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Der Imperativ als tempusunspezifizierte Verbform

2. Der Imperativ als Satztyp 1. Theoretischer Rahmen

2.3. Die Satztypmerkmale des slowakischen Imperativs 1. Das morphologische Paradigma des Imperativs

2.3.3. Der Imperativ als tempusunspezifizierte Verbform

Als ein weiteres Satztypmerkmal des Imperativsatzes wird hier die Eigenheit seines Modus verbi angenommen, zwar eine finite Verform zu bilden, die je- doch hinsichtlich des Tempus unspezifiziert bleibt. Die Grammatiken der westslawischen Sprachen, und so auch des Slowakischen, schreiben dem Impe- rativ eine futurische bzw. posteriore Bedeutung zu. Im Kapitel 3. wird zu sehen sein, daß sich eben diese Posteriorität lediglich als Interpretation unter Wirkung des Imperativoperators ergibt, und zwar derart, daß ein Sprecher die Erfüllung einer Proposition nur dann intendieren kann, wenn er davon ausgeht, daß diese Proposition noch nicht erfüllt ist.

Für die Grammatik des Imperativs ist nun relevant, daß sich dieser Modus verbi auch durch seine Tempusunspezifiziertheit von allen anderen Gliedern dieser morphologischen Kategorie unterscheidet. Während Indikativ und Kon- ditional die Bildung von Tempusformen zulassen, ist dies für den Imperativ blockiert46. Allerdings verfügt das Verb in seinem Lexikoneintrag bzw. in sei- ner kanonischen Form über eine Argumentstelle für das Tempus, um den vom Prädikat bezeichneten Sachverhalt zeitlich zu lokalisieren. Nach Bierwisch (1987) gilt für die Semantische Form von Verben folgende Prädikat-Argument- Struktur47:

( 1 ) Xxn ... Xx1 Xe (Xt [t = Te] : ) [e INST [... ]]

mit t,e g N, T e N/N, = 6 (S/N)/N, INST e (S/N)/S, : 6 ( a /a ) /ß Dabei repräsentiert (t) die semantische Leerstelle für die Tempusspezifizierung.

"Diese Leerstelle und der betreffende Teil der Prädikat-Argument-Struktur (PAS) ist abwesend, wenn der betreffende Verbstamm ohne Tempusspezifizie- rung bleibt" (Zimmermann; 1988: 158). Weiterhin gilt nach Zimmermann (ebd.:

162) beispielsweise für das Infinitivformativ folgende Subkategorisierung:

6 4 De r Im p e r a t i v a l s Sa t z t y p

46 Die westslawischen Sprachen verfügen über zwei Formenreihen des Konditionals und zwar übereinen Konditional I (Präsens) und einen Konditional II (Präteritum).

47 Siehe auch Bierwisch (1990).

(2) a. /־en/

b. +V a T S + 1S c. [+V +TS _ ]

d. XP [P -a(t)] mit P 6 S / N (siehe Zimmermann; ebd.)

Im Lexikon ist fur ein imperativisches Verb folgender Eintrag vorzusehen:

(3) a. /־Ximp/

b. +V -TS +imp -lps/sg c. [+V +TS _ ]

d. XP [P ]

Die phonetische Spezifizierung des Imperativmorphs unter a. erfolgt dabei in Abhängigkeit vom jeweiligen Verbparadigma. Ein imperativisches Prädikat er- hält die unter b. ausgewiesene Argumentadressierung für XP:

(4) +V -TS +imp -1 ps/sg XP [P]

Die Variable P wird durch eine konkrete Verbform gebunden, wobei die Aus- blendung der Tempus-Rolle erst über den Satzmodus-Operator und damit unter C° erfolgt (siehe unten).

