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3.3 Der Kelch des 13. Jahrhunderts

3.3.3 Die Kuppa

Die Form der spätromanischen und frühgotischen Kuppa wird im wesentlichen von zwei Ausprägungen bestimmt: Der eher flachen und ausladend breiten Schale und der halbkugelförmigen Schale, jedoch sind die Übergängen zwischen beiden Formen fließend. Die Becherform, wie sie der z. B. Tassilokelch zeigt, ist völlig verschwunden. Die Kuppa des 13. Jh. zeichnet sich häufig durch ihre geringere Höhe gegenüber dem Radius aus und überschreitet nur selten den halben Durchmesser in cm, wodurch sich die Schalenform, ähnlich einer stark abgeplatteten Halbkugel, ergibt.117 Diese Form haben der Hezilokelch zu Hildesheim (K136, Abb. 19), der Kelch von St. Petri und St. Marien in Berlin (K22), der Kölner Kelch aus St. Aposteln (K160) und Kelche in Basel (K15), Borga (K27), St. Petersburg (K76), Haldensleben (K125, Abb. VI), Herford (K134), Namur (K215), New York (K224), Ottobeuren (K253), Plock (K257), Limburg (K187), Preetz (K262, Abb.

18) und im Kirchenkreis Salzwedel (K278)118.

Ebenfalls eher den Schalen zuzuordnen, jedoch mit einem geringeren Radius als die Höhe sind Kelche in Augsburg (K7), Marienstern (K202), Weingarten (K351) und Breslau (K38, Abb. 16)119.

117 Braun stellte zudem fest, dass nicht selten der Durchmesser der Kuppa annähernd gleich dem der Gesamthöhe oder nur geringfügig kleiner ist (Braun 1932, S. 88ff). Die meisten Kelche hätten demnach lediglich einen 2-3 cm kleineren Kuppadurchmesser als die Gesamthöhe beträgt, was für die genannten Beispiele auch zutreffen mag, doch kann diese Aussage nicht als Datierungsmerkmal des 13. Jh. betrachtet werden, auch wenn dies mit einigen Beispielen belegt und offensichtlich suggeriert werden soll. Zusätzlich zu den aufgezählten „Ausnahmen“ von dieser Regel gibt es noch einige weitere, von ihm unerwähnte, die durch bloßen Augenvergleich eine größere Differenz zwischen diesen Massen vermuten lassen. So erscheint die Gesamthöhe des Kelches der Berliner St. Petri und St.

Marien Kirche (K22) deutlich höher als der Durchmesser der Kuppa. Ebenso verhält es sich beim Wolfgangskelch in Regensburg mit 4,5 cm Unterschied (K268). Vor allem aber steht dieser Befund ohne geeignete Vergleiche da, da Braun solche Berechnungen z. B. für das 12. und 14. Jh. nur für wenige Objekte angibt und die nötigen Vergleiche nicht durchführt. Ein klassifizierendes oder datierendes Merkmal ist diese Feststellung nicht, da auch das 12. und frühere Jahrhunderte schon äußerst breite Kuppä kennen, die an die Gesamthöhe der Kelche durchaus heranreichen und nicht zu selten gewesen zu sein scheinen (St. Peter, Salzburg, Differenz: 3 cm, Braun, 1932, S. 61; Kathedrale zu Braga, Differenz: 3,5 cm, Braun,1932, S. 75; ein weiterer Kelch aus St. Peter, Salzburg, Differenz: 2 cm, Braun, 1932, S. 75; Kathedrale zu Nancy, Differenz 2 cm, Braun, 1932, S. 59). Die Auswertung einiger Maßangaben Brauns ergibt, dass es bis zum Beginn der Gotik noch eine höhere Anzahl an Größenverhältnissen gegeben hat, bei der Differenzen von 2 cm (Salzburg, s. Anm. 108) bis zu 10 cm (Tassilokelch, s. Kap. 3.2 und Anm. 86) und 11 cm (Kloster, Santo Domingo de Silos, Braun, 1932, S. 74) möglich waren. Eine eigene Berechnung wäre leider nur äußerst fragmentarisch zu bewerkstelligen, da Braun (1932) nicht in allen Fällen die Höhe und den Durchmesser und Fritz (1982) in seinen Erläuterungen nur die Kelchhöhe angibt. So ist mit Brauns wenig umfangreichen, kaum informativen Tafelteil und den unvollständigen Textangaben und den fragmentarischen Angaben bei Fritz kein gültiger Nachweis zu schaffen. Um wirkliche Vergleiche anzustellen bedürfte es einer großangelegten Vermessung einer sehr hohen Anzahl an Kelchen, um belegbare Rückschlüsse ziehen zu können.

