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Datenrecherche zu potenziell geeigneten Indikatoren

Im Dokument 03/2021 (Seite 47-51)

2 Konzeptentwicklung

2.2 Datenrecherche zu potenziell geeigneten Indikatoren

Nach Maßgabe des Forschungsauftrags war die zentrale Aufgabe in diesem Projekt, einen SES-Index zu entwickeln bzw. einen Indikator für den SES zu identifizieren, der a) möglichst klein-räumig mit den Daten des UBA zur Feinstaubexposition auf 2 x 2 km² korrespondiert und ver-schnitten werden kann und b) gleichzeitig im Rahmen des UKAGEP-Projekts eine deutschland-weite Aussage zur sozioökonomischen Differenzierung der Krankheitslast möglich macht. Somit ergibt sich bezüglich der Eingangsdaten bzw. Indikatoren ein Spannungsfeld aus i) inhaltlicher Aussagekraft sowie ii) räumlicher Auflösung unterhalb von z. B. Kreis- oder Gemeindeebene ei-nerseits und iii) bundesweiter Abdeckung und Verfügbarkeit andererseits. Diese Erfordernisse definieren eine spezifische Ausgangslage, die sich von der Entwicklung anderer Indizes unter-scheidet (z. B. GISD des RKI). Daher sollten auch solche Indikatoren auf ihre Eignung untersucht werden, die eventuell bei der Bildung deutscher Deprivationsindizes nicht in Betracht gezogen wurden.

Es ist festzuhalten, dass es einerseits keine allgemeingültige Definition für eine Operationalisie-rung des sozioökonomischen Status gibt (Statistisches Bundesamt 2016). Das zeigt auch ein Blick auf die im Vorangegangenen dokumentierten SES-Indizes. Andererseits herrscht weitge-hend Einigkeit darüber, „dass der SES sowohl durch die materielle Situation als auch durch Bil-dung und Beruf bestimmt werden kann“ (ebd., S.27). Auch diese Annahme spiegelt sich in den beschriebenen Indizes wieder.

Die folgende Tabelle 14 enthält die – auf Basis der bisher dokumentierten Recherchen – zu be-vorzugenden sowie mögliche Stellvertreterindikatoren12 für die Verwendung im Rahmen dieses Projekts. Sie zeigt außerdem, in welchen der im Vorangegangenen dokumentierten Indizes der jeweilige Indikator enthalten ist. Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Indizes z. T.

leicht unterschiedliche Operationalisierungen der jeweiligen Indikatoren verwenden. So wird die Arbeitslosenquote im GISD und GIMD zum Beispiel als ‚Anteil der Arbeitslosen an der Bevöl-kerung im erwerbsfähigen Alter (15-65- Jahre)‘ dargestellt, während der SI-EDI ‚Arbeitslose ≥ 3 Monate‘ sowie den ‚Anteil der nicht angestellt oder selbstständig Beschäftigten‘ enthält. Der EIMD wiederum berücksichtigt den Erwerbsstatus über den ‚Anteil der Frauen (18-59) bzw.

Männer (18-64) in % ihrer Altersgruppe, die beschäftigungsabhänge Transferleistungen emp-fangen‘. Die spezifischen Ausprägungen der einzelnen Indikatoren im jeweiligen Index können den Tabellen in Abschnitt 2.1.2 entnommen werden. Die letzte Spalte von Tabelle 14 zeigt an, ob Böhme et al. 2015 den Indikator als Basisindikator für ein Monitoring zur Umweltgerechtigkeit (UG) empfehlen.

Ausgewählt wurden Indikatoren, die erstens in den dokumentierten Indizes verwendet wurden und zweitens für die Lebenswirklichkeit in Deutschland relevant sind. So werden z. B. der Zu-gang zu einem Telefon (NZDep) oder einer innenliegenden Toilette mit Spülung (PT-EDI) für die vorliegende Studie nicht als angemessene Indikatoren des SES-Status in Deutschland betrachtet.

Weitere Erläuterungen zu den jeweiligen Indikatoren finden sich in den unten folgenden Ab-schnitten.

Für die mögliche Bildung eines SES-Index im vorliegenden Projekt wurde zunächst die Daten-verfügbarkeit untersucht. Die Ergebnisse dieser Recherche sind Anhang A zu entnehmen. Im Weiteren sollte dann ggf. auf Basis von Faktorenanalysen entschieden werden, ob der jeweilige Indikator Verwendung finden würde. Dies galt auch für Indikatoren, die bislang in deutschen In-dizes keine Verwendung fanden (z. B. Ausländeranteil oder Migrationshintergrund).

