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3. Über den Charakter in der Natur

3.3 Das doppelte Faultier? – Empirischer und intelligibler Charakter

3.3.1 Die Gelegenheit zum Faultier: Causes occasionelles

Ende des siebzehnten Jahrhunderts stellt Malebranche ein System vor, das unter anderem die Lösung des Cartesischen, durch die Einführung der Zirbeldrüse357 nur verschobenen Problems der Kommunikation von res extensa und res cogitans beinhalten soll358. Des Pudels Kern: Gott ist es, der bewegt, was ganz disparat ist; freilich so als ob es direkten Einfluss nähme. Woraus folgt, dass einen Vorgang im geistigen Reiche man für Gott „Gelegenheit“ nennen könnte, einen entsprechenden Vorgang im körperlichen auszuführen und umgekehrt einen Vorgang im Körperlichen mit einem im Geistigen zu quittieren. Damit aber nicht genug: Auch Krafteinwirkung der körperlichen Substanzen untereinander wurden als suspekt – Descartes bestimmte ja die Materie als pure Ausdehnung ohne Kraftmoment359 – abgelehnt, so dass auch hier es Gott ist, der eine Gelegenheit zur Bewegung nutzt360. – „[Q]ue toutes les causes naturelles ne sont point de

356 Es mag dem nichtkünstlerischen Menschenkenner zuletzt aber entgegen kommen, dass die Natur wie bereits dargestellt sich nicht durch besonders großen Erfindungsreichtum auszeichnet und den Gattungscharakter der Menschheit nur durch ein Mehr oder Minder an den Möglichkeiten im Individuum variiert. Dass dieser Möglichkeiten recht vieler sind, bedarf keiner Erwähnung. Dennoch bietet sich so die Gelegenheit, wenigstens die Elemente zu kennen, die immer wieder in verschiedener Dosierung neu vermischt das Individuelle bilden. – Und kennt man die Elemente, ist so mancher Verbindung die Überraschung genommen.

357 Vgl. Descartes (1909), 351: „Qu'il y a une petite glande dans le cerveau, en laquelle l'ame exerce ses fonctions, plus particulierement que dans les autres parties.“

358 Oder, wie Leibniz sagt: „Mr. des Cartes avoit quitté la partie là dessus, autant qu’on le peut connoistre par ses écrits: […]“ GP IV, 483 („Descartes hatte an diesem Punkte, soviel man wenigstens aus seinen Schriften ersehen kann, das Spiel aufgegeben: […]“ [Übersetzung Leibniz (1695), 266])

Für eine Darstellung der verschiedenen Motivationsquellen Malebranches zur Aufstellung seines Systems, deren hauptsächliche „theologisch“ genannt zu werden verdiene, vgl. Nadler (2000).

359 „Nempe extensio in longum, latum & profundum, substantiae corporeae naturam constituit; […]. Nam omne aliud quod corpore tribui potest, extensionem præsupponit, estque tantum modus quidam rei exensæ; […]“

Descartes (1905), 25

360 Vgl. insgesamt Röd (1978), 112f.

Zur Verdeutlichung eines Konzeptes von Kausalität zwischen Körpern dürfen natürlich die berüchtigten Billardkugeln nie fehlen: „[A]nd the impact of one billard ball upon another is an occasion for God to put the first ball at rest and move the second ball.“ Nadler (2000), 116

Gedacht ist der Bewegungsvorgang bei Malebranche allerdings sehr trickreich: Gott verschiebt nicht einfach ein Ding im Raum, sobald ein Stoß eines anderen Dinges dazu anleitet, sondern reproduziert im Rahmen einer als kontinuierliche Neuerschaffung gedachten Erhaltung der Welt den Körper in jedem Augenblick sukzessive an

véritables causes mais seulement des causes occasionelles, […]“361, lautet das berühmte Credo Malebranches.

