• Keine Ergebnisse gefunden

Die Bezeichnungen des Kleinen Tempels und seines Standortes

Architektur und Bildprogramm des Kernbaus der 18. Dynastie und seine Erweiterung bis in die griechisch-römische Zeit

3 Die Bezeichnungen des Kleinen Tempels und seines Standortes

Der Kleine Tempel wurde ebenso wie der Ort, an dem er errichtet wurde, im Laufe der Zeit mit diversen Bezeichnungen belegt. So trug er seit seiner Gründung durch Hatschepsut und Thutmosis III. den Namen +sr-s.t (3.1). Ebenfalls in diese Zeit fällt seine Bezeichnung als Urhügelstätte (3.2). Seit der Spätzeit galt der Kleine Tempel darüber hinaus als Kultstätte für die Achtheit von Hermopolis. In der Ptolemäerzeit wurde er ausdrücklich als „Duat der Achtheit“ bezeichnet, in der diese zusammen mit der Urschlange Kematef geruht haben soll (3.3). Die Stätte des Kleinen Tempels wurde als Iat-Stätte angesehen (3.4) und in einer In-schrift im Taharka-Gebäude am Heiligen See von Karnak zudem als der „große Eingang der Höhle des Nun“ bezeichnet (3.5).

3.1 Der Name des Kleinen Tempels – +sr-s.t

Ausweislich seiner Widmungsinschriften, die von der frühen 18. Dynastie532 bis in die grie-chisch-römische Zeit533 reichen, trägt der Kleine Tempel den Namen +sr-s.t ( )534 – wörtlich zu übersetzen mit „heilig an Stätte“ oder „heiligstättig“. Dieser Name umschreibt den Kleinen Tempel also als einen Ort, der heilig ist.535

Der Begriff Dsr wird sowohl mit „heilig, prächtig, erhaben“ übersetzt, als auch mit „ge-heim, unzugänglich, abgesondert, entrückt“.536 Die Bedeutung von Dsr „heilig“ in Ägypten entspricht damit – vor allem in der zweiten Übersetzungsvariante – der Definition, die in der allgemeinen Religionsgeschichte für das Heilige geprägt wurde: Das Heilige ist die „Opposi-tion zum Profanen“, „das ganz Andere“, das innerhalb bestimmter Grenzen plaziert, verbor-gen und bewahrt werden muß. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Reinigungsriten, da ein Mensch sich dem Heiligen – wenn überhaupt – nur in reinem Zustand nähern darf. 537 Entsprechend wird in Ägypten das Heilige – namentlich die Kultstatue des Gottes –

532 Widmungsinschrift der Hatschepsut in Raum Q an den Pfosten und dem Türsturz des Durchgangs zu Raum N (LD III 7a; Urk. IV 310, 15 - 311, 2; für die Lage s. Abb. 21) und Widmungsinschrift von Thutmosis III. auf den Innenseiten der Architrave an den Längsseiten des Barkenraums mit Umgang (LD III 38c+d; Urk. IV 882, 3; für die Lage s. Abb. 25).

533 Widmungsinschrift von Ptolemaios VIII. Euergetes II. auf der Innenseite der Erhöhung des Barkenraums (LD, Text III 160; für die Lage s. Abb. 34).

534 Urk. IV 882, 3.

535 Seinem grammatischen Aufbau nach handelt es sich bei +sr-s.t um eine sog. nfr-Hr-Konstruktion (Adjektiv mit bestimmendem Substantiv), die sich zu dem Namen des Kleinen Tempels verfestigt hat.

Nach JANSEN-WINKELN (1994a: insb. 51-54) ergibt die überwiegende Zahl der nfr-Hr-Konstruktionen nur einen Sinn, wenn man davon ausgeht, daß das dem Adjektiv folgende Substantiv der Träger der Eigenschaft ist, die im Adjektiv ausgedrückt wird – im hier vorliegenden Fall also eine „Stätte, die heilig ist“.

536 Wb. V, 610-614; HANNIG (21997: 1015). Für die Diskussion der Übersetzungsmöglichkeiten von Dsr s.

HOFFMEIER (1985: 9-14).

