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Datenerhebung, Umfrage und Fragebogen-Management

2 Theoretischer Rahmen und methodischer Ansatz

2.1 Studienteil I: Internationales Benchmarking

2.1.3 Datenerhebung, Umfrage und Fragebogen-Management

Länderauswahl

Für den vorliegen Vergleich wurden 14 EU-Länder und drei weitere OECD-Länder aus-gewählt. Die Länderauswahl fand indikatorenbasiert statt. Das bedeutet, dass die Länder bestimmte Strukturmerkmale aufweisen sollten, um einen Vergleich (insbesondere, aber nicht nur) zu Deutschland, aber auch untereinander zu ermöglichen, um eine hohe gene-relle Aussagekraft zu erlauben und um gleichzeitig eine hohe Bandbreite verschiedener struktureller und politischer Merkmale aufzuweisen. Die Indikatoren zur Eingrenzung der Untersuchungsländer waren:

1. Im Ländermix sollten Länder mit relativ hoher politischer Relevanz innerhalb der EU vertreten sein, die sich anhand von Wirtschaftsstärke und Einwohnerzahl bemisst.

Einerseits sind die großen Länder oftmals international besonders einflussreich in einer Vielzahl von Politikfeldern, andererseits erlauben Größe und Wirtschaft dieser Länder einen direkteren Vergleich mit Deutschland als dem wirtschaftsstärksten Mitglied der EU.

2. Im sozial- und politikwissenschaftlichen Systemvergleich zu Deutschland sollten Länder ausgewählt werden, die im Sinne eines Most Similar Systems Design einen besseren Ver-gleich des politischen Systems im Allgemeinen und des Gesundheitssystems im Beson-deren erlauben. Dazu zählen beispielsweise

a) Ausprägungen eines starken Föderalismus,

b) das Gesundheitsfinanzierungssystem (z. B. das britische Beverage-System vs.

das Sozialversicherungsprinzip bismarckscher Natur vs. gemischte Finanzierungs- systeme) und

c) das Selbstverwaltungsprinzip bzw. der Korporatismus deutscher oder niederländischer Prägung.

ABBILDUNG 5: Übersicht „Länderauswahl“

Quelle: Bertelsmann Stiftung

Australien Belgien

Estland

Israel Italien

Deutschland Niederlande

Österreich Schweden

Schweiz

Spanien Vereinigtes

Königreich (NHS England)

Portugal

Polen

Frankreich

Dänemark Kanada

3. Lerneffekte sind insbesondere von Ländern zu erwarten, die natürlich über einen erwarteten hohen Digitalisierungsgrad verfügen. Sie sollten deshalb unabhängig von den beiden ersten Auswahl-Indikatoren berücksichtigt werden. Der erwartete hohe Digitalisierungsgrad wird auf der Basis von studienbasierten Vorkenntnissen und der Vorrecherchen der Studienautoren definiert.

Letztendlich unterliegt die Länderauswahl natürlich auch Kosten-Effizienz-Kriterien der zugrundeliegenden Ressourcen dieser Studie, die damit gleichsam einen impliziten vierten Indikator darstellen. Als Resultat dieser Indikatoren-Abwägung wurden die nationalen Gesundheitssysteme folgender Länder als Untersuchungsgegenstand ausgewählt.

Korrespondenten- und Fragebogen-Management

Entwurf des Gesamtfragebogens und indikatorenbasierte Fragebogen-Entwicklung

Der Gesamtfragebogen wurde über einen Zeitraum von acht Monaten konzipiert und in einem Pre-Test mit zwei surveyerfahrenen internationalen Digital-Health-Experten vali-diert. Inhaltlich basieren die Indikatoren z. T. auf Studien, an denen empirica als Autoren-team in der Vergangenheit u. a. für die Europäische Kommission, die WHO und die OECD beteiligt war und auf weiteren größeren internationalen Studien der WHO und der OECD sowie auf regionalen Studien (vgl. Kapitel 1.2). In verschiedenen Iterationen wurden zuerst die Sub-Indikatoren und Einzel-Indikatoren thematisch definiert und nach und nach mit konkreten Formulierungen gefüllt. Auf Basis von Fachliteratur und Recherche zu grauer Literatur sowie unter Berücksichtigung des inhaltlichen Fokus der Studie wurden den in Kapitel 2.1.1 eingeführten 34 Indikatoren jeweils zwischen vier bis sechs Fragen zugewie-sen, durch deren Beantwortung sich eine sinnvolle, d. h. gleichzeitig länderübergreifende und aussagekräftige, Bewertung des Indikators ergibt.

