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Patientinnen und Methoden

3.4 Datenverarbeitung

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27 3.5 Statistische Analyse

Die statistische Analyse umfasst zwei Teilbereiche: Die Analyse (1) der demographi-schen und klinidemographi-schen Patientendaten in den über den Blutverlust definierten Gruppen und (2) die multiple logistische Regressionsanalyse zur Bestimmung des Einflusses von Fibrinogen und FXIII auf das Risiko einer (schweren) PPH unter gleichzeitiger Kontrolle ausgewählter Risikofaktoren.

Bei der Auswertung der demographischen und klinischen Patientendaten erfolgte für alle kontinuierlichen Variablen pro Gruppe eine Testung auf Vorliegen einer Nor-malverteilung durch Anwendung des Kolmogorow-Smirnow-Tests bzw. des Shapiro-Wilk-Tests bei einer Gruppengröße von n<50 (Shapiro und Wilk, 1965). Der Levene-Test wurde zur Überprüfung von Varianzhomogenität zwischen den jeweils zu ver-gleichenden Gruppen durchgeführt. Der t-Test als parametrisches Testverfahren ist robust gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsannahme bei gleichzeitigem Vorliegen von Varianzhomogenität (Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2011). Daher wurde nur dann auf einen nicht-parametrischen Test zurückgegriffen, wenn Varianzheteroge-nität vorlag. Für den Fall, dass bei einem Parameter die VarianzhomogeVarianzheteroge-nität bei einem Gruppenvergleich verletzt war, wurde aus Konsistenzgründen für alle weiteren Grup-penvergleiche desselben Parameters ebenfalls ein nicht-parametrischer Test gerechnet.

Aus der gleichen Überlegung heraus entschieden wir uns bei den inhaltlich zusam-menhängenden Variablen Gravidität und Parität für das gleiche (nicht-parametrische) Testverfahren. Häufigkeitsvergleiche kategorieller Variablen erfolgten mittels Chi-Quadrat-Test.

Als Signifikanzniveau wurde Alpha gleich .05 festgelegt. Die statistischen Berech-nungen wurden mit R, Version 3.1.2 (The R Foundation for Statistical Computing) durchgeführt.

3.5.1 Demographische und klinische Daten

Die demographischen und klinischen Patientendaten sind statistisch analysiert worden, um mögliche Unterschiede zwischen den oben definierten Gruppen zu identifizieren.

Bei konkreter Hypothese hinsichtlich der kontinuierlichen Variablen wurde sowohl bei parametrischen (t-Test) als auch bei nicht parametrischen Testverfahren (Wilcoxon-Mann-Whitney-Test für unverbundene Stichproben oder Wilcoxon-Rang-Tests für verbundene Stichproben) gerichtet getestet, lag keine eindeutige Hypothese vor, er-folgte eine ungerichtete Testung. Gleiches gilt für Häufigkeitsverteilungen kategoriel-ler Variablen und ihrer Testung mittels Exaktem Fisher-Test. Bei Anwendung eines parametrischen Testverfahrens sind alle Mittelwerte (MW) der demographischen und

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klinischen Daten mit der Standardabweichung (±SD) dargestellt. Bei Anwendung ei-nes nicht-parametrischen Tests wurde der Median mit dem Interquartilsabstand (IQR, 25.-75. Perzentile) angegeben. Nicht-kontinuierliche Variablen sind durch Häufigkei-ten (Prozent, %) beschrieben.

3.5.2 Korrelations- und ROC-Analysen

Korrelationen zwischen den präpartalen Blutsplasmaspiegeln von Fibrinogen und FXIII und dem postpartal gemessenen Blutverlust wurden mit Hilfe des Spearman-Rank-Koeffizienten bestimmt. Receiver Operating Characteristic (ROC)-Analysen wurden durchgeführt, um das diagnostische Potential der Parameter zu evaluieren. Die Unterschiede der errechneten Area under the curve (AUC)-Werte wurden mit Hilfe des DeLong-Tests auf Signifikanz überprüft (DeLong, DeLong und Clarke-Pearson, 1988).

3.5.3 Cut-Off-Bestimmung

In der Einleitung wurde die Notwendigkeit eines Cut-Off-Wertes jeweils für Fibrino-gen und FXIII erläutert. Eine der gängigsten Methoden hierfür ist die Identifikation des Punktes mit der maximalen Summe aus Sensitivität und Spezifität (Kaivanto, 2008).

