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3 Daten und Modelle

4.1 Globale Klimamodelle

4.1.4 Der anthropogene Faktor

Trotz der Ungewissheiten kann man heute sagen, dass Klimamodelle ein relativ verlässliches Werkzeug für die Klimaprojektion darstellen (Randall und Wood 2007). Wie bereits beschrieben ergibt sich für eine verlässliche Simulation des zukünftigen Klimas ein weiteres Problem. Es stellt sich die Frage nach dem Umfang an Treibhausgasen, die in den kommenden Dekaden durch den Menschen ausgestoßen werden; wie also das Forcing für die Klimamodelle gesetzt werden muss?

Um diesem Problem zu begegnen wurden Szenarien entwickelt, nach denen sich die menschliche Gesellschaft im Laufe der kommenden Dekaden entwickeln könnte.

Die sog. SRES-Szenarien (für Special Report on Emission Scenarios) wurden in Nakicenovic et al. (2000) im Zuge des dritten IPCC Berichts (TAR) verfasst und bestehen aus vier sog.

Storylines (A1, A2, B1 und B2) die mögliche ökonomische, demographische und technologische Entwicklungen bis zum Ende des laufenden Jahrhunderts beschreiben. Die Storylines bestehen eigentlich aus Gruppierungen von etwa 500 detaillierteren einander ähnlichen Szenarien (Fis-her und Nakicenovic 2007). Erstellt wurden die verschiedenen Szenarien mit einer Zahl sog.

integrated assessment models (IAMs). Aus all diesen Szenarien wurden sechs ausgewählt, die stellvertretend für bestimmte Entwicklungspfade stehen. Sie werden auch als Marker-Szenarien bezeichnet (Betts et al. 2010).

• Das A1Szenario beschreibt eine Welt mit sehr schnellem ökonomischem Wachstum, eine globale Population die ihr Maximum in der Mitte des 21. Jahrhunderts erreicht, sowie die

schnelle Einführung neuer und effizienterer Technologien. Das Szenario teilt sich weiter in drei Unterszenarien, wovon dasA1B-Szenario eine Zukunft beschreibt, in der die Energie-versorgung ausgeglichen aus fossilen und erneuerbaren Energieträgern besteht.A1FI sieht eine Konzentration auf fossile Energieträger vor (FI für fossil intensive), während A1T mit nicht-fossilen Energieträgern als Schwerpunkt arbeitet

• SzenarioA2beschreibt eine sehr heterogene Welt, mit hohem Bevölkerungswachstum und einer langsamen ökonomischen und technologischen Entwicklung

B1 nimmt eine ähnliche demographische Entwicklung wie A1 an, geht jedoch von einer stärkeren Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft aus

B2 geht von einem mittleren Bevölkerungs- bzw. ökonomischem Wachstum aus, wobei lokale Lösungen sowie ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen (Fisher und Nakicenovic 2007; Pachauri et al. 2008)

Tabelle 4.2: Tabellarische Darstellung der SRES-Szenarien des AR4 (Pachauri et al. 2008) Ökonomischer Fokus Ökologischer Fokus

A1 B1

Homogene globalisierte Welt Schnelles ökonomisches Globale ökologische

Wachstum Nachhaltigkeit

A2 B2

Heterogene regionalisierte Welt Regional orientierte Lokale ökologische ökonomische Entwicklung Nachhaltigkeit

Aufgrund begrenzter Ressourcen ist es oftmals nicht möglich einen Modelllauf für jedes dieser Szenarien durchzuführen. Je nach Fragestellung kann die Wahl des verwendeten Szenarios daher variieren. In vielen Fällen findet sich das A1B-Szenario, da dieses oft als „middle-of-the-road scenario“ (Berg et al. 2011) bezeichnet wird. Vom IPCC werden hingegen alle Szenarien als gleich fundiert betrachtet, es wird also keines als wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher eingestuft (Solomon et al. 2007).

Entsprechend den Szenarien variiert der anthropogene Ausstoß an Treibhausgasen oder Ae-rosolen, was eine unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Klimaelemente zur Folge hat. Die hauptsächliche Nutzung von fossilen Energieträgern wie in Szenario A1Fl hat beispielsweise eine deutliche stärkere Temperaturerhöhung zur Folge als in den anderen Szenarien (Jacob et al.

2008). Umgekehrt lassen sich so auch Schlüsse ziehen, welche Entwicklungen (technologisch, ökonomisch, sozial) notwendig wären um bestimmte Klimaziele zu erreichen. Da es sich bei den SRES-Szenarien um generalisierte Gruppen einzelner Szenarien handelt, ist nicht auszuschlie-ßen, dass auch eine Entwicklung mit höherem oder niedrigerem Ausstoß an Treibhausgasen stattfinden könnte.

Um herauszufinden inwieweit die Szenarien der Realität entsprechen, wurden die prognostizier-ten Emissionsraprognostizier-ten zumindest für den Zeitraum 2000–2007/08 mit den tatsächlichen Beobach-tungen verglichen (siehe auch Abb. 4.4). Der Vergleich zeigt, die gemessenen Werte liegen zwar im oberen Bereich der Prognosen, aber noch in deren Rahmen (Manning et al. 2010). Selbst wenn die Szenarien für diesen relativ kurzen Zeitraum die reale Entwicklung unterschätzen, besteht dennoch die Möglichkeit, dass sie diese im laufenden Jahrhundert auch überschätzen könnten, bspw. aufgrund einer eintretenden ökonomischen Krisensituation. Folglich reicht ein kurzfristiger Trend nicht aus um das gesamte Szenario zu verwerfen. So wurden die Szenarien anfangs kritisiert, da sie den globalen Ausstoß an Treibhausgasen angeblich überschätzten (da

4.1 Globale Klimamodelle

Abbildung 4.4: Vergleich tatsächlicher fossiler CO2 -Emissionen zwischen 1990 und 2008 (schwarze Linie) mit SRES Szenarien. Ge-strichelte Linien zeigen die Mittelwerte aller Grup-penszenarien, durchgehen-de Linien nur die sog. Mar-ker Szenarien. Rot: A1B;

Orange: A1FI; Grau: A1T;

Grün: A2; Braun: B1;

Blau: B2. Aus Betts et al.

