• Keine Ergebnisse gefunden

DIE PRAKTISCHE DURCHFÜHRUNG DER VORSCHLÄGE MILHAUD'S

Im Dokument MUSS ARBEITSBESCHAFFUNG GELD KOSTEN? (Seite 123-127)

H. EINIGE TECHNISCHE UND RECHTLICHE EINZELHEITEN ZUR EMISSION VON EINKAUFSSCHEINEN

I. DIE PRAKTISCHE DURCHFÜHRUNG DER VORSCHLÄGE MILHAUD'S

I. Was kann der Einzelne tun, um etwas zur Verwirklichung der Vorschläge Milhaud's beizutragen ?

a) Der Arbeitnehmer. — Er kann vor allem seinem Arbeitgeber erklären, daß er auf das ihm gesetzlich zustehende Recht, bei der Entlohnung gesetzliche Zahlungsmittel zu verlangen, verzichten würde, wenn ihm der Lohn in Milhaud'schen Einkaufsscheinen ausgezahlt würde.

Eine solche öffentlich bekannt gemachte Erklärung der Belegschaft einer Fabrik oder der Beamten einer Behörde würde mehr wirken, als Zentner von Literatur. Wenn der Arbeitnehmer einem größeren Betriebe angehört, so kann er auch mit seinen Kameraden über die Möglichkeit sprechen, sich als Genossenschaft zu konstituieren, dem Besitzer den Betrieb abzukaufen oder abzupachten, und dabei Milhaudsche Einkaufsscheine als Zahlungsmittel zu verwenden. Indem der Arbeitnehmer hierüber mit seinen Kameraden möglichst oft und eingehend spricht, sich und andern den ganz grundsätzlichen Unterschied zwischen einer Bezahlung in Geld klar macht, wirkt er im besten Sinne des Wortes revolutionär, mögen auch die Anhänger von Marx ihn einen «Kleinbürger» nennen oder einen «Schrittmacher der Reaktion».

(Welcher Arbeiter hat je darüber nachgedacht; daß wenn die Belegschaft einer Fabrik oder eines großen Gutes dem Besitzer vierteljährlich 1/50 vom Wert der

140 Muss Arbeitsbeschaffung Geld kosten ?

Unternehmung bezahlte und zwar 79 mal, dann die Belegschaft Eigentümer der Unternehmung wäre, falls der Besitzer mit einem Zins von 1 1/4 % vierteljährlich auf die jeweilige Restschuld zufrieden ist? Die Arbeiter werden solche höchst unmarxistischen Erwägungen anstellen oder nach 100 Jahren schlechter dastehen als heute chinesische Kulis.)

_________________________________________________________________________________

(J.Z.: Eine für B. typische Übertreibung. Selbst in den heute typischen "kapitalistischen" Ländern werden Arbeitnehmer nicht so schlecht bezahlt, sonder gut genug, um viel Geld für Trinken, Rauchen, Reisen, Wetten, Kleidung und Luxus ausgeben koennen und sie sind auch nicht ausgemagert wie Kulis sind, sondern leiden eher an Übergewicht. Aber ihr in voller Wirtschaftsfreiheit mögliches Einkommen haben sie noch nicht erreicht, abgesehen von einigen Privilegierten, zu denen, für lange Zeit, z.B. Hafenarbeiter gehörten. J.Z., 14.3.04.)

_________________________________________________________________________________

v) Der Arbeitgeber. —Er kann die Arbeiter darauf aufmerksam machen, daß ihr Privileg, Geld bei der Lohnzahlung zu erhalten, sie sehr viel mehr schädigt als ihnen nutzt. Er kann ihnen zeigen, daß sein Einfluß auf den Umlauf des Geldes fast gleich Null ist, und daß weder er, noch der mächtigste Trust, noch die Regierung selbst es herbeischaffen kann, wenn es einmal die gewohnten Wege der Zirkulation verlassen hat. Der Arbeitgeber kann im Anschluß daran den Arbeitern das Wesen eines Milhaud'schen Einkaufsscheines erklären, er kann ihnen darlegen, daß dieser Schein das einzig wirklich wirksame Mittel gegen mit Arbeitslosigkeit verbundene Krisen ist und kann den Arbeitern klar machen, daß er selbst Zahlungen in Einkaufsscheinen nur dann in der Lage ist entgegenzunehmen, wenn er Löhne in Einkaufsscheinen bezahlen kann. Besser als die Arbeiter selbst es sich deutlich machen können, kann er ihnen erklären, daß sie ihren Lebensunterhalt ebensogut mit Milhaud'schen Einkaufsscheinen einkaufen können, wie mit Geld. Der Arbeitgeber kann sogar — um das Mißtrauen der Arbeiter zu besiegen — noch weiter gehen und sich bereit erklären, von ArbeiterKonsumVereinen emittierte Einkaufsscheine bei der Bezahlung der Fakturen seines Unternehmens anzunehmen, wenn die Arbeiter solche Einkaufsscheine bei Lohnzahlungen annehmen wollen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitern von sich aus die Erwerbung seines Unternehmens durch Ratenzahlungen — zu leisten in Milhaud'schen Einkaufsscheinen —

vorschlagen und den Übergang seiner sozialen Stellung (nicht mehr Herr eines Unternehmens, sondern Führer einer Gefolgschaft) so vorbereiten, daß seine eigne Lage dabei nicht etwa verschlechtert, sondern im Gegenteil in jeder Hinsicht verbessert wird.

