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2.5 Die Anästhesie

2.5.1 Die verschiedenen Anästhesieformen

2.5.1.2 Die Lokal- und Regionalanästhesie

pharmakologischen Eigenschaften: die kurze Halbwertszeit und die schnelle Elimination haben einen raschen Wirkungsbeginn, eine gute Steuerbarkeit und ein schnelles Erwachen zur Folge. Die kognitiven Fähigkeiten sind ähnlich lange wie bei der balancierten Anästhesie beeinträchtigt [18]. Zum Offenhalten der Atemwege können bei allen vier Narkoseformen die Gesichtsmaske, ein Endotrachealtubus, die Larynxmaske oder der Larynxtubus verwendet werden. Je nach Höhe des Frischgasflusses kann man des Weiteren zwischen High-Flow-Anästhesie (>3l/min), Low-Flow-Anästhesie (ca.

1l/min) und Minimal-Flow-Anästhesie (ca. 0,5l/min) unterscheiden. Die beiden Letzten werden auch unter dem Begriff „Niedrigflussnarkose“ zusammengefasst. Diese stellt also keine eigene Anästhesieform dar, sondern informiert nur über den jeweiligen Frischgasanteil der Beatmungsgase. Grund dafür ist der verminderte Verbrauch des teuren volatilen Anästhetikums durch den geringeren Anteil an Frischgas und die gesteigerte Rückatmung. Somit ist die Anwendung der Niedrigflussnarkose hauptsächlich bei der balancierten Anästhesie und der reinen Inhalationsanästhesie indiziert, da bei diesen beiden Formen ein volatiles Anästhetikum verwendet wird. Demzufolge werden die IVA und die TIVA normalerweise im „high-flow“ durchgeführt.

2.5.1.2 Die Lokal- und Regionalanästhesie

Im Gegensatz zur Allgemeinanästhesie, bei der die Schmerzwahrnehmung im Gehirn ausgeschaltet wird, blockiert die Lokal- bzw. Regionalanästhesie die Schmerzleitung aus einem bestimmten Körpergebiet zum Gehirn. Diese Unterbindung der Weiterleitung von Schmerzinformationen zum Gehirn kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden.

Abbildung 4:

Schema zur Lokal-/ Regionalanästhesie

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Erreicht wird die Blockade dadurch, dass in die Nähe der entsprechenden Nerven bzw.

Nervenendigungen ein Lokalanästhetikum injiziert wird, welches diese reversibel hemmt.

Die Empfindungswahrnehmungen in anderen Regionen sind somit unbeeinflusst und der Patienten ist wach.

2.5.1.2.1 Die Lokalanästhesie

Bei der Lokalanästhesie, welche nur ein kleines Körperareal betäubt, unterscheidet man zwischen Oberflächen- und Infiltrationsanästhesie. Für eine Oberflächenanästhesie wird das gewünschte Oberflächenareal mit einem höherprozentigen Lokalanästhetikum – Lidocain, Xylocain oder Cocain – besprüht oder bestrichen. Die dünne Schleimhaut kann von dem Anästhetikum durchdrungen werden, nicht dagegen die normale Haut. Für letztere muss die so genannte EMLA-Creme verwendet werden. Durch das Aufbringen des Lokalanästhetikums werden die in der Schleimhaut bzw. in der normalen Haut liegenden sensiblen Nervenendigungen blockiert. Indiziert ist diese Art der Lokalanästhesie beispielsweise für das Legen eines Harnröhrenkatheters oder einer Venenpunktion beim Kind. Für die „kleine Chirurgie“ wie beispielsweise eine Wundversorgung ist die Infiltrationsanästhesie besser geeignet. Dabei werden die Lokalanästhetika – Lidocain, Mepivacain oder Prilocain – intradermal, subkutan oder intramuskulär injiziert und hemmen so die dort liegenden Nervenendigungen.

