• Keine Ergebnisse gefunden

4.2 Die Artengemeinschaften der Fische des Weddellmeers

4.2.1 Die Artengemeinschaft des flachen Schelfs

Der Meeresboden oberhalb 200m Tiefe ist in den meisten Gebieten des Weddellmeers von aufliegendem Schelfeis, beziehungsweise Gletschern bedeckt (HUBOLD 1992) und konnte daher nur in wenigen Fällen beprobt werden.

In den flachen Zonen bis 200m Tiefe wurden nur wenige Hols mit dem AGT durchgeführt, die mehr als die Hälfte Nototheniiden, hauptsächlich der Gattung Trematomus, enthielten. Artedidraconiden stellten knapp ein Drittel der Arten, was im Vergleich zu den anderen Tiefenstufen einen hohen Wert darstellt.

Dieses Ergebnis könnte zum Teil auch durch die enge Maschenweite des AGT’s (siehe Tabelle 12) zustande gekommen sein. Bathydraconiden machen wie in allen anderen Tiefenbereichen einen geringen Anteil der Fischfauna aus. Von den Channichthyiden, der notothenioiden Fischfamilie mit den meisten größeren Arten (KOCK 2005), konnten in dieser Tiefenzone nur wenige Arten nachgewiesen werden. Die in diesem Tiefenbereich am häufigsten mit dem AGT gefangenen Arten waren Artedidraco skottsbergi, Trematomus pennelliii und T.

lepidorhinus.

Die mit der Clusteranalyse errechnete typische Artengemeinschaft des flachen Schelfs ab 200m Tiefe enthält je drei Arten der Artedidraconiden (Histiodraco velifer, Artedidraco shackletoni und A. skottsbergi), Bathydraconiden (Gymnodraco acuticeps, Cygnodraco mawsoni und Prionodraco evansii) und Nototheniiden (Trematomus nicolai, T. pennelliii und T. hansoni) sowie mit Pagetopsis macropterus eine Art der Channichthyiden.

Die Einordnung dreier Arten der kleinen, sich bevorzugt von Benthos ernährenden Artedidraconiden in die Gemeinschaft des flachen Schelfs passt zu

44 ihrem mit 13% relativ hohen Fanganteil im Tiefenbereich von 200- 300m (siehe Tabelle 2). Die Untersuchungen von SCHWARZBACH (1988), die hauptsächlich auf AGT- Fängen basieren, zeigten die kleinen Artedidraconiden als zweitwichtigste Fischfamilie in dieser Tiefenzone nach den Nototheniiden. Die Art Artedidraco shackletoni konnte im Weddellmeer bis in Tiefen von 467m nachgewiesen werden. Bevorzugt besiedelt sie den Schelf in Tiefen von 300- 400m. A.

skottsbergi ist zwischen 200 und 300m am stärksten verbreitet und wurde auch erstmals auf dem Schelf des nordwestlichen Weddellmeers nahe Dundee Island in etwa 300m Tiefe nachgewiesen (GUTT et al. 2008). Untersuchungen aus dem Rossmeer zeigen ein ähnliches Verbreitungsmuster beider Artedidraconidenarten (EASTMAN & HUBOLD 1999, DONNELLY et al. 2004, LA MESA et al. 2006). Die seltene Art Histiodraco velifer tritt im gleichen Tiefenbereich auf, allerdings konnte sie im Rossmeer sogar in der Tiefe von 910m nachgewiesen werden (EASTMAN & HUBOLD 1999). Sie ist wie Artedidraco shackletoni und A. skottsbergi im Schelfgebiet südlich des Vestkapps vertreten. Der dortige Meeresboden ist weich, mit Bryozoenschill und Schwammnadelfilz bedeckt und von Schwämmen besiedelt (GUTT 1988, VOSS 1988). Dieser Lebensraum bietet kleineren Arten Schutz und Nahrung (EKAU 1988). EKAU und GUTT (1991) beschreiben, dass kleine Notothenioiden Schwämme und Bryozoen als Versteck und zur Tarnung nutzen. Nach EASTMAN & HUBOLD (1999) werden Artedidraconiden regelmäßig in Schwammgemeinschaften gefangen.

Die Ernährungsweisen der in der flachen Schelfgemeinschaft des Weddellmeers gruppierten Bathydraconiden (Gymnodraco acuticeps, Cygnodraco mawsoni und Prionodraco evansii) sind unterschiedlich. G. acuticeps ernährt sich vorwiegend von Fischen, C. mawsoni erbeutet große benthische Organismen und Fische, während P. evansii sich haupsächlich von planktischen Crustaceen sowie Benthos ernährt, also eine benthopelagische Ernährungsweise bevorzugt (SCHWARZBACH 1988, KOCK et al. 1984). Nach GUTT und EKAU (1996) besiedelt P. evansii vorzugsweise Bereiche, die wenig von Epifauna besiedelt sind.

