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2. Porträtgrafik in der kaiserlichen Privatbibliothek

2.2 Die Porträtstichsammlung in Portefeuilles

Wurden die Bildniswerke, die zu einem großen Teil aus Folianten bestan-den, in den Buchkästen der Privatbibliothek aufgestellt, so beanspruchte die Lagerung von Einzelblättern in Kassetten eine Reihe von vorbereitenden Arbeiten. Die Blätter mussten teilweise von ihren ursprünglichen Träger-materialien abgelöst werden und wurden, spätestens seit dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, auf Kartons im Großfolio-Format montiert, die der

71 Onofrio Panvinio: XXVII Pontificium Maximorum elogia et imagines accuratissime ad vivum aeneis typis delineatae, Rom, 1568. ÖNB, BAG, FKB 5302. Die im Folgenden an-geführten Werke bilden lediglich eine exemplarische Auswahl aus einer Vielzahl von Bildniswerken in der ehemaligen Privatbibliothek zu den verschiedensten Berufs- und Ständegruppen.

72 Illustrium Jureconsultorum Imagines ex Musalo M. M. Benavidii, Rom, 1566. ÖNB, BAG, FKB 5534

73 Ritratti et elogii di capitani illustri, Rom, 1635. ÖNB, BAG, FKB 5314.

74 Brucker, Johann Jakob: Pinacotheca Scriptorum Nostra Aetate Literis Illustrium […], Augsburg, 1741–1755. ÖNB, BAG, FKB 5347.

75 Emmius, Ubbo: Effigies et vitae Professorum academiae Groningae et Omlandiae cum historiola fundationis eiusdem acad. Groningen, 1654. ÖNB, BAG, FKB 18627.

76 Roth-Scholtz, Friedrich: Icones bibliopolarum […] (1726–1729). ÖNB, BAG, FKB 5375.

77 Ritratti e vite di Donne illustri che fiorirono dal secolo XI sino al XVIII. Venedig, 1775.

ÖNB, BAG, FKB 5444.

78 Moehsen, Johann Carl Wilhelm: Verzeichnis einer Samlung von Bildnissen größtentheils berühmter Ärzte […], Berlin, 1771. ÖNB, BAG, FKB 5402.

79 Rocoles, Jean-Baptiste de; Pauli, Carl Friedrich: Begebenheiten ausnehmender Betrüger.

Halle, 1760. ÖNB, BAG, FKB 12691

Größe der Sammlungsportefeuilles entsprachen. Die nicht abreißende Arbeit spiegelt sich in den Quittungen diverser Buchbinder wider, die laufend neue Sammlungsportefeuilles oder Stichkartons in Rechnung stellen.80

Bereits die Neuzugänge der 1790er-Jahre, wie der Ankauf der Porträt-sammlung des Georg Friedrich Brandes (Kap. 4.3), erforderten verschie-denste begleitende Maßnahmen. Sämtliche Klebebände, in denen die Samm-lung untergebracht war, mussten aufgelöst und die Kupferstiche einzeln abgelöst werden. Bis zum Tod des Kaisers im Jahr 1835 lassen sich kon-tinuierliche Ausgaben aus der Privatkasse für Buchbinderarbeiten in Zu-sammenhang mit der Porträtsammlung belegen, etwa für die Anschaffung von Papier aus der k.k. Aerarial-Papier-Manufaktur zur Montage von sechs-tausend „noch nicht aufgezogene[n] Kupferstiche[n]“81 oder „für das Kleiner schneiden des großen Papieres zum Kupfer aufkleben“.82

In den hölzernen Kassetten, in welche der Kaiser den größten Teil sei-ner Grafiksammlung kleiden ließ, und die auf den Rechnungen gesei-nerell als

„Portefeuilles“ bezeichnet werden, waren die montierten Blätter, entspre-chend sortiert, leicht aufzufinden. Diese Form der Aufbewahrung von Gra-fikblättern setzte sich im 18. Jahrhundert erst allmählich durch.83 So war die Kupferstichsammlung der benachbarten Hofbibliothek, die sich zu einem überwiegenden Teil aus der ehemaligen Sammlung des Prinzen Eugen von Savoyen zusammensetzte, auf ledergebundene Klebealben verteilt, die zum größten Teil nach den herkömmlichen Schulen geordnet waren.84 Die Port-rätstichsammlung des Prinzen wurde hingegen als Loseblattsammlung in Portefeuilles aufbewahrt. Gerade umgekehrt verhielt es sich bei der Porträt-sammlung des Georg Friedrich Brandes. Diese war in Klebealben gebunden, während der nach Schulen geordnete Teil der Kupferstichsammlung lose in Portefeuilles verwahrt wurde.