2.5.1.2.2 Die Regionalanästhesie

Größere Körperareale können mit der Regional- oder Leitungsanästhesie zur Empfindungs- und Schmerzfreiheit gebracht werden. Dabei unterscheidet man zwischen der Blockade einzelner Nerven, der Hemmung von ganzen Nervengeflechten und den rückenmarksnahen Regionalanästhesien. Bei diesen Verfahren wird das Lokalanästhetikum in die unmittelbare Nähe der neuronalen Strukturen gespritzt und diffundiert selbstständig in die Nerven. Weiter distal gelegene Versorgungsgebiete werden auf diese Weise inhibiert. Die Blockade von ganzen Nervengeflechten bezeichnet man als Plexusanästhesie. Anästhesiert werden können je nach Eingriff der Plexus brachialis, der Plexus lumbalis und der Plexus sacralis. Genauere Erläuterungen zur Blockierung eines einzelnen Nerven bzw. eines Nervenplexus werden am Beispiel der in der Studie durchgeführten Regionalanästhesie im nächsten Kapitel angefügt. Die rückenmarksnahen Regionalanästhesien kann man des Weiteren unterteilen in die Spinalanästhesie, die Periduralanästhesie und die Kaudalanästhesie. Zur Unterscheidung derer ist die Kenntnis der Rückenmarkshüllen erforderlich. Vom Rückenmark in Richtung Wirbelkörper beschrieben liegt die Pia mater dem Rückenmark und den abgehenden

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Spinalnerven unmittelbar auf. Der sich anschließende Liquorraum ist nach innen durch die Pia mater und nach außen durch die Arachnoidea begrenzt, weshalb er auch als Subarachnoidalraum bezeichnet wird. Der Arachnoidea liegt nach außen direkt die Dura mater an, welche wiederum vom Periduralraum umgeben wird. Dieser Raum, der mit einem Venengeflecht, Bindegewebe und Fettgewebszellen ausgefüllt ist, wird auch des Öfteren als Epiduralraum bezeichnet.

Bei der Spinalanästhesie wird das Lokalanästhetikum in den Subarachnoidalraum eingebracht, wodurch die entsprechenden Spinalnerven blockiert und die Schmerzempfindungen im entsprechenden Bereich ausgeschaltet werden. Angewandt wird diese Anästhesieform bei Eingriffen an der unteren Körperhälfte wie beispielsweise Unterbauch-, Leisten- oder Dammoperationen. Absolute Kontraindikationen sind Gerinnungsstörungen, Allergien gegen die Medikamente, eine starke Hypovolämie, lokale Infektionen im Punktionsbereich und ein erhöhter intrakranieller Druck. Punktiert wird meistens zwischen LWK 3 und LWK 4, um eine Verletzung des Rückenmarks, welches bei Erwachsenen in 97% nur bis LWK 2 reicht, zu verhindern. Zum Austesten der Ausbreitung der Spinalanästhesie eignet sich ein mittels Eiswürfel gesetzter Kältereiz am Besten. Dieser wird im betäubten Gebiet eher als Wärmegefühl empfunden. Mögliche Nebenwirkungen der Spinalanästhesie sind ein durch die Sympathikusblockade und die darauf folgende Vasodilatation bedingter Blutdruckabfall, eine Bradykardie durch das Überwiegen der Parasympathikusfunktion und ein postspinaler Kopfschmerz durch den geringen Liquorverlust. Außerdem kann es bisweilen zu bakteriellen Infektionen mit konsekutiver Abszess- oder Meningitisbildung und zu Harnverhalt, Übelkeit oder Rückenschmerzen kommen. Von einer kontinuierlichen Spinalanästhesie spricht man, wenn die Spinalkanüle für spätere Nachinjektionen in situ belassen wird.

Im Gegensatz zur Spinalanästhesie wird bei der Periduralanästhesie (PDA) das Lokalanästhetikum in den Periduralraum eingebracht, was technisch wesentlich schwieriger ist. Diese Art der Anästhesie wird bei Operationen in der unteren Körperhälfte, aber auch im Oberbauch- und Thoraxbereich verwendet. Außerdem wird sie häufig zur Schmerztherapie wie beispielsweise bei der Entbindung eingesetzt. Es gelten die gleichen Kontraindikationen und Komplikationen wie bei der Spinalanästhesie.

