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Die Zeit zwischen 1730 und 1760 hat in der Geschichte der österreichischen Lite-ratur keine großen Spuren hinterlassen – anders als in der deutschen LiteLite-ratur, wo die Tätig keit Johann Christoph Gottscheds (1700–1766), seine publizistischen Feh-den mit Feh-den Zürcher Literaturtheoretikern Johann Jakob Bodmer (1698–1783) und Johann Jakob Breitinger (1701–1776), die Schriften Christian Fürchtegott Gellerts (1715–1769), die neue scherzhafte Lyrik Friedrich von Hagedorns (1708–1754), Johann Wilhelm Ludwig Gleims (1719–1803) und der anderen Anakreontiker, die erhabene Odendichtung des jungen Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), das neue regelmäßige Drama der Gottsched-Schule, das beginnende bürgerliche Trauer-spiel (Lessings Miss Sara Sampson, 1755) und die einsetzende Literaturreflexion (Johann Elias Schlegels Vergleichung Shakespears und Andreas Gryphs 1741, Lessings Briefwechsel über das Trauerspiel 1756/57) die Basis legten für jene Blüte der deutsch-sprachigen Literatur, die mit den Schlagworten „Sturm und Drang“, „Klassik“ und

„Romantik“ sowie mit den Namen Klopstock, Lessing, Wieland, Goethe und Schiller verknüpft ist. Trotzdem sind in diesen Jahren auch in Wien die Grundlagen gelegt worden für die im Vergleich zum literarischen Weimar natürlich bescheidenere lite-rarische Produktion der 1780er Jahre, des sogenannten josephinischen Jahrzehnts, die sich in politisch engagierter Prosa, in populären Gedichten, in satirischen komi-schen Epen und in einer ausgeprägten dramatikomi-schen Kultur manifestierte und von der heute nur noch die Opern Wolfgang Amadeus Mozarts und die Vokalkompositionen Joseph Haydns bekannt sind, während sowohl die Textdichter dieser Komponisten (Emanuel Schikaneder, Lorenzo da Ponte, Gottfried van Swieten) als auch die sons-tigen Größen der damaligen Wiener Literaturszene wie Johann Baptist von Alxinger, Aloys Blumauer, Johann Pezzl oder Joseph Franz Ratschky nur mehr bei den Einge-weihten einen Wiedererkennungseffekt auslösen dürften.1

Die literarischen Verhältnisse in den habsburgischen Ländern sind in diesen Jah-ren wesentlich stärker von den politischen Entwicklungen geprägt, als das in den

* Einige Passagen dieses Beitrages wurden übernommen aus Wynfrid Kriegleder, Eine kurze Ge-schichte der Literatur in Österreich. Menschen – Bücher – Institutionen. Wien 2011.

1 Vgl. Franz M. Eybl, Probleme einer österreichischen Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts, in : Wendelin Schmidt-Dengler/Johann Sonnleitner/Klaus Zeyringer (Hg.), Literaturgeschichte : Österreich. Prolegomena und Fallstudien. Berlin 1995, 146–157.

deutschen Ländern der Fall war. Es ist daher notwendig, in aller Kürze die politische Situation zu charakterisieren.2

Nach dem Tod Kaiser Karls VI. im Jahre 1740 suchte seine Tochter Maria Theresia das habsburgische Erbe anzutreten. Sie konnte sich dabei auf die 1713 erlassene Prag-matische Sanktion berufen, ein habsburgisches Hausgesetz, das nicht nur die künftige Erbfolge regelte, sondern auch die Unteilbarkeit der habsburgischen Territorien be-kräftigte. Während Karl VI. sehr viel Energie darauf verwendet hatte, die Anerken-nung der Pragmatischen Sanktion sowohl im Ausland als auch in den verschiedenen habsburgischen Ländern durchzusetzen, begann er nur sehr zaghaft mit tatsächlichen Schritten, die unteilbaren Habsburger Länder zu vereinigen.

