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Die Substrate der einzelnen Matrixmetalloproteinasen

1.3 M ATRIXMETALLOPROTEINASEN

1.3.3 Die Substrate der einzelnen Matrixmetalloproteinasen

Tabelle 1 zeigt keine Auflistung der von den einzelnen Matrixmetalloproteinasen erkannten Substrate, wie sie sich zum Beispiel in Chandler et al. (1997) findet. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sind die Listen der in vitro erkannten und gespaltenen Matrixsubstrate für die meisten Matrixmetallo-proteinasen mittlerweile so lang, dass es nicht sinnvoll erscheint, diese Listen als relevant für die in vivo Situation zu betrachten, zum anderen gibt es nur sehr wenige Untersuchungen, die zeigen, dass ein bestimmtes Substrat in vivo wirklich von der jeweiligen Metalloproteinase gespalten wird.

Hinzu kommt, dass die in vitro analysierten Substrate nur einen Auszug aus den in vivo relevanten Molekülen darstellen, da die Auswahl dieser Substanzen oftmals durch ihre Verfügbarkeit limitiert wurde und auch immer noch wird. Des weiteren gibt es oftmals große Diskrepanzen zwischen der konkreten Spaltungsstelle eines Matrixsubstrates in vitro und den beobachteten Spaltprodukten in vivo.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Spaltung des Knorpel Proteoglycans Aggrecan. Der Abbau dieses Makromoleküls ist einer der wichtigen pathologischen Degradationsprozesse bei Osteo- und Rheumatoider Arthritis (Lark et al., 1997). Es wurde gezeigt, dass Stromelysin-1 Aggrecan sehr schnell umsetzen kann und dass der Gehalt dieser Metalloproteinase im arthritischen Knorpel erhöht ist (Dean et al., 1989; Gravallese et al., 1991; Walakovits et al., 1992). Aus diesem Grunde wurde lange angenommen, dass Stromelysin-1 eine zentrale Rolle bei der Pathologie der Osteoarthritis zukommt. In späteren Analysen wurde jedoch gezeigt, dass auch andere Matrixmetalloproteinasen genau dieselbe Reaktion durchführen können (Forsang et al., 1996). Des weiteren wurde nachgewiesen, dass die in vivo Spaltprodukte von Aggrecan nicht denen entsprachen, die nach in vitro Proteolysen mit Stromelysin-1 oder einer der anderen Matrixmetalloproteinasen auftraten (Sandy et al., 1992, Flannery et al., 1992; Forsang et al., 1996) Daher wird heute davon ausgegangen, dass eine noch unbekannte Aggrecanase existieren muss.

Dieses Beispiel soll zeigen, wie schwierig es ist, die wirklich relevanten Substrate für einzelne Mitglieder der Matrixinfamilie zu ermitteln. Manche Autoren gehen heute sogar so weit, zu sagen, dass über die natürlichen Substrate der Matrixmetalloproteinasen nahezu nichts bekannt ist (Woessner, 1998).

Trotz der eben erläuterten Einschränkungen gibt es dennoch viele indirekte Hinweise in welchem Zusammenhang die einzelnen Matrixmetalloproteinasen eine physiologische, bzw. pathophysiolog-ische Bedeutung haben (siehe auch Kapitel 1.3.4) und welche Molekülgruppen in diesem Zusammen-hang als potentielle Substrate betrachtet werden können.

So geht man davon aus, dass die Kollagenasen natives, fibrilläres, tripelhelikales Kollagen spalten:

Die von der interstitiellen Kollagenase (MMP-1) erkannte Spaltsequenz im Kollagen des Interstitiums scheint auch in vivo von keiner anderen Protease erkannt zu werden (Woessner et al., 1998).

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass rekombinant ohne Hämopexin-ähnliche Domäne dargestellte neutrophile Kollagenase (MMP-8) zwar noch denaturiertes, jedoch kein natives Kollagen mehr spalten kann (Murphy und Knäuper, 1997).

Die Gelatinasen binden über ihre Fibronektin-ähnliche Domäne an Typ IV Kollagen, welches einen wesentlichen Bestandteil der Basalmembranen darstellt. Man geht davon aus, dass diese beiden Enzyme bei Umbauprozessen dieser extrazellulären Matrixschicht eine zentrale Rolle einnehmen (Yu et al., 1998, Vu und Werb, 1998). So wurde zum Beispiel gezeigt, dass der Expressionslevel und die Aktivität beider Gelatinasen während der Transmigration von T-Zellen, bzw. eosinophilen Granulo-zyten durch die Basalmembran erhöht wird und dass diese Durchwanderung mit Metalloproteinaseinhibitoren gehemmt werden kann (Leppert et al., 1995; Madri et al., 1996; Okada

et al., 1997). Ähnliches gilt für die Invasion von Tumorzellen (Stetler-Stevenson, 1994; Yu et al., 1998).