118 Von der Kuppa wird angenommen, dass diese in jüngerer Zeit erneuert wurde (,Ausst. Kat. Magdeburg-Quedlinburg-Wittenberg 2001, Kat.Nr. 9), dennoch findet sich in ihr die flache Schalenform des 13. Jh., sodass davon auszugehen ist, dass sich die Erneuerung am ursprünglichen Zustand orientiert.

119 Der gewaltige glatte Kupparand ist dem Anschein nach später entstanden.

Nicht eindeutig zuordnen lässt sich die Form des Kelches vom Kloster Mariensee (K231), die zwischen der abgeflachten halbkugeligen Schale und der vollendeten Halbkugel liegt. Ebenso verhält es sich bei Kelchen in Lüdinghausen (K195), Freiburg (K90, Abb. 17) und Glarus (K98).

Halbkugelige Kuppä ohne merkliche Abflachung mit einer Höhe gleich dem/größer als der Radius zeigen der Bernhardskelch in Hildesheim (K135, Abb. VII), Kelche in Werben (K354, Abb. VIII), Fritzlar (K92), Gronau (K111), Haldensleben (K124, Abb. V), Hannover (K129), Regensburg (K268, Abb. 15), Brandenburg (K29, Abb. 3), Plock (K258), Prenzlau (K263), Rathenow (K265) und im Kirchenkreis Stendal (K283)120.

Gegen Ende des Jahrhunderts findet ein Wandel statt, der auf die Entwicklung des 14. Jahrhunderts verweist. Die Kuppä zeigen vereinzelt schon einen zwar immer noch an eine Schale erinnernden Querschnitt, aber mit angedeuteter Kegel- bzw. Trichterform. An einem Kelch in Bielefeld (K24) von 1292/93 finden sich leise Anklänge an diese Entwicklung; deutlicher zeigt dies der Walburgiskelch (K72) in Eichstätt von 1270-1300 und ein Kelch in Mehrerau (K208, Abb. 8 a) von ca. 1300 mit leicht angespitztem Bodenprofil. Ob die Kuppa eines ehemals Osnabrücker Kelchs (K191, Abb. XXXII) dem Originalzustand nach erneuert wurde lässt sich nicht feststellen, erscheint aber angesichts ihrer deutlich fortgeschrittenen Gestaltung, die eher der Mitte des 14. Jh.

zuzurechnen ist, unwahrscheinlich.

Einige Kuppä weisen eine Eigenheit auf die nur im 13. Jh. vorkommt; die konkav gewölbte Lippe.

Hierbei wölbt sich der Rand der Kuppa leicht nach außen. Die Wölbung kann erst auf den letzten Millimetern, aber auch schon deutlich vor dem Kupparand einsetzen. Beispielsweise zeigt die Kuppa des Berliner Stücks (K22) eine Wölbung, die bereits kurz nach dem zweiten Drittel der Kuppahöhe ansetzt und dann mit schwacher Biegung bis zum Rand weiterläuft. Anders verhält es sich am St. Petersburger Kelch (K76), dessen Kuppawand im oberen Drittel senkrecht verläuft und sich erst am Rand nach außen wölbt. Die vorhandenen Objekte lassen den Schluss zu, dass sich diese Gestaltungsweise ab dem letzten Drittel des 13. Jh. Jahrhunderts verliert. Zusätzlich zu den beiden genannten Beispielen mit gewölbter Kuppalippe kommen noch jene in Augsburg (K7, Wölbung setzt sehr tief an), Fritzlar (K96, Wölbung setzt deutlich unter dem Rand mit ausgeprägter Kehlung an), Gronau (K111, Wölbung schwach ausgeprägt und hoch ansetzend), Haldensleben (K124, Abb. V, schwache, hoch ansetzende Wölbung) u. v. w. hinzu.121

120 Auch hier ist eine Nachbildung des Originalzustands anzunehmen.

121 Haldensleben (K125), Hannover (K129, deutlich ausgeprägte, hoch ansetzende Wölbung), Herford (K134, Wölbung setzt hoch an, deutlich ausgeprägt), Köln (K160, schwach ausgeprägte Wölbung), Namur (K215, deutliche, hoch ansetzende Wölbung), Nürnberg (K231, deutliche, hoch ansetzende Wölbung), Warschau (K257, kleine Wölbung, setzt sehr hoch an), Plock (K258, deutliche Wölbung, die hoch ansetzt), Rathenow (K265, deutliche Wölbung, die sehr hoch ansetzt), Weingarten (K351, tief ansetzende, gemächlich verlaufene Wölbung) und Basel (K15, deutlich ausgeprägte Wölbung, die sehr hoch ansetzt).