Doch die Bezeichnung „Gelegenheit“ kann irreführend wirken: Gemeint ist nämlich nicht: „Gott könnte, wenn er nur wollte“ – wie ein sonniger Tag eine gute Gelegenheit für einen Spaziergang ist –, sondern diese Gelegenheit ist vielmehr – selbstauferlegtes – Muss als Kann. Sie ist die Transformation innerweltlich beobachteter Gesetzlichkeit in ein metaphysisches System bestimmter Couleur, indem der Gesetzescharakter innerhalb des Systems dann bestimmt wird als eine gewisse unvermeidliche Tätigkeit Gottes, sobald sich Gelegenheit bietet362. Während diese Kombination aus sich darbietender Gelegenheit und felsenfester göttlicher Zuverlässigkeit – der Cartesische Gott der Meditationen und die Betonung seiner Zuverlässigkeit wirkt wohl hier nach363 – den Gesetzescharakter vertritt im System, liegt die Seite der Energetik ganz bei Gott. Gott nämlich ist Wirkursache – und zwar die einzige364.

Nun interessiert sich Schopenhauer für Gott bekannterweise nur insofern, als er ihm seine Existenz streitig machen kann, und auch für heterogene, in Einklang zu bringende Substanzen hat er systembedingt nur wenig übrig. – Und doch interessiert ihn das System Malebranches, weil er es versteht, dessen Begrifflichkeit der „causes occasionelles“ als einen Katalysator für sein eigenes Konzept zu nutzen und dieses im Rückgriff auf den Denker des 17. Jahrhunderts zu erläutern365. – Was nicht zuletzt für Schopenhauer dann genauso „Gelegenheit“ ist, sich selbst einzuschreiben in die Nachkommenschaft des Denkers, der mit seiner Erkenntnis schon beinahe am selbstdefinierten non plus ultra gekratzt hätte.

An dieser Stelle ist ein Ebenenwechsel ins Konkrete sinnvoll: Wann erscheint eigentlich ein einzelnes Faultier? Man würde doch zunächst sagen, kurz und knapp: Wenn ein Faultierjunges geboren wird! Aber dass ein Faultierjunges geboren wird, sich zum erwachsenen Tiere entwickelt?

– All dies bedarf bestimmter äußerer Umstände, das Faultier muss die Gelegenheit haben, sich zu entwickeln, die Elterntiere müssen die Gelegenheit zur Zeugung haben; folglich: Das Faultier muss die Gelegenheit zum Eintritt in die Welt und zum Bleiben auf der Welt haben. Und das Schopenhauer'sche Faultier wird seine Gelegenheit freilich auch nicht verstreichen lassen, denn es

einer benachbarten Stelle. Vgl. Röd, 141 361 Malebranche (1974), 312

362 „Gott läßt dieser [des Okkasionalismus, Th.L.] Ansicht nach aus Anlaß gewisser materieller Vorgänge gewisse andere eintreten, und zwar nicht willkürlich, sondern in streng gesetzmäßiger Weise, da er auf Grund seiner absoluten Vollkommenheit stets in gleicher Weise wirken muß.“ Röd (1978), 113

363 „Ex eo enim quod Deus non fit fallax, sequitur omnino in talibus me non falli.“ Descartes (1904), 90

364 Dies ad maiorem gloriam dei: „Sie [die Okkasionalisten] waren von der Überzeugung erfüllt, daß alles Endliche der göttlichen Allmacht gegenüber ohnmächtig sei, und glaubten daher, daß eine Theorie, die den Dingen eine kausale Wirksamkeit zuschreibt, mit der Lehre von der Übermacht Gottes unverträglich sei.“ Röd (1978), 113 365 „Lesen Sie jene Stellen [bei Malebranche, Th.L.]: denn außerdem hat es den Vorteil, daß man eine Wahrheit tiefer

faßt, wenn man sie von zwei ganz verschiednen Gesichtspunkten aus zu sehen bekommt; in der Sprache zweier ganz verschiedner Systeme vortragen hört.“ VLM, 161

will in die Welt, es drängt dorthin. Für das Faultier hier wie für Gott oben ist Gelegenheit Muss;

oder im Kontext einer Willensmetaphysik vielmehr ein „ich will“, das jedoch ebenso ausnahmslos bleibt wie das Muss. Damit ist man wieder auf der allgemeinen Ebene: Dieser hiesige Begriff von

„Gelegenheit“ ist eben Schopenhauers, wenn er über Malebranche’sche „causes occasionelles“

sinniert: Für ihn, Malebranche interpretierend (den wahren Kern seiner Philosophie würdigend366), muss der intelligible Charakter – oder die mit ihm identifizierte Idee – eine Gelegenheit erhalten, um in die Welt zu kommen und sich dort in einer Erscheinung zu erhalten.

