Unsere Ortsnamen
II. Die Waldnamen (einschl. der Rodenamen)
Der Wald,
zudem
wir jetzt übergehen müssen, hat wie dasWasser
ebenfalls von den ältesten Zeiten her unendlich vielen O.N. dasLeben
gegeben. Unsere Vorfahren hatten andernVölkern gegenüber einen sehr regen Natursinn. Sie hätten sich, sagt Tacitus, jederam
liebsten von den andern abgesondert da,wo
ihnen ein Quell, eine Stelle im
Walde
oder sonst ein Fleckchen gefiel, angesiedelt.Man
berichtet von ihnen auch, sie hätten dasLeben
hinterMauern
wie denTod
gehaßt; die Städtewären
ihnenvorgekommen
wie Gräber oder Fanggruben, von Jägernetzenum-stellt.
Der Wald
spielteauch
bei ihrer Götterverehrung eine her-vorragende Rolle.Man
dachte sich in ältester Zeit den einzelnenBaum
selbst beseelt.Daher
kündigteman
z. B. in Westfalenden Bäumen,
indemman
sie schüttelte, feierlich denTod
desHausherrn
an; für Baumfrevelwerden
indem
uralten Gewohn-heitsrechte derGermanen
furchtbare Strafen angedroht; auch der u. a. in Schillers Wilhelm Teil erwähnte Glaube,daß
verletzteBäume
bluteten, erklärt sich aus dieser Vorstellung.Waren
doch nachdem
Bericht dernordischenEdda
zweiBäume, Askr und
Elmja (Esche und Ulme) auch die Stammeltern aller Menschen. Später aber tritt der Baumgeist aus der Pflanze heraus, diedann weniger alsKörper
denn als Wohnsitz eines geisterhaftenWesens
gilt, und in
dem Walde
tummelt sichnun
eine zahllose Schar von Geistern, sei es eibischer oder riesischer Natur, männlichen oder weiblichen Geschlechts, die wilden Männer, Holz-und
Moos-fräulein und wie sie sonst heißen mögen.Man
bringt dann auch das Gewitter und den GewittergottDonar
inenge
Beziehung zudem Walde
und seinenBäumen.
S. dasNähere
hierüber indem
überaus eingehenden und lehrreichenBuch
von Wilh. Mannhardt:Wald-
und Feldkulte. 1. Bd.:Der
Baumkultus derGermanen und
ihrer Nachbarstämme.— Wie
tief dieseAnschauungen
auch in jüngerer-Zeit noch in der Seele unseres Volkes wurzelten, erkenntman
z.B. daran,daß
noch vor wenigen Jahrzehnten im Bendahl bei Elberfeld einBaumopfer
gebräuchlich war.Wenn
die Kinder in denWald
gingen,um Waldbeeren
zu pflücken,nahmen
sie die drei ersten schönstenWaldbeeren und
zerdrückten sie an einer mächtigen alten Eiche, die infolgedessen einen guten Teil des Jahres hindurch schwarzgefärbtwar und
daher derschwarze Peter hieß. Als Spender der Beeren, als Gott desBaumes und
desWaldes
zugleichwar
hier wohlDonar
gemeint,dem
ja einst die Eiche besonders geweiht war. S. Ztschr. des Vereins für rhein.und
westfäl. Volkskunde, 1. Jahrgang 1904, 1. Heft.Wir
kennen ja auch aus alter Zeit andere berühmte Donarseichen, wie die bei Geismar in Hessen, die Bonifatius fällte.So gab es bei unsern Vorfahren allenthalben auch heilige Haine, und
man
konnte sich selbst, als späterTempel
errichtet wurden, ähnlich wie bei den alten Griechen, einen solchenohne
heiligen Hain gar nicht denken. Bei dieser
Bedeutung
desWaldes kann
es uns nicht wundernehmen,wenn
er in unserer Sprache so vieleBenennungen
gefunden hat.Dem W. Wald
selbst, dasmehr
größere Waldgebiete be-3*— 36 —
zeichnet (vgl. Schwarzwald, Westerwald u. a.) und den Sinn des Wilden, Urwüchsigen in sich enthält (vgl. aber auch O.N. wie
Wald
bei Ohligs), steht zunächstForst
gegenüber, ein altes ausdem
mlat. forestis (von foris=
außerhalb d. h. außerhalb der gemeinenBenutzung
stehend) entstandenes fränkisches W., das den besonders gehegtenund
geschützten Herrenwald bezeichnet.(Es findet sich auch in O.N. wie
Forst,
Kr. Düsseldorf.)Außerdem
sind dann aber namentlich noch folgendeW.
zunennen, die auch zahlreiche O.N. hervorgerufen haben:
Busch, Holz
(Holt),Loh, Wiede, Mark, Hart, Hag(en), Heck, He
es undHorst
mit gewissen Bedeutungsunterschieden.Busch,
in unsernGegenden
die gewöhnlichste Bezeichnung für Wald,kommt
besonders in F.N. sehr häufig vor, etwas seltener in eigentlichen O.N. Beispiele:Dahlbusch =
niedrig ge-legener Busch, zu Rotthausen,Bgm.
