in unmittelbarer WeiBedürfnis-se gegeben und findet in denBedürfnis-selb- denselb-en ihr Mass. Würddenselb-en demnach die Mdenselb-enschdenselb-en rücksichtlich jdenselb-en- jen-er Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge jen-erstreckt, darübjen-er immer genau und vollständig unterrichtet sein, welche concret-en Bedürfnisse sie habconcret-en und mit welcher Itconcret-ensität sich dieselb-en geltdieselb-end machdieselb-en werddieselb-en, so würddieselb-en sie an der Hand der bis-herigen Erfahrungen, über die ihnen zur Befriedigung derselben erforderlichen Güterquantitäten, das ist über die Grösse ihres Bedarfes an Gütern erster Ordnung niemals in Zweifel sein können.

Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es mit Rücksicht auf kommende Zeiträume nicht selten mehr oder minder ungewiss ist, ob sich gewisse Bedürfnisse innerhalb derselben überhaupt geltend machen werden. Dass wir innerhalb eines gegebenen kommenden Zeitraumes Speise, Trank, Kleidung, Wohnung, u. dgl. m. benöthigen werden, ist uns von vornherein bekannt; nicht dasselbe ist aber rücksichtlich vieler anderen Güter der Fall, z. B. rücksichtlich ärztlicher Dienstleistungen, Medicamente u. dgl. m., da die Geltendmachung unserer Bedürfnisse nach diesen Gütern nicht selten von Einflüssen auf unsere Personen abhängig ist, welche wir nicht mit Bestimmt-heit voraus zu sehen vermögen.

Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass selbst bei jenen Be-dürfnissen, von welchen wir von vornherein wissen, dass sie sich innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere Vor-sorge erstreckt, geltend machen werden, doch in quantitativer

Beziehung eine Unbestimmtheit vorhanden sein kann, indem wir wohl die Thatsache, dass jene Bedürfnisse sich geltend machen werden, nicht aber von vornherein eben so genau das Mass der letztern, das ist die Güterquantitäten kennen, die zur Befriedigung derselben erforderlich sein weren. Es sind aber hier eben diese Quantitäten in Frage.

Was nun vorerst unsere Ungewissheit über den Umstand betrifft, ob sich gewisse Bedürfnisse in dem Zeitraume, auf welchen sich unsere Vorsorge erstreckt, überhaupt geltend machen werden, so lehrt uns die Erfahrung, dass durch diese mangelhafte Erkenntniss die Vorsorge der Menschen für die eventuelle Befriedigung dieser Bedürfnisse durchaus nicht aus-geschlossen wird. Selbst gesunde Personen, die am Lande wohnen, sind, wofern es ihre Mittel erlauben, im Besitze einer Hausapotheke, oder doch einer Anzahl von Heilmitteln für unvorhergesehene Fälle, vorsorgliche Hauswirthe besitzen Löschapparate, um für den Fall einer Feuersbrunst ihr Eig-enthum conserviren, und Waffen, um dasselbe nöthigenfalls vertheidigen zu können, auch wohl noch feuer- und einbruch-sichere Schränke und so viele andere ähnliche Güter mehr. Ja, ich glaube, dass selbst unter den Gütern der ärmsten Personen sich irgend welche vorfinden, welche denselben nur für gewisse unvorhergesehene Fälle dienen sollen.

Der Umstand, dass es ungewiss ist, ob ein Bedürfniss nach einem Gute innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich uns-ere Vorsorge erstreckt, sich überhaupt geltend machen wird, schliesst demnach die Vorsorge für die eventuelle Befriedigung desselben nicht aus, und es hat demnach dieser Umstand auch nicht zur Folge, dass unser Bedarf an den zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderlichen Gütern in Frage steht. Viel-mehr sorgen die Menschen, wofern die ihnen verfügbaren Mit-tel hiezu ausreichen, auch für die eventuelle Befriedigung dieser Bedürfnisse vor, und rechnen überall dort, wo es sich um die Bestimmung ihres vollen Bedarfes handelt, auch die für die obigen Zwecke erforderlichen Güter in denselben ein *).

* Vgl. Condillac: Le commerce et le gouvernement. (I. Chap. 1. p.

248. ed. Daire.)

Was nun aber hier von jenen Bedürfnissen gesagt wurde, von welchen es unbestimmt ist, ob sich dieselben überhaupt geltend machen werden, gilt in gleichem Masse überall dort, wo über das Bedürfniss nach einem Gute kein Zweifel obwaltet und nur ungewiss ist, in welchem Masse sich dasselbe geltend machen werde, denn auch in diesem Falle halten die Menschen, und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig ge-deckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausrei-chenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen.