Zusätzlich kann es zur Rückenmarks- bzw. Nervenverletzung kommen, falls die PDA oberhalb von L3 durchgeführt und versehentlich die Dura perforiert wird. Bei Verletzung einer im Periduralraum liegenden Vene kann ein Hämatom entstehen.

Diese beiden, beschriebenen rückenmarksnahen Regionalanästhesien können auch kombiniert angewandt werden, um deren jeweilige Vorteile zu verknüpfen. Dazu wird eine konventionelle Kanüle in den Periduralraum eingeführt, welche als Schiene für die möglichst dünne Spinalkanüle zum Setzen der Spinalanästhesie fungiert. Dadurch ist das

Risiko für postspinalen Kopfschmerz minimiert und die Möglichkeit zur Nachinjektion durch einen peridural liegenden Katheter gegeben. Man spricht dann von einer kombinierten Spinal- Periduralanästhesie (CSE= combined spinal and epidural anesthesia).

Die dritte Form der rückenmarksnahen Regionalanästhesie ist die Kaudalanästhesie. Sie findet hauptsächlich bei Kindern Anwendung, weil bei diesen das Rückenmark noch weiter nach kaudal reicht als bei Erwachsenen. Zur Durchführung wird das Lokalanästhetikum, meist Bupivacain, durch den Hiatus sacralis in den Sakralkanal injiziert, welcher das kaudale Ende des Periduralraums darstellt. Indikationen dafür sind beispielsweise Hypospadieoperationen, Analeingriffe oder orthopädische Operationen an der unteren Extremität. Bei korrekter Identifizierung des Hiatus sacralis gilt die Kaudalanästhesie als ein sicheres Anästhesieverfahren bei kleinen Kindern [261].

Abbildung 5:

Übersicht über die Anästhesieformen

(dargestellt: Gehirn und Rückenmark = grau; Haut = gerade Linie)

2.5.1.2.3 Risiken, Komplikationen und Kontraindikationen

Im Allgemeinen muss bei allen peripheren Nervenblockaden zu einem gewissen Prozentsatz mit inkompletten Anästhesien gerechnet werden. Deshalb muss genau auf

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Hinweise wie Sympathikolyse, Hypästhesien und motorische Schwächen geachtet werden. Sollte sich kein Blockadeeffekt einstellen, darf eine erneute Nervenblockade unter keinen Umständen in dem bereits mit Lokalanästhetikum infiltrierten Gebiet wiederholt werden. In einem solchen Fall muss weiter peripher der ursprünglichen Blockadestelle erneut anästhesiert werden [169]. Weitere Komplikationen können toxische Reaktionen auf das Lokalanästhetikum, cerebrale Krampfanfälle oder neurologische Spätschäden sein. Letztere treten mit einer Häufigkeit von ca. 0,95% auf und können neben der direkten Verletzung des Nervs mit der Kanüle auch durch ein zur Nervenkompression führendes Hämatom bedingt sein [10,63,118]. Derartige neurologische Schäden weisen aber eine gute Prognose auf und gehen meist mit einer vollständigen Rückbildung der Lähmungen oder der Schmerzen einher [63,231,237]. Um solche Komplikationen zu vermeiden, können zusätzlich technische Hilfsmittel wie Gefäß-Doppler oder Sonographie angewendet werden. Allgemeine Kontraindikationen für diese Anästhesieform sind lediglich die Ablehnung durch den Patienten, manifeste Gerinnungsstörungen und Infektionen im Bereich der Einstichstelle. Eine Thromboseprophylaxe, die Einnahme von Acetylsalicylsäure oder neurologische Defizite, die genau dokumentiert sind, stellen keine Kontraindikationen dar.