12 Als Stellvertreterindikatoren werden dabei jene gekennzeichnet, die auf Grund ähnlicher Aussage stellvertretend für Indikatoren verwendet werden können, für die möglicherweise keine Daten zur Verfügung stehen.

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Tabelle 14: Für das Gutachten bevorzugte Indikatoren (bzw. Stellvertreterindikatoren) Indikator Indizes, die entsprechende

Indikatoren enthalten bevorzugt /

Stellvertreter Empfohlen für UG-Monitoring nach Böhme et al. (2015) Arbeitslosenquote GISD, GIMD, F-EDI, PT-EDI,

SI-EDI, CNI, NZDep, SADI,

SEFI, DIHWPQ bevorzugt ja

Empfang von

Transferleistungen EIMD, DANDEX, NZDep Stellvertreter ja Haushaltseinkommen GISD, DANDEX, NZDep,

SEFI, DIHWPQ Stellvertreter

pro Kopf Einkommen GIMD, SADI bevorzugt

Anteil der Schulabgehenden ohne formalen Abschluss (bzw. mit niedrigstem²)

GISD, F-EDI, PT-EDI, SI-EDI, DANDEX, CNI, NZDep, SEFI,

DIHWPQ bevorzugt ja

Anteil der Erwachsenen ohne formale Berufsausbildung (bzw. geringfügig qualifiziert)

GIMD, EIMD, F-EDI, SI-EDI,

DANDEX, SADI Stellvertreter

Wahlbeteiligung GIMD Stellvertreter

Ausländeranteil /

Migrations-hintergrund F-EDI, PT-EDI, SI-EDI, CNI Stellvertreter Wohnfläche pro Kopf

(bzw. Überbelegungsmaß) EIMD, F-EDI, PT-EDI,

DAN-DEX, NZDep Stellvertreter

Arbeitslosenquote

Der Anteil der Arbeitslosen an der erwerbsfähigen Bevölkerung wird in der Mehrheit der SES- Indizes berücksichtigt. In manchen Fällen definiert der Indikator zusätzlich eine Mindestdauer der Erwerbslosigkeit (SI-EDI, SADI). Auch Böhme et al. (2015) empfehlen die Ausprägung der Dimension ‚Erwerbstätigkeit‘ als Anteil der Langzeitarbeitslosen (vgl. § 18 I SGB III, länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet), da diese Information eher auf längerfristige und strukturelle Prob-leme hinweist. Im Bayerischen Index Multipler Deprivation wurde diese Variable hingegen auf Basis einer Faktoranalyse zusammen mit der Variable ‚Arbeitslose < 25 Jahre‘ zugunsten der Ge-samtarbeitslosenquote von der Indexbildung ausgeschlossen (Maier et al. 2012).

Die reine Arbeitslosenquote erfasst jeden und jede, der oder die „vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht, sich persön-lich bei einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter arbeitslos gemeldet hat und den Vermitt-lungsbemühungen zur Verfügung steht“ (Bundesagentur für Arbeit 2019, o.S.). Dazu zählen je-doch z. B. auch alle, die weniger als 15 Wochenstunden einer Beschäftigung nachgehen.

Empfang von Transferleistungen

Die untersuchten Indizes berücksichtigen den Empfang von Transferleistungen unterschiedli-cher Art. Zum Teil fungieren diese auch als Proxy für Arbeitslosigkeit, so zum Beispiel beim

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EIMD, welcher einen Indikator enthält, der den Anteil der arbeitsfähigen Erwachsenen13 quanti-fiziert, die eine sogenannte Job Seekers’s Allowance oder Employment / Support Allowance empfangen.