Ein weiterer Umstand, der hier erwogen werden muss, ist die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse. Sind nämlich die Bedürfnisse der Menschen entwicklungsfähig und, wie bisweilen bemerkt wird, sogar in’s Unendliche entwick-lungsfähig, so könnte es scheinen, als ob dadurch die Grenzen der zu ihrer Befriedigung nöthigen Güterquantitäten fortwähr-end, ja sogar bis in’s völlig Unbestimmte ausgedehnt und dem-nach jede Voraussicht der Menschen in Bezug auf ihren Bedarf gänzlich unmöglich gemacht würde.

Was nun zunächst die unendliche Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse betrifft, so scheint mir hier der Begriff der Unendlichkeit nur auf den unbegrenzten Fortschritt der Entwickelung menschlicher Bedürfnisse anwendbar, nicht aber auf die zur Befriedigung derselben innerhalb eines be-stimmten Zeitraumes erforderlichen Güterquantitäten. Zuge-geben, die Reihe sei eine unendliche, so ist doch jedes einzelne Glied dieser Reihe ein endliches. Mögen die menschlichen Bedürfnisse auch in den entferntesten Zeiträumen in ihrer Ent-wickelung nicht gehemmt gedacht werden, so sind sie doch für alle gegebenen und insbesondere für die in der Wirthschaft der Menschen practisch in Betracht kommenden Zeiträume quan-titativ bestimmbar. Selbst unter der Annahme eines ununter-brochenen Fortschrittes in der Entwickelung menschlicher Be-dürfnisse, haben wir es demnach, wofern wir nur bestimmte Zeiträume in's Auge fassen, mit endlichen und niemals mit un-endlichen und deshalb völlig unbestimmbaren Grössen zu thun.

Wenn wir die Menschen bei der auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen gerichteten vorsorg-lichen Thätigkeit beobachten, können wir denn auch leicht wahrnehmen, dass sie, fern davon die Entwickelungsfähigkeit

ihrer Bedürfnisse ausser Acht zu lassen, vielmehr auf das Eifrigste bemüht sind, dieser letzteren Rechnung zu tragen.

Wer eine Vermehrung seiner Familie, oder eine höhere gesellschaftliche Stellung zu erwarten hat, wird bei dem Baue und der Einrichtung von Wohngebäuden, bei der Anschaffung von Wagen u. dgl. Gütern von grösserer Dauerhaftigkeit mehr auf die Steigerung seiner Bedürfnisse in kommenden Zeiträum-en gebührZeiträum-ende Rücksicht nehmZeiträum-en und der Regel nach, so weit seine Mittel reichen, nicht nur in einer einzelnen Beziehung, sondern in Bezug auf seinen Güterbesitz überhaupt, den höher-en Ansprüchhöher-en der Zukunft Rechnung zu traghöher-en suchhöher-en. Eine analoge Erscheinung können wir im communalen Leben beobachten. Wir sehen die Stadtgemeinden: Wasserleitungen, öffentliche Gebäude (Schulen, Spitäler etc.), Gartenanlagen, Strassen u. dgl. m. nicht nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch mit gebührender Rücksichts-nahme auf die gesteigerten Bedürfnisse der Zukunft anlegen, eine Tendenz, welche in der auf die Befriedigung der staat-lichen Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit der Menschen natur-gemäss noch deutlicher zu Tage tritt.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass der Bedarf des Menschen an Genussmitteln eine Grösse ist, deren quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeiträume, keine principiellen Schwierigkeiten entgegenstehen, eine Grösse, über welche die Menschen bei der auf die Be-friedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit denn auch thatsächlich innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, und soweit eine practische Nöthigung hiezu vorliegt, also einerseits mit der Beschränkung auf jene Zeiträume, auf welche sich ihre Vor-sorge jeweilig erstreckt, andererseits mit der Beschränkung auf jenen Grad von Genauigkeit, welcher für den practischen Erfolg ihrer Thätigkeit ausreichend ist, zur Klarheit zu gelangen bemüht sind.

b) Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung (an Productionsmitteln).

Ist mit Rücksicht auf einen kommenden Zeitraum unser Bedarf an Gütern erster Ordnung bereits unmittelbar durch Quantitäten dieser letzteren gedeckt, so kann von einer weitern Deckung des obigen Bedarfes durch Güter höherer Ordnung

nicht die Rede sein. Ist aber dieser Bedarf durch Güter erster Ordnung, das ist in unmittelbarer Weise, nicht, oder doch nicht vollständig gedeckt, so entsteht allerdings für den in Rede stehenden Zeitraum ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung, und findet dieser letztere sein Mass in den, nach dem jeweiligen Stande der Technik der betreffenden Productionszweige, zur vollen Deckung unseres Bedarfes an Gütern erster Ordnung noch erforderlichen Gütern höherer Ordnung.

