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Der Amtsantritt: Euphorie und hoffnungsvolle Erwartungen

Im folgenden Teil werden wir uns nur auf Artikel aus Le Journal und La Vie Economique stützen können, da al-Ayyām erst zwei Jahre nach dem Amtsantritt von Mohammed VI.

gegründet wurde.

Am 23. Juli 1999 stirbt Hassan II. nach einer überaus langen Herrschaft von 38 Jahren.

Sein ältester Sohn Mohammed VI. tritt am 30. Juli 1999 die Nachfolge an.

Die Berichterstattung, die diese Nachfolge begleitet, lässt sich allgemein als eine wahre euphorische Welle charakterisieren. In einem sind sich Le Journal und La Vie Economique einig: der Amtsantritt des jungen Königs ist der Beginn einer neuen Ära voller Hoffnungen – auch wenn wiederum beide Zeitungen die Schwerpunkte dieser neuen Ära verschieden darstellen.

2.1- Hoffnungen auf eine neue Ära

In den ersten Monaten nach dem Machtwechsel zwischen dem verstorbenen Hassan II. und seinem Sohn Mohammed VI. ist der erste Eindruck, der dem Leser übermittelt wird, eine ausgesprochen positive Stimmung, die auf vielen Hoffnungen basiert.

In Le Journal wird diese Zeit allgemein als der Anfang einer neuen Ära dargestellt. Eine neue Ära voll von Erwartungen und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.

Dies wird gleich bei der ersten Ausgabe nach dem Tode von Hassan II deutlich. In dieser Spezialausgabe von Le Journal, in der die Herrschaft des verstorbenen Königs, sowie die Erwartungen und schwierigen Herausforderungen, die nun den neuen König erwarten, beschrieben und kommentiert werden, ist die Thematik der Entstehung eines neuen

Zeitalters, einer kompleten Änderung der aktuellen Umstände, sowie der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sehr deutlich auszumachen. Im Leitartikel dieser Ausgabe wird zwar auf die vielen sozialen Probleme Marokkos aufmerksam gemacht, gleichzeitig wird aber auch erwähnt, dass die Hoffnung bestehe, diese nun überwinden zu können252.

Das Wort „Hoffnung“ wird noch an mehreren weiteren Stellen benützt. Sogar Abdelhak Serhane, ein sehr angriffslustiger marokkanischer Autor, der heute für seine extrem kritischen Artikel über die sozialen und politischen Zustände des Landes bekannt ist, ist sich der Rolle des Königs als Symbol der Hoffnung bewusst und thematisiert dies in seinem Artikel über die Herausforderungen, die den jungen König erwarten. Diese seien gewiss nicht einfach zu ertragen doch der neue König zeige, laut Serhane, viel Mut, denn er fliehe nicht vor der schweren Verantwortung, die ihn erwarte und verkörpere in den Augen der Bevölkerung Hoffnung253.

Nicht nur in dieser ersten Ausgabe nach dem Machtwechsel ist diese Komponente erkennbar. Auch in den darauffolgenden Wochen ist diese euphorische Stimmung des Neuanfangs spürbar. Die ersten Entscheidungen des Königs werden somit sogar als Bewegung tektonischer Platten und als Ende der alten Ära bezeichnet:

Die letzten Entscheidungen des Herrschers entsprechen der Bewegung tektonischer Platten [...]

Es ist wirklich das Ende einer Ära.“ 254

Ali Lmrabet, ein Journalist, der seit Juni 2003 wegen Verleumdung des Königs eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren verbüßt, bezeichnet noch im Oktober 1999 die erste Reise des jungen Königs in das Rifgebirge als eine Initiative, die alte Tabus255 zerstöre. Er beschreibt, wie die Bevölkerung im Norden des Landes den neuen König als einen Retter sehe und betont ebenfalls, dass die Hoffnungen sehr groß seien.