537 HOFFMEIER (1985: 1).

Bei HOFFMEIER (1985: VI-XV) findet sich auch eine zusammenfassende Darstellung der Definition des

„Heiligen“ in der allgemeinen Religionsgeschichte und ihre Rezeption in der Ägyptologie.

grenzt von dem Profanen und verborgen vor den Blicken der Außenwelt im Inneren Heiliger Stätten – der Tempel – aufbewahrt.538

Sein Name +sr-s.t benennt den Kleinen Tempel somit als das, was er ist – eine Heilige Stätte. Darüber hinaus läßt der Name aber keine weiteren Rückschlüsse auf die konkrete Funktion oder Bedeutung des Kleinen Tempels im Kult für Amun-Re in Theben zu. Insbe-sondere ist die Verwendung des Terminus Dsr im Namen des Kleinen Tempels nicht – wie dies von SETHE angenommen wird539 – als Indiz für die „besondere Heiligkeit“ gerade dieses Tempels (in Abgrenzung zu anderen thebanischen Heiligtümern) zu interpretieren, denn Dsr ist ein im Neuen Reich häufiger anzutreffender Bestandteil von Tempelnamen.540

3.2 „Heilige Stätte des Ersten Males“ – Der Kleine Tempel als Urhügelstätte In der bereits genannten Widmungsinschrift Thutmosis’ III. im Umgang des Barkenraums wird der Kleine Tempel zudem als „Heilige Stätte des Ersten Males“ (s.t=f Dsr.t n.t zp tpj [ ])541 bezeichnet, also als eine sog. Urhügelstätte.542

Der Terminus zp tpj („Erstes Mal“) bezieht sich auf die Entstehung der Welt, an deren Beginn das „Erste Mal“ der Schöpfung steht. Die Welt vor der Schöpfung (äg. pAw.t „Ur-zeit“543) ist eine Zeit „ohne jegliches Seiende“, in der Chaos, Undifferenziertheit und Dunkel-heit herrschten und die in den ägyptischen Texten durch Ausdrücke des „Noch-Nicht“ defi-niert ist. Weder Götter noch Menschen existierten zu dieser Zeit. Die geordnete Welt war noch nicht erschaffen.544 Nach den verschiedenen Schöpfungsmythen der Ägypter erscheint

538 Für die Umsetzung des Verborgenheitsprinzips in der Struktur ägyptischer Tempel s. Kapitel 2.7.2.1.

539 SETHE (1929: § 105).

540 Z.B. im Namen mehrerer Heiligtümer im Gebiet von Deir el-Bahari, beginnend mit dem Millionenjahrhaus von Hatschepsut, das den Namen +sr-Dsr.w trug (HOFFMEIER 1985: 171-177; OTTO 1952: 60-63).

541 Urk. IV 882, 10-11:

jr.n=f m mnw=f n jt=f Jmn nb-ns.wt-tA.wj xntj Dsr.t-jmn.t.t

Er (der König) machte (es) als sein Denkmal für seinen Vater Amun, Herr der Throne der beiden Länder, der dem Geheiligten (Ort) des Westens vorsteht,

saHa.n=f s.t=f Dsr.t n.t zp tpj

er (der König) hat seine (des Amun-Re) Heilige Stätte des „Ersten Males“ errichtet.

Variante in Urk. IV 881, 9-11:

jr.n=f m mnw=f n jt=f Jmn nb-ns.wt-tA.wj xntj Dsr.t -jmn.t.t

Er (der König) machte (es) als sein Denkmal für seinen Vater Amun, Herr der Throne der beiden Länder, der dem Geheiligten (Ort) des Westens vorsteht,

saHa.n=f xm-Dsr m jnr nfr n rwD.t s.t=f mtr.t n.t zp tpj

Er (der König) hat eine Heilige Kultstätte aus gutem Sandstein errichtet, seine (des Amun-Re) rechtmäßige Stätte des „Ersten Males“.

542 OTTO (1952: 72); SETHE (1929: § 105); DE BUCK (1922: 72).

543 Wb. I, 496.

544 WESTENDORF (1986: 870) und ASSMANN (1984b: 677-679), beide mit Angabe entsprechender Textquellen und weiterem Verweis auf GRAPOW (1967). S. des weiteren HORNUNG (1971: 140, 168).

in diesem ungeordneten Nichts der Urgott (äg. pAw.tj „der zur Urzeit gehörige“545), der aus sich selbst entstanden ist (xpr Ds=f).546 Er setzt dann „die Schöpfung in Gang (SAa xpr) in einem Akt des ersten Males (zp tpj)“547, aus dem die Götter und der gesamte Kosmos entstehen.548 Indem er dies tut, beendet der Urgott das ungeordnete „Noch-Nicht“ der Urzeit, das erste Mal der Schöpfung markiert somit den Beginn der geordneten Welt.549