Unter anderem im Rahmen von kommunalem Sozialmonitoring für die Freie und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: Hamburg; vgl. Lüde 2018) wird in Deutschland häufig der Anteil der sog. Hartz IV-Empfangenden verwendet, also derjenigen, die Arbeitslosengeld (ALG) II nach So-zialgesetzbuch (SGB) II beziehen. Dies betrifft Menschen, die nach 12 Monaten Erwerbslosigkeit (altersabhängig ggf. bis 24 Monate) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr haben. ALG II wird jedoch davon unabhängig auch als Grundsicherung für Arbeitssuchende oder mit ihnen in Bedarfsgemeinschaften lebende Menschen (z. B. Kinder, Partnerinnen oder Partner) zur Siche-rung des Lebensunterhalts gezahlt, wenn andere Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermögen oder Transferleistungen hierfür als nicht ausreichend erachtet werden. Generelle Voraussetzung des Bezugs von ALG II nach § 7 Abs. 1 SGB II sind: Alter zwischen 15 und 65-67 Jahren (abhängig vom Geburtsjahr, vgl. § 7a SGB II), die soeben beschriebene Hilfsbedürftigkeit, eine generelle Er-werbsfähigkeit (also in der Lage zu sein, mehr als 3 Stunden pro Tag arbeiten zu können) und ein gewöhnlicher [sic.] Aufenthalt in Deutschland. Das schließt Ausländerinnen und Ausländer mit ein, die mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in Deutschland leben (vgl. §7 SGB II).

Lüde (2018) zeigt für Hamburg, dass der Indikator ‚Anteil der SGB-II-Empfänger/-innen‘ eine hohe Korrelation mit anderen sogenannten Aufmerksamkeitsindikatoren (ebd.) des kommuna-len Sozialmonitorings aufweist, insbesondere mit dem Anteil von Arbeitslosen, von Kinder und Jugendlichen in Mindestsicherung und von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-grund (ebd., Tabelle 19). Der Anteil der erwerbstätigen SGB II Empfangenden (sogenannte Auf-stockende) wird auch für das Indikatorenset zum UG-Monitoring empfohlen (Böhme et al.

2015). Generell ist allerdings davon auszugehen, dass eine Berücksichtigung aller jener, die eine Transferleistung nach SGB II oder SGB XII empfangen (z. B. für die Absicherung im Alter), das umfassendste Bild der finanziell Benachteiligten ergäbe.

Einkommen

Die materielle Situation von Personen bzw. Haushalten (im Sinne einer gemeinschaftlich wirt-schaftenden privaten Einheit) ist eine schwierig zu erhebende Variable. Das Haushaltsnettoein-kommen ist mithin eine langfristig etablierte Stellvertretervariable (Lampert und Kroll 2009).

Sie errechnet sich – idealerweise – aus der Summe der Nettoeinkommen aller zu einem privaten Haushalt zählenden Personen. Dabei besteht das Nettoeinkommen aus jedwedem Einkommen aus „unselbstständiger Tätigkeit, aus Unternehmertätigkeit, aus Vermögen, Vermietungen und Verpachtungen und aus öffentlichen und privaten Einkommensübertragungen“ (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2016, S. 85) abzüglich von Steuern sowie der Pflichtbeiträge zur Sozial-versicherung.

Diese Informationen können bei Primärstudien über Befragungen erhoben werden – wobei häu-fig auf eine Kategorisierung der Variable zurückgegriffen wird, um die Antwortbereitschaft zu erhöhen (Lampert und Kroll 2009). Im Falle der hier dokumentierten Indizes und so auch für den im Rahmen des Gutachtens zu erstellenden SES-Index werden jedoch Sekundärdaten ge-nutzt. So berücksichtigt der GISD das durchschnittliche Haushaltseinkommen pro Kopf (als Summe der verfügbaren Haushaltseinkommen in Euro pro EW). Diese Daten sind den INKAR In-dikatoren entnommen (vgl. Tabelle 15) in denen die Variable auf der volkswirtschaftlichen Ge-samtrechnung der Länder basiert (vgl. Arbeitskreis Volkswirtschaftliche GeGe-samtrechnungen der

13 bzw. Frauen 18-59 Jahre und Männer 18-64 Jahre

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Länder 2018). Dieser Indikator enthält keine Äquivalenzbilanzierung, berücksichtigt also nicht verschiedene Haushaltsgrößen. Gleiches gilt für die Einkommensvariable im GIMD.

Anmerkung: Der Dokumentation des GIMD konnte nicht eindeutig entnommen werden, ob die Variable ‚Gesamtbetrag der Einkünfte (Steuerpflichtige)‘, die als pro Kopf Wert berechnet wird, sich auf das Netto- oder das Bruttoeinkommen bezieht.

Anteil der Schulabgehenden ohne formalen Abschluss

Auch dieser Indikator ist in einer jeweils dem nationalen Bildungssystem angepassten Form in der Mehrzahl der untersuchten SES-Indizes enthalten. Die Abfrage des höchsten (angestrebten) Schulabschlusses wird ebenso in den Demographischen Standards des Bundesamtes für Statistik empfohlen – zusammen mit einer Frage zu den beruflichen Ausbildungsabschlüssen (Arbeits-kreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder 2018; siehe auch folgender Indikator).