Maria Theresia musste sich zunächst in mehreren Kriegen gegen Gebietsansprüche benachbarter Staaten zur Wehr setzen. Im Großen und Ganzen konnte sie sich be-haupten ; lediglich Schlesien ging an Preußen verloren. Gleichzeitig begann sie eine ausgeprägte Zentralisierungs- und Reformpolitik. Diese Reformen waren eine poli-tische Notwendigkeit. An den disparaten Habsburger Ländern war, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten, der Prozess der Modernisierung bisher vorbei-gegangen. Insbesondere Preußen, das seit dem Überfall auf Schlesien zum wichtigsten politischen Gegner avanciert war, zeigte sich als fortschrittlicher Staat und damit als vorbildhaft. Die Rückständigkeit Österreichs musste aufgeholt werden : man konnte die europäische Aufklärung nicht länger ignorieren.

Die Rezeption der Aufklärung erfolgte in Österreich unter dem Gesichtspunkt der Staatsreform. Es war eine Aufklärung von oben, getragen vom Hof, der Regierung und der Beamtenschaft. All die Initiativen und Reformen, die bereits in den späten 1740er Jahren einsetzten und nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, 1763, an Intensität zunahmen, hatten primär einen pragmatischen und zweckrationalen Cha-rakter. Ein geordneter Einheitsstaat sollte entstehen, funktionierende Staatsbürger und brauchbare Staatsdiener sollten herangezogen werden. Dass diese Reformen auch eine bürgerliche Gesellschaft und damit eine bürgerliche Literatur hervorbrachten, die allmählich den Anschluss an die literarische Entwicklung im protestantischen Deutschland fand, war ein nicht wirklich intendierter Neben effekt.

Im Mittelpunkt stand eine Zentralisierung der Verwaltung, der Finanzpolitik und der Justiz. Für die weitere Entwicklung der Literatur aber war ein anderer Be-reich entscheidend : die Bildungsreform. Der Versuch, das Bildungswesen unter staatliche Kontrolle zu stellen, musste sich gegen jene Institution richten, in

de-2 Vgl. Karl Vocelka, Glanz und Untergang der höfischen Welt. Repräsentation, Reform und Reaktion im habsburgischen Vielvölkerstaat (Herwig Wolfram [Hg.], Österreichische Geschichte 1699–1815) Wien 2001.

ren Händen es bisher gelegen war : die katholische Kirche. Obwohl Maria Theresia selbst eine fromme Katholikin war, scheute sie diese Auseinandersetzung nicht. Be-reits 1751 wurde die Studien- und Bücher-Zensur-Hofkommission eingerichtet. Nach der 1773 erfolgten weltweiten Aufhebung des Jesuitenordens, der das Schul- und Universitätswesen dominiert hatte, übernahm der Staat in Österreich endgültig die Oberaufsicht.

Auch das höhere Schulwesen wurde reformiert. Es kam 1746 zur Gründung einer Eliteschule für junge Adelige, nämlich des Theresianums in Wien, im selben Jahr zur Gründung der Savoyischen Ritterakademie, 1751 zur Gründung der Militärakademie in Wiener Neustadt, 1752 und 1773 zu Gymnasialreformen und 1752 zu einer gegen die Jesuiten gerichteten Universitätsreform, in deren Kontext in Wien ein neues Uni-versitätsgebäude errichtet wurde. Gemeinsam war all diesen Reformen ein pragmati-scher Zug. Praktisches, anwendbares Wissen wurde forciert.