Der genaue Ablauf und die Einzelheiten des Auftauchens des Urgottes und der sich daran anschließenden Schöpfung der Welt können in den verschiedenen Schöpfungsmythen der Ägypter differieren. Dies gilt auch für den Gott, der die Rolle des Ur- bzw. Schöpfergottes innehat, wie z.B. Atum-Re, Ptah oder Chnum. Jede dieser Gottheiten steht für eine eigene Schöpfungskonzeption. So erzeugt z.B. Atum-Re durch die Ausscheidung von Speichel, Sa-men oder Blut das erste Götterpaar Schu und Tefnut und setzt so die Schöpfung in Gang. Ptah dagegen erschafft und formt die Welt nach einem in seinem Herzen entstandenen Plan durch das Wort. Chnum schließlich erzeugt die „Welt“ (insbesondere die Menschen) auf seiner Töpferscheibe.550

Der Ort des „Ersten Males“ der Schöpfung ist der Urhügel, der in der Urzeit als das erste Land aus dem Urgewässer Nun auftauchte und auf dem die eigentliche Erschaffung der Welt durch den Urgott geschieht.551 Mithin ist der Kleine Tempel nach seiner Bezeichnung als

„Heilige Stätte des Ersten Males“ eine Urhügelstätte – also ein Tempel, der besonders eng mit den ägyptischen Schöpfungsmythen verbunden ist.552

Es ist charakteristisch für die ägyptischen Schöpfungskonzeptionen, daß die Schöpfung nie als abgeschlossen oder beendet angesehen wird. Bereits die Bezeichnung der uranfängli-chen Schöpfung durch den Urgott als „Erstes Mal“ (zp tpj) markiert den „Ur-Akt“ der Welt-entstehung als den Beginn einer ewigen Wiederkehr.553 Es ist erforderlich den Akt der (ersten) Welterschaffung regelmäßig zu wiederholen, da das Chaos, aus dem die Welt beim

„Ersten Mal“ der Schöpfung entstand, auch weiterhin präsent ist. Zwar wurde mit dem

„Ersten Mal“ der Schöpfung zunächst ein ausgewogenes und stabiles Weltsystem geschaffen,

545 Wb. I, 496.

546 Wb. III, 261.IVa; WESTENDORF (1986: 870); ASSMANN (1984b: 678); HORNUNG (1971: 140, 168);

S. MORENZ (1960: 25-27).

547 WESTENDORF (1986: 870).

548 HORNUNG (1971: 140).

549 Insofern ist der Begriff „Erstes Mal“ (zp tpj) eher mit „Urbeginn“ (so Wb. V, 278.3-4) als mit „Urzeit“ (so HANNIG21997: 691; Wb. III, 438.1-2) gleichzusetzen.

550 WESTENDORF (1986); ASSMANN (1984c).

S. zusammenfassend zu den ägyptischen Schöpfungsmythen ASSMANN (1984b; 1983a: 218-246); BONNET

(21971: 864-867); S.MORENZ (1960: 167-191); SAUNERON &YOYOTTE (1959).

551 MARTIN (1986); ASSMANN (1984b: 678); BONNET (21971: 847-848); REYMOND (1969: 58-60); S. MORENZ

(1960: 45); DE BUCK (1922).

552 MARTIN (1986: 874); ASSMANN (1984a: 48); DE BUCK (1922: 72-84).

In der Architektur ägyptischer Tempel wird auf den Urhügelaspekt häufig dadurch Bezug genommen, daß der Tempel durch ein hohes Fundament insgesamt von dem ihm umgebenden Land abgehoben wird bzw.

zumindest der hintere Tempelteil (mit dem Kultbildraum) erhöht angelegt wird (so u.a. ARNOLD 1996: 40;

MARTIN 1986: 874).