Die Indikator-Entwicklung und -definition orientiert sich einerseits an dem Erforderlichen und dem Wünschenswerten, d. h., welche Indikatoren bräuchte man idealerweise für einen Gesundheitssystem-Vergleich mit Fokus auf die Digitalisierung, andererseits aber auch an dem Machbaren, d. h., was ist tatsächlich in den zu untersuchenden Ländern messbar bzw.

zu beantworten. Die Herausforderung bei der Entwicklung eines solch umfangreichen Fra-gebogens für eine internationale Benchmarking-Erhebung in 17 Ländern besteht darin, alle Fragen auf einem allgemeinen, vergleichbaren Niveau zu halten und gleichzeitig die Vielfalt der (möglichen) nationalen und regionalen Aktivitäten und Besonderheiten abzudecken.

Auf der Grundlage der entwickelten Indikatoren wurde ein Gesamtfragenkatalog erarbeitet, der als Umfragebasis für die nationalen Korrespondenten diente, aber auch durch weitere Experten zur Recherche und als Leitfaden für die eigene Recherche genutzt werden kann.

Dieser Fragebogen umfasst 154 Einzelfragen.

Beispielhaft werden in der folgenden Liste die Einzelfragen des Indikators „P7: Rechtsauf-sicht über nationale Umsetzungen von Digital Health“ in deutscher Übersetzung angeführt:

P7: Rechtsaufsicht über nationale Umsetzungen von Digital Health

• Gibt es eine nationale Digital-Health-Behörde (Verwaltungsorgan, Institut, Behörde)?

• Wenn ja: Hat diese Behörde die Aufsicht über die Digital-Health-Strategie, Investitionen oder die Durchführung von nationalen Bestandteilen der Digital-Health-Programme?

• Wenn ja: Übernimmt sie organisatorische Aufgaben, z. B. Kommunikation und Informa-tionsverbreitung im Bereich „Digital Health“ (oder die Umsetzung von Digital Health)?

• Wenn ja: Kann die Behörde Rechtsvorschriften kommentieren oder bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften konsultiert werden?

• Wenn ja: Führt die Behörde Evaluierungs- / Bewertungsaktivitäten in Bezug auf Digital-Health-Anwendungen durch?

• Gibt es eine Behörde, die dauerhaft mit der Bewertung der gesundheitlichen (nicht öko-nomischen) Auswirkungen von Digital-Health-Aktivitäten beauftragt ist?

Die Beantwortung des Fragebogens sowie weitere Recherchen erforderten den Einsatz loka-ler und nationaloka-ler Experten vor Ort in den jeweiligen Untersuchungsländern und wurden in einem mehrstufigen Verfahren durchgeführt. Wie im Einleitungskapitel bereits angedeutet, werden diese nationalen Experten aufgrund ihrer gesonderten Stellung und Verfügbarkeit in dem jeweiligen Land in diesem Bericht als „nationale Korrespondenten“ bezeichnet.

Mit standardisierten und online-basierten Datenerhebungstechniken und -instrumenten wurden in jedem Land in einem kohärenten Prozess durch die Korrespondenten vergleich-bare Informationen gesammelt. Diese wurden in einer umfassenden und klar strukturier-ten Zusammenstellung der landesspezifischen Digitalisierungsstrategien und ihrer jeweili-gen Umsetzunjeweili-gen aggregiert.

Damit ist eine Erhebung und Analyse auf Länderebene gelungen, die im Zusammenspiel mit eigenständigen Recherchen der Studienautoren generelle Informationen und relevante Hintergrundinformationen über das jeweilige Land, sein Gesundheitssystem und dessen Status quo sowie Informationssammlungen und Bewertungen individueller nationaler Digi- talisierungsstrategien (Policies, Roadmaps, Gesetze etc.) zusammentragen konnte. Der ent-scheidende Wert dieser Erhebung liegt schließlich vor allem in der weitreichenden und tief gehenden Übersicht nationaler Implementierungsfortschritte und letztendlich in der Dar-stellung des tatsächlichen Nutzungsgrades von Digital Health auf nationaler Ebene.

Der Fragebogen für Deutschland wurde mit folgender gesonderter Methode beantwortet:

Zunächst wurde der Fragebogen in einem ersten internen Blindverfahren von zwei Senior-experten beantwortet. In einem zweiten Schritt wurden abweichende Antworten in einem Workshop und durch zusätzliche Recherche abgeglichen. In einem dritten Schritt wurden die Antworten von einem externen Experten eines der deutschen Selbstverwaltungsakteure gegenvalidiert.