Mohammed VI. hat ein altes Tabu gebrochen [...] Ein junger König, den sie schon als einen Retter sehen [...] Die Hoffnungen sind unendlich groß“ 256

Zwei Monate nach dem Machtwechsel wendet sich die Ärztin Ghita El Khayat, als Sprachrohr der marokkanischen Frauen, in einem offenen Brief an den neuen König und macht auf die Notwendigkeit von Veränderungen und Verbesserungen der Situation der Frauen in Marokko aufmerksam. Dabei ist sie voller Hoffnungen und betont den Anfang einer neuen Ära, indem sie versichert, dass nun die alte Ära der rechtlichen Ungleichheiten zu Ende sei257

252 A.Jamai, Le Journal 31 Juli – 3 September 1999, S.V

253 Serhane, Le Journal, 31 Juli- 3 September 1999, S.XXIX

254 A.Jamai, Le Journal, 02 – 08 Oktober 1999, S.3

255 Seitdem Hassan II – zu dieser Zeit noch Kronprinz - im Jahre 1959 einen Bevölkerungsaufstand im Rifgebirge niedergeschlagen hatte, hatte er nur noch ein einziges Mal während seiner ganzen Herrschaft diese Region besucht und überließ es seinem Schicksal.

256 Lmrabet, Le Journal, 23 – 29 Oktober 1999, S.5

257 El Khayat, Le Journal, 20-26 November 1999, S.10-11

Die gleiche Grundeinstellung der hoffnungsvollen Erwartungen ist auch in La Vie Economique wieder zu finden. Auch diese Zeitung hat am 30. Juli eine Sonderausgabe über die Herrschaft von Hassan II und die Thronfolge durch Mohammed VI herausgebracht. Auch hier sind die hohen Erwartungen deutlich. Im folgenden Ausschnitt eines Artikels, der mit dem Titel „Es lebe der König!“ beginnt und mit dem letzten Satz:

„Hoffnungen eines Volkes“ endet, berichtet der Autor darüber, dass die marokkanische Bevölkerung all ihr Vertrauen in die Hände des neuen Monarchen lege, damit dieser das Land in eine neue Epoche der Gerechtigkeit, der Demokratie und der wirtschaftlichen Entwicklung führe (siehe Artikel in Anhang 1)258.

In der gleichen Ausgabe schließt der langjährige Chronist der Vie Economique, Driss Ben Ali, seine Analyse der Zukunft Marokkos mit dem folgenden hoffnungserfüllten Satz:

Nun also, kurz vor dem 21. Jahrhundert, ist der Amtsantritt eines Mannes mit so vielen Qualitäten eine Garantie für Entwicklung und Modernität“ 259

Diese Hoffnung auf Entwicklung und Modernisierung wird auch in späteren Artikeln deutlich, wie zum Beispiel bei der Rückkehr von Abraham Serfaty260. Zakya Daoud, langjährige Chronistin der Vie Economique, deutet diese Rückkehr als den Anfang einer

„neuen Seite in der Geschichte des Landes“, da nun die Seite der alten Feindschaften umgeblättert wurde und nun eine Zeit der Gerechtigkeit und der Toleranz beginne261.

Genau wie Ali Lmrabet in Le Journal die Reise des jungen Königs in den Norden des Landes als vielversprechend bezeichnete, so berichtet auch Chafik Laâbi über die Hoffnungen der Bevölkerung des Rifs und unterstreicht, dass nun Marokko auf dem Weg der Entwicklung, der Demokratisierung und der Modernisierung sei262.

In einem Artikel über die Familie von Mehdi Ben Barka263, die nach einem 35 jährigen freiwilligen Exil in Frankreich nach Marokko zurückkehrte, interviewte Ahlam Jebbar den Sohn des verschollenen Politikers, Béchir Ben Barka. In diesem Interview versicherte Béchir Ben Barka, dass die neue Situation im Lande es nun ermöglichen würde, dass die Wahrheit über die Vergangenheit des Landes ans Licht käme. Er fügte hinzu, dass er, wie viele andere Marokkaner darauf hoffe, dass die versprochene Entwicklung zu einer Verbesserung der Lebensumstände und -qualität der Marokkaner führen werde264.

Anhand dieser wenigen Beispiele lässt sich klar zeigen, dass die ersten Monate der Herrschaft von Mohammed VI. von beiden Zeitschriften als eine Zeit der Hoffnungen und der großen Erwartungen dargestellt wird.