Auch in den dekorativen Gestaltungsmöglichkeiten der Kuppa zeigen sich noch im 13. Jh.

zahlreiche Optionen, die sich bereits im 14. Jh. verlieren. Wie anhand der tabellarischen Auswertung ersichtlich wird (Tab. 2), ist die größte Anzahl plastisch oder auch graviert dekorierter Kuppä im 13. Jh. anzutreffen. Zwar überwiegt die glatte, unverzierte Kuppa, doch sind mit ca.

einem Drittel mehr als doppelt so viele Kuppä dekorativ verziert als es bis zum Ende der Gotik je wieder der Fall sein sollte. Sehr wenige davon sind mit plastisch ausgearbeitetem Kuppaschmuck erhalten. Es handelt sich um jene in Augsburg (K7, jedoch mit getriebenen Zungen ohne Ikonografie), Berlin (K22), Borga (K27), Fritzlar (K92), Haldensleben (K125, Abb. VI), Hildesheim (K135, Abb. VII) Marienstern (K202), New York (K224), Weingarten (K351), Breslau (K38, Abb. 16) und Preetz (K262, jedoch rein ornamentales Dekor, Abb. 18). Die meisten von ihnen besitzen einen glatten, unverzierten Kupparand, der das Trinken erleichterte und somit Verunreinigungen des Weines verhindern sollte. Ausnahmen hiervon sind der Bernwardskelch in Hildesheim (K135, Abb. VII) und der Sifriduskelch in Finnland (K27, Abb. I) deren umfangreicher Relief- und Filigrandekor bis an den Trinkrand verläuft. Jedoch ist auch hier jeweils eine halbkreisförmige Aussparung an einer Stelle vorhanden. Ob es sich beim Breslauer Kelch (K38, Abb. 16) ebenfalls um eine solche Kuppa mit vollständigem plastischen Dekor gehandelt hat, lässt sich aufgrund der offensichtlichen Umarbeitungen des Kupparandes, der heute einen breiten glatten Streifen zeigt, nicht feststellen.

Hauptsächlich kamen bei dekorierten Kuppä aber Gravur und Niello zum Einsatz. Es handelt sich bei den Darstellungen häufig um Medaillons analog zu jenen, die oft auf Kelchfüßen zu finden sind, ornamentalen Dekor oder um eine umlaufende Gravur, welche das letzte Abendmahl, bzw. dem vollständigen Apostelkollegium unter Arkaden. Letzteres ist im Vergleichszeitraum bis auf eine Ausnahme ausschließlich im 13. Jh. anzutreffen.122 Gravierte Kelchkuppä finden sich in St.

Petersburg (K76, Apostelkollegium unter Arkaden), Haldensleben (K124, Abb. V, Medaillons mit verbindendem Ornamentband), Hannover (K129, umlaufende Gravierung mit runden Hauptbildfeldern), Hildesheim (K136, Apostelkollegium unter Arkaden), Abb. 19, Köln (K160, Apostelkollegium unter Arkaden), Lambach (K181), Ottobeuren (K253, Apostelkollegium unter Arkaden), Warschau (K257, fünf Rundmedaillons und umlaufende Inschrift), Plock (K258, Apostelkollegium zwischen zwei Arkadenreihen), Rathenow (K265, vier Medaillons, dazwischen Engelsbüsten und Ornament), Werben (K354, Abb. VIII, große Ähnlichkeit mit dem Rathenower Stück, jedoch ohne Engelsbüsten), Freiburg (K90, schmale Inschrift am Kupparand, Abb. 17) und Basel (K15, Rundbogenfries mit vegetabilem Ornament).

122 Diese Form der Gestaltung stammt bereits aus der Hochromanik, wie z. B. der sog. Annokelch in St. Georg, Frauenberg, aus dem 12. Jh. belegt (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. IV, Kreis Euskirchen, Düsseldorf 1900, S. 59).

Der überwiegende Teil der Kelche des 13. Jh. zeigt glatte, unverzierte Kuppä, von denen nur ein paar namentlich genannt werden sollen: Bielefeld (K24) vom E. 13. Jh., Brandenburg (K29, Abb.

3), aus der 2. H. 13. Jh., Gronau (K111), aus der 2. H. 13. Jh., Namur (K215) von um 1230, Nürnberg (K231), von um 1230, Regensburg (K268, Abb. 15) von um 1260 und Limburg (K187) aus der M. 13. Jh.123.