Verteiler der Eintrittskarten in die Welt, jener Gelegenheiten zur Erscheinung, ist das Gesetz der Kausalität367. Man bedenke, dass es ja nur eine Materie gibt, die alle Erscheinungen des Willens miteinander teilen müssen, was ein Verteilungsgesetz notwendig macht368 – welches natürlich in seiner vollendeten Strenge wieder nur kompensatorisches Gegenstück zum brodelnden Willen und dessen ungestümen Drängen ist, der zwar manches, aber eben nichts Geordnetes erklärt. Öffnet sich durch bestimmte Kausalvorgänge in der Welt eine Gelegenheit für einen bestimmten intelligiblen Charakter zu erscheinen – mag eine Kugel auf einem Billardtisch gestoßen werden, mag eine Faultierpaarung stattfinden –, gelangt er, seine Energetik unter Beweis stellend (der intelligible Charakter ist schließlich ein „Willensakt“), gierig zur Erscheinung, die entstandene Leerstelle auszufüllen mit – sich.

Die „Gelegenheit“ impliziert demnach zwei Dimensionen: Erstens die Gelegenheit für die Existenz an bestimmtem Ort und für bestimmte Zeit, die Korporisation, oder, wie Schopenhauer es ausdrückt, während er auf den intelligiblen Charakter außerhalb von Zeit und Raum hinaus will, der seine Gelegenheit ergreift: „Kein Ding in der Welt hat eine Ursache seines Daseyns schlechthin und überhaupt, eine Ursache seines ganzen Wesens; sondern nur eine Ursache aus der es grade hier und grade jetzt da ist.“369. Und zweitens die Gelegenheit für die Äußerung in der Existenz, im Bestehen in Zeit und Raum als Tätigkeit, oder wie Schopenhauer formuliert: „Also alle Ursache ist Gelegenheitsursache. So haben wir es gefunden in der erkenntnißlosen Natur:

366 „Ja, ich muß es bewundern, wie Mallebranche, gänzlich befangen in den positiven Dogmen, welche ihm sein Zeitalter unwiderstehlich aufzwang, dennoch, in solchen Banden, unter solcher Last, so glücklich, so richtig die Wahrheit traf und sie mit eben jenen Dogmen, wenigstens mit der Sprache derselben, zu vereinigen wußte.“ W I, 163

Malebranche taucht auch des öfteren – am auffälligsten sicherlich im Motto zur (gekrönten) Preisschrift über die Freiheit des Willens – noch mit dem Zitat „La liberté est un mystère“ auf; welche im übrigen noch falsche Zitierung bei Schopenhauer aber eine andere Bedeutung annimmt, als sie in der Traditionslinie besitzt, die das Zitat öffnet. Zur Freiheit als Geheimnis und dem Ausspruch des Malebranche vgl. Kobusch (1996), 178f.

367 „Durch Zeit und Raum vervielfältigt sich die Idee zu unzähligen Erscheinungen: die Ordnung aber, nach welcher diese in jene Formen der Mannigfaltigkeit eintreten, ist fest bestimmt durch das Gesetz der Kausalität: dieses ist gleichsam die Norm der Gränzpunkte jener Erscheinungen verschiedner Ideen, nach welcher Raum, Zeit und Materie an sie verteilt sind.“ VLM, 155

368 „Nur also, weil alle jene Erscheinungen der ewigen Ideen an eine und dieselbe Materie gewiesen sind, mußte eine Regel sein für ihren Ein- und Austritt; sonst würde keine der anderen Platz machen.“ VLM, 155

