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VI. Die praktische Anwendung des Magnetismus

2. Die Techniken der magnetischen Behandlung

2.1. Die magnetischen Striche und Gegenstriche

Der Magnetiseur wirke bei der magnetischen Behandlung mittels seiner Hände auf den Pati-enten, was Manipulation genannt werde. Dabei sei es für die Wirkung auf den Patienten sehr wichtig, mit welchem Teil der Hand der Magnetiseur den Patienten berühre und auf welche Art.

Das wichtigste Element hierbei seien die „magnetischen Striche“178, auch (französisch) „pas-ses“ genannt, wobei wiederholt am Körper und an den Extremitäten des Patienten in immer gleicher Richtung entlang gestrichen werde. Nach jedem magnetischen Strich werde die Hand wieder zum Ausgangspunkt zurückgeführt, um von dort den nächsten magnetischen Strich zu beginnen.

177 Haring (1995), S. 19; Wolters (1988), S. 49

178 Kluge (1815), S. 326

Diese Rückführung der Hand solle in der Bewegung eines großen Bogens geschehen, um die Wirkung des gerade ausgeführten magnetischen Striches nicht durch einen „Gegenstrich“

wieder aufzuheben. Somit gibt Kluge dieser Behandlungsart den Namen „Behandlung im Bo-gen oder vagirende Manipulation“179

Daneben existiere auch eine „figirte Manipulation“180, bei der die Hände für einige Zeit auf die betreffenden Körperteile aufgelegt und an dieser Stelle statisch verweilen würden.

Die magnetischen Striche sollten immer in der Richtung vom Zentrum in die Peripherie des Körpers erfolgen, also Richtung abwärts und auswärts gerichtet sein.

Gegensätzlich in Richtung und Wirkung zu den magnetischen Strichen gebe es auch „Gegen-striche“181, sie erfolgten in entgegengesetzter Richtung einwärts und aufwärts und würden als Gegenspieler die Wirkung des vorherigen magnetischen Striches aufheben. So wie die mag-netischen Striche eine wohltuende Wirkung aufwiesen, wirkten die Gegenstriche widrig und riefen negative Reaktionen wie Angst, Beklemmungsgefühl oder Krämpfe hervor.

Magnetische Striche könnten nun mit dem Handrücken, der Handfläche oder der Handkante erfolgen, jede Berührungsart stelle für sich eine eigene Art der Manipulation dar.

Bei der „Dorsal-Manipulation“182, also der Behandlung mit dem Handrücken, seien keine magnetischen Wirkungen zu beobachten, deswegen werde sie vom Magnetiseur zur bogen-förmigen Rückführung der Hand nach dem erfolgten magnetischen Strich bei der „vagirenden Behandlung“ genutzt.

Die „Marginal-Manipulation“183 mit der Handkante nenne man „die negative Berührungs-art“ oder „hinwegnehmende BehandlungsBerührungs-art“184 , da sie die Nerven unfähig mache das Flui-dum, die Lebenskraft, zu leiten. Wenn dieser Effekt gewünscht sei, führe der Magnetiseur seine magnetischen Striche mit der Handkante zum Patienten gerichtet aus und wie gehabt bogenförmig wieder zum Ausgangspunkt zurück um von neuem zu beginnen.

Die „Marginal-Manipulation“ sei der Gegenspieler der „Volar-Manipulation“185, die mit der Handfläche zum Kranken ausgeführt werde und dazu diene, die Lebensenergie in die betref-fenden Körperteile zu lenken.

179 Kluge (1815), S. 326

180 Kluge (1815), S. 326

181 Kluge (1815), S. 326

182 Kluge (1815), S. 327

183 Kluge (1815), S. 327

184 Kluge (1815), S. 328/329

185

Bei der „Volar-Manipulation“ unterscheide man noch die „Palmar“- und die „Digital-Manipulation“186, die in ihrer Wirkstärke differieren.

Dabei wirke die „Digital-Manipulation“, die mit den Fingern ausgeführt werde, stärker auf den Patienten als die Berührung mit der Handfläche, der „Palmar-Manipulation“.

Dementsprechend sei für den Patienten die „Palmar-Manipulation“ mit ihrer milden, besänfti-genden Wirkung angenehmer, er empfinde sie als Gefühl der Kühle in den bestrichenen Kör-perpartien. Von einigen Magnetiseuren wird diese Manipulation deshalb „Calmiren“187 ge-nannt. Sie kann je nach Bedarf als „vagirende“ oder als „figirte“ Behandlung durchgeführt werden, also als Strichbehandlung oder als Handauflegung.

Die stärkste Wirkung besitze die „Digital-Manipulation“, auch „positive“ oder „mittheilende Berührungsart“188 genannt. In absteigender Intensität wirkten dabei Daumen, Kleinfinger, Zeigefinger, Ringfinger und zuletzt der Mittelfinger, der kaum noch einen Effekt auf den Pa-tienten zeige.

Auch wichtig sei bei den magnetischen Strichen die Stellung der Finger zueinander. So unter-scheide man die schwache „expandirte Digital-Manipulation“, die mit klauenartig gebogenen Fingern durchgeführt würde, von der stärkeren „contrahirten Digital-Manipulation“12, bei der die Fingerspitzen alle in einem Punkt zusammenliegen würden und sich berührten.

Den stärksten Wirkungsgrad erreiche aber die „einfache Pugnal-Manipulation“ und die „dop-pelte Pugnal-Manipulation“12, bei der die Hand zur Faust geballt werde und nur der ausge-streckte Daumen auf den Kranken zeige. Kluge beschreibt eindrücklich seine eigene Erfah-rung mit dieser Art der Manipulation und gibt so einen Einblick in den teils sehr unangeneh-men Charakter der damaligen magnetischen Behandlungen:

„Ich habe die heftige Wirkunge dieser, von Mesmer´n und seinen Schülern häufig benutzten Manipulation selbst beobachtet, indem ich, die übeln Folgen derselben nicht ahnend, sie bei einer im zweiten Grade des magnetischen Schlafes befindlichen Kranken in Anwendung brachte. Die zuvor heitere und ruhige Kranke wurde plötzlich beklommen und mit jedem Au-genblicke ängstlicher, stieß dann nach einigen Secunden einen heftigen, mit gleichzeitiger Erschütterung des ganzen Körpers verbundenen Schrei aus, und verfiel nun in die fürchter-lichsten Convulsionen, welche ich erst nach einer langen Zeit und nur mit vieler Mühe durch die Anwendung der Palmar-Manipulation wieder heben konnte. Als ich darauf die Patientin,

186 Kluge (1815), S. 329

187 Kluge (1815), S. 330

188 Kluge (1815), S. 331

welche von meinem Vornehmen nichts wußte, über ihre gehabte Empfindung befragte, erzähl-te sie mir, sie wäre plötzlich von einer nicht zu beschreibenden innern Angst befallen worden, diese habe immer mehr zugenommen und sei endlich in die Empfindung übergegangen, als wenn ihr die Herzgrube mit einem Dolche durchbohrt würde, worauf sie dann, vom Schmerz überwältigt, alles Bewußtsein verloren habe.“189