Zur Bildungsreform ist auch die Reform des Zensurwesens zu zählen, das vormals von der Kirche gehandhabt und nun gleichfalls verstaatlicht wurde. Auch wenn zu-nächst noch von keiner großen Liberalisierung der Zensur die Rede sein kann – Bel-letristik blieb nach wie vor als unnütz verboten –, war ein erster Schritt hin zu einer literarischen und räsonierenden Öffentlichkeit getan.3

Die für den Fortgang der Literatur wichtigste Entwicklung war wohl die Sprach-reform. Auch in der Habsburgermonarchie setzte sich nun jenes Phänomen durch, das im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt finden sollte : die Nationalisierung der Li-teratur. Die alte, gesamteuropäische, lateinisch kommunizierende Gelehrtenrepublik wurde abgelöst durch nationale Gemeinschaften, die sich in ihren jeweiligen nationa-len Sprachen verständigten.4 Diese Entwicklung hatte im protestantischen Deutsch-land schon im 17. Jahrhundert begonnen – die diversen Sprachgesellschaften legen dafür Zeugnis ab. Im katholischen Süden, in den Habsburgerländern im Besonderen, kam es hingegen erst im 18. Jahrhundert zu entsprechenden Bemühungen. Hier hielt sich die Latinität lange Zeit, was sich unter anderem darin niederschlug, dass in Un-garn bis 1844 (!) das Lateinische die Amtssprache war.

3 Vgl. Norbert Christian Wolf, Von „eingeschränkt und erzbigott“ bis „ziemlich inquisitionsmä-ßig“ : Die Rolle der Zensur im Wiener literarischen Feld des 18. Jahrhunderts, in : Wilhelm Haefs/

York-Gothart Mix (Hg.), Zensur im Jahrhundert der Aufklärung. Geschichte – Theorie – Praxis. Göt-tingen 2007, 305–330.

4 Vgl. Franz Eybl, Patriotismusdebatte und Gelehrtenrepublik. Kulturwissenschaftliche Forschungs-felder im Problembereich nationaler Identitätenbildung, in : Harm Klueting/Wolfgang Schmale (Hg.), Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander. Münster 2004, 149–162.

Die enge Vertrautheit mit der lateinischen Sprache blieb noch für mehrere Ge-nerationen ein Merkmal der österreichischen Literaten.5 Der gelehrte Jesuit Johann Baptist Premlechner (1731–1789) verdankte seinen Ruhm seinen lateinischen Lie-dern. Auch prominente Autoren wie Johann Michael Denis (1729–1800) und Johann Baptist von Alxinger (1755–1797), deren deutschsprachige Lyrik überregional Be-achtung fand, schrieben bis in die 1790er Jahre gelegentlich lateinische Gedichte.

Denis verfasste sogar das erst aus seinem Nachlass herausgegebene Fragment einer Selbstbiographie in Latein. Der berühmte Naturwissenschaftler, Aufklärer und Frei-maurer Ignaz von Born, gemeinhin als Vorbild von Schikaneders/Mozarts Sarastro bezeichnet, schrieb 1783 seine antiklerikale Monachologia in lateinischer Sprache.

Viele weitere Beispiele lateinischer Literaturproduktion, bis in das 19. Jahrhundert hinein, ließen sich anführen. Und dass der größte literarische Erfolg des Josephi-nismus, die Travestirte Aeneis Aloys Blumauers, beim Autor und bei den Lesern eine ausgezeichnete Kenntnis des Vergilschen Originals voraussetzte, ist ein weitere Beleg für die lange Wirkung des Lateinischen.

Für die Entwicklung in Österreich spielte der Leipziger Sprach- und Literatur-reformer Johann Christoph Gottsched (1700–1766) eine erhebliche Rolle. Gott-scheds Versuche, sowohl die deutsche Sprache als auch die schöne Literatur nach den vernünftigen Prämissen der Aufklärung zu normieren, fanden viel Anklang. Seine eigen artige Kombination von bürgerlichem Selbstbewusstsein und Verankerung in der höfischen Ästhetik, die sich etwa in seiner Hochschätzung der französischen tragé-die classique zeigt, prädestinierte ihn als Leitfigur der vom Hof gesteuerten Reformen, die an frühere süddeutsche Reformbewegungen anschließen konnten.

