• Keine Ergebnisse gefunden

Der Aufbau des Briefes

Im Dokument Der erste Brief des Petrus (Seite 11-14)

A. Einleitung

2. Der Aufbau des Briefes

Die Struktur der Argumentaton ist deutlich:

Im Präskript (1,1–2) wird der Rahmen der Kommunikation definiert. Als Absender steht „Petrus“. Warum der Brief Petrus – und nicht Paulus oder eine andere prägende Gestalt des frühen Christentums – als seinen Autor wählt, bleibt zunächst unklar. Er interessiert sich nämlich weder in dieser ersten Selbstvorstellung noch im weiteren Ver-lauf seiner Argumentation für das Besondere der Person Petrus, für seine Vergangenheit mit Jesus in Galiläa oder für seine besondere Rolle in der Geschichte der nachöster-lichen Mission. Entscheidend scheint nur zu sein, dass er als Gesandter Jesu Christi schreibt. Dem Verfasser ist es auffällig wichtiger, die Sondersituation der Adressaten aufzuwerten: Sie bilden eine Diaspora in einer Gesellschaft, die ihre Welt war, die für sie aber zur Vergangenheit gehört und der sie fremd geworden sind. Aber diese Fremd-heit, die sie als soziale Außenseiter kennzeichnet, wird durch den Brief als die Kon-sequenz einer Berufung interpretiert, die durch eine programmatische Zusammen-fassung ihres Überzeugungssystems begründet wird:

– Sie sind in eine Geschichte der Hoffnung hineingenommen worden, die von Gott dem Vater bereits vor Grundlegung der Welt bestimmt wurde.

– Sie sind dazu durch den Geist ausgesondert worden.

Einleitung

2

– In den Leiden und der Verherrlichung Jesu Christi haben sie den Grund und das Vorbild ihrer Dissidenz in einer Gesellschaft und in einer religiösen Umwelt gefun-den, in der sie kein Zuhause mehr haben.

Nach dem Modell der Paulusbriefe beginnt der Brief mit einer Danksagung (1,3–11).

Aber anders als in den Briefen des Paulus hat diese Danksagung nicht die Funktion, den Kommunikationszusammenhang zwischen dem Apostel und seinen Gemeinden her-zustellen, indem die persönlichen Verbindungen einer gemeinsamen Geschichte vom gemeinsamen Glauben her definiert werden. Die Danksagung, die in 1 Petr überhaupt keine Hinweise auf eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen dem angegebenen Verfasser und seinen Adressaten enthält, stellt sich vielmehr als eine aufwertende Wie-derholung des Glaubensbekenntnisses dar. Unter dem Aspekt der Zukunft werden die Adressaten daran erinnert, dass die Offenbarung der Auferstehung Jesu ihnen eine le-bendige Hoffnung gegeben hat, die mit der Gewissheit eines endzeitlichen Heils ver-bunden ist (1,3–5). Von dieser Gewissheit her dürfen sie die momentanen Prüfungen, die ihren gegenwärtigen Alltag beeinträchtigen, als Bestätigung und Verstärkung ihres Glaubens betrachten (1,6–9). Und die Propheten, die der Vergangenheit einen Sinn geben, bestätigen den hohen Wert der Gnade, die den Adressaten zugekommen ist, indem sie selbst danach gesucht und geforscht haben. So sollen sie als Zeugen der frohen Botschaft der Leiden und der Herrlichkeit Christi gelesen werden (1,10–12).

Das Briefcorpus beginnt mit einem biographischen Rückblick auf die vergangene Unwissenheit der Adressaten und auf die Wiedergeburt. Diese wurde ermöglicht durch die Offenbarung der Auferstehung Jesu, die sie von der nichtigen Lebensweise ihrer vor-christlichen Zeit befreite. Der Sinn dieser Erinnerung besteht in der Auf-forderung, ihre neue Identität wahrzunehmen: Sie sind das Haus Gottes und sollen sich wie lebendige Steine als dieses Haus Gottes in der Welt aufbauen lassen (1,13–2,10).

Diese Sonderstellung und die Verantwortung, die damit verbunden ist, werden mit religiösen Begriffen bezeichnet, die in einem übertragenen, sozialen und politischen Sinn verwendet werden: Die Erwählten sind heilig, sie sollen heilig sein, wie der Gott, der sie erwählt hat, heilig ist. Und ihre Dissidenz wird als universales Priestertum aller Menschen qualifiziert, die in der geoffenbarten Hoffnung leben.

Den Grund dieser ersten Etappe der Argumentation bildet ein erster christologi-scher Hymnus, der ähnlich Reinheitskategorien im übertragenen, ethischen Sinne ver-wendet: Fehllos und makellos meinen eigentlich kompromisslos. Die Offenbarung der Auferstehung Christi hat ihrer Hoffnung deswegen Grund gegeben, weil er sein Leben dafür gegeben hat (1,18–21):

18 wissend,

dass ihr nicht durch vergängliche [Dinge], Silber oder Gold, erlöst worden seid

aus eurer nichtigen, von den Vätern überkommenen Lebensführung, 19 sondern durch wertvolles Blut,

wie [das] eines untadeligen und makellosen Lammes, [nämlich das Blut] Christi,

20 [der] zwar vorausersehen ist vor der Grundsteinlegung der Welt,

aber offenbar wurde am Ende der Zeiten um euretwillen,

3

21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn aufgeweckt hat von den Toten und ihm Herrlichkeit gegeben hat,

damit euer Glaube auch Hoffnung auf Gott ist.