Franz selbst wählte sowohl für die Porträtsammlung als auch für die Kup-ferstichsammlung eine Aufbewahrung in repräsentativen Portefeuilles, die

80 Seit 1785 wurde das Aufziehen von Landkarten auf Leinwand, die Herstellung von Por-tefeuilles oder das Zuschneiden von Stichkarton überwiegend vom „Bürgerlichen Buch-binder“ Johann Georg Kapler aus Wien besorgt, der diese Arbeiten bisweilen auch in „in S.M. Cabinet“ durchführte. ÖStA, HHStA, GDPFF, 75, Rechnung vom 26. Oktober 1793.

Kapler belieferte auch die geheime Kabinettskanzlei mit Papier. Später kamen auch die Buchbinder Georg Friedrich Kraus und Johann Baptist Hoffer, ab 1824 auch Heinrich Buchholz hinzu (alle in: Frank/Frimmel, 2008). Die Buchbinderrechnungen in ÖStA, HHStA, GDPFF, 72-89 bzw. ÖNB, BAG, FKBR, 1814–1835.

81 ÖNB, BAG, FKBA05059, fol. 1v.

82 Rechnung des Buchbinders Hofer vom 24. Oktober 1820, ÖNB, BAG, FKBR1820/124, fol.

1r.

83 Brakensiek (2003), S. 454.

84 Siehe Kap. 7.5.

von außen Bibliotheks-Großfolian-ten glichen. Die HolzkassetBibliotheks-Großfolian-ten für die Porträtsammlung wurden von den Buchbindern am Rücken und auf den Kanten mit Kalbsleder verstärkt, mit marmoriertem Pa-pier bezogen und mit Messingha-ken zum Verschließen ausgestat-tet. Die Rücken wurden zusätzlich mit Etiketten aus verschiedenfar-bigem Leder versehen, auf die mit Goldprägung der Titel und darun-ter in einem Kranz die römische Bandzählung gedruckt wurde. Die systematische Ordnung der Kollektion war so nach außen hin sichtbar und dennoch war es jederzeit möglich, Ände-rungen an ihr vorzunehmen. Die Portefeuilles mussten laufend restauriert werden, die Deckel neu überzogen, Kanten ausgebessert, neue Rückenschil-der aufgelegt oRückenschil-der Messinghaken ersetzt werden.

Nach rund fünfundzwanzigjähriger Sammeltätigkeit belief sich die An-zahl der Sammlungsportefeuilles im Jahr 1809 bereits auf 678.85 552 entfie-len davon auf die Porträtstiche, 126 auf die Kupferstichsammlung.86 Weitere vierzehn Jahre später berichtet der Wien-Historiker Franz Heinrich Böckh, die Anzahl der Kassetten der Porträtsammlung belaufe sich auf 700, die der Sammlung von Kupferstichen nach Schulen und der Handzeichnungen auf 250.87 In einem Bericht des Bibliotheksvorstehers Leopold Joseph von Khloy-ber (1789–1869), sechs Jahre vor dem Tod des Kaisers, wird die Gesamtzahl der Einzelporträts mit 64.200 angegeben. Davon entfielen auf „Porträten

re-85 Aus einem Bericht des Wiener Kunsthändlers Ignaz Sauer an den Vorsteher der kai-serlichen Privatbibliothek, Peter Thomas Young vom 7. Dezember 1809. ÖNB, BAG, FKBA01001, fol. 1r. Es handelt sich dabei um die früheste Quelle mit quantitativen Anga-ben zur Porträtsammlung.

86 Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1897, S. 5.