553 ASSMANN (1984b: 685); HORNUNG (1977: 411-412); SAUNERON &YOYOTTE (1959: 77-78)

in dem sich alles Seiende entfalten konnte. Aber dieses einmal errungene Gleichgewicht ver-liert im Laufe der Zeit seine anfängliche Kraft und Stärke und die chaotischen, zerstörerischen Kräfte der Welt vor der Schöpfung gefährden auch weiterhin seinen Fortbestand.554 Das Chaos der Urzeit wird also durch das „Erste Mal“ der Schöpfung keineswegs endgültig über-wunden, sondern bleibt stets eine Bedrohung für die geordnete Welt, welche nur erhalten werden kann durch die ständige Anwendung der Kräfte, die auch bei ihrer (ersten) Erschaf-fung zur Überwindung des urzeitlichen Chaos’ eingesetzt wurden – also durch die ewige Wiederholung des (ersten) Schöpfungsaktes. Durch die Wiederholung dieses „Ersten Males“

wird die ursprüngliche Ordnung wiederhergestellt und erneuert. Nach ägyptischem Verständ-nis ist die Schöpfung also keine abgeschlossene Handlung, sondern ein fortwährender Pro-zeß.555

Es gab in Ägypten zwei Orte, die besonders eng mit der zyklischen Regeneration der Weltschöpfung und damit mit dem Urhügel verbunden waren: den Thron556 und den Tem-pel557. Auch der Kleine Tempel war als „Heilige Stätte des Ersten Males“ – also in seiner Funktion als Urhügelstätte – ein solcher Ort der Regeneration der Schöpfung. Der Akt der Wiederholung der Schöpfung vollzog sich hierbei üblicherweise im Rahmen eines Prozes-sionsfestes. In diesem Zusammenhang sei auf die in Kapitel 2 erfolgte Strukturanalyse des kleinen Tempels verwiesen, die ergeben hat, daß ausweislich seiner Struktur und seines Bild-programms der Kleine Tempel zum einen eine Kultstätte für Amun-Re kA-mw.t=f war, der an diesem Ort in seiner lokalen Form als Jmn-©sr-s.t verehrt wurde, und zum anderen, daß der Kleine Tempel regelmäßig im Rahmen einer Prozession – des Dekadenfestes – von Amun-Re nzw-nTr.w besucht wurde, mit dem Ziel der Regeneration des Gottes. Diese Feststellung kann nun aufgrund der Bezeichnung des Kleinen Tempels als Urhügelstätte, also als ein Ort, an dem die Schöpfung in regelmäßigen Abständen wiederholt und damit regeneriert wurde, da-hingehend erweitert werden, daß der Kult im Kleinen Tempel (in Zusammenhang mit dem Dekadenfest) sowohl der Regeneration des Gottes als auch der Regeneration der Schöpfung diente.558

554 S. dazu HORNUNG (1977: 447): „Die Schöpfungswelt ist ein begrenztes, stabiles Ordnungssystem, das umgeben und durchdrungen bleibt von chaotischen Elementen der Welt vor der Schöpfung, die jeder Ordnung widerstreben und fortgesetzt auf ihre Auflösung hinarbeiten.“

555 ASSMANN (1984b: 684-686); HORNUNG (1977; 1971: 171-179); S. MORENZ (1960: 26).

556 MARTIN (1986: 874) mit Verweis auf DE BUCK (1922: 85-104).

557 MARTIN (1986: 874) mit Verweis auf DE BUCK (1922: 72-84).

558 S. hierzu auch BELL (1985: 290; 1997: 157), der im Rahmen seine Untersuchungen zu der Funktion und Bedeutung des Luxortempels ausführt, daß dieser als Urhügelstätte eine „Hauptrolle“ bei der zyklischen Erneuerung des Amun-Re innehatte, dessen Regeneration sich dort zusammen mit der Regeneration der Schöpfung während des alljährlichen Opetfestes vollzog.

Für die weitere Diskussion des Kleinen Tempels als Station des Dekadenfestes s. Kapitel 5.6.3.

3.3 Der Kleine Tempel als „Heilige Duat der Achtheit“ in der Spät- und Ptolemäerzeit

Eine weitere, den Kleinen Tempel mit den ägyptischen Schöpfungsmythen verbindende Be-nennung ist seine seit der Spätzeit zu belegende Bezeichnung als Kultort für die Achtheit von Hermopolis (¢mnj.w [ ])559. In den Texten der Ptolemäerzeit wird der Kleine Tempel dann ausdrücklich als dwA.t Dsr.t n.t ¢mnj.w ( )560 bezeichnet, also als die „Hei-lige Duat der Achtheit“.