Dies einfache Verhältniss, das wir mit Rücksicht auf unseren Bedarf an Productionsmitteln soeben dargestellt haben, liegt nun aber, wie wir sofort sehen werden, nur in seltenen Fällen unserer Beobachtung vor, vielmehr bewirkt ein aus dem Causalnexus der Güter sich ergebender Umstand eine wichtige Modification desselben.

Wir haben (S. 11) eines weiteren dargethan, dass es den Menschen unmöglich ist, irgend ein Gut höherer Ordnung zur Hervorbringung der entsprechenden Güter niederer Ordnung zu verwenden, wenn sie nicht zugleich über die complementären Güter zu verfügen vermögen. Was wir nun oben von den Güt-ern im Allgemeinen sagten, erhält hier seine schärfere Präci-sion, wenn wir die Güter in Rücksicht auf die verfügbaren Quantitäten derselben in Betracht ziehen. Haben wir früher gesehen, dass wir Güter höherer Ordnung nur dann in Güter niederer Ordnung verwandeln, und solcherart zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse heranziehen können, wenn wir zugleich über die complementären Güter zu verfügen vermög-en, so stellt sich uns dieser Grundsatz unter dem obigen Gesichtspunkte in der Weise dar, dass wir Quantitäten von Gütern höherer Ordnung zur Hervorbringung bestim-mter Quantitäten von Gütern niederer Ordnung und somit schliesslich zur Deckung unseres Bedarfes nicht anders heranziehen können, als wenn wir zu-gleich über die complementären Quantitäten der übrigen Güter höherer Ordnung zu verfügen in der Lage sind. So können wir zum Beispiel selbst die grösste Quantität von Grundstücken zur Hervorbringung selbst der geringsten Quantität von Getreide nicht heranziehen, wofern wir nicht über die zur Hervorbringung dieser geringen Güterquantität erforderlichen (complementären) Quantitäten

von Samengetreide, Arbeitsleistungen u. dgl. m. verfügen können.

Es tritt demnach auch niemals ein Bedarf an einem ein-zelnen Gute höherer Ordnung auf, vielmehr ist wohl zu beacht-en, dass, so oft der Bedarf an einem Gute niederer Ordnung nicht, oder nur unvollständig gedeckt ist, der Bedarf an jedem einzelnen der entsprechenden Güter höherer Ordnung stets nur zugleich mit dem quantitativ entsprechenden Bedarfe an den complementären Gütern höherer Ordnung sich thatsächlich geltend macht.

Setzen wir z. B. den Fall, dass wir bei einem noch un-gedeckten Bedarfe von 10.000 Paar Schuhen für einen gegebe-nen Zeitraum wohl über die zur Herstellung einer solchen Quantität von Schuhen erforderliche Quantität von Werkzeug-en, Arbeitsleistungen etc. aber nur über die zur Hervorbringung von 5000 Paar Schuhen nöthigen Lederquantitäten, oder umge-kehrt über die sämmtlichen übrigen zur Herstellung von 10.000 Paar Schuhen erforderlichen Güter höherer Ordnung, aber nur über die zur Hervorbringung von 5000 Paar Schuhen erforder-lichen Arbeitsleistungen verfügen könnten, so ist kein Zweifel, dass sich, mit Rücksicht auf den obigen Zeitraum, unser Ge-sammtbedarf vor wie nach auf solche Quantitäten der

Setzen wir z. B. den Fall, dass wir bei einem noch un-gedeckten Bedarfe von 10.000 Paar Schuhen für einen gegebe-nen Zeitraum wohl über die zur Herstellung einer solchen Quantität von Schuhen erforderliche Quantität von Werkzeug-en, Arbeitsleistungen etc. aber nur über die zur Hervorbringung von 5000 Paar Schuhen nöthigen Lederquantitäten, oder umge-kehrt über die sämmtlichen übrigen zur Herstellung von 10.000 Paar Schuhen erforderlichen Güter höherer Ordnung, aber nur über die zur Hervorbringung von 5000 Paar Schuhen erforder-lichen Arbeitsleistungen verfügen könnten, so ist kein Zweifel, dass sich, mit Rücksicht auf den obigen Zeitraum, unser Ge-sammtbedarf vor wie nach auf solche Quantitäten der

Im Dokument Dr. CARL MENGER. (Seite 44-89)