Die beiden sehr nahe verwandten Stromelysine -1 und -2 verdauen in vitro eine Vielzahl von Matrix-komponenten, jedoch kein tripelhelikales Kollagen. Beide Enzyme weisen ein sehr ähnliches Substratrepertoire auf, jedoch ist die katalytische Effizienz von Stromelysin-1 meist höher als von Stromelysin-2 (Nagase, 1998). Die Liste der erkannten Substrate umfaßt Proteoglykane und Glycoproteine wie Fibronectin, Tenascin, Vitronectin, Perlecan, Versican, Ovostatin, Nidogen, Substanz P, Insulin ß Kette, sowie verschiedene andere Metalloproteinasen und vieles andere mehr (Übersicht in Nagase, 1998).

Der Name Stromelysin-3 für MMP-11 ist irreleitend, da es keinen Anlass gibt dieses Enzym etwa aufgrund einer verwandten Domänenstruktur, Aminosäuresequenz oder überlappender Substrat-spezifitäten den beiden anderen Stromelysinen zuzuordnen. Dieser Name wurde von den Erst-beschreibern (Basset et al., 1990) aufgrund eines Missverständnisses vergeben (Paul Basset, Straßburg, persönliche Mitteilung). Bisher konnte für Stromelysin-3 keine enzymatische Aktivität gegenüber Matrixkomponenten nachgewiesen werden (Parks und Mecham, 1998).

Der Name Matrilysin für MMP-7 soll verdeutlichen, dass diese verkürzte Matrixmetalloproteinase imstande ist, nahezu alle Matrixkomponenten zu spalten ("lysieren") (Wilson und Matrisian, 1998). In dieser Hinsicht gleicht Matrilysin am ehesten den beiden Stromelysinen-1 und -2.

Die Makrophagenelastase (MMP-12) wurde als nahezu ausschließlich von Makrophagen produziertes, Elastin abbauendes Enzym entdeckt (Shapiro et al., 1992 und 1993). Mittlerweile hat es sich jedoch gezeigt, das diese Matrixmetalloproteinase auch andere Substrate, wie zum Beispiel verschiedene Komponenten der Basalmembran spalten kann (Gronski et al., 1997).

Den Mitgliedern der ständig wachsende Gruppe der MT-MMPs wird eine zentrale Rolle in der Aktivierungskaskade der anderen Matrixine zugewiesen (Knäuper und Murphy, 1998). MT1-MMP wurde als der lange gesuchte, von invasiven Tumorzellen exprimierte, membranständige Aktivator der Gelatinase A isoliert (Sato et al., 1994). Auch den anderen MT-MMPs werden ähnliche Aufgaben zugewiesen. Neben dieser sehr wichtigen Rolle zeigen die MT-MMPs auch proteolytische Aktivität gegen Matrixkomponenten wie Gelatin, Typ I Kollagen und Fibronektin (Polette und Birembaut, 1998).

Enamelysin wird nur in den Zahnschmelz-bildenden Zellen (engl.: enamel organ) produziert und setzt Amelogenin, die Hauptproteinkomponente des Zahnschmelzes um (Bartlett et al., 1996; Llano et al., 1997).

Neben den genannten Molekülen der extrazellulären Matrix wurden in den letzten Jahren immer mehr Substratmoleküle für Matrixmetalloproteinasen gefunden, die keine Strukturmoleküle der extra-zellulären Matrix darstellen. Dazu gehören Serinproteinaseinhibitoren, wie α1-Proteinase Inhibitor und α1-Antichymotrypsin oder Bindeproteine für Wachstumsfaktoren, wie das IGF Bindeprotein 3 (Desrochers et al., 1992; Pei et al., 1994; Gronski et al., 1997; Ohuchi et al., 1997).