3.3.1 Die Belegung der Achtheit im Kleinen Tempel von Medinet Habu

Die frühesten Nennungen der Achtheit in Medinet Habu datieren vermutlich bereits in die Saitenzeit. So fand sich bei Grabungen in Medinet Habu – wenn auch nicht unmittelbar im Kleinen Tempel selbst – eine Kalksteinstatue aus der Saitenzeit, in deren Inschrift die Rede ist von Opfern für den Amun des Kleinen Tempels und die Achtheit, befindlich in jA.t-TAm.t561:

562

Htp dj nzw n Jmn-Ra-+sr-s.t ¢mnj.w wr.w n.w pAw.t jmj jA.t-TAm.t

Ein Opfer, das der König gibt für Jmn-Ra-+sr-s.t (und) die große Achtheit der Ur-zeit, befindlich in jA.t-TAm.t.

Des weiteren fand HÖLSCHER bei seinen Untersuchungen im Umfeld des Kleinen Tempels das Fragment einer Statuette aus Kalkstein, das möglicherweise in die Saitenzeit datiert wer-den kann. Die auf dem Fragment noch zu erkennende Inschrift enthält eine Anrufung des Gottes Sokar-Osiris, der an dieser Stelle den Beinamen „Vater der Väter der Acht“ trägt.563

Die erste ausdrückliche Erwähnung der Achtheit im Kleinen Tempel von Medinet Habu stammt aus der Regierungszeit des Hakoris (29. Dynastie). Die entsprechende Inschrift befin-det sich auf dem nordöstlichen der von Hakoris in den Umgang des Barkenraums eingefügten Stützpfeiler (Abb. 16b [5]). Hakoris nimmt in der Inschrift Bezug auf Thutmosis III. als den ursprünglichen Erbauer des Kleinen Tempels:

[...] [...]564 jr.n=f pr-aA-Sps n jt=f Jmn-Ra xntj Jp.t=f DAj=f r jA.t-TAm.t tp-sw-mD nb r-wAH-jx.t n [...] bA.w n ¢mnj.w [...]

559 Hieroglyphische Schreibung der „Achtheit“ zur Zeit des Hakoris in der 29. Dynastie (TRAUNECKER, LE SAOUT & MASSON 1981: fig. 12 [2]). Für die verschiedenen hieroglyphischen Schreibungen der Achtheit von der Zeit des Neuen Reichs bis in die griechisch-römische Epoche s. SETHE (1929: §§ 81-82, 90).

560 SETHE (1929: § 104).

561 JA.t-TAm.t bezeichnet die Stätte des Kleinen Tempels (s. Kapitel 3.4).

562 SETHE (1929: § 90) mit Verweis auf DARESSY (1898: 76).

563 MH II 43, insb. Fn. 2.

564 TRAUNECKER,LE SAOUT &MASSON (1981: 109 [2d-e], fig. 12 [2]).

Er hat einen erhabenen Tempel errichtet für seinen Vater Amun-Re, der seiner Jp.t vorsteht, wenn er nach jA.t-TAm.t übersetzt am Beginn einer jeden Dekade, um Opfer darzubringen für [...] die Baw der Achtheit [...]

Entsprechend der Inschrift reiste somit Amun-Re xntj Jp.t=f – also der Amun von Luxor – am Beginn einer jeden Dekade zum Kleinen Tempel von Medinet Habu, um dort Opfer darzu-bringen „für die Bas der Achtheit“. Die Textstelle nimmt Bezug auf das bereits mehrfach er-wähnte Dekadenfest, bei dem Amun-Re von Karnak über Luxor zum Kleinen Tempel zog. Im Verlauf seines Aufenthaltes im Kleinen Tempel vollzog sich die Erneuerung sowohl der Schöpfung als auch des Gottes. Die zitierte Passage aus der Zeit des Hakoris fügt dem Deka-denfestkult im Kleinen Tempel einen weiteren Aspekt hinzu: Anläßlich des Aufenthaltes der Prozession in dem Heiligtum wurden der Achtheit von Amun-Re, der in diesem Zusammen-hang in seiner Form als Amun von Luxor angesprochen wird, Opfer dargebracht.