369 VLM, 161

gerade so aber ist es auch da, wo nicht mehr Ursachen und Reize, sondern Motive es sind, die den Eintrittspunkt der Erscheinungen [hier: der Handlungen, Th.L.] bestimmen, also im Handeln der Thiere und Menschen.“370 – Das Beispiel, wie die occasio Malebranches nicht zu verstehen sei, nämlich als ein unverbindliches Kann – gleich dem für Freizeitaktivitäten einladenden Wetter –, lässt sich wie gesagt unbeschränkt auf Schopenhauer übertragen. Von den niedrigeren Stufen des Anorganischen bis hinauf zur menschlichen Handlung sind es immer wieder die absolut forcierenden Gelegenheiten, welche den Willen in Tätigkeit versetzen. Und damit ist der spezifisch menschliche Wille ganz genauso nur ein auf Gelegenheiten mit Notwendigkeit anspringendes Prinzip. Er macht keine Ausnahme vom Rest, sondern wartet ebenso geduldig wie penetrant auf Objekte seiner Begierde – „Gelegenheiten“371. Man wird hier Zeuge, wie durch alle Transpositionen hindurch das ursprünglich blinde Prinzip seine wesenhafte Blindheit nie abschütteln kann, wenngleich es dieser Blindheit als im Menschen mit reflexiver Erkenntnis gesegnet nun beeindruckt zusehen darf; wovon „Er kann nicht anders“ treffendster und erschreckendster Ausdruck zugleich ist.

Dies alles gilt natürlich dann auch für das Faultier: Nicht nur sein Eintritt in die Welt, sein Erscheinen als Körper benötigt die Gelegenheit, auch die Vorführung seines Repertoires an Verhaltensweisen muss jeweils ihre konkrete Gelegenheit finden: Ein zum Baumwechsel verlockendes Mahl zum Beispiel beschert dem Biologen die Beobachtung des Baumwechsels.

Mit dem occasio-Konzept streift man zugleich den Schopenhauer’schen Begriff des

„Unwesentlichen“372 im Lebensverlauf, während das gegenpolige „Wesentliche“373 aus dem bekannten „Gemeinsamen“ in allen Handlungen, namentlich der „Gesinnung“ des Menschen resultiert. – Der konkrete Lebenslauf des Faultiers wie des Menschen ist ja synekdochischer Ausdruck dessen, was in seinem Charakter liegt, eine pars pro toto, ein Ausschnitt eines Ganzen, der hervorgelockt wird durch konkrete Gelegenheiten. Es sind konkrete Gelegenheiten, die nur eine konkrete Seite des Charakters je zur Geltung und zum Ausdruck bringen. Die tatsächlich im Weltverlauf statthabende Beleuchtung einer bestimmten Seite des Charakters ist für denjenigen Schopenhauer, dessen Transscendente Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im

370 W I, 164

371 Zumindest so lange, wie er noch nicht über sich hinausgeht. Aber das ist das Thema der Ethik, nicht der Metaphysik der Natur, denn es beinhaltet eine radikale Annihilierung des Prinzips „Wille“ selbst: Der Wille, der nicht mehr will, ist zunächst schon widernatürlich, weil alle Natur strebender Wille ist, und von daher allein kein Thema mehr der Metaphysik der Natur. Dann aber ist die Verwandlung des Willens keine Transformation des blinden Prinzips in etwas anderes, sondern dessen ganze und vollständige Abschaffung. – Keine Verklärung des Willens durch einen Übergang, sondern seine Vernichtung durch den Untergang: „Das klingt wie das Gegenbild einer creatio ex nihilo: eine annihilatio ex positivo.“ Pothast (1982), 117

372 VLM, 162; weiter unten zitiert.

373 W I, 189

Schicksale des Einzelnen man beiseite lässt374, in Bezug auf den Charakter „zufällig“375, hängt ab von verschiedensten Ursachenketten und ist zugleich: das „Unwesentliche“: „[D]ieses, sein faktischer Lebenslauf, ist bloß die äußere Form seiner Erscheinung, das Unwesentliche derselben, und dies hängt allerdings ab von der Gestalt der Motive, von den Umständen, in die ihn das Schicksal versetzte, von den Umgebungen, den äußeren Einflüssen.“376 Doch in diesem Unwesentlichen liegt jene mitschwingende Wörtlichkeit des Intelligiblen, das Gemeinsame, die Gesinnung: der Grund, warum der Betrüger auch in der abendlichen Skatrunde noch betrügt wie er am Vormittag den Vertragspartner für viel Geld über den Tisch gezogen hat. Das ist dann für Schopenhauer das „Wesentliche“377 – im Wortsinne: das innere Wesen, der intelligible Charakter, der sich ausspricht im penetranten Gleichbleiben der teilweise wohlverborgenen Gesinnung durch den empirischen Charakter hindurch als zu Konstruierendes. Es ist dies der „ethische Gehalt“ des Lebens, die „innere Bedeutung“ des Lebenslaufes378; ein Thema, das später aufgegriffen werden wird379.