Untersuchungen von PAKHOMOV (1998) aus der Cosmonaut Sea und der Cooperation Sea im östlichen Teil der Antarktis ergaben Unterschiede in der Nahrung von G. acuticeps und C. mawsoni. So frisst C. mawsoni in diesen Gebieten bevorzugt Fische der Gattung Trematomus, während sich G. acuticeps dort hauptsächlich von Myctophiden und Pleuragramma antarcticum ernährt. Die drei vermutlich zirkumantarktisch verbreiteten Bathydraconiden (GON &

HEEMSTRA 1990) aus der Gemeinschaft des flachen Schelfs wurden ebenfalls zusammen mit den Artedidraconiden in der Schwammgemeinschaft südlich des

45 Vestkapps angetroffen. Sie besetzen aber aufgrund unterschiedlicher Ernährung andere Nischen. Nach HUBOLD (1992) sind Gymnodraco acuticeps und Prionodraco evansii Charakterarten für die neritische Gemeinschaft des nordöstlichen Schelfpelagials, beziehungsweise für das Flachwasser des östlichen Weddellmeerschelfs. In größeren Tiefen wurden sie nur vereinzelt angetroffen. C. mawsoni bevorzugt die Tiefen von 300- 400m und wurde auch auf dem Larsen B- Schelf in etwa 300m Tiefe mit dem AGT gefangen (SCHWARZBACH 1988, GUTT et al. 2008). P. evansii kommt hauptsächlich in Tiefen von 200-300m vor und wurde auf dem Larsen B- Schelf in 240m Tiefe nachgewiesen. G. acuticeps war dort in allen GSN- Hols aus etwa 310- 460m Tiefe vertreten und ging zudem vor Larsen A in etwa 180m Tiefe ins Netz (GUTT

et al. 2008).

Des Weiteren gehören drei Nototheniiden (Trematomus nicolai, T. pennelliii und T. hansoni) zur Gemeinschaft des flachen Weddellmeerschelfs. Die Art T. nicolai, die eine benthische Lebensweise zeigt, gilt als Bewohner des kalten Schelfwassers (HUBOLD 1992). Sie zeigt ein opportunistisches Fressverhalten.

So wurden unter anderem benthische Organismen (Polychaeten, Mollusken), planktische Crustaceen (Copepoden, Mysidaceen) sowie Fische in den Mägen von Exemplaren aus dem Rossmeer gefunden (EASTMAN 1985a, MONTGOMERY

et al. 1993). T. nicolai wurde vorwiegend in Tiefen bis zu etwa 400m angetroffen.

Die Untersuchungen von SCHWARZBACH (1988) ergaben ein opportunistisches Fressverhalten bei T. hansoni im Weddellmeer, während sich die Art in der Terra Nova Bay (Rossmeer) vor allem von Fischen und Fischeiern ernährt (LA MESA et al., 1997). T. hansoni ist zirkumantarktisch verbreitet (GON & HEEMSTRA 1990) und lebt bevorzugt inTiefen bis 400m. Die Art wurde auf dem Larsen B- Schelf wie G. acuticeps in allen GSN- Hols (310- 460m Tiefe) nachgewiesen, zudem ebenfalls in 180m auf dem Larsen A-Schelf (GUTT et al. 2008). Die sich hauptsächlich von Benthos ernährende Art T. pennelliii (siehe Abb. 12), die auch zwischen der aus Schwämmen und Bryozoen bestehenden Epifauna lebt (HUBOLD 1992), kommt bevorzugt auf dem Schelf bis 300m Wassertiefe vor. Sie wurde ebenfalls auf dem Larsen B- Schelf nachgewiesen (GUTT et al. 2008).

Trematomus bernacchi wurde nur vereinzelt in vorwiegend flachen Bereichen nördlicher Regionen bis 320m Tiefe gefangen, unter anderem auch in mehreren Gebieten des nordwestlichen Weddellmeers. Sie ernährt sich von diversen benthischen Organismen und konnte keiner Artengruppe zugeordnet werden (SCHWARZBACH 1988, LA MESA et al. 2004).

46

Abb. 12: Trematomus pennellii, aufgenommen beim Einsatz des Remotely Operated Vehicle (ROV)- Station 69-699, Larsen B. Wassertiefe ca. 200m.

P. macropterus, der einzige Channichthyide in der flachen Artengemeinschaft des Weddellmeerschelfs, ist zirkumantarktisch verbreitet (GON & HEEMSTRA

1990) und kommt vor allem in hochantarktischen Gebieten vor (KOCK 2005). Im Weddellmeer trat die Art nur vereinzelt in Tiefen bis maximal etwa 500m auf.

Zudem wurde die Art erstmals im nordwestlichen Weddellmeer gefangen (GUTT

et al. 2008) Sie ging zwischen 290 und 300m Tiefe vor Snowhill Island und vor Dundee Island ins Netz. Pagetopsis macropterus (siehe Abb. 13) ernährt sich vorwiegend von Fischen und Euphausiaceen (SCHWARZBACH 1988).

Der flache Schelf ist durch konstant niedrige Temperaturen von -1,8°C gekennzeichnet. Dagegen liegen die Temperaturen auf dem mittleren Schelf an der Grenze zum Kontinentalhang ab 500m mit etwa 0°C deutlich höher (EKAU, 1988). Möglicherweise bevorzugen einige der für den flachen Schelf typischen Arten konstant niedrige Temperaturen und meiden deshalb den Übergangsbereich zum Kontinentalhang.

Fazit: Der große Teil der Arten der Gemeinschaft des flachen Schelfs kam regelmäßig auf dem östlichen Schelf südlich des Vestkapps vor, der durch weiche Böden und eine Schwamm-Bryozoengemeinschaft gekennzeichnet ist.

Diese bietet den Fischen Versteck- und Nahrungsmöglichkeiten, Schwämme werden möglicherweise auch als Laichplätze genutzt (EKAU &GUTT 1991). Die Arten der flachen Schelfgemeinschaft zeigen unterschiedliche Ernährungsweisen, von Fischfressern (Gymnodraco acuticeps), Benthosfressern (Artedidraco shackletoni und A. skottsbergi) bis hin zu Nahrungsopportunisten (Trematomus nicolai, T. hansoni) ist eine Vielzahl von verschiedenen

47 Ernährungstypen vertreten. Demnach besetzt in diesem Lebensraum jede dieser Arten ihre eigene Nische.

Abb. 13: Pagetopsis macropterus, aufgenommen auf Station 69-714 (ROV), Larsen B, Wassertiefe ca. 240m.