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DIE RUHESTADIEN DER DINOFLAGELLATEN: TEMPORÄRCYSTEN

Während man die Blütenentstehung und -dynamik bis vor kurzem noch allein durch die unterschiedlichen externen Milieufaktoren (z.B. Licht, Nährsalzangebot, Temperatur,

"grazing") zu erklären versuchte, wurde zu Beginn der achtziger Jahre zunehmend die Bedeutung von endogen fixierten Lebensstrategien für die Bestandserhaltung bei Dinoflagel- laten erkannt Neben speziellen symbiontischen Beziehungen (Endobakterien, "gardening") und der bei Dinoflagellaten weit verbreiteten Mixotrophie spielt bei vielen Arten die Fähigkeit zur Cystenbildung eine wesentliche Rolle. Allgemein kann das Überleben der Phytoplankter in für sie ungünstig gewordenem Wachstumsmilieu entweder als motile Zelle (u.a. Fomshell et al. 1984, Nakata & Iizuka 1987) oder mit einem Dauerstadium (Fryxell

1983) gesichert werden, das für das Auftreten der nächsten Generation verantwortlich ist Im Lebenszyklus der Dinoflagellaten werden zwei Typen von Dauerstadien unterschieden:

Die Temporärcysten und die Dauercysten (Dale 1983).

Tem porärcysten: Temporärcysten kennt man bisher fast nur aus Laborkulturen einiger bestimmter Dinoflagellaten-Arten. Dieses nicht-motile Stadium, auch als "pellicle” (Anderson

& Wall 1978) oder "ecdysal" Cyste (Taylor 1980) bezeichnet, wird durch asexuelle Umwandlung der motilen vegetativen Zelle gebildet (Abb. 1-1). Temporärcysten entwickeln sich schnell, wenn die Umweltbedingungen für die motilen Zellen in den Laborkulturen ungünstig werden (Schmitter 1979). Genauso schnell bilden sie aber auch wieder motile Populationen, wenn günstige Bedingungen herrschen (Anderson & Wall 1978). Diese Möglichkeit erlaubt es den Organismen, bei vorübergehend negativen Umwelteinflüssen in der Wassersäule zu überleben, ohne daß große morphologische Veränderungen vollzogen werden müssen (Dale 1979). Bisher ist das Vorhandensein von Temporärcysten in natürli­

chen Planktonpopulationen kaum beobachtet worden. Für Gonyaulax polyedra konnte die Bildung von Temporärcysten während einer Massenblüte nachgewiesen werden (Marasovic

1989). Diese Cysten wurden gebildet, als die Umweltbedingungen sich innerhalb kürzester Zeit stark änderten (Sauerstoffschwund, pH-Wertabnahme) und dabei starke Mortalität bei der Fauna beobachtet wurde. Ein w eiter» Nachweis dieser Lebensstrategie gelang für Glenodmium foliaceum . Dieser Dinoflagellat ist weltweit als "red tide" Organismus bekannt (Jenkinson 1990). Massenentwicklungen von G. foliaceum konnten 1990 an der schleswig­

holsteinischen Westküste im kleinen Rückhaltebecken bei Heringsand dokumentiert werden

Encystierung

Temporärcyste

y

Dauercyste

Bettthal

Abb. 2-1. Schematische Darstellung des Lebenszyklus von Dinoflagellaten (• = haploid; •• = diploid).

(1) Ungeschlechtliche Vermehrung der vegetativen Zelle. (2) Geschlechtliche Fortpflanzung mit Bildung einer Dauercyste. (3) Abkapselung der vegetativen Zelle in eine Temporärcyste.

(Dietrich & Hesse 1990, Donner 1991). 1991 kam diese Art mehrmals kurz hintereinander mit jeweils über 50 x 106 Zellen dm'3 zur Blüte. Durch eingestautes, salzreicheres W atten ­ meerwasser brach die Blüte jedesmal zusammen, und gleichzeitig wurde auf dem Sedim ent und auf Pflanzenteilen ein sprunghafter Anstieg von Temporärcysten dieser Spezies m it Abundanzen bis zu 6100 Cysten cm'3 beobachtet (Nehring 1992). Wenige Tage sp ä te r zeigten viele Temporärcysten eine Teilung ihres Protoplasmas bis zu einem 8-Zellstadium , und es konnte eine Erhöhung der Abundanz vegetativer Zellen in der Wassersäule festg estellt werden. Es scheint, daß die Bildung von Temporärcysten diesen Organismen erlaubt, m it reduziertem Stoffwechsel in einem latenten Stadium kurzfristig auftretende ungünstige Umweltbedingungen, wie z.B. Sauerstoffmangelsituationen oder starke Salinitätserhöhungen, zu überstehen. Im Falle von G. foliaceum ist die Temporärcyste zusätzlich als im S edim ent

Abb. 2-2. Vergleich der Hauptmerkmale von Dauercyste und thekatem Motilstadium bei den Dinoflagdlaten (verändert nach Dale 1983).

verstecktes Vermehrungsstadium anzusehen, das es ermöglicht, die Wassersäule massiv und unerwartet mit vegetativen Zellen wiederzubesiedeln. Temporärcysten sind somit ein wichtiger Faktor in bezug auf anhaltende und kurzfristig wiederkehrende Blüten in einem begrenzten Seegebiet.