Stoppenberg, gehörig (der N.wurde
dann auch zunächst auf die Zeche und weiter auf denBahnhof
dort übertragen),am Schwane nbusch
in Schonnebeck,Bgm.
Stoppenberg, ehemals einbeliebterAusflugsort der Essender, derSchwanenbusch
in Huttrop bei Essen, ganz nahe der Stelle,wo
ehemals der Galgen stand, weshalb nachdem
Volksglauben nochimmer
einFluch aufdem
dortigenWirtshause ruht,Fliegen-busch, Bgm.
Borbeck,Hahnenbusch
bei Velbert,am Büschen
bei Kettwig, endlich noch die
Büschershäuser und Büschers-mühle
bei Essen, diese zunächst vondem W.
Büscher, in der älteren Sprache=
Waldhüter,herkommend.
Holz
(Holt), das ein geschlossenes, dichtes Gehölzbezeichnet (die im Hd. vorherrschendeBedeutung
des Stoffnamens ist aus jener erst abgeleitet), finden wir bei uns oftgenug
in O.N.: soBochold
(alte Schreibung Bocholt)=
Buchenholz, wieEickholt
bei Niederwenigern, Kr. Hattingen,
=
Eichenholz.Holtey
(älter Holtoge*= Holzaue),Hafen
in Überruhr, vgl. obenS. 26,undHolt
hausen, Bgm.
Überruhr,Holthausen
(heute zuMülheim
a.d.Ruhr),Holten,
Kr. Ruhrort,Sudholz
bei Linden, Kr. Hattingen, endlichHolsterhausen.
HolsterhausenbeiHaus
Oefte,Bgm.
Werden, heißt etwa 1150 Holtseterhusen,und
so wird auch dasnunmehr
in Essen aufgegangene Holsterhausen zu erklären sein=
bei den Häusern der Holzsitzer d. h. der Waldleute (ähnlich wie die Holsten früher Holtsaten d. h. Holzbewohner heißen).Eine überaus weit verbreitete Bezeichnung für Wald, die sich mundartlich auch als
Gattungsname
erhalten hat, ist der oder dasLoh.
Arnold glaubt aus dervielfach abgeschiedenenLage
solcher Waldstücke, die den N.Loh
führen, schließen zu dürfen,daß
dasW.
ursprünglich= dem
1. lucus, mitdem
es wohl verwandtist, die
dem
religiösen Kult geweihten Waldorte bezeichnet und erst in christlicher Zeit einen allgemeinern Sinnangenommen
habe.Bei Jellingh. finde ich über das
W.
u. a. noch folgendes: „Hoch-liegendes, fernhin sichtbares Gehölz" (Nieberding), „Hain, kleines Gehölz, welches einzeln im angebauten Felde liegt" (Vilmar).Es
'könnte sowohl in 1. lucus wie in
unserm Loh
sehr wohl die Grund-bedeutung des Hellen, Lichten enthalten sein (vgl. 1. lucere und unser Licht, leuchten usw.); eswürde
dann einenWald
mit Lichtungen, freien Stellen bezeichnen, dienaturgemäß immer
be-sonders hohe, stattlicheBäume
aufweisen und die einzigund
allein zu einem Festopferdienst mit der damit notwendig ver-bundenen
Ansammlung
größererMenschenmassen
sich eignen.—
Neben
diesemW.
gibt es freilich noch ein zweites, dieLoh
=
Waldwiese, Sumpfwiese, von zweifelhafterAbstammung,
das aber, wie es scheint, für unsereGegenden
wenig in betrachtkommt.