Die Dimension der Bildung hat in Deutschland bei der Betrachtung des sozioökonomischen Sta-tus seit den 70er Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen (siehe auch Lampert und Kroll 2009, S. 310-311). In ihren Empfehlungen zu einem Indikatorenset für das Umweltgerechtig-keitsmonitoring erklären auch Böhme et al. (2015), Bildung sei „eine zentrale Voraussetzung, um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation des Menschen zu verbessern. Sie kann dar-über hinaus zu einem rationalen Verständnis von Zusammenhängen beitragen und fördert dem-entsprechend auch das Gesundheits- und Umweltbewusstsein in der Bevölkerung“. (ebd., S. 74).

Anteil der Erwachsenen ohne formale Berufsausbildung

Wie Tabelle 14 entnommen werden kann, berücksichtigen einige Indizes diesen Indikator zu-sammen mit einem Indikator zur Schulbildung in der Domäne Bildung(sdeprivation), während andere nur einen von beiden nutzen. Der GIMD enthält diese Variable und auch die INKAR-Da-tenbank stellt diesen Indikator auf Basis der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Verfü-gung.

Wahlbeteiligung

Die Domäne Sozialkapital(deprivation) wird in den beiden deutschen Indizes auf der individuel-len Ebene lediglich im GIMD über die Variable Bundeswahlbeteiligung in Prozent berücksichtigt.

Gleichzeitig haben die Mitautoren des GISD, Kroll und Lampert, über eine Auswertung der Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) einen positiven Zusammenhang zwischen verschiedenen Ausprägungen von Sozialkapital und Gesundheit festgestellt (Kroll und Lampert 2007). Die SOEP-Daten stehen jedoch nicht in einer für die vorliegende Studie ausreichenden räumlichen Auflösung und Abdeckung zur Verfügung. Bei entsprechender Datenverfügbarkeit könnte aller-dings untersucht werden, wie stark ein möglicher Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und den Indikatoren anderer Domänen ausgeprägt ist.

Ausländeranteil / Migrationshintergrund

Ein Indikator, der den Bevölkerungsanteil von Angehörigen einer anderen Nationalität oder mit Migrationshintergrund14 beschreibt, wird in deutschen Indizes und im EIMD nicht verwendet. Er findet sich aber in den verschiedenen hier dokumentierten Versionen des European Deprivation Index sowie im DANDEX wieder. Zudem weist der Bericht zum Sozialmonitoring der Stadt Ham-burg eine starke Korrelation zwischen dem Anteil der SGB II Beziehenden und dem Anteil der

14 laut Definition des Statistischen Bundesamts alle Personen, die bei ihrer Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen oder mindestens eine Elternteil haben, auf den dies zutrifft – https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelke-rung/Migration-Integration/Methoden/migrationshintergrund.html; zuletzt aufgerufen 31.03.2019

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Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund nach (Pearson’s r = 0,791; Lüde 2018, Ta-belle 19).

Wohnfläche pro Kopf

Dieser Indikator wird – in unterschiedlichen Ausprägungen – als Überbelegungsmaß für Wohn-raum verwendet. In der Dokumentation zum EIMD wird die Verwendung dieser Variable als An-teil der überbelegten Haushalte (an allen Haushalten) in einem Betrachtungsraum beschrieben (Department for Communities and Local Government 2015). Prinzipiell wäre, wie beim Haus-haltseinkommen auch, hier eine Äquivalenzberechnung sinnvoll, die das Alter und die Beziehung der Haushaltmitglieder untereinander berücksichtigt. Im Rahmen der für dieses Gutachten ge-planten Nutzung von Sekundärdaten werden jedoch voraussichtlich lediglich Informationen zur Wohnfläche pro Kopf bzw. pro Haushalt verfügbar sein. Diese könnten über einen Bezug zum entsprechenden Mittelwert der jeweiligen untersuchungsrelevanten Einheit (wie z. B. Lebens-weltlich orientierte Planungsräume – Berlin; statistische Gebiete – Hamburg; Stadtteile oder Ge-meinden / Gemeindeverbände) skaliert werden, um großräumige Vergleichbarkeit zu ermögli-chen. Die Relevanz eines solchen Indikators für die Indexbildung wäre dann im Rahmen einer Faktoranalyse weiter zu untersuchen.

2.3 Workshop mit Expertin und Experten

Im Dokument 03/2021 (Seite 47-51)