Dauercysten: Dauercysten von Dinoflagellaten, bei den Geologen als bedeutende Gruppe von Mikrofossilien (Hystrichosphaeriden) bekannt (Bujak & Davies 1983, Evitt 1985, Jan Du CWne et aL 1986, Lentin & Williams 1993) und vor allem für hinstratigraphisrhf» Untersu­

chungen (z.B. zur Erölsondierung) benutzt (Saijeant 1982), sind mit einem Sexualzyklus der vegetativen Zelle gekoppelt (u.a. Coats et aL 1984, Pfiester 1984) (Abb. 1-1). Eine Serie von mitotischen Teilungen der vegetativen Zelle ergibt hochmotile Gameten, die bis zu einer Woche frei umherschwimmen (Anderson et al. 1983, Pfiester & Anderson 1987). Jeweils zwei Gameten fusionieren in eine Zygote. Diese Planozygote behält die Flagellen beider Gameten und schwimmt bis zu 2 Wochen umher (Turpin et al. 1978). inm^haih der

Zellwand kapselt sich dann der Protoplast ab, nachdem Reservestoffe (L ip id tro p fen , Öl, Stärkekömer) gebildet worden sind. Nachdem sich die feste Cystenwand g e b ild e t hat, die entweder aus Kutin, Sporopollenin-ähnlichem Material oder aus K alzit b e ste h t, bricht die Thekenhülle auf und gibt die Dauercyste frei. In vielen älteren A rbeiten w urde d i e Dauercy­

ste oftmals auch als Hypnozygote oder "resting spore" bezeichnet. Einige A r te n jedoch schließen ihren Sexualzyklus ohne Cystenbildung ab, indem sich direkt aus der Planozygote die vegetative Zelle entwickelt (Pfiester & Anderson 1987). Im G egensatz zur T em porärcy­

ste, bei der eine Artidentifizierung aufgrund der geringen m orphologischen U nterschiede zwischen den einzelnen Arten schwierig ist, besitzen die Dauercysten v ie lfä ltig e Erschei­

nungsformen (z.B. rund, oval oder mit Hörnern, mit oder ohne Stacheln). Z u sä tz lic h ist vor allem die Archäopyle (Schlupfloch), die in verschiedene Typen unterteilt w e rd e n kann (Matsuoka et al. 1989), ein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Bei lebenden D au ercy sten ist diese Öffnung in der Cystenwand noch verschlossen und somit oftm als nicht z u erkennen.

Excystiert sich aber der Organismus, wird die Archäopyle geöffnet, indem e in e bestimmte Platte (Operculum) durch den ausschlüpfenden Protoplasten aufgedrückt w ird. D i e Form der Öffnung ist artkonstant.

Vor allem in paläontologischen Untersuchungen werden zur m orphologischen B eschreibung einer Dauercyste eine Vielzahl an eigenständigen Begriffen verwendet (W illiam s e t al. 1978), die sich aber bei den Cysten-Hauptmerkmalen oft direkt von der T heka-T erm inologie ableiten (Abb. 2-2). Erst nach Ausschlüpfen wird vom Protoplasten als P lan o m eio cy te eine neue feste Thekenhülle aufgebaut, und nach mitotischer Teilung entstehen ■wieder zwei normale vegetative Zellen. Ein weiterer Unterschied zur Tem porärcyste b e s te llt darin, daß Dauercysten nicht direkt nach ihrer Bildung wieder auskeimen können. Die k ü rz e s te Zeit, die bisher für Dinoflagellaten beobachtet worden ist, beträgt bei der S ü ß w asserart Peridinium gatunense 12 Stunden (Pfiester 1977); bei vielen anderen Arten beträgt die N ichtkeim fähig- keitsperiode mehrere Wochen und kann für Gonyaulax tamarensis bis zu 6 M o n a te andauem (Anderson & Keafer 1987). Die Keimung zum Motilstadium in küstennahen G e b ie te n wird dadurch wohl erst nach Sedimentation möglich (Anderson et al. 1985 b). D ie U m w andlung in eine Dauercyste ist also kein schneller Prozeß und dient daher nicht d a z u , kurzzeitige Streßsituationen zu überstehen, sondern bedeutet vielmehr eine längerfristige R u h ep h ase für die Organismen.