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Determinanten der Fluktuation: Einige zentrale Hypothesen

4.7 Arbeit auf Abruf und Stellenwechsel

4.7.1 Determinanten der Fluktuation: Einige zentrale Hypothesen

Bereits die theoretischen Ausführungen haben gezeigt, dass verschiedene ökonomische Theorien und Modelle zu unterschiedlichen Aussagen hinsichtlich des Einflusses des Lohnes, des Lebens-alters, der Betriebszugehörigkeitsdauer u.a. auf das Ableisten von Abrufarbeit gelangen (vgl.

Kapitel 2). In Abhängigkeit davon, ob das Arbeit auf Abruf-Verhältnis von den Betroffenen als erwünscht oder unerwünscht angesehen wird, dürften sich unterschiedliche Verhaltensweisen in Bezug auf deren Suche nach alternativen Betätigungen ergeben. Deshalb soll zunächst versucht werden, einige wesentliche Bestimmungsgründe für Fluktuation zu identifizieren. Als mögliche und in der SAKE zudem erfasste Einflussfaktoren sind zu nennen (vgl. auch Henneberger/Sousa-Poza 2002: 30-36):

• „Lohnsatz“: Der Lohn hat für die Frage von Stellenwechseln eine doppelte Funktion, da sowohl die Lohnzahlung auf dem gegenwärtigen Arbeitsplatz, als auch diejenige auf mögli-chen zukünftigen Arbeitsplätzen prinzipie ll entscheidungsrelevant ist (vgl. Vatthauser 1985:

98). Je niedriger der Lohn eines Arbeitnehmers auf seinem aktuellen Arbeitsplatz ist bzw. je niedriger er diesen empfindet, desto eher müsste dieser bestrebt sein, diese Situation zu ver-ändern. Mithin ist ein inverser Zusammenhang zwischen der absoluten und relativen Höhe des Lohnes auf dem gegenwärtigen Arbeitsplatz und der Wechselwahrscheinlichkeit zu er-warten.

36 Zusätzlich zum Probit-Modell wurde ein Cox-Proportional-Hazard-Modell geschätzt, welches die Wahrschein-lichkeit des Verlassens der derzeitigen Stelle modelliert, gegeben bestimmte Einflussvariablen (vgl. ausführli-cher Kapitel 4.7.5). Die Berücksichtigung der Arbeitszufriedenheit als Regressor lieferte zwar einen signifikant negativen Koeffizientenwert für diese Variable, d.h. unzufriedene Personen wechseln ihre Stelle häufiger als zu-friedene Personen. Die Aufnahme eines Interaktionsterms „Arbeitszufriedenheit × Arbeit auf Abruf“ bestätigte hingegen das bereits im Probit-Modell erzielte Resultat: Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Beschäftigtengruppen eruiert werden. Personen, die Arbeit auf Abruf leisten sind nicht weniger oder mehr zufrieden als Personen, die keine Arbeit auf Abruf leisten.

• „Betriebszugehörigkeitsdauer“: Wie in Kapitel 2 bereits diskutiert wurde, ist aus ganz unter-schiedlichen Gründen (Honorierung betriebsspezifischen Humankapitals, Abbau asymmetri-scher Informationsverhältnisse über das Zusammenpassen von Stellenanforderungen und Bewerberprofilen usw.) von einem inversen Zusammenhang zwischen der Betriebszugehö-rigkeitsdauer und der Fluktuationsrate bzw. -wahrscheinlichkeit auszugehen. Da Fluktuation nicht selten als Symptom mangelnder Harmonie zwischen Mitarbeiter- und Unternehmens-interessen aufgefasst werden muss, kann Fluktuation auch als Ausübung der Exit-Option interpretiert werden, währenddessen die mit ihrem Arbeitsplatz zufriedenen Arbeitskräfte im Betrieb ihre Interessen äußern (vgl. Hirschman 1970).

• „Alter bzw. Berufserfahrung“: Zwischen dem Lebensalter und der Berufserfahrung besteht zwangsläufig eine hohe Korrelation. Da mit jedem Arbeitsplatzwechsel (einmalige) Kosten verbunden sind, sinkt der zur Verfügung stehende Amortisationszeitraum mit zunehmendem Alter des Beschäftigten. Folglich dürfte eine mit zunehmendem Lebensalter sinkende Fluktu-ationsneigung zu registrieren sein.

• „Geschlecht“: Frauen übernehmen nach wie vor den überwiegenden Teil der Kindererzie-hung, während Männer viel stärker am beruflichen Erfolg orientiert sind (vgl. Sousa-Poza/

Schmid/Widmer 2001). Wegen der geringeren Erwartungshaltung der Frauen in Bezug auf die berufliche Karriere sind diese auf identischen Arbeitsplätzen häufig zufriedener als ihre männlichen Kollegen (vgl. Clark 1997, Sousa-Poza/Sousa-Poza 2000). Zudem üben vor allem Frauen Teilzeitbeschäftigung aus. Teilzeitbeschäftigte sind aber häufig weniger stark in den Arbeitsmarkt integriert als Vollzeitbeschä ftigte, weshalb sich diese häufiger zwischen einer Erwerbs- und der Nichterwerbstätigkeit (auch außerhalb der Arbeitslosigkeit) bewegen.