Fragebogen-Management

Zur besseren vergleichenden Analyse der Daten und für ein robusteres Benchmarking wurde der Gehalt an Freitextangaben auf ein Minimum reduziert, obgleich diese Möglich-keit bei allen Themenblöcken gegeben war. Ebenso war die Verwendung eines Upload-Buttons möglich, der den Korrespondenten erlaubte, untermauernde oder weitergehende Dokumente, Berichte oder Papiere weiterzureichen. Diese Unterlagen (teils in Originalspra-che) sind als zusätzlicher wertvoller Literaturfundus für die eigene interne Validierung der Angaben und zur Erstellung von individuellen Länderberichten (weiter zu differenzieren je nach abgebildeter Sprache) genutzt worden.

Die Skalierung der meisten Fragen des Survey erlaubt eine einfache binäre Antwort- möglichkeit:

[ ] Ja [ ] Nein

Auf diesem Weg werden vergleichbare und aggregierbare Antworten für das Benchmarking der Sub-Indizes und für die Erstellung des übergreifenden Digital-Health-Index ermög-licht.

Nur „Ja“-Antworten tragen demzufolge mit einfachen Punkten zur Erfüllung des Kom-posit-Indikators bei. Je höher die Punktzahl der Fragebatterie eines Indikators, desto höher wiederum die Punktzahl zur Ermittlung, wie vollständig die Aussage eines Indika-tors zutrifft. Um den Digitalisierungs- und technischen Umsetzungsstand in den einzelnen Ländern zu bewerten und zu bemessen, ist ein Stufenmodell von Digital-Health-Entwick-lungen wesentlich. Basierend auf Erfahrungen der Policy-Analyse und aus existierenden Surveys, muss ein solches Modell zwei Dimensionen berücksichtigen:

1. die Bandbreite der Planung zur tatsächlichen flächendeckenden Implementierung einer Technologie und

2. die regionale Varianz bzw. die sub-nationalen Merkmale von Gesundheitssystemen, die stark regional oder dezentral verfasst sind (z. B. in Spanien und Schweden).

Im Themenblock „Technische Implementierung“ sind daher überwiegend folgende Skalenantworten als Wahlmöglichkeiten vorgeben:

[ ] Nein [ ] In Planung

[ ] Informell – einzelne Aktivitäten auf lokaler Ebene mit wenig oder keiner regionalen / nationalen Koordination

[ ] Pilotierung für regionalen Rollout [ ] Pilotierung für nationalen Rollout [ ] In Routine-Nutzung regional [ ] In Routine-Nutzung national

Während der Teil „Technische Implementierung“ Aktivitäten bei der Entwicklung und Einführung sowie beim Betrieb von digitalen Gesundheitsanwendungen, also das Potenzial der verschiedenen Anwendungen erfasst, deckt der dritte Teil „Tatsächliche Nutzung von Daten“ für verschiedene Anwendungen den tatsächlich elektronisch ausgetauschten Anteil von Daten zwischen Versorgern mithilfe einer vierstufigen prozentualen Antwortskala ab.

Bei fehlender Datenlage wird um eine wissens- und expertenbasierte Einschätzung des Wertes mit der höchsten Wahrscheinlichkeit gebeten:

[ ] Weniger als 25 Prozent

[ ] Mehr als 25 Prozent; weniger als 50 Prozent [ ] Mehr als 50 Prozent; weniger als 75 Prozent [ ] Mehr als 75 Prozent

Auswahl der nationalen Korrespondenten

Bei der Auswahl der Länderexperten als nationale Korrespondenten dieser Studie wurden die Tiefe des praktischen und theoretischen Wissens um die nationale Digital-Health-Poli- tik und insbesondere auch der institutionelle Hintergrund des jeweiligen Kandidaten berück- sichtigt. Bei Letzterem wurde viel Wert auf die Unabhängigkeit von industriellen oder behörd- lich-öffentlichen oder gar politischen Interessen gelegt. Diese Bedingung können vor allem Digital-Health-Experten mit universitärem Hintergrund oder Arbeitserfahrungen aus abgeschlossenen Tätigkeiten für nationale Digital-Health- oder Gesundheitseinrichtungen erfüllen. Zudem waren Erfahrung in dem speziellen Themengebiet und eine entsprechende Vertrautheit mit dem Stand der öffentlichen Diskussion und der Umsetzung von digitalen Gesundheitspolitiken in dem jeweiligen Land weitere Auswahlkriterien.