Dieses Vorgehen kann durch a priori Festlegung einer bestimmten Mindest-Sensitivität bzw. -Spezifität modifiziert werden. In dieser Untersuchung erfolgte eine ergebnisoffene Herangehensweise ohne vorherige Einschränkung. Ergänzend zu der größten Summe aus Sensitivität und Spezifität wurde die euklidische Distanz be-stimmt. Der mit dieser Methode errechnete Cut-Off-Wert zeichnet sich durch die ge-ringste Distanz (gegenüber den anderen möglichen Werten) zu dem „perfekten“ Punkt (Sensitivität und Spezifität jeweils 1) aus.

Die Festlegung auf einen alleinigen Cut-Off-Wert folgt aus unterschiedlichen Über-legungen: Zum einen ermöglicht ein einzelner Cut-Off-Wert einen direkten Vergleich aller Patienten über dem Grenzwert mit allen Patienten darunter. Es kann somit (im-mer) eine Aussage über die Gesamtstichprobe getroffen werden und nicht nur über einzelne Subpopulationen. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt war der Vorteil einer möglichst kleinen Anzahl an Kodiervariablen (siehe Rule of ten, Seite 29).

Die gefundenen Cut-Off-Werte für die präpartale Fibrinogen- und Faktor-XIII-Plasmakonzentration wurden für die weiteren Berechnungen im Rahmen der multiplen logischen Regressionsanalyse verwendet.

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29 3.5.4 Multiple logistische Regression

Für die (schwere) PPH ist, wie in 1.1.3 ausführlich erläutert, eine Vielzahl von Risiko-faktoren beschrieben worden. Durch die Anwendung einer multiplen logistischen Re-gressionsanalyse sollte festgestellt werden, wie groß der tatsächliche Einfluss der vor der Geburt bestimmten Gerinnungsparameter bzw. ihrer Interaktion auf die Vorhersa-ge einer (schweren) PPH ist.

Die Ermittlung des unabhängigen („reinen“) Einflusses der Konzentration von Fib-rinogen und FXIII auf die Wahrscheinlichkeit einer (schweren) postpartalen Blutung erfordert die (statistische) Kontrolle aller anderen Risikofaktoren und konfundierenden Variablen (im Rahmen eines multiplen logistischen Regressionsmodells).

Die von Concato (1995) und Peduzzi (1995, 1996) eingeführte Rule of ten er-schwert die Realisierung dieses theoretischen Ideals. Sie besagt, dass bei einer logisti-schen Regression durchschnittlich zehnmal so viele Fälle wie Prädiktorvariablen vor-liegen sollten. Danach dürften nicht einmal Fibrinogen und FXIII gemeinsam in ein Modell zur Vorhersage einer schweren PPH aufgenommen werden. Eine Verletzung der, inzwischen weit verbreiteten, Faustregel ist daher unvermeidlich. Ebenso unver-meidlich scheinen ungenaue Effektschätzungen als Konsequenz (Peduzzi, 1995;

Peduzzi, 1996). Zwar wiesen Vittinghoff und McCulloch (2007) darauf hin, dass die-ser Nachteil nicht unter allen Umständen entsteht, und plädierten für eine Senkung der geforderten Fallzahl (EPV = events per variable). Doch Courvoisier et al. (2011) zeig-ten, dass selbst bei Einhaltung der Vorschrift noch Probleme entstehen können. Die Autoren betonten außerdem den Einfluss der Korrelationsstruktur auf Stabilität und Genauigkeit der Schätzungen.

Dieser Zusammenhang der Prädiktorvariablen untereinander wird bei der von Hosmer and Lemeshow (1999, 2000) vorgestellten „zielgerichteten Auswahl“ (purpo-seful selection, PS) von Prädiktorvariablen in besonderer Weise berücksichtigt. Diese Selektionsstrategie zeichnet sich gegenüber traditionellen Algorithmen durch ihre Aus-richtung auf die Identifikation von Risikofaktoren aus. Die bewusste Abkehr vom her-kömmlichen Ziel des sparsamsten Modells erlaubt die Aufnahme wichtiger konfundie-render Variablen, die selber nicht stark mit dem Kriterium assoziiert sein müssen. In einer Reihe von Simulationen demonstrierten Bursac et al. (2008), dass diese Methode mit höherer Wahrscheinlichkeit das „wahre“ Modell identifiziert als die weit verbreite-ten Alternativen der Vorwärts-, Rückwärts- und schrittweisen Selektion. Die purpo-seful selection stellt daher einen gangbaren Mittelweg zwischen theoretisch notwendi-ger Komplexität und empirisch geforderter Sparsamkeit dar.