(2010)

dieser gerade vor dem Jahr 2000 nur langsam stieg) während heute von einigen Autoren kritisiert wird, sie würden diesen unterschätzen (Vuuren et al. 2010).

Was die Szenarien bisher aber außer Acht lassen, ist beispielsweise ein aktives Eingreifen bzw.

Gegensteuern der Politik in Fragen des Klimawandels (Moss et al. 2010). Kritisiert wurden die SRES-Szenarien auch in einer Reihe anderer Faktoren. So wurden vom IPCC bei Fragestellun-gen zu globalen Einkommensunterschieden MER (Market Exchange Rates) verwendet, während Kritiker dies als unrealistisch deklarierten und stattdessen die Verwendung von PPP (Purcha-sing Power Parity) befürworteten. Auch die hohen Wachstumsraten einzelner Szenarien wurden hinterfragt, da deren Zustandekommen unklar war (McKibbin et al. 2009). Vom IPCC wurden die Vorwürfe weitestgehend zurückgewiesen. Es wurde aber die Notwendigkeit bestätigt, dass die vorhandenen Szenarien im Zuge fortschreitenden Kenntnisstandes kontinuierlich evaluiert und überarbeitet werden müssen (Nakicenovic et al. 2003).

Da die SRES-Szenarien mittlerweile über eine Dekade alt sind, werden für den nächsten IPCC Bericht (AR5) neue Entwicklungspfade erstellt (sog. RCPs — Representative Concentration Pathways). Neue ökonomische Erkenntnisse, Informationen zu neu aufkommenden Technologien und Beobachtungen von Umweltfaktoren wie der Landnutzung haben dies nötig und möglich gemacht (Moss et al. 2010). Die RCPs werden aus der existierenden Literatur zusammengestellt und sollen den aktuellsten Stand der Forschung enthalten. Ein neuer Aspekt ist, dass diese Entwicklungspfade künftig nach „near-term“ (bis zum Jahr 2035) und „longterm“ (bis 2100 bzw.

erweitert bis 2300 für bestimmte Fragestellungen) unterschieden werden. Der Vorteil der sich aus der Unterscheidung ergibt ist, dass die Unsicherheiten in den Prognosen für „near-term“ RCPs geringer sind als in denen der „longterm“. So lassen sich unmittelbare Risiken besser erkennen, Anpassungsstrategien entwickeln und somit die Vulnerabilität insgesamt verringern.

Es kommen vier dieser RCPs zur Anwendung (siehe Tabelle 4.3), die untereinander in ih-rem Strahlungsantrieb variieren. Bisher wurden erst unterschiedliche Entwicklungen der THG Emissionen deklariert, um dann anschließend auf den Strahlungsantrieb zurückzuschließen. Die bisherige sequenzielle Herangehensweise der SRES-Szenarien wird außerdem durch einen par-allelen Ansatz ersetzt (vgl. Abb. 4.5). Hierbei wird ein bestimmter Strahlungsantrieb definiert, welcher durch unterschiedliche technologische, ökonomische und ökonomische Entwicklungswege erreicht werden kann.

Die Frage die hinter diesem parallelen Ansatz steckt ist: „What are the ways in which the

Abbildung 4.5:Funktionsweise des parallelen Ansatzes neuer RCP-Szenarien (aus Moss et al. 2010)

world could develop in order to reach a particular radiative forcing pathway?“ (Moss et al.

2010). Als Folge dieses neuen Ansatzes sollen Kosten, Risiken und Nutzen politischer Entschei-dungen, klimatischer und sozioökonomischer Ansätze besser eingeschätzt werden können. Für unterschiedliche Antriebsszenarien muss auch nicht der gesamte Modelllauf wiederholt werden, was zu einer deutlichen Einsparung der Rechenzeit führt. Insgesamt sollen somit auch neue Szenarien deutlich schneller erstellt und modelliert werden können (Moss et al. 2008, 2010).

Inwieweit sich die Ergebnisse der Klimamodellierung mit RCPs im Vergleich zu den SRES-Szenarien unterscheiden wird in Kapitel 5.3 näher beschrieben.

Tabelle 4.3: Tabellarische Darstellung der vier RCPs, die im AR5 zur Verwendung kommen. Die Be-nennung erfolgte nach dem jeweiligen für 2100 projiziertem Radiative Forcing (verändert nach Moss et al. (2010))

Name Radiative Forcing Concentration (ppm) Pathway RCP8.5 >8.5 Wm−2 in 2100 >1.370 CO2-equiv. in 2100 Rising

RCP6.0 ~6 Wm−2 ~850 CO2-equiv. Stabilization without

at stabilization after 2100 (at stabilization after 2100) overshoot

RCP4.5 ~4.5 Wm−2 ~650 CO2-equiv. Stabilization without

at stabilization after 2100 (at stabilization after 2100) overshoot RCP2.6 / Peak at ~3 Wm−2 Peak at ~490 CO2-equiv. Peak and decline RCP 3-PD before 2100 and then declines before 2100 and then declines