In der Ptolemäerzeit ist die Achtheit in mehreren Darstellungen und Inschriften innerhalb des Kleinen Tempels präsent (Abb. 34). So wird der Kleinen Tempel in einer Widmungsin-schrift aus der Ptolemäerzeit als Duat der Achtheit bezeichnet.565 Ebenfalls aus der Ptolemäer-zeit stammen die Darstellungen der Achtheit im Kleinen Tempel, die sich auf dem Türsturz des Eingangs zum Barkenraum befinden.566 Des weiteren ist die Achtheit auf dem Türsturz über dem Durchgang des ptolemäischen Pylons abgebildet. Auf der Außenseite des Türstur-zes befindet sich eine Doppel-Darstellung von Ptolemaios X. Soter II. bei der Spende von Weihrauch und Wasser. Auf der rechten Hälfte des Türsturzes steht der König vor zwei Paa-ren der Achtheit (Amun und Amaunet, Keku und Kekujt), denen Jmn-©sr-s.t und Jmn-Jp.t folgen. Auf der linken Hälfte opfert der König wiederum vor zwei Paaren der Achtheit (Nun und Naunet, Hehu und Hehet), diesmal gefolgt von zwei Darstellungen des sitzenden Month.567 In der Beischrift dieser Szene werden u.a. Opfer für die Achtheit erwähnt.568 Die Doppel-Darstellung auf der Außenseite des Türsturzes wiederholt sich auf seiner Innenseite.

Hier ist es Ptolemaios XIII. Neos Dionysos, der vor jeweils zwei Paaren der Achtheit (Keku und Kekujt, Nu und Naunet bzw. Nu und Naunet, Hehu und Hehet), denen Jmn-©sr-s.t und Jmn-Jp.t bzw. Month folgen, Wasser und Weihrauch darbringt.569

Schließlich bezeugt eine Darstellung der Achtheit auf dem Tor des Domitian in der äuße-ren Umfassungsmauer des Kleinen Tempels (Abb. 20a [7]), daß der Kleine Tempel bis in die römische Kaiserzeit als ein mit der Achtheit verbundenes Heiligtum betrachtet wurde.570

565 SETHE (1929: § 104) mit Verweis auf LD, Text III 160 und CHAMPOLLION (1844: 715): Die entsprechenden ptolemäischen Widmungsinschriften befinden sich auf der Innenseite des Barkenraumes auf den Ansichtsseiten der beiden obersten Steinlagen, die in der Ptolemäerzeit zur Erhöhung der Seitenwände des Barkenraums eingefügt wurden.

566 MH II 43, insb. Fn. 2; PM 2II, 469 [45].

567 PM 2II, 462 [10 (a-b)]; MH II pl. 37; SETHE (1929: §§ 115-116); LD, Text III 149.

568 DORESSE (1973: 123 [H] und 126 [H]).

569 PM 2II, 462 [10 (g-h)]; MH II pl. 38-39; LD, Text III 149.

Für die zu dieser Szene gehörende Beischrift, in der ausdrücklich die Achtheit genannt wird, s. DORESSE

(1973: 123 [I] und 126 [I]).

570 MH II 43, Fn. 2; PM 2II, 475.

3.3.2 Die Achtheit von Hermopolis

Nach den Texten der Ptolemäerzeit ist mit der mittelägyptischen Stadt Hermopolis ein Welt-entstehungsmythos verbunden, der an den Beginn der Schöpfung acht Manifestationen der Urelemente – die sog. Achtheit von Hermopolis – setzt.571

Die Achtheit setzt sich aus folgenden Paaren zusammen:572

Nwn → Nun (Urwasser) und Naunet

@Hw → Hehu (räumliche Unendlichkeit) und Hehet

Kkw → Keku (Finsternis) und Kekujt

Das vierte Paar der Achtheit variiert in den verschiedenen Überlieferungen:

¦nmw → Tenemu (Düsternis/Verirrung) und Tenemujt oder

NjAw → Niau (Leere/Nichtexistenz) und Niaut oder

GrH → Gereh (Mangel) und Gerhet und

Jmn → Amun, dessen Name in diesem Zusammenhang mit „Verborgenheit“ über-setzt wird, und Amaunet (wie in den Inschriften und Darstellungen des Kleinen Tempels aus ptolemäischer Zeit573).

Die Achtheit von Hermopolis wird somit von vier Elementen und ihren weiblichen Entspre-chungen gebildet, die in der Ägyptologie häufig als Urgötter bezeichnet werden. Zusammen personifizieren sie das Chaos der Urzeit, den „Noch-Nicht“ Zustand der Welt vor der Schöpfung, aus dem die Welt entsteht.574 ASSMANN spricht in diesem Zusammenhang von einer „weniger chaotischen als zeugungsträchtigen Biosphäre“. Die Achtheit personifiziert demzufolge einen vor der Schöpfung liegende Urzustand, der die „ermöglichenden Vorbedin-gungen“ für das im Zuge der Schöpfung entstehende Leben bereits in sich trägt.575 Die einzel-nen Mitglieder der Achtheit verkörpern die „urzeitlichen [...] Kräfte, die schon vor der Welt-ordnung vorhanden waren“.576 Die den Zustand vor der Schöpfung personifizierende Achtheit ist somit nicht nur Ur-„Substanz“, sondern auch Ur-„Potenz“,577 aus der heraus die Schöpfung sich entwickeln kann.