In Tabelle 4 werden die nationalen Korrespondenten für jedes Land anhand ihres fach- lichen Hintergrundes aufgelistet. Aus Gründen der Persönlichkeitsrechte, aber auch aus der methodischen Erwägung, einen offeneren Informationsaustausch herstellen zu können, wurde auf ihre namentliche Nennung verzichtet.

Neben nationalen Korrespondenten für die Länderanalysen wurden zur Validierung und Qualitätskontrolle zusätzliche europäische und nationale Experten in die Studie eingebunden.

TABELLE 4: Liste der nationalen Korrespondenten

Fachlicher Hintergrund

Australien Professor für Klinische Informatik, ehemaliger Berater der britischen und australischen Regierung zu digitalen Gesundheitsinfrastruktur-Programmen

Belgien Professor für Medizin und Gesundheitswissenschaften, ehemaliger Vize-Präsident Europäisches Institut für Gesundheitsakten

Dänemark Professor für Medizininformatik und Dänisches Zentrum für Gesundheitsinformatik Deutschland empirica Studienteam, externe Experten

Estland Ehemaliges Mitglied Geschäftsführung Estnische eHealth Stiftung Frankreich Manager Nationale Gesundheitsbehörde Frankreich

Israel Berater Health Policy, ehemals Direktor Maccabi Forschungsinstitut Italien Berater, Vorsitzender HL7 Italien

Kanada Berater Digital Health, ehemals Vize-Präsident Klinische Adoption und Innovation, Canada Health Infoway

Niederlande Medizinsoziologe und Gründer, Vorsitzender Niederländisches Standardisierungsinstitut Informationstechnologie im Gesundheitswesen

Österreich Professor für E-Health-Forschung

Polen Journalist für Digital Health, Herausgeber polnische Gesundheitszeitschrift Portugal Berater öffentliche Gesundheit, ehemaliger Strategieberater Gesundheitsministerium

Portugal und EU-Kommission

Schweden Professor für Medizininformatik und Koordinator nationales Forschungsnetzwerk eHealth Schweden

Schweiz Professor für Medizininformatik, ehemaliges Mitglied eHealth Suisse Spanien Universitätsforschungsdirektor für Gesundheitstechnologien und eHealth Vereinigtes Königreich

(NHS England)

Direktor E-Health-Forschung, European Health Telematics Association

Quelle: Bertelsmann Stiftung

Vergleichbarkeit von national und regional verfassten Gesundheitssystem-Typen

Die der Studie zugrunde liegende Umfrage und damit die Berechnung und Erstellung des Digital-Health-Index basiert auf einer länderspezifischen Erhebung. Das bedeutet, dass Indikatoren und Fragen das jeweilige nationale Gesundheitssystem als Untersuchungsge-genstand erfassen. In einigen untersuchten Ländern sind die Gesundheitssysteme jedoch nicht national verfasst – weder in der Versorgung noch hinsichtlich der rechtlichen Regu-lierung. Sie sind stark regional, lokal oder auf sub-nationaler Ebene organisiert. Diese Län-der sind klassischerweise die föLän-deralen Systeme Kanada und Schweiz, aber im BesonLän-deren auch Italien, Schweden und Spanien (mit Einschränkungen auch Dänemark).

Um die Vergleichbarkeit und das Benchmarking mit diesen Systemen auch auf nationaler Ebene zu gewährleisten, wurden zwei methodische Ansätze kombiniert:

1. Für die Erfassung des Standes der technischen Implementierung wurden Antwortskalen definiert, die nach dem Implementierungsstand auf regionaler oder auf nationaler Ebene differenzieren.

2. Um dem Zweck der Studie, nämlich die Digitalisierungserfolge in verschiedenen Gesundheitswesen aufzeigen und von diesen lernen zu können, zu entsprechen, wurden auch regionale Gesundheitswesen als vollständige, mit der nationalen Ebene vergleich-bare Gesundheitswesen definiert. Aus praktischer Sicht wurde den Korrespondenten in Spanien, Schweden, Kanada und Italien bei der Umfrage damit eingeräumt, dass sie es als gleichwertig und synonym, quasi als prototypisch für die nationale Ebene bewerten können, wenn die Antwort auf eine Frage mindestens in drei Regionen oder Provinzen

„ja“ lautet.