Des weiteren gibt es Hinweise, dass die proteolytische Bildung des sehr selektiv wirkenden Angiogeneseinhibitors Angiostatin von Matrixmetalloproteinasen katalysiert wird (Dong et al., 1997;

Patterson und Sang, 1997, Cornelius et al., 1998). Der parakin, bzw. autokrin auf die Expression von Kollagenase-1 wirkende Akutphasereaktant Amyloid A wird ebenfalls von Matrixmetalloproteinasen, wie Kollagenase-1 und Stromelysin-1 umgesetzt (Mitchell et al., 1993). Die Gelatinasen schließlich werden für die Hydrolyse des Zelloberflächen Kohlenhydrat-Bindeproteins Galectin-3 verantwortlich gemacht, welches Zellwachstum und Differenzierung beeinflusst (Ochieng et al., 1994).

Die physiologische Relevanz der genannten Spaltung von nicht-Matrixmolekülen durch Matrixine ist noch weitgehend unklar. Sie zeigt jedoch, dass den Matrixmetalloproteinasen höchstwahrscheinlich eine weitergehende Bedeutung zukommt, als noch vor wenigen Jahren angenommen wurde.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die meisten dieser neuen Substrate regulatorische Moleküle in Prozessen darstellen, die schon zuvor mit Matrixmetalloproteinase Aktivität korreliert wurden. Bisher wurde jedoch angenommen, dass sich diese Aktivität hauptsächlich auf die Umsetzung von Strukturmolekülen beschränkt. Ein Prozess, der in diesem Zusammenhang im Augenblick sehr viel Beachtung erfährt, ist die Angiogenese, die in Kapitel 1.3.4 noch einmal dargestellt werden wird.

1.3.4 "Tissue inhibitors of matrix metalloproteinases" (TIMPs)

Betrachtet man die Rolle der Matrixmetalloproteinasen beim Umbau der extrazellulären Matrix, so ist es genauso wichtig, auf eine Klasse ubiquitär vorkommender natürlicher Inhibitoren dieser Proteinasen einzugehen. Die sogenannten "Tissue inhibitors of matrix metalloproteinases" (TIMPs), stellen eine Familie von mittlerweile vier verwandten Proteinen dar, die je nach Glykosylierung 20 bis 30 kDa groß sind. Ihre inhibitorische Wirkung entfalten sie über einen dem "cysteine switch" analogen Mechanismus: Die Carbonyl- und Aminogruppe der N-terminalen Aminosäure der TIMPs komplexiert das Zinkion im aktiven Zentrum der Matrixmetalloproteinasen und verhindert damit die Bindung des für die Katalyse wichtigen Wassermoleküls (Tschesche, 1998b). Der C-terminale Abschnitt der TIMP-Moleküle geht gleichzeitig eine Bindung mit der Hämopexin-ähnlichen Domäne der Matrixmetalloproteinasen ein, was die schon im nanomolekularen Bereich liegenden Dissoziationskonstanten um eine weitere Größenordnung verkleinert (Kleine et al., 1993).

TIMPs werden oftmals von denselben Zelltypen exprimiert, die auch die Matrixmetalloproteinasen produzieren (Overall, 1994).

Die Wechselwirkung der Matrixine mit den TIMPs fügt der Regulation der enzymatischen Aktivität dieser Proteinasen eine weitere Stufe hinzu: Neben der Kontrolle der Genexpression und der proteolytischen Aktivierung der Proenzyme kann auch die Aktivität bereits aktivierter Enzyme durch Hemmung kontrolliert werden. Wobei auch die Produktion der Inhibitoren wiederum einer transkriptionellen Regulation unterliegt. Die schlussendliche proteolytische Degradation der extrazellulären Matrix ist also immer ein Produkt vieler Faktoren innerhalb eines fein abgestuften

Equilibriums zwischen aktivierten Proteinasen und ihren Inhibitoren (Overall, 1994; Birkedal-Hansen, 1995; Gomez et al., 1997).

Analog den Matrixmetalloproteinasen selbst, werden den TIMPs in jüngster Zeit neben der Hemmung der proteolytischen Aktivität immer mehr neue Aufgaben zugewiesen. So scheinen sie unter anderem mitogene und antiangiogene Aktivität zu besitzen (Takigawa et al., 1990; Bertaux et al., 1991;

Hayakawa et al., 1992; Moses, 1997). Dabei ist jedoch nicht klar, in wie weit diese Aktivitäten auf die Inhibition von Matrixmetalloproteinasen zurückgeführt werden können (Bodden et al., 1994; Moses, 1997).

1.3.5 Physiologische und pathologische Bedeutung der