Was die Sprachreform6 betrifft, hatte der aus Ulm stammende protestantische Theologe Georg Litzel bereits 1731 unter dem Pseudonym Megalissus in seiner Schrift Der Undeutsche Catholik Oder historischer Bericht Von der allzugroßen Nachläßigkeit der Römisch-Catholischen, insonderheit unter der Clerisey der Jesuiten, In Verbesserung der deutschen Sprache und Poesie den Vorwurf erhoben, die deutsche Sprache werde von

5 Vgl. die vielen Hinweise in Jakob Willibald Nagl/Jakob Zeidler/Eduard Castle (Hg.), Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn. Wien 1914, 41–47 und 52 ff., sowie Fritz Keller, Rhetorik in der Ordensschule. „Palatium rhetoricae“ von Michael Denis : Ein didaktisches Epos – seine literarische Tradition, künstlerische Gestaltung und sein Verhältnis zum zeitgenössischen Rhetorikunterricht bei den Jesuiten, in : Her-bert Zeman (Hg.), Die österreichische Literatur – Ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750–1830) 2 Teile. Graz 1979, 55–83.

6 Vgl. Peter Wiesinger : Die sprachlichen Verhältnisse und der Weg zur allgemeinen deutschen Schrift sprache in Österreich im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in : Andreas Gaardt/Klaus J.

Mat theier/Oskar Reichmann (Hg.), Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen. Gegenstände, Methoden, Theorien. Tübingen 1995, 319–367.

den Aristokraten zugunsten des Französischen vernachlässigt und die Jesuiten igno-rierten die deutsche Sprache gezielt im Unterricht, um protestantische Texte zu exklu-dieren. Litzel veröffentlichte als abschreckende Beispiele 1730 Undeutsche catholische und Jesuiten-Poesie ; er verlangte eine Abkehr vom Lateinischen, eine Ausbildung im Deutschen mittels neuer Grammatiken und eine normierte Orthographie. Hier traf er sich mit Gottsched, der 1748 in seiner Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst das Deutsche als nationale Sprache propagierte – als Hochdeutsch auf der Basis des säch-sischen Ostmitteldeutschen. Landschaftliche Unterschiede sollten nivelliert werden.

Diese Bemühungen richteten sich gegen die etablierte oberdeutsch-katholische Schriftsprache, die sowohl durch die süddeutschen Drucke als auch durch die kaiser-lichen Kanzleien eine überregionale Verbreitung hatte.7 Denn seit der Reformation standen sich im deutschen Sprachraum zwei große schriftsprachliche Traditionen, zwei „Schreibgroßlandschaften“ gegenüber : eine norddeutsch-protestantische und eine süddeutsch-katholische. Zwar lassen sich schon seit dem späten 17. Jahrhundert immer deutlichere sprachliche Einflüsse aus dem nördlichen Raum auf den Süden feststellen ; ein systematischer Abbau der südlichen Tradition erfolgte aber erst im Gefolge der Aufklärung. À la longue sollte sich die ostmitteldeutsch-nord deutsche Variante durchsetzen.

Entsprechende Bemühungen in Österreich sind mit dem Namen Johann Balthasar von Antesperger (1682–1765) verbunden. Der in der Nähe des bayrischen Passau gebo rene, 1735 nobilitierte Wiener Reichshofratsagent entwarf 1734 eine Kayserliche deutsche Sprachtabelle, die er Gottsched mit der Bitte um Korrekturen und kritische Einwände schickte. Gottsched nahm Antesperger in seine Deutsche Gesellschaft auf ; in seiner 1747 veröffentlichten Kayserlichen Deutschen Grammatick hielt Antesperger aber dennoch an oberdeutschen Eigenheiten fest und räumte, anders als der dogma-tischere Gottsched, immer wieder Alternativen ein. Antesperger monierte, dass in Öster reich kein korrektes Deutsch gesprochen werde, und bekämpfte den Dialekt, der zunehmend sozial negativ konnotiert wurde. Diese Umwertung erfolgte natürlich erst allmählich – Maria Theresia sprach noch Dialekt, wechselte aber bei offiziel-len Anlässen ins Hochdeutsche. Für alle Aufklärer wurde es zum Dogma, dass eine gepflegte deutsche Sprache die Voraussetzung für den erstrebten gesellschaftlichen Fortschritt sei. Und Gottsched war stärker als die einheimischen Grammatiker : Am Theresianum wurde auf Anordnung Maria Theresias seine Grundlegung einer deutschen Sprachkunst als verpflichtendes Lehrbuch eingeführt.8