(5) XP [P] (Xxn ... bc, Xe Xt [t = Те] : [e INST [p (x,,x״)]])

=A.xn ... Xx\ Xe A.t [t = Те] : [e INST [p (x!,xn)]]

Mit der Sättigung des externen Arguments wird der Verbstamm morphologisch spezifiziert, d.h. bspw. für die 3. Person des Satzes Pânboh zaplat':

(6) Xx Xe A.t [[t = Те] : [e INST [p(x)]]] (ix [Pânboh x])

= Xx Xe X,t [[t = Те] : [e INST [p(1x [Pânboh x])]]]

Pronominale Subjekte gelten hingegen als definite Ausdrücke, weshalb das re- ferentielle Argument durch den i-Operator gebunden wird. Dabei wird in bezug auf den Referenten (Q) keine weitere Spezifizierung vorgenommen, als daß er die Eigenschaft hat, Adressat bzw. Sprecher (im Falle des Adhortativs) zu sein.

So gilt für die 2. Person Singular folgende semantische Repräsentation:

(7) ix [[Qx] & [[ADRESSEE x] & [QUANT x = 1 ]]]

Nach Bindung des externen Arguments ergibt sich somit folgende Semantische Form:

(8) Xx Xe Xt [[t = Te]:[e INST [p(x)]]] (ix [[Qx] & [[ADRESSEE x] &

[QUANT x = 1]]])

־ Xe Xt [[t = Te]:[e INST [p (ix [[Qx] & [[ADRESSEE x] &

[QUANT x = l ] ] ] ) ] ] ] bzw. für die 2. Person Plural:

De r Im p e r a t i v a l s Sa t z t y p 6 5

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De r Im p e r a t i v a l s Sa t z t y p 6 6

= Xe Xt [[t = Te]:[e INST [p (ix [[Qx] & [[ADRESSEE x] &

[QUANT x > 2]]])]]]48 Die adhortative Form, die 1. Person Plural, besagt, daß die Proposition für eine Gruppe von Personen Gültigkeit hat, die der Sprecher repräsentiert.

(9) Xe Xt [[t = Te]:[e INST [p (ix [[Qx] & [[SPEAKER x] &

[QUANT x > 2]]])]]]

Für die VP-inteme Generierung des Subjektausdruckes ergibt sich nunmehr fol- gende syntaktische Struktur:

(10) VP A.eA.t [[t=Te]:[e INST [p (ix [[Qx] & [[ADRESSEE x] &

[QUANTx > 2]]])]]]

V' DP

+2ps + sg

V0

Xx Xe X\ [[t = Te]:[e INST [p(x)]]]

ix [[Qx] & [[ADRESSEE x

& [QUANT x = 1]]

Da nun die zeitliche Situierung eines Sachverhalt im Imperativsatz nicht abso- lut, sondern lediglich relativ zum Kontext erfolgt, kann das Argument (t) nicht gebunden werden. "Bei -TS-Kennzeichnung wird das einstellige Prädikat auf ein Argument t bezogen, wodurch ־ mittels Lambdakonversion - eine Proposi- tion [ ... t ... ] vom Typ S entsteht. Das heißt, daß die betreffende Argument- stelle des Prädikats, X.t, absorbiert wird, ohne weitere inhaltliche Spezifizie- rung" (ebd.). Allerdings findet hier die Lambdakonversion keine Anwendung, da somit Argumentstellen belegt würden, die es bei der Bildung einer Impera- tivform nicht gibt. Dies erfolgt durch funktionale Komposition, "deren Wesen darin besteht, zwei Funktionen zu einer komplexen Funktion zu vereinen ... In ihrer generalisierten Form funktioniert die funktionale Komposition folgender- maßen:" (Zimmermann; ebd.: 163).

(11) P (Q) = ХУп ••• Xy\ [P(Q(yn) - (У1 ))]

mit P e а/b, Q 6 (... (ß/yi ...)/yn, УІ e y\

(Zimmermann; ebd.)

Während der syntaktischen Derivation durchläuft das Verb die funktionalen Projektionen der IP. Dabei stellt sich die Frage, auf welcher Stufe der syntakti- sehen Derivation es zur Ausblendung der Tempusrolle kommt bzw. die

refe-48 Dabei ist der Tatsache Rechnung zu tragen, daß das Nieder- und Obersorbische neben den Pluralformen auch über einen Dual verfügen, wonach für die kardinale Spezifizierung des Adressaten die Identität mit "2" (... [QUANT x = 2] ...) gelten muß.