Der zentrale Teil des Briefes (2,11–4,11) beginnt mit einer thematischen Darstellung des strategischen Programms: Die Haltung und der Lebensstil der Adressaten, die sich in ihrem Umfeld nicht defensiv verhalten, sondern ihrer Hoffnung offensiv und kreativ treu bleiben, sollen die Nicht-Christen veranlassen, den Gott, der sich in der Auferste-hung Jesu geoffenbart hat, als Gott anzuerkennen und zu preisen (2,11–12). Strate-gische (2,13–3,12) und pastoraltheoloStrate-gische Durchführungen (3,13–4,11a) werden christologisch begründet (2,21–25; 3,18–22) und durch eine entsprechende Doxologie (4,11b) abgeschlossen: Das Ziel der Strategie besteht darin, dass Gott durch Jesus Chris-tus, und die Wahrnehmung des von ihm gegebenen Vorbildes durch die in der helle-nistisch-römischen Gesellschaft zerstreuten Christen anerkannt wird als Grund der Hoffnung, der Lebensorientierung und des Sinns der menschlichen Existenz.

Die strategischen Durchführungen bestehen aus Empfehlungen, die sich zunächst und abschliessend an alle Mitglieder der christlichen Gemeinschaften richten, sich aber dazwischen an besondere Gruppen wenden: Christliche Sklaven in nicht-christlichen Häusern, christliche Ehefrauen in nicht-christlichen Häusern und Ehemänner (2,13–

3,12). Der Hauptsatz wird in 2,13a formuliert, und er wird in einer Reihe einleitender Partizipialsätze wiederaufgenommen (2,18; 3,1.7.8–9). Er unterscheidet taktische An-weisungen zur Unterordnung von einer klaren theologischen Begründung. Wenn die Adressaten den Willen Gottes tun wollen und ihrer Hoffnung und sich selbst treu bleiben, dann sollen sie sich den in den nicht-christlichen Häusern sozial geltenden Ordnungen unterordnen. Der tiefere Sinn dieser taktischen Unterordnung besteht in einer offensiven Strategie der Gewaltlosigkeit, die mehrere Ziele verbindet. Zum einen geht es darum, ihre Freiheit zu bewahren und sich selbst zu schützen: Eine einfach defensive Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Herrschenden und Hausherren würde einen Verrat der eigenen Werte und des Selbstwertgefühls bedeuten, und ein reaktives Verhalten eine mögliche Eskalation der Gewalt auslösen, die Christen, christliche Skla-ven und christliche Frauen zu den ersten Verlierern in ihrem nicht-christlichen alltäg-lichen Lebensraum machen würde. Zum anderen findet diese Strategie ihre Bedeutung darin, den wahren Grund ihrer Dissidenz von persönlichen Interessen klar unterscheid-bar zu machen, das Gewissen ihrer Mitmenschen anzusprechen und sie von ihrer Hoff-nung zu überzeugen.

Die pastoraltheologischen Durchführungen verarbeiten die Situation der Adressaten, indem sie die notwendige Verbindung zwischen ihren Konflikten und ihrer Hoffnung reflektieren (3,13–4,11). Das sind im Wesentlichen drei Empfehlungen: Sie sollen sich nicht durch ungerechtes Leiden entmutigen lassen, denn, so lange sie sich vorbildlich untergeordnet haben, ergibt sich diese Ungerechtigkeit nicht aus ihren eigenen Verhal-tensweisen, sondern aus ihrer Hoffnung. Deswegen sollen sie auch jederzeit bereit sein, allen Menschen, die sie um eine Auskunft bitten über die Hoffnung, die sie motiviert, eine Antwort zu geben. Und sie sollen sich auch nicht durch die Nostalgie der alten Zeit oder wegen des Entsetzens ihrer ehemaligen Freunde zurückgewinnen lassen.

Einleitung

4

Die Zusammenfassung (4,12–19) nimmt die Form einer peroratio an. Die bisher behandelten Themen werden knapp und nachdrücklich wiederaufgenommen. Die Dissidenten sollen sich durch den Widerstand, den sie erfahren, nicht entmutigen las-sen. Sie sollen sich umgekehrt darüber und darauf freuen, dass diejenigen, die jetzt Gemeinschaft an den Leiden Christi haben, auch Gemeinschaft an seiner Herrlichkeit haben werden, wenn sie offenbar werden wird (4,12–13). Dann sollen sie sich nicht schämen, wenn sie für Verbrecher gehalten werden, denn sie selbst wissen, dass sie die Konflikte nur deswegen erfahren, weil sie die neuen Werte, die für sie jetzt gelten, nicht verraten haben, und dass sie ihrer Hoffnung treu geblieben sind (4,14–16). Abschlies-send wird der ganze Prozess auf seinen Zielpunkt gebracht: In diesem gewaltlosen Ver-such, die Menschen für die Hoffnung zu gewinnen, und in den Reaktionen, die dieses Engagement auslöst, vollziehen die Dissidenten das Gericht (4,17–19).

Die Schlussparänese (5,1–9) erinnert ältere, erfahrungsreichere, und jüngere Mit-glieder in der Gemeinde an ihre wechselseitige Verantwortung, und dem apostolischen Segen (5,10–11) folgen eine kurze persönliche Erklärung des Petrus, der „durch den treuen Bruder Silvanus“ geschrieben hat (5,12), und indirekte Grüße von der rö-mischen Gemeinde und von einem Markus, den der Verfasser als seinen Sohn vorstellt (5,13–14).

3. Die Entstehungssituation des Briefes und

Im Dokument Der erste Brief des Petrus (Seite 11-14)