Jenen zuerst genannten St. loh finden wir u. a. inMarksloh
bei Sterkrade undmehr
in unsererNähe
imHailoh
bei Stoppenberg, auf
dem
heute der Kaiser-Wilhelm-Turm sich erhebt,vom
Volk gewöhnlich das Hallöhken genannt. Es gibt in unserer weiternUmgebung
nochmanche
solche Hallohs, Hallöhs, Hallühs u. dgl.Das W.
ist entweder aus honloh= am
hohen
Loh
(vgl. denN. Hohenlohe) oderaus harloh (har=
Waldhöhe;vgl. untenS. 40) entstanden, bedeutet also jedenfalls den
Wald
auf der Höhe.— Man
sagt vielfach auch noch: aufdem
Loh,am
Loh.Iserlohn
hieß noch im 11. Jahrhundert einfach Loon, eigentlichLohon =
zu den Waldstücken,und wurde
erst späterzum
Unter-schied von andern gleichbedeutenden O.N. als Sitz einer Eisen-industrie Iserenlon genannt.Noch manche
andere O.N. gehören hierher, wie Eiekel
bei Gelsenkirchen (aus älterm Eickloh), Böckel (aus Baukloh), Hassloh,am
hilgenLoh
beiWengern
u. a.Auch manche Fm.N.
wie Loheyde, Frettlöh, Erbschlöh u. a. sind davon herzuleiten.Verstümmelt
erscheint der St. endlich indem
schon oben S. 35 erwähnten 0.Horl
und Erle.widu, wide,
nach Jellingh. vielleicht nur für einenzum
Kultusund
zur RechtsvollzieljungdienendenWald, sehenwirin den O.N.Wied, Neuwied
a. Rh. (1168 Wede), aber auch in unsrerNähe
inWiduberg, dem
heutigen Pastoratsberg bei Werden, in denWerdener
Heberegistern als eineRodung Widuberg
be-zeichnet. Vgl. auch oben S. 34Weitmar
und denWiedenhof
bei
Werden. Das W.
ist sonst noch erhalten indem
P.N. Widu-kind=
Waldsohn, sowie inWiedehopf =
Waldhüpfer, und inKrammetsvogel
von kranewit=
Kranichholz d. i. Wachholder.Das W. mark,
das indem
N. unsrerGrafschaft Mark,
ebenso wiein
dem
derMark
Brandenburg, der Ostmark, Dänemark, Steiermark u. a. fortlebt, bedeutet eigentlich Flur- oder Landes-grenze, Grenzbezirk überhaupt, und erhielt dann vielfach auch dieBedeutung
Wald, allerdingsmehr
noch im N. (an.mörk =
Wald).Es
ist insofern kulturgeschichtlich bedeutsam, als es darauf hin-weist, wie in alter Zeit große Waldgebiete (noch genauer Natur-grenzen überhaupt, auchSümpfe
u. dgl.) regelmäßig die Völker undVölkerstämme
voneinander trennten.hart,
hard, har
bezeichnet namentlich einen Bergwald, eine bewaldeteHöhe
und begegnet uns in vielen Gebirgen, wiedem
Hardtgebirge in der Pfalz,dem
Harz,dem Sp^sart (=
Spechts-wald), endlich auchdem
uns benachbartenHaarstrang,
wohl eine künstlich geschaffene Weiterbildung für das im Volk dafür üblichere einfacheHaar,
deren uns zunächst liegender, durch seinen Kohlenreichtum bekannter Abschnitt, derArdei
(gewöhn-lichArdey
geschrieben)am
natürlichsten auch als aus Hard-ecke, Ard-egge entstanden gedeutet wird.Das W.
ist besonders in F.N. häufig, wie dieHaar
dt, der bekannteWaldberg
zwischenBarmen
und Elberfeld, erscheint aber auch in eigentlichen O.N.wie
Königshardt
undKlosterhardt
bei Sterkrade; vgl. auch oben S. 14Haarzopf.
hag, ha gen —
oft verkürzt, wie inunserm
„Hain", in O.N.besonders zu hahn; vgl. auch vorher Ardegge-Ardei
—
bedeutet ursprünglich Dorngesträuch (von einerWz.
hag=
stechen, schnei-den; verwandt sind Hagel und Hacke), sodann Einfriedigung durch Dorngesträuch—
vgl. auchHagedorn
undHagebuche
sowie untenS. 55zu
bram —
, hierauf aber und das vorallemeinen eingehegtenWald
oder einen 0. in einer Waldeinfriedigung. Es findet sichin
manchen
O.N., wie Haag, Hagen,Hagenau
sowie im hessischenHanau
(1140Hagenowa =
Anlage auf einerAu im
Walde), und in unsrerNähe
indem
schon soeben genanntenHahnenbusch
bei Velbert.
—
Hag(en)kommt
aber nicht selten auch als N.einzelner Stadtteile oder Straßen vor.