Aus dem Urzustand, den die Achtheit als Verkörperungen der urzeitlichen Erscheinungen darstellen, erhebt sich das erste Land als Urhügel. Auf diesem Urhügel entsteht dann das Licht in Gestalt des Sonnengottes Re. Mit der Geburt der lebensspendenden Sonne auf dem

571 SETHE (1929: §§ 93-102).

572 S. u.a. ALTENMÜLLER (1975: 56); BONNET (21971:5);SETHE (1929: §§ 126-144).

573 SETHE (1929: §§ 115-116).

574 ALTENMÜLLER (1975: 56); SETHE (1929: §§ 120-125).

Dem entspricht die bildliche Darstellung der männlichen Urgötter mit Froschköpfen und der weiblichen mit Schlangenköpfen.

575 ASSMANN (1984b: 680, insb. Fn. 44).

576 BONNET (21971:6).

577 S. MORENZ (1960: 185).

hermopolitanischen Urhügel578 kommen Leben und Ordnung in die Welt und die Schöpfung kann sich entfalten.579 Die Umstände der Entstehung des Sonnengottes variieren in den verschiedenen Texten.580 Nach einer Version entsteht der Sonnengott in Form eines Falken aus einem (Ur-)Ei.581 In einer anderen Fassung taucht der jugendliche Sonnengott auf einer Lotosblüte aus dem Urozean auf.582

In den thebanischen Texten der Ptolemäerzeit werden die Mitglieder der Achtheit auch als

„Väter und Mütter“ des Sonnengottes Re bezeichnet.583 Trotz dieser Formulierung darf ihre Rolle innerhalb des Schöpfungsprozesses jedoch nicht dahingehend verstanden werden, daß von der Achtheit am Beginn der Schöpfung eine Handlung ausgeht, vergleichbar den Schöpfungskonzeptionen von Heliopolis (Atum-Re) oder Memphis (Ptah), denn damit würde die dem hermopolitanischen Konzept zugrundeliegende Idee verkannt werden. Die die Achtheit bildenden Paare sind keine schöpfenden Urgötter in der Art eines Atum-Re oder Ptah, sondern bilden in ihrer Gesamtheit vielmehr die Voraussetzung für den Beginn der Schöpfung, welche dann erst durch das Erscheinen des Re auf dem hermopolitanischen Urhü-gel ihren eigentlichen Anfang nimmt. Die Achtheit stellt somit in ihrer Gesamtheit den Aus-gangspunkt für die Schöpfung dar, sie ist – wie bereits zitiert – deren „ermöglichende Vorbe-dingung“.584 Damit sind die Mitglieder der Achtheit keine Ur- bzw. Schöpfergottheiten im

„Väter und Mütter“ des Sonnengottes Re bezeichnet.583 Trotz dieser Formulierung darf ihre Rolle innerhalb des Schöpfungsprozesses jedoch nicht dahingehend verstanden werden, daß von der Achtheit am Beginn der Schöpfung eine Handlung ausgeht, vergleichbar den Schöpfungskonzeptionen von Heliopolis (Atum-Re) oder Memphis (Ptah), denn damit würde die dem hermopolitanischen Konzept zugrundeliegende Idee verkannt werden. Die die Achtheit bildenden Paare sind keine schöpfenden Urgötter in der Art eines Atum-Re oder Ptah, sondern bilden in ihrer Gesamtheit vielmehr die Voraussetzung für den Beginn der Schöpfung, welche dann erst durch das Erscheinen des Re auf dem hermopolitanischen Urhü-gel ihren eigentlichen Anfang nimmt. Die Achtheit stellt somit in ihrer Gesamtheit den Aus-gangspunkt für die Schöpfung dar, sie ist – wie bereits zitiert – deren „ermöglichende Vorbe-dingung“.584 Damit sind die Mitglieder der Achtheit keine Ur- bzw. Schöpfergottheiten im