7 Vgl. Paul Roessler, Schreibvariation, Sprachregion, Konfession. Graphematik und Mor pho logie in österrei-chischen und bayerischen Drucken vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main/Wien etc. 2005.

8 Peter Wiesinger, Die deutsche Orthographie im Rahmen der beginnenden Sprachpflege in

Öster-Es bleibt festzuhalten, dass um 1750 ein Wechsel von der bisherigen, heimischen oberdeutschen Form der Schriftsprache zur ostmitteldeutschen Form begann, der um 1790 vollzogen war. Über die Schulbücher, die die neue Sprachvariante popularisier-ten, setzte sie sich dann bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in allen Bevölkerungs-schichten durch. Natürlich gab es von Anfang an auch Widerstand. Ein gewisses Ressentiment gegenüber dem Anspruch des deutschen Nordens, die einzig richtige sprachliche und literarische Norm zu vertreten, findet sich bei Autoren und Gelehr-ten seit dieser Zeit immer wieder ; es sollte sich nach 1760 in den Auseinandersetzun-gen zwischen dem Berliner Aufklärer Friedrich Nicolai und dem Wiener Aufklärer Joseph von Sonnenfels noch verstärken. In einer Polemik gegen seinen Konkurrenten Wilhelm Ehrenfried Neugebauer (1735–1767), der 1763 nach Wien gekommen war, schrieb Sonnenfels 1766 :

„[…] das ist der Stolz der meisten verlaufenen Sachsen […] daß sie uns umgestalten wol-len […] Die Hoffnung, ein Reich des Witzes unter den barbarischen Oesterreichern zu gründen, hat unter den Korrektoren und Meisters der freyen Künste in Leipzig eine rechte Theuerung gemacht : und die guten Leutchen, wenn sie bey einer Kanne Bier, und einem Pfeifchen Tobak ihre Reichstäge halten, sagen einander getrost zu, daß sie die Urheber der Verbesserung sind, welche seit einiger Zeit unter uns wahrgenommen wird.“9

Und 1794 wird der josephinische Autor Joseph Franz Ratschky (1757–1810) sein komisches Epos Melchior Striegel mit den spöttischen Versen beenden :

„Stolz und erhaben über den Zweifel : Was mögen wohl die vom Widerspruchsteufel Beseßnen Herrn Recensenten dazu

Zu sagen geruhn ?, genieß’ ich in Ruh Der Herrlichkeit, denkend : Laßt sie koaxen, Die kritischen Frösch’ in Preußen und Sachsen !“10

reich im 18. Jahrhundert. Zu Johann Balthasar Antespergers „Kayserlicher deutscher Sprachtabelle“

von 1734, in : Maria Kłańska/Peter Wiesinger (Hg.), Vielfalt der Sprachen. Festschrift für Aleksander Szulc zum 75. Geburtstag. Wien 1999, 183–204.

9 [Joseph von Sonnenfels,] Der Mann ohne Vorurteil. 1766, 18. Stück. Zitiert nach Wolfram Seid-ler, Buchmarkt und Zeitschriften in Wien 1760–1785. Studie zur Herausbildung einer literarischen Öffent lichkeit in Österreich des 18. Jahrhunderts. Szeged 1994, 91.