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Sie wurde in der vorliegenden Arbeit insofern leicht modifiziert, als Fibrinogen und FXIII a priori als Prädiktoren fixiert wurden. Nach Vervollständigung des Hauptef-fekt-Modells durch den Algorithmus (Bursac et al., 2008) wurde außerdem der Inter-aktionsterm (Fibrinogen*FXIII) hinzugefügt. Um das Risiko zufälliger Effekte zu mi-nimieren, wurde der Pool potentieller Prädiktoren vom gesamten Datensatz theoriege-leitet auf 27 Variablen (exklusiv Fibrinogen und FXIII) (siehe Tab. 3.1) reduziert. Da-bei handelt es sich um Variablen, die in der Literatur als potentielle Risikofaktoren einer (schweren) PPH beschrieben worden sind oder in mit diesen Risikofaktoren in-teragieren.

Tabelle 3.1: Vorausgewählte Variablen für die multiple logistische Regressionsanalyse.

Für die Regressionsanalyse wurden für kategorielle Prädiktorvariablen Dummy-Variablen angelegt; es wurde hierzu folgende Kodierung gewählt:

• + 0.5 Ausprägung liegt vor

• – 0.5 Ausprägung liegt nicht vor.

Tabelle 1: Tabelle 27 Variablen

Kategorie Pr¨adiktor

1. Charakteristika der Patientin

kontinuierlich Alter bei Aufnahme BMI

Gr¨oße Gewicht Parit¨at

kategoriell (dichotom) Ethnische Herkunft Blutgruppe 0 Myome Nikotinabusus

2. Aktuelle und fr¨uhere Schwangerschaften|Geburten

kontinuierlich Gestationsalter in Schwangerschaftstagen bei Geburt Geburtsgewicht

kategoriell (dichotom) Pr¨aeklampsie|Hypertonie Z.n. K¨urretage

Z.n. Atonie Z.n. Sectio AIS

Polyhydramnion GDM

Geburtseinleitung SDT sub partu

Vaginal-operativer Geburtsmodus Schwere Geburtsverletzung 3. Pr¨apartale Laborparameter

kontinuierlich H¨amoglobin H¨amatokrit aPTT TPZ kategoriell (dichotom) Fibrinogen

Faktor XIII Thrombozyten

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31 Die kontinuierlichen Variablen Fibrinogen, FXIII und Thrombozyten wurden dicho-tomisiert. Für Fibrinogen und FXIII erfolgte wie oben beschrieben eine Kategorisie-rung auf Grundlage der bestimmten Cut-Off-Werte. Analog zu der obigen Definition erhielten Variablen, deren Werte kleiner als der bestimmte Cut-Off-Wert waren, eine 0.5, waren sie größer als der Cut-Off-Wert bekamen sie den Wert -0.5. Die Throm-bozytenanzahl wurde entsprechend dem gleichen Schema kategorisiert.

Alle kontinuierlichen Variablen wurden z-standardisiert, d.h. die Werte repräsentie-ren Abweichungen in Standardabweichungen vom Mittelwert (0). Dadurch sind die Odds Ratios aller Kovariaten einheitlich als (multiplikative) Veränderung der Odds einer (schweren) Blutung bei einer praktisch bedeutsamen Erhöhung des jeweiligen Prädiktors um eine Standardabweichung interpretierbar.

Zusätzlich zu dem oben erläuterten Algorithmus wurde auf Basis der gleichen lo-gistischen Regressionsanalyse mit den jeweils ausgewählten Variablen das relative Risiko über die conditional standardisation (Localio, Marcolis & Berlin, 2007) be-rechnet. Die Standardfehler zur Berechnung der Konfidenzintervalle wurden mit der Delta-Methode bestimmt (Oehlert, 1992). Das angegebene relative Risiko ist definiert als die Änderung des Risikos für die jeweilige abhängige Variable, wenn diese um 1 erhöht wird und alle anderen Prädiktoren 0 sind. Die Interaktion gibt an, wie sich das relative Risiko der einen Variablen des Interaktionsterms (multiplikativ) ändert, wenn sich die andere Variable um 1 erhöht.

Die Differenz der errechneten Risiken zwischen Nicht-Risikogruppe und Risiko-gruppe beschreibt das zusätzliche Risiko, also das attributable risk, eine (schwere) PPH zu bekommen.

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Kapitel 4