Damit ist aus dieser Perspektive eine generell höhere Fluktuationsrate, aber eine geringere job-to-job mobility für die Gruppe der Frauen zu erwarten.

• „Familiäre Bindung“: Die Kosten eines Arbeitsplatzwechsels steigen, wenn nicht nur der Stellenwechsler davon betroffen ist, sondern die ganze Familie (vgl. Holmlund 1984). Inso-fern dürften insbesondere ledige Personen ohne Kinder unter sonst gleichen Bedingungen viel eher einen Stellenwechsel ins Auge fassen als dies bei verheirateten Beschäftigten der Fall ist. Außerdem sollte die Existenz von Kindern im Schulalter die Wechselwahrschein-lichkeit negativ beeinflussen.

• „(Schul-)Ausbildung“: Zum einen kann argumentiert werden, dass bei Personen mit einem hohen Bildungsniveau die Phase des Ausprobierens verschiedener Arbeitsplätze wegen deren schnellen Lernfähigkeit entsprechend kürzer ausfällt respektive weniger Wechsel vorgenom-men werden als dies bei Personen mit einem niedrigeren Ausbildungsstand der Fall ist. Zum

anderen ist aber auch denkbar, dass sich Personen mit besserer Ausbildung eher als über-qualifiziert für bestimmte Tätigkeiten empfinden, deswegen mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden sind und öfter die Stelle wechseln werden. Das bedeutet, dass es eine Reihe gegenläufiger Effekte gibt, die sich kompensieren können (vgl. Grund 2001: 99-100).

Welcher Einfluss schließlich dominiert kann a priori nicht bestimmt, sondern muss empirisch überprüft werden.

• „Nationalität“: Weil in der Schweiz bestimmten Kategorien ausländischer Arbeitskräfte rechtlich nur eine sichtbar eingeschränk te Mobilität zwischen Arbeitgebern und Wohnorten zugestanden wird (vgl. z.B. Golder 1999: 26-28), ist zu erwarten, dass die Fluktuationsraten der Arbeitskräfte ausländischer Nationalität geringer sind als diejenigen der Schweizer.

• „Unternehmensgröße“: Da gemeinhin größere Unternehmen höhere Löhne zahlen als klei-nere, in größeren Unternehmen mehr Aufstiegs- und Wechselmöglichkeiten existieren (in-terne vertikale und horizontale Mobilität) und größere Un(in-terne hmen eine höhere Arbeits-platzsicherheit offerieren, indem sie ein geringeres Risiko des Scheiterns aufweisen (vgl.

Idson 1996), ist von einer inversen Beziehung zwischen der Firmengröße und der Anzahl an Arbeitgeberwechseln auszugehen. Je größer das Unternehmen ist, desto unwahrscheinlicher werden zwar zwischenbetriebliche Wechsel (vgl. für die USA Campbell 1997, für Deutsch-land Schasse 1991). Andererseits verfügen gerade große Unternehmen häufig über eine hohe Attraktivität als Arbeitgeber und gleichzeitig Marktmacht, so dass diese eher in der Lage sind, Arbeitnehmern zunächst nur vom normalen Arbeitsverhältnis abweichende Verträge anzubieten. Damit kann arbeitgeberseitig eine flexiblere Anpassung des Personalbestandes vorgenommen werden. Zudem werden auch die Arbeitnehmer zu umfassenderen Suchaktivi-täten angehalten. In der Folge kann die Fluktuationsrate durchaus mit steigender Unterneh-mensgröße zunehmen.

• „Branche“: Die einzelnen Branchen können ganz unterschiedliche Fluktuationsarten aufwei-sen, abhängig vom spezifischen Grad der Regulierung der Beschäftigungsverhältnisse, dem jeweiligen Grad der Stabilität der Güternachfrage etc. In jedem Falle ist es angesagt, im Rah-men multivariater Regressionsanalysen für diese Branchenspezifika zu kontrollieren.

• „Sprachregion“: Da auch Mentalitätsunterschiede zwischen der Bevölkerung bzw. den Er-werbstätigen verschiedener Landesteile im Hinblick auf Fragen zur Betriebstreue, Mobilitäts-bereitschaft etc. nicht a priori ausgeschlossen werden können, muss diesem kulturellen Hin-tergrund und daraus resultierender potentieller Unterschiede ebenfalls Rechnung getragen werden.

• „Stellensuche“: Es leuchtet unmittelbar ein, dass Personen, die sich gegenwärtig auf Stellen-suche befinden, nicht nur potentiell, sondern auch faktisch höhere Wechselraten aufweisen sollten.

4.7.2 Definition und Determinanten der Fluktuation: Empirische Ergebnisse für alle