10 Joseph Franz Ratschky, Melchior Striegel, hg. von Wynfrid Kriegleder (Wiener Neudrucke 10) Graz 1991, 275.

Im Wien der 1750er Jahre war Gottscheds Hauptgegner Siegmund Valentin Popo-witsch (1705–1774), seit 1753 Professor für deutsche Beredsamkeit an der Universi-tät Wien und gleichzeitig an der Savoyischen Ritterakademie, während die Partei Gott-scheds von Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717–1771) vertreten wurde, der seit 1751 als Professor für Kameralistik und Beredsamkeit am Theresianum wirkte. Popo-witsch, der aus dem slowenischen Raum stammte und zweisprachig aufgewachsen war, ein streitbarer Charakter, stand seit 1740 mit Gottsched in Kontakt. Sein Ziel war eine „auf einer überregionalen Ausgleichssprache fußende Normsprache“11, was ihn zum Gegner Gottscheds machen musste. Als Popowitsch Ende 1753 einen Vorab-druck seiner Nothwendigsten Anfangsgründe der Teutschen Sprachkunst herausbrachte, um für seinen Unterricht nicht auf Gottscheds Grammatik angewiesen zu sein, setzte eine heftige Polemik ein, an der sich Gottscheds Wiener Anhänger und Gegner be-teiligten. Weil Popowitsch in seiner Grammatik die Deklination der Nomina propria ausgerechnet am Namen „Gottsched“ durchexerzierte, verlangte der gekränkte Leip-ziger Professor von den Wiener Zensurbehörden ein Verbot der Grammatik – auf den Streit wurde sogar in zeitgenössischen Hanswurst-Stücken angespielt.12

Die weitere Debatte betraf unter anderem den einheimischen Wortschatz, die Frage, ob „Provinzialwörter“ beibehalten werden dürfen. Die Grammatiker selbst waren da durchaus tolerant. Der sächsische Lexikograph Johann Christoph Adelung, dessen Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (erstmals 1766–1786) von manchen josephinischen Autoren als verbindliche Bibel betrachtet wurde – Alxin-ger korrigierte seine Verse anhand des Wörterbuchs – sprach sich durchaus für einen regional differenzierten Wortschatz aus. Österreichische Gelehrte wie Popowitsch und Sonnenfels folgten ihm hier natürlich. Im Schulunterricht hingegen lehnten viele Leh-rer, gerade unter Berufung auf Adelungs Wörterbuch, den einheimischen Wortschatz ab.

Popowitsch war jedenfalls kein Erfolg vergönnt. Nach seiner Pensionierung 1766 verschwand seine Grammatik aus dem universitären Unterricht. Gottsched blieb sieg-reich. Das hatte sich schon 1761 abgezeichnet, als in Wien eine Deutsche Gesellschaft gegründet wurde, eine Versammlung der Gottsched-Sympathisanten.

Neben der Sprachreform ist es die Literaturreform Gottscheds, die in Österreich die deutlichsten Spuren hinterließ. Wieder ist zu konstatieren, dass sich dafür vor 1760 nur Ansätze finden – das neue Konzept setzt sich erst nach dem Siebenjährigen Krieg durch. Und erneut ist zu konstatieren, dass es in manchen Bereichen

erhebli-11 Vgl. Paul Rössler, Die deutschen Grammatiken der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Österreich.

Ein Beitrag zur Reform der deutschen Schriftsprache (Schriften zur deutschen Sprache in Österreich 21) Frankfurt am Main etc. 1997, 45.

12 Ebenda, 42–55.

chen Widerstand gab, insbesondere in jenem Feld, dem Gottsched selbst am meisten Energie widmete : dem Theater.