258 Laâbi, La Vie Economique, 30 Juli – 5 August 1999, S. 51

259 Ben Ali, La Vie Economique, 30 Juli – 5 August 1999, S.61

260 Langjähriger Gegner der Monarchie der erst über 25 Jahre in Gefangenschaft verbrachte um dann bis zu seiner Rückkehr nach Marokko im Oktober 1999 im Exil in Frankreich leben musste.

261 Daoud, La Vie Economique, 08 – 14 Oktober 1999, S.15

262 Laâbi, La Vie Economique, 22 – 28 Oktober 1999, S.11

263 in den 1970er verschwundenen politischen Oppositionsführer

264 Béchir Ben Barka zit. in Jebbar, La Vie Economique, 29 Oktober – 4 November 1999, S.14

Auch wenn beide Zeitungen in dieser Grundeinstellung übereinstimmen, so unterscheiden sie sich doch in Bezug auf die Zielsetzung dieser Hoffnungen und Erwartungen. Während Le Journal revolutionsartige Umwälzungen der Gesellschaft und der Herrschaftsstrukturen erwartet, betont La Vie Economique die Notwendigkeit der Kontinuität und der progressiven Entwicklung.

2.2- Zwischen radikalen Änderungen und Kontinuität 2.2.1- Le Journal: tiefgreifende Änderungen des Systems

Innerhalb der Artikel des Journal drehen sich in der Regel diese Hoffnungen in Richtung einer eher radikalen Änderung der bestehenden Umstände. Es wird erwartet und erhofft, dass diese neue Ära eine Umgestaltung der sozialen und politischen Situation des Landes bringt. Auch dies wird an mehreren Stellen deutlich. Wie zum Beispiel im schon oben erwähnten Artikel von Abdelhak Serhane, der kurz nach dem Tode von Hassan II. und dem Machtwechsel erschien. Nachdem der Autor alle Herausforderungen des neuen Königs beschrieben und betont hatte, dass die Hoffnungen groß seien, fügte er hinzu, dass nicht nur eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation erforderlich sei, sondern viel mehr eine „vollkommene Umwälzung in den Denkweisen und den Umgangsformen“

der Gesellschaft, sowie ebenso eine grundlegende Änderung des „Verhältnisses zwischen Regierten und Regierenden“ nötig sei265.

Noch deutlicher wird dies in dem folgenden Abschnitt aus dem am 18. September erschienenen Leitartikel von Aboubakr Jamai, in dem dieser indirekt für die Einführung des spanischen monarchischen Systems plädiert. Nachdem er Juan Carlos als einen wirklich mächtigen und großen König dargestellt hat, der sein Land durch seine weisen Entscheidungen in die Demokratie geleitet hatte, führt er an, dass Marokko eine starke Monarchie brauche, dass diese Stärke jedoch nur durch die Organisation von freien Wahlen zu erreichen sei. In diesem Abschnitt übernimmt er die Ideen von M. Sassi, Mitglied des Politbüros der sozialistischen Partei USFP und Verfechter der Idee der Einführung einer konstitutionellen Monarchie in Marokko auf der Basis des spanischen Modells266.

2.2.2- La Vie Economique: Kontinuität und progressive Entwicklung

Im Gegensatz dazu tendiert die Grundstimmung in La Vie Economique eher dazu Kontinuität und progressive Entwicklung in den Vordergrund zu stellen.

Überaus deutlich erscheint dies in der schon oben behandelten Sonderausgabe nach dem Tode von Hassan II. An zahlreichen Stellen wird die erhoffte Kontinuität der Herrschaft von Hassan II. und der Herrschaft von Mohammed VI. betont. Gleichzeitig dazu wird in

265 Serhane, Le Journal, 31 Juli- 3 September 1999, S.XXIX

266 A.Jamai, Le Journal, 18 – 24 Septembre 1999, S.3

den Vordergrund gestellt, dass Hassan II, im Gegensatz zu der ungeduldigen Opposition, es verstanden hatte geduldig zu sein und somit in der Lage war, eine progressive Entwicklung Marokkos einzuleiten, ohne die inneren Verhältnisse zu destabilisieren.