374 Im Rahmen dieses Textes nämlich argumentiert Schopenhauer in einer Transpositionsbewegung (P I, 227) des schon im Hauptwerke gefassten Gedankens zur Erklärung der Teleologie in der Natur, dass das Gefühl eines

„abgekarteten“ (P I, 217 Anmerkung) Spiels im Leben nicht unbedingt so unrichtig sei; dass zuletzt das Leben im Rückblick doch nach einem Plan aussehe. Und zwar deswegen, weil man selber als der eine Wille, nur eben in einer individuellen Erscheinung, in einen gewissen Anpassungsmechanismus miteingebunden wäre. Damit ist dasjenige, was uns passiert, also dasjenige, was unseren Charakter zur Aussprache bringt, eben nicht in Bezug auf uns zufällig, sondern unserem Charakter und seiner Aussprache angemessen und damit bereits zweckgerichtet.

Zur optimistischsten Schrift des einst pessimistischsten Philosophen bemerkt Zentner (1995), 156: „Es ist verblüffend, daß diese Schrift, die in einem krassen Widerspruch zum früheren Pessimismus Schopenhauers steht, auf die Rezeption bislang nicht beunruhigender gewirkt hat.“ – So weit das auch als berechtigte Frage erscheint, kann die Rechtfertigung für eine – auch hier praktizierte – Nichtbeachtung Schopenhauer gleich selbst geben, indem er seiner Schrift explizit eine Sonderstellung in seinem Oeuvre zuweist: „Obgleich die hier mitzutheilenden Gedanken zu keinem festen Resultate führen, ja, vielleicht eine bloße metaphysische Phantasie [Kursivierung, Th.L.] genannt werden könnten; so habe ich mich doch nicht entschließen können, sie der Vergessenheit zu übergeben; weil sie Manchem, wenigstens zum Vergleich mit seinen eigenen, über denselben Gegenstand gehegten, willkommen seyn werden. Auch ein Solcher jedoch ist zu erinnern, daß an ihnen Alles zweifelhaft ist, nicht nur die Lösung, sondern sogar das Problem. Demnach hat man hier nichts weniger, als entschiedene Aufschlüsse zu erwarten, vielmehr die bloße Ventilation eines sehr dunkeln Sachverhältnisses […]

Wenn ich dabei dennoch bisweilen in den positiven, oder gar dogmatischen Ton gerathen sollte; so sei hier ein für alle Mal gesagt, daß dies bloß geschieht, um nicht durch stete Wiederholung der Formeln des Zweifels und der Muthmaaßung weitschweifig und matt zu werden; daß es mithin nicht ernstlich zu nehmen ist [Kursivierung, Th.L.].“ P I, 213; einfach gesagt: Diese Schrift entspricht nicht den von ihm selbst aufgestellen Maßstäben

„redlich[er] Philosophie“ (P I, 184) Kantischer – und eigener – Couleur.

Diese Gebrauchsanweisung für das kleine Parergon sollte konsequenterweise auch auf §49 des Hauptwerkes, zweiter Teil, angewandt werden: Nur so entkommt man den Irritationen eines Moebius, der schließlich orakelt, es wäre Schopenhauers angenehme Lebensweise (und seine Senilität), die sich in diesen herausstechenden Teilen seines Werkes niederschlüge (vgl. Moebius (1911), 266f.).

375 Vgl. z. B. W II, 605: „[D]ie Gelegenheiten, einen edlen Charakter an den Tag zu legen, sind selten und dem Zufall anheimgestellt; […]“

376 VLM, 162

377 „[S]o z. B. ist es unwesentlich, ob man um Nüsse oder Kronen spielt: ob man aber beim Spiel betrügt, oder ehrlich zu Werk geht, das ist das Wesentliche: dieses wird durch den intelligibeln Charakter, jenes durch äußern Einfluß bestimmt.“ W I, 189

378 „[…] hingegen die innere Bedeutung dieses Lebenslaufs, der ethische Gehalt desselben, sein eigentliches Wollen geht ganz allein hervor aus dem [intelligiblen, Th.L.] Karakter, der die unmittelbare Erscheinung des Willens selbst, mithin grundlos ist, d. h. eben frei.“ VLM, 162

379 Vgl. insgesamt Kap. 5