c) Der Arbeitnehmer in gehobener Stellung (AbteilungsChef, Vorarbeiter, Meister). — Er kann noch viel leichter als der Arbeitgeber die Arbeiter über den schweren Druck aufklären, welchem Arbeitnehmer durch das gegenwärtige Zahlungssystem unterliegen.

Hoffentlich ahmen bald alle Länder die deutsche Einrichtung häufiger Betriebsversammlungen nach, in welchen jeder Angehörige des Betriebes seine Meinung über Betriebsfragen frei äußern kann.

d) Der Politiker. — Er kann Gesetzentwürfe vorbereiten und vor allem einmal eine Zusammenstellung aller derjenigen Gesetze und Vorschriften seines Landes veranlassen, welche jetzt die Emission von Milhaud'schen Einkaufsscheinen verhindern. Der Politiker kann dann vorschlagen!

daß zunächst einmal probeweise in einem bestimmten, kleinen

Muss Arbeitsbeschaffung Geld kosten? 141

Gebiet (einem Gebiet mit möglichst viel Arbeitslosen) jene Bestimmungen suspendiert werden, um praktische Erfahrungen möglich zu machen.

e) Der Kaufmann. — Er kann durch Aushang in seinem Lokal und im Gespräch mit seinen Kunden erklären, daß er die Milhaud'schen Einkaufsscheine in seinem Betrieb annehmen würde, wenn er sie seinen Lieferanten in Zahlung geben kann. Eine solche Erklärung wird auf jeden Kunden einen tiefen Eindruck machen.

f) Steuerzahler-Vereinigungen. — Solche Vereinigungen gibt es in England und Frankreich.

Wenn die Vereinigung fordert, daß zur Bezahlung von Steuern auch andere Zahlungsmittel als die bisher üblich gewesenen zugelassen werden sollten, vor allem Milhaud'sehe Einkaufsscheine, so wird dies gewiß nicht ohne Eindruck auf die Behörden bleiben. Die Mitglieder der Vereinigungen sollten über die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern, anders als durch die bisherigen Zahlungsmittel, aufgeklärt werden.

g) Der Gelehrte. — Er sollte vor allem die Vorschläge Milhaud's lesen und sich damit vollkommen vertraut machen. Der Ungelehrte hat oft nicht die Zeit, die Ruhe und das Verständnis dazu. Der Gelehrte sollte dann seine Beziehungen zur Presse und zu Verlegern ausnutzen, um für die Erfindung Milhaud's einzutreten. Der Gelehrte ist auch mehr als jeder andere dazu berufen, um den immer wieder erhobenen Vorwurf der «Inflation» gegen das Milhaud'sche System zu bekämpfen.

Gerade in Gelehrtenkreisen wird die an sich einfache, aber — wie man zugeben muß — sehr abstrakte Wahrheit verkannt:

Emission von Zahlungsmitteln geschieht ohne eine Gefahr der Entwertung dieser Zahlungsmittel und ist vor allem keine Inflation, solange sie nur der Erleichterung der Aufrechnung dient, und wenn man dabei nicht vergißt, daß nur Verpflichtungen mit gleicher Fälligkeit gegeneinander aufgerechnet werden können. Wird dies genügend beachtet, so können die emittierten Zahlungsmittel auch ohne Gefahr wie Geld gestückelt und typisiert sein; sie sind dann weiter nichts als eine für den Verkehr bequeme Form der Anweisung auf die eigne Lieferungsverpflichtung.

Die volkswirtschaftliche Schädlichkeit der Emission beginnt da, wo die Emission die Verpflichtung zur Lieferung, oder wenigstens die erzwungene Nachfrage nach der eignen Leistung, überschreitet.

Die Schädlichkeit äußert sich dann durch eine Enwertung des ausgegebenen Zahlungsmittels ohne allgemeine Preissteigerung, wenn die emittierten Zahlungsmittel einem freien Kurs unterliegen; die Entwertung äußert sich als Inflation, wenn die Zahlungsmittel mit Zwangskurs ausgestattet sind (und nur dann !!). Alles das wird nur der Gelehrte in vollem Umfang und im Zusammenhang einsehen.