Diese Idee wird schon im Leitartikel der Sonderausgabe des 30. Juli deutlich: Mithilfe von Geduld und einer perfekten Dosierung der unterschiedlichen Komponenten habe Hassan II., der als „aussergewöhnlich“ beschrieben wird, die „Basis des Rechtstaates aufgebaut“

und habe das „kollektive nationale Gefühl gestärkt“267.Die Methode der progressiven und geduldig dosierten Reformen sei somit nicht nur sicherer, sondern wurde von Erfolg gekrönt : Marokko sei nicht den zerstörerischen Konzequenzen einer „schlecht assimilierten Freiheit“ zum Opfer gefallen268.

Im Gegensatz dazu wird bei einem weiteren Autor die politische Opposition als ungeduldig dargestellt und als unfähig, die wahren Absichten hinter den progressiven Reformversuchen des Monarchen zu verstehen. Diese Unfähigkeit sei sogar der Grund für die früheren Konflikte zwischen Opposition und König269.

Diese Stabilität, die von Hassan II. garantiert wurde, solle weiterhin bestehen bleiben.

Auch wird zwar immer wieder betont, dass durch den Machtwechsel ein Umbruch stattgefunden habe, aber dass prinzipiell weiterhin die gleichen Institutionen bestehen blieben und somit die Kontinuität gewährleistet sei270.

Zakya Daoud sieht zum Beispiel als positives Zeichen die Tatsache, dass schon drei Tage nach dem Tod von Hassan II. alle Aktivitäten im Lande wieder normal aufgenommen wurden. Für sie ist dies ein positives Zeichen des politischen Übergangs des Landes, welcher unter dem Zeichen der Kontinuität stehe271.

Auch im weiteren Verlauf der Ausgaben von La Vie Economique bleibt das oberste Motto:

« Entwicklung ja, aber nur progressiv und unter der Voraussetzung der institutionellen Kontinuität ». Somit kommentiert Abdallah Naanaa die ersten Schritte des neuen Königs als „Vollendung des Werkes seines erhabenen Vaters“ im Rahmen einer Kontinuität zwischen der alten und der neuen Herrschaft. Die einzig neue Komponente dabei sei eine schnellere Durchführung der notwendigen Reformen, um die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts meistern zu können272.

Abschließend möchte ich noch einen sehr aussagekräftigen Artikel kommentieren, der nicht nur diese Grundeinstellung von La Vie Economique bestärkt, sondern auch den Unterschied zwischen dieser Zeitung und Le Journal verdeutlicht. Somit kommentiert

267 Dadès, La Vie Economique, 30. Juli – 5 August 1999, S.3

268 ibid

269 Naanaa, La Vie Economique, 30. Juli – 5 August 1999, S.7

270 Naciri, La Vie Economique, 30. Juli – 5 August 1999, S.8

271 Daoud, La Vie Economique, 30. Juli 1999 – 5 August, S.56

272 Naanaa, La Vie Economique, 30. Juli – 5 August 1999, S.5

Chafik Laâbi in der Ausgabe des 03. September 1999 die Ideen von M. Sassi, die wie oben schon beschrieben von Aboubakr Jamai (Le Journal) vollen Zuspruch erhielten. Dieser Artikel273 beginnt mit der Fragestellung die, etwas über einen Monat nach dem Machtwechsel, im Zentrum vieler Diskussionen stand: Steht Marokko vor einer neuen Ära? (siehe Artikel in Anhang 2)

Kann man versichern, dass Marokko, sechs Wochen nach der Inthronisierung seiner Hoheit Mohammed VI, in eine neue Ära eingetreten ist?“

Was den Stil der Herrschaft betrifft, so ist sich der Autor sicher, dass eine klare Änderung zu erwarten ist, da jeder Monarch seinen eigenen Stil habe.Diese Änderung des Herrschaftsstils wird hauptsächlich in der Erleichterung und Vereinfachung des traditionellen Protokolls, in der „Verjüngung“ und Erneuerung der Führungselite des Landes erwartet.