Gottscheds Einfluss in Österreich beruhte auf dem Netzwerk an Briefpartnern, die in seinem Sinn wirkten und seine Vorstellungen disseminierten. Darunter finden sich auch viele gelehrte Ordensgeistliche. Es ist zu betonen, dass die katholischen Klöster bei der Durchsetzung der Aufklärung in Österreich eine wichtige Rolle spielten – das spätere Bild von den Dunkelmännern in Mönchskutte, die sich der Aufklärung in den Weg stellten, bedarf einer gründlichen Revision. Die Klöster waren neben der Hauptstadt Wien wichtige kulturelle Zentren. In Melk etwa, eine (damalige) Tages-reise westlich von Wien gelegen, gab es eine ausgeprägte Hauskultur, die sich in einer regen schriftstellerischen Produktion – auch von Theaterstücken – niederschlug und nach 1740 aufklärerisch geprägt war. Später entstand hier eine Lesegesellschaft, die die wichtigsten Zeitschriften der deutschen Aufklärung wie Wielands Teutschen Merkur oder die Berlinische Monatsschrift, aber auch die Encyclopédie ankaufte.13 Gottscheds Melker Briefpartner war Placidus Amon (1700–1759), der sich für die Literatur des Mittelalters interessierte und ein Wörterbuch plante, das einerseits dem historischen Wortbestand gerecht werden, andererseits die Gegenwartsnormen Gottscheds festi-gen sollte. Auch wenn das Projekt nicht zustande kam, zeigt es Gottscheds Einfluss.

Der Briefwechsel zeigt freilich auch Gottscheds Attitüde, seine österreichischen Kol-legen sprachlich zu schulmeistern. Am 25. Mai 1752 schrieb er etwas an Amon :

„Dero deutsche Schreibart in dem letzten Brief zeiget schon eine große Fähigkeit und Fer-tigkeit in der reinen hochdeutschen Mundart, und ich weiß, was Ihnen das für Mühe ge-kostet haben muß.“14

Ähnlich war die Situation im oberösterreichischen Kloster Kremsmünster, das über ein Stiftstheater verfügte, eine angesehene moderne Schule betrieb und in dem gelehr-ten Mönch Rudolf Graser ebenfalls einen Korrespondenzpartner Gottscheds aufwies.

Unter Gottscheds österreichischen Parteigängern ragen zwei Männer hervor : Jo-seph von Petrasch (1714–1772) und Franz Christoph von Scheyb (1704–1777).

Der in Slavonien geborenen Petrasch15 entstammte einer Offiziersfamilie, bereiste nach dem Studienabschluss Italien und Griechenland und war vielseitig tätig. In Flo-renz wurde er als „Petrus Cinerus“ Mitglied der dortigen Akademie. Er veröffentlichte mehrere regelkonforme und damit an Gottsched orientierte deutschsprachige

Lust-13 Johannes Frimmel, Literarisches Leben in Melk. Ein Kloster im 18. Jahrhundert im kulturellen Umbruch.

Wien/Köln/Weimar 2005.

14 Zitiert bei Nagl/Zeidler/Castle (wie Anm. 5) 49.

15 Eduard Petrů, Art. „Josef Freiherr von Petrasch“, in : Lexikon deutschmährischer Autoren. Olomouc 2002.

spiele und brachte 1767/68 eine Gedichtsammlung heraus. Ende 1746 gründete er im mährischen Olmütz, wo er auch studiert hatte, die Societas incognitorum erudito-rum in terris austriacis, eine gelehrte Gesellschaft, deren Selbstverständnis sich an den gelehrten Gesellschaften Italiens orientierte. Mitglieder waren nicht nur Olmützer In-tellektuelle, sondern auch Hieronymus Pez aus Melk, der protestantische Pressburger Gelehrte Matthias Bel16 und der einflussreiche Wiener Aufklärer Gerard van Swieten.

spiele und brachte 1767/68 eine Gedichtsammlung heraus. Ende 1746 gründete er im mährischen Olmütz, wo er auch studiert hatte, die Societas incognitorum erudito-rum in terris austriacis, eine gelehrte Gesellschaft, deren Selbstverständnis sich an den gelehrten Gesellschaften Italiens orientierte. Mitglieder waren nicht nur Olmützer In-tellektuelle, sondern auch Hieronymus Pez aus Melk, der protestantische Pressburger Gelehrte Matthias Bel16 und der einflussreiche Wiener Aufklärer Gerard van Swieten.