142 Muss Arbeitsbeschaffung Geld kosten ?

h) Der Hauswirt. — Er sollte bei seinem Hypothekengläubiger anfragen, ob der Gläubiger die Milhaud'schen Scheine annehmen will. Vereinigungen von Hausbesitzern sollten sich entsprechend an die großen Kredit-Institute wenden, vor allem an die Hypothekenbanken. Der Hauswirt sollte auch jedem Mieter bei der Mietezahlung erklären, daß er — so weit sein guter Wille in Frage käme

— auch anstatt Geld gern Milhaud-Scheine nähme. Die Hauswirte sollten auch Aufrufe an die Inhaber von Pfandbriefen erlassen, daß die Inhaber sich mit Milhaud-Scheinen zufrieden geben sollten. Die Annahme von fälligen Zinsscheinen der Hypothekenbanken und ausgelosten Pfandbriefen dieser Banken bei Mietezahlungen wäre eine beträchtliche und volkswirtschaftlich sehr wohltätige Annäherung an das Milhaud'sche Prinzip.

i) Der Intellektuelle. — Dazu rechnen sich ja die meisten. Aber jeder einzelne sollte sich sagen, daß wer der von Milhaud vorgeschlagenen Verbesserung des Zahlungswesens gleichgültig oder verständnislos gegenübersteht, kein Intellektueller ist.

j) Der Philosoph. — Er sollte sich an Proudhon's Wort erinnern: «L'Economie politique, c'est la métaphysique en action!» und möge überzeugt sein, daß die Einkaufsscheine wirklich mehr als eine nur ökonomische Bedeutung haben.

II. Was könnten die Regierungen von heute auf morgen tun ?

Das Volk, welches die bestehenden Gesetze meistens nicht kennt, oder aber, wenn es sie kennt, sie schon wenige Jahre nach ihrem Inkrafttreten als etwas Naturgegebenes hinnimmt (ein von den Soziologen wenig beachteter Umstand), und daher sehr selten die Aufhebung bestehender Gesetze fordert, sondern fast immer nur die Schaffung neuer, dieses Volk erwartet bei Notständen positive Hilfe vom Staat, weil es fühlt, daß der Staat wirklich helfen könnte. Das Volk weiss ober nicht, daß die Hilfe selten in etwas anderem bestehen kann, als darin, ihm die Selbsthilfe nicht zu verbieten und allenfalls ihm zu zeigen, wie man sich hilft.

Manchmal ist eine Regierung allerdings in der Lage, wie der Große Friedrich, der in einigen Gegenden seines Königreichs auf großen Widerstand der Leibeignen stieß, als er ihre Lage verbessern wollte. Besonders war dies in nichtdeutschen Gegenden der Fall. Diese Leibeignen hatten keine Ahnung, wie man sich als ein persönlich freier Mensch benehmen könnte, und was überhaupt persönliche Freiheit bedeutet. Der König dachte daher daran, ihnen einige praktische Beispiele davon zu geben, und schrieb unterm 1. April 1772 an den Kammerpräsidenten von Domhardt u. a.:

«Das sicherste Mittel, diesen sklavischen Leuten bessere Begriffe und Sitten beizubringen, wird immer sein, sie mit Teutsche zu melieren, und

Muss Arbeitsbeschaffung Geld kosten? 143 wenn es auch anfänglich nur mit zwei oder drei in jedem Dorfe geschehen kann.»

Die Aufstellung praktischer Beispiele wäre auch heute die beste Art, um dem Volke zu zeigen, wie man sich helfen kann, wenn die Ursache der Not ausschließlich der Mangel an Zahlungsmitteln ist.

Um einen Anfang zu machen und die Möglichkeit zu geben, daß überhaupt Beispiele aufgestellt werden können, sollte jede Regierung zunächst einmal ein Gesetz erlassen, etwa wie folgt:

«Schuldurkunden, in welchen ein bestimmter Geldbetrag inländischer oder ausländischer Währung genannt ist, für die aber eine Verpflichtung zur Einlösung dieses Betrages in Geld nicht übernommen wird, sondern die von den Verpflichteten nur im Zahlungsverkehr wie Geld angenommen werden, unterliegen den sonst geltenden Einschränkungen über die Ausgabe von typisierten und wie Geld gestückelten Zahlungsmitteln nicht.

Verträge, in welchen die Lieferung solcher Urkunden an Zahlungsstatt versprochen ist, sind gültig, auch wenn sie nach früheren Gesetzen ungültig gewesen wären. Gläubiger, welche solche Urkunden vorbehaltlos an Zahlungsstatt angenommen haben, gelten mit dem in der Urkunde genannten Geldbetrag als befriedigt.»

Ein solches Gesetz würde in allen Ländern den Weg zur Einfuhrung des Milhaud'schen Systems frei machen, und zwar von heute auf morgen.

Im Dokument MUSS ARBEITSBESCHAFFUNG GELD KOSTEN? (Seite 123-127)