87 Böckh (1823), S. 83. In einem rund zehn Jahre später verfassten Bericht Leopold Joseph von Khloybers über die Bestände und Arbeiten in der k. k. Privatbibliothek wird die An-zahl der Portefeuilles der Porträtsammlung hingegen mit 623 angegeben. ÖNB, BAG, FKBA15162, fol. 4r.

Abb. 3: Portefeuilles der

Porträtsammlung: „Erzhaus Österreich“

gierender Familien“ 18.200 Blätter, auf die „verschiedener Stände“ 46.000 Blätter.88 Eine im selben Jahr begonnene Maßnahme zum Ausbau der ge-nealogischen Abteilung der Sammlung per schriftlicher Anweisung an k.k.

Gesandtschaftsposten im Ausland bereicherte diese abermals um rund 2500 Bildnisse fürstlicher Familien aus ganz Europa.89

Mit dem Ableben des Kaisers am 2. März 1835 fand auch die Ausdeh-nung der Porträtsammlung ein jähes Ende. Die umfassende Bestandsre-vision nach seinem Tod ermöglicht heute eine relativ exakte Abgrenzung der ursprünglichen Sammlung. In einer am 17. April 1835 angelegten „Dé-tail-Übersicht des Standes der Privat-Bibliothek“ wird deren Umfang mit 66.709 Blättern angeführt.90 Die fünfzehn Jahre später angelegten

Samm-88 Sammlungbericht vom 15. März 1829, ÖStA, HHStA, Handarchiv Kaiser Franz I, 20.

89 Siehe Kap. 5.2.

90 ÖNB, BAG, FKBA21001, fol. 25r. Bei der Versteigerung der Porträtsammlung des Wiener Bankiers Johann Jakob Ritter von Franck am 29. Februar 1836 durch Artaria in Wien dürften noch zahlreiche Blätter für die kaiserliche Porträtsammlung erworben worden sein. Dies belegt ein Exemplar des Auktionskatalogs in der Österreichischen National-bibliothek, in welchem zu den jeweiligen Losnummern handschriftlich die Meistbieter und die erzielten Preise eingetragen wurden. Neben bekannten Wiener Kunsthändlern wie Franz Xaver Stöckl oder Artaria findet sich darunter immer wieder der Name des Kanzlisten der Privatbibliothek, Georg Thaa. Vgl. ÖNB, 307977-B.1. Alt.Mag., Catalogue De La Très-Belle Et Précieuse Collection De Portraits Anciens Et Modernes De Feu Mr.

Abb. 4: Die Porträtsammlung um 1925

lungsinventare beziffern die Anzahl der Porträts auf insgesamt 68.545 Blät-ter.91 Die Sammlung erfuhr also unter dem Nachfolger Ferdinand I. keine nennenswerte Erweiterung mehr.

Das rasante Wachstum im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, insbe-sondere aber der Ankauf der Sammlung Georg Friedrich Brandes‘ im Früh-jahr 1796 rückte die Frage der Lagerung zunehmend in den Vordergrund.

Die Unterbringung der neuen Blätter in Portefeuilles, die an Zahl stetig zunahmen, machte es notwendig, neue Räumlichkeiten für die Aufstellung der Sammlung zu erschließen, die anfänglich vermutlich noch im Wohnap-partement des Erzherzogs und späteren Kaisers im zweiten Stockwerk des Schweizerhofes untergebracht war. Wahrscheinlich bereits vor dem Jahr 1795 waren in unmittelbarer Nähe der Wohngemächer zwei Räume für dessen Privatbibliothek eingerichtet worden.92 Auf diesen wurde 1796 ein eingeschoßiger Aufbau mit einem Treppenturm errichtet, der die Grafik-sammlung beherbergen sollte. Während das untere Geschoß weiterhin zur Aufbewahrung der Bibliothek diente, wurden im oberen, aus zwei Sälen und einem Kabinett bestehenden Stockwerk in raumhohen Regalen die Porte-feuilles der Porträtsammlung und der restlichen Kunstblattsammlung auf-gestellt.93 Die Sammlung verblieb dort bis nach dem Tod des Kaisers.94