Es
bezeichnet dann be-sonders einen für zukünftigeBebauung
in Aussichtgenommenen,
eingehegten, aber vorläufig noch unangebauten, hie und da auch noch mitWald
bestandenen Teil der Stadt, indem
besonders gern einzelneadlige Familien ihreHöfe
hatten. Sogab
es in Essen einen alten Stadtteilim Hagen,
denman
erst später in den 1., 2. und3.
Hagen
zerlegte (jetzt leider zu 1., 2. und 3. Hagenstraßeum-getauft).
Es war
dies dasvornehme
Viertel von Essen,was
noch heute deutlich zu erkennen ist. Übrigens gab es daneben noch einen andernHagen
außerhalb der Stadtmauer, sowie an Stelle der heutigen Kastanienallee einenSegenhagen (=
niedrigerHagen, ursprünglich wohlvom
Wasser; vgl.versiegen, seicht, sickern und s.obenS.28f. unter Siepen), worausdasVolk auch einenZiegenhagen
machte
(ähnlich wie bei der Siechenhauskapelle in Rüttenscheid aus einem Siechenweg einen Ziegenweg). „Bacchus wird begraben In denSegenhagen" sangman
in Essenam
Aschermittwoch. Dabeiwurde
eine Strohpuppe herumgetragenund
schließlich in den„Schaugraben" ander Kastanienallee geworfen. (Nach einer mündl.
Mitteilung von
Herrn
Fr. Arens.) Vgl. Strotkötter Reckllingh.Ztschr. XII, 85.
heck (= unserm W.
Hecke), wohl mithag
verwandt, zunächst=
Dorngebüsch,dann
aber auch=
Unterholzund Wald
überhaupt, hat ohne ZweifelHaus Heck
bei Borbeck den N. gegeben.he
es, ein altesW.
für Busch- oder Gestrüppwald, hat sich bei uns erhalten in den O.N.Heissen
(ausHeishausen zusammen-gezogen) undHeisingen
(834villaHesingi,Trad.Werd.
S.24
u.a.),Hiesf
eldbei Sterkradesowiedem
schon oben erwähntenHesper-bach. Der Wald
zwischenWerden und
Steeleam
n. Ufer derRuhr
wird796
silva Heissi genannt (Trad. Werd. S. 9 u. a.).Die von Tacitus (Ann. I 50) erwähnte silva Caesia
—
vielleicht eine Latinisierung des deutschen hees—
istdagegen
wohl an der Lippe zu suchen. Eis gibt auch eineHees
beiNimwegen,
eineHeese
bei Iserlohn,Zusammensetzungen
wie Heeshof u. dgl. m.hörst
steht nach M. Heyne, Deutsches Wörterbuch,in nächsterBerührung
zu harst, das, in älterer Sprache= Haufe von
Busch-oder Pfahlwerk, Reisig,namentlicheinstrauch- oderholzbewachsenes Landstück bedeutet.Während
die Schriftsprache dasW.
auf das aus Reisig hergestellte Nest gewisser Raubvögel übertragen hat, versteht die Forstmannssprache heute darunter Waldbestände von geringer Flächengröße, die sich durch Holzart,Wuchs und
Alter von ihrerUmgebung
abheben.Von
O.N. kennen wir bei uns einHorst
a. d.Emscher
und einHorst
a. d. Ruhr,außerdem
nochLangenhorst, Bgm.
Borbeck,Langenhorst
bei Velbert undHaus Ripshorst
bei Borbeck.brache, brake, bracht
endlich wird zwar vorzugsweise vondem Umbrechen
eineszum Anbau
bestimmten Ackerstückes bezw.dem
Brachfeld selbst gebraucht; danebenmuß
es sich aber auch auf das abzubrechende oder abgehauene Holz bezogen habenund
bedeutet dann Schlagholz, Gebüsch, Gehölz überhaupt. Hierher ge-hörtVelbert (um 900
Feldbrahti, Trad.Werd.S.36
u. a.), wohl=
Gehölzim
offenen Felde oder Rodung, die an das Feld anstößt.Feld steht als offnes Gelände
immer
in einem gewissen Gegensatz zudem
geschlossenen Wald.Der
St. feldkommt
in unsernGegenden
auch sonst häufig vor;man
vgl.Elberfeld, Hochfeld
bei Duisburg,Krefeld, Osterfeld
bei Oberhausen(=
Ostfeld);Westerfeld
bei Watten-scheid; vgl. Österreich, Sauerland, nd. Surland=
Süderland13),Norderney, Westerplatte,
Niederbonsfeld
bei Hattingen,Gün-nigfeld
bei Wattenscheid (ursprünglich Giunninkfelde).Hierzu