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Das Teilsystem Arbeitsmarkt im Lebensverlauf

Im Dokument Sabine Hübgen (Seite 41-44)

2 Zentrale Begriffe und theoretischer Rahmen

2.2 Theoretische Konzepte

2.2.3 Das Teilsystem Arbeitsmarkt im Lebensverlauf

Der Arbeitsmarkt wird definiert als das Teilsystem der Gesellschaft, wo „im Zuge des Aufeinandertreffens von Arbeitsangebot und –nachfrage Arbeitsleis-tung und Erwerbseinkommen verteilt [werden, SH]“ (Giesecke 2013:40). Wie weiter oben beschrieben, wird dem Arbeitsmarkt bei der individuellen Wohl-fahrtsproduktion aufgrund der starken Erwerbszentriertheit kapitalistisch ge-prägter Gesellschaften eine Schlüsselrolle zuteil: Ob, in welchem Umfang und in welcher Position eine Person erwerbstätig ist, hat grundlegende Auswirkun-gen auf ihre Lebenschancen und somit auf ihr Armutsrisiko (Brülle 2018). Auf dem Arbeitsmarkt werden die Entlohnungsstruktur von Berufen sowie der Zu-gang zu Arbeitsplätzen festgelegt. Damit kommt dem Arbeitsmarkt auch eine zentrale Rolle in der Produktion und Reproduktion von Ungleichheiten zu (Giesecke 2013), wobei im Folgenden ein Fokus auf Geschlechterungleichhei-ten gesetzt wird.

Die berufliche Geschlechtersegregation

Arbeitsmärkte und Arbeitsplätze sind nicht geschlechterneutral, sondern repro-duzieren mehr oder weniger implizit geschlechtertypische Stereotype von Fä-higkeiten sowie Machtverhältnisse (Acker 1990, 2006). Im Rahmen der vor-liegenden Arbeit soll dabei auf die Bedeutung der beruflichen Geschlech-tersegregation für das Armutsrisiko von alleinerziehenden Müttern fokussiert werden. An ihr wird die unterschiedliche institutionelle Differenzierung der Lebensverläufe von Frauen und Männern besonders veranschaulicht (Krüger 2010). Bei der beruflichen Geschlechterungleichheit werden dabei eine hori-zontale und eine vertikale Dimension unterschieden. Die horihori-zontale Dimen-sion umfasst dabei die ungleiche Selbst- und Fremdselektion von Frauen und Männern in verschiedene Berufe, während die vertikale Dimension die

un-gleiche Allokation von Frauen und Männern auf hierarchische Positionen im Arbeitsmarkt beschreibt (Dressel und Wanger 2010). Die berufliche Ge-schlechtersegregation ist in Deutschland8 vergleichsweise stark ausgeprägt und wie in vielen anderen westlichen Ländern auch seit einigen Jahrzehnten persistent (Charles und Grusky 2004, Hausmann und Kleinert 2014, Hausmann et al. 2015).

Als Ursache dafür wird unter anderem das hochgradig standardisierte wie differenzierte Berufsbildungssystem gewertet, welches Frauen und Männer früh in unterschiedliche Ausbildungswege lenkt (Trappe 2006). Im Hinblick auf die horizontale berufliche Geschlechtersegregation bedeutet dies beispiels-weise, dass im Jahr 2010 fast 60% der abhängig Beschäftigten ihren Beruf wechseln müssten, um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in allen Be-rufen herzustellen (Hausmann und Kleinert 2014). Das liegt unter anderem auch daran, dass Frauen in einem viel eingeschränkteren Berufsspektrum ver-treten sind als Männer: 52% der erwerbstätigen Frauen arbeiteten 2012 in ei-nem so genannten ‚Frauenberuf‘ (der Frauenanteil liegt bei mindestens 70%), die jedoch nur 15,2% aller Berufe ausmachen (Busch-Heizmann 2015).

Der Fakt, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Berufen erwerbs-tätig sind, stellt per se noch keine Geschlechterungleichheit dar. Jedoch gibt es empirische Evidenz für die so genannte Entwertungsthese, der zufolge bei ei-nem steigenden Frauenanteil die Löhne in eiei-nem Beruf sinken – allerdings nur für die Frauen in diesem Beruf (Hausmann et al. 2015). Außerdem findet die Allokation in Berufe nicht zufällig statt, sondern nach verschiedenen ungleich-heitsrelevanten Merkmalen: Frauen sind überproportional in den nicht-manu-ellen Berufen vertreten und dabei wiederum stark in den personenbezogenen Dienstleistungen (bspw. Erzieherin, Krankenschwester oder Altenpflegerin).

Diese Berufe sind in der Regel gewerkschaftlich nicht gut organisiert und ge-hen häufig mit hierarchisierenden Komponenten wie niedrigeren Löhnen, schlechteren Arbeitsbedingungen und einer niedrigeren Beschäftigungsstabili-tät einher (Krüger 2010). Weiterhin werden diese Berufe häufig im schulischen System ausgebildet, welches eher dem Grundmuster der Ausbildung für As-sistenzberufe oder solchen mit eingeschränkten Mobilitätschancen folgt (ebd.

2010).

Die vertikale berufliche Geschlechtersegregation besteht hingegen darin, dass Frauen systematisch seltener höhere Positionen bekleiden: 2014 waren in der Privatwirtschaft gerade einmal 25% der obersten Führungsebene und 39%

der zweiten Führungsebene mit Frauen besetzt – was im ersten Fall einem An-stieg von nur einem Prozentpunkt seit 2004 entspricht (Holst und Firedrich 2017). Dabei herrscht wiederum starke Varianz