Was jedoch die inhaltlichen Orientierungen angeht, so betont Laâbi, dass zwar eine Modernisierung und eine Entwicklung des Landes zu erwarten sei, dass jedoch dies im Rahmen einer „Kontinuität der marokkanischen Konstanten“ geschehen werde. Das bedeutet, dass die schon zuvor eingeleitete Modernisierung und Entwicklung weitergeführt werde und dass der König weiterhin als parteiloser Schlichter agieren werde, der über den Dingen stehe.

Am Ende des Artikels wendet sich der Autor nun den unterschiedlichen Meinungen über die Art und Weise, wie das Land sich entwickeln solle, zu und erwähnt unter anderem die Rolle und Ideen von M.Sassi. In diesem Zusammenhang bezieht er jedoch keine Stellung und betont eher, dass es sehr unterschiedliche Meinungen gäbe und dass eine nationale Debatte im Lande entstanden sei. Eine Feststellung, die er als sehr positiv und als überaus notwendig ansieht. Die Tatsache, dass öffentlich debattiert und diskutiert wird, ist für ihn viel wichtiger als die Frage, wer nun in dieser Debatte Recht oder Unrecht hat.

Dieser Artikel wird von zwei Interviews274 begleitet. Ein erstes Interview mit Mohammed Sassi, in dem dieser Politiker betont, Marokko brauche eine modernistische parlamentarische Monarchie und ein zweites mit Khalid Jamai, der wiederum unterstreicht, dass er gegen eine „Monarchie à l’espagnole“ sei. Auch hier kann man den Schluss ziehen, dass der Autor nicht Partei nehmen, sondern zeigen möchte, dass eine Debatte im Gange ist und dass nicht nur eine Meinung verallgemeinert werden sollte. Diese Zurückhaltung ist sehr charakteristisch für La Vie Economique und entspricht keineswegs den von Le Journal und al-Ayyām bevorzugten Methoden.

Somit kann abschließend festgestellt werden, dass von der Grundeinstellung her, der Machtwechsel bei Le Journal sowie La Vie Economique als eine Zeit der Hoffnungen und

273 Laâbi, La Vie Economique, 03. – 09. September 1999, S.7

274 o.V. , La Vie Economique, 03. – 09. September 1999, S.8-9

der Erwartungen empfunden wurde. Gleichzeitig aber zeigt sich ein großer Unterschied:

Während Le Journal von radikalen Änderungen spricht, tendiert La Vie Economique eher dazu, die Notwendigkeit einer progressiven, auf den bestehenden Institutionen aufbauenden Entwicklung in den Vordergrund zu rücken.

Es stellt sich die Frage, welche Rolle dem König in dieser Entwicklungsphase –sei sie radikal oder progressiv- zugedacht ist?

2.3- Der neue König als aktiver Akteur im Demokratisierungs- und Entwicklungsprozess

Bei beiden Untersuchungsobjekten dieser Arbeit ist zu bemerken, dass der junge König als der Hauptakteur und als eine – wenn nicht die - Schlüsselfigur der erwarteten Verbesserungen gesehen wird. Beide Zeitungen unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise, wie wiederum die politische Elite des Landes und hauptsächlich die amtierende Regierung dargestellt werden. Während Le Journal anscheinend die größten Hoffnungen auf den neuen König setzt und der zu dieser Zeit amtierenden Regierung jegliche Legitimität entzieht, zeigt sich La Vie Economique viel moderater und betont, dass zwar der König der Motor sei, dass jedoch die Regierung – als zentrale Komponente der Entwicklung des Landes- unterstützt werden müsse.

Kurz nach dem Machtwechsel wird der junge König in beiden Zeitungen als das aktive Organ im Lande beschrieben, das überall präsent ist und die Dinge in die Hand nimmt.

In Le Journal wird dies ganz besonders durch die Wahl der Titel deutlich. „Der König Mohammed VI. kümmert sich um die Administration“275, „Mohammed VI. kümmert sich um das Elend im Rifgebirge“276, „Driss Basri. Warum der König sich seiner entledigen musste“277, „ Die Stiftung Mohammed V.278 : die Hoffnung der Armen“279 ; man bekommt das Gefühl, dass der junge König überall präsent und aktiv ist.