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rentiellen Argumente gebunden werden, damit diese Ѳ-Rollen des Verbs gesät- tigt sind. Laut Lenerz (1 9 9 2 ) gilt: "Eine Ѳ-Rolle eines Verbs ist dann

"gesättigt", wenn der Referent identifiziert ist, fiir den gelten soll, daß er in der durch die Ѳ-Rolle definierte Relation zu dem durch das Verb denotierte Ereignis steht. Der wesentliche Bestandteil der Ѳ-Rollen-Vergabe ist also die refe- rentielle Festlegung des sprachlichen Ausdrucks, der als Träger der Ѳ-Rolle an- zusehen ist" (ebd.: 3 0 -3 1 ). Das heißt, daß ein sprachlicher Ausdruck erst dann referiert, wenn seine Ѳ-Rollen referentiell gebunden wurden. Zwar treten sprachliche Elemente in die syntaktischen Prozesse als morphologisch deri- vierte Formen ein, jedoch können sie erst dann zu referierenden Ausdrücken überfuhrt werden, wenn ihre morphosyntaktischen Merkmale abgeglichen wur- den. Somit kann man davon ausgehen, daß ein Verb in seiner morphologisch spezifizierten Form wie z.B. mit dem entsprechenden Tempusaffix in die syn- taktische Derivation eintritt, daß jedoch dieses Merkmal erst dann einen zeit- liehen Bezug herstellen kann, wenn es unter TP abgelichen wurde. Den Merk- malen in den Kopfpositionen unter Tl) kommen bestimmte semantische Reprä- sentationen zu, die in die SF des Satzes eingehen. Da der Imperativ jedoch tem- pusunspezifiziert bleibt, kann das finite Verb unter T° keine Tempusmerkmale abgleichen. Somit ist T° für den Imperativsatz blockiert:

(1 2 ) TP

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Spec T

AgrOP

0

Die Tempusunspezifiziertheit ist an das Satztypmerkmal [+imp] unter C° ge- bunden. In dieser Position gleicht das finite Verb die Merkmale des Modus verbi ab, und es kommt erst an dieser Stelle zur Ausblendung des Tempus. Für die semantische Repräsentation des Satztypmerkmals [+imp] unter C° gilt des- halb49:

(13) CP

SpecCP C'

AgrSP

A.P [IMP [3e [P e t]]]

49 Zur Bedeutung des Imperativoperators siehe 3.1.

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Die Ausblendung der Tempus-Rolle (A.t) erfolgt durch funktionale Rompisi- tion, die es ermöglicht, das Argument (A,t) zu absorbieren und zugleich in 1er Argumentstruktur (A.e) zu überspringen. Dies ist erforderlich, weil das Ar»u- ment (A.e) als letztes gebunden wird, in der Argumentstruktur jedoch (A.t) récits von (A.e) steht. Somit ist - wie bereits erwähnt - die Lambda-Konversion nbht anwendbar, da diese Operation die Argumente des Verbs sukzessive von liiks nach rechts bindet. Der Imperativoperator ist hierbei der Hauptfunktor, die \r - gumente des Verbs (siehe (1)) werden an die komponierte Funktion entsp-e- chend (9) vererbt. Dabei wurden die strukturellen Argumente bereits gebundtn:

(14) X? [IMP [3e [P e t]]] (Xe Xi [t=Te] : [e INST [...])

= IMP [3e [Xe Xt [t=Te] : [e INST [...] e t]]]

ее IMP [3e [t=Te] : [e INST [...]]]

Spezifisch für den Imperativ ist somit, daß es sich um eine tempusunspezifi- zierte finite Verbform handelt. Die Ausblendung des Tempus erfolgt über den Satzmodus-Operator, der im Imperativsatz zugleich den Modus verbi selegieit.