Dieses Gefühl der Allgegenwärtigkeit des jungen Königs wird verstärkt durch die relativ hohe Anzahl an Abbildungen seiner Person. Jede Ausgabe beinhaltet mehrere Fotos des Monarchen, in der Regel bei einer Rede oder bei der Begrüßung von Menschenansammlungen.

Die relativ hohe Anzahl an Fotografien des jungen Herrschers ist in La Vie Economique noch weitaus auffallender. Ein Foto des Königs erscheint im Rahmen ganz unterschiedlicher Themenbereiche und dies sogar dann, wenn der Titel oder der Inhalt des

275 Seghrouchni, Le Journal, 16.-22 Oktober 1999, S.8

276 Lmrabet, Le Journal, 23.-29 Oktober 1999, S.5

277 Lmrabet, Le Journal, 13.-19. November 1999, S.5

278 Diese Stiftung wurde von Mohammed VI gegründet und dieser ist auch der Präsident.

279 o.V., Le Journal, 11.-17 September 1999, S.19

Artikels nicht direkt oder nicht nur ausschließlich in Beziehung zum neuen König stehen.

Trotzdem wird eine Abbildung dieses Letzteren inmitten des Artikels hinzugefügt .

Doch nicht nur Titel und Bild sollen den König als Hauptakteur darstellen. Auch innerhalb der Artikel wird schnell deutlich, dass in dieser ersten Zeit in den meisten Fällen alle Hoffnungen in die Person des Königs gesetzt werden. Die Grundeinstellung beider Zeitungen differiert jedoch in diesem Punkt. Auch wenn in beiden Zeitungen der junge König stark repräsentiert ist und als der Repräsentant für Erneuerungen dargestellt wird, so unterscheiden sich die Rollen, die in beiden Zeitungen dem König, sowie den anderen Komponenten des politischen Lebens, zugeschrieben werden.

2.3.1- Le Journal: der König als einziger fähiger Akteur

Im Fall von Le Journal bekommt man teilweise das Gefühl, dass der junge König als der einzige, der in der Lage ist Reformen im Land einzuführen, gesehen wird. Dies wird an mehreren Stellen deutlich, wie zum Beispiel innerhalb des Briefes von Ghita EL Khayat an Mohammed VI., in dem sie ihn bittet, den Frauenstatus in Marokko zu reformieren.

Gleichzeitig betont sie, dass diese Frage „ausschliesslich von ihm abhänge“ und er der Einzige sei, der, mithilfe seines „Status als religiöser Führer“, eine solche Reform durchsetzen könne280.

Diese Idee wird verstärkt durch die fast systematische Gegenüberstellung der politischen Elite des Landes einerseits, die als eine lethargische und passive Einheit dargestellt wird und des neuen Königs andererseits, der als ein äußerst aktives und energisches Organ beschrieben wird. In seiner Rolle des aktiven Organs versuche er, die anderen Einheiten aus ihrer Lethargie zu reißen und auf den Weg der Reformen zu treiben281.

Eine solche Gegenüberstellung der entgegengesetzten Beschreibungen des Monarchen und der politischen Elite lässt sich am einfachsten in einer Tabelle (siehe Tab. 1) verdeutlichen, in der ich alle Bezeichnungen, Adjektive und Begriffe zusammengestellt habe, die in einer Reihe von Artikeln im Zusammenhang mit dem neuen König – bzw. im Zusammenhang mit der amtierenden Regierung und der politischen Elite des Landes – benützt werden.

280 El Khayat, Le Journal, 20.-26. November 1999, S.11

281 Seghrouchni, Le Journal, 16.-22. Oktober 1999, S.8

Tab.1: König versus Regierung - eine Zusammenstellung gewählter Artikeln aus der Zeitung Le Journal

Quelle

Der König Bürokratie, Regierung, politische

Parteien, Elite

- „Angst vor der Freiheit und vor der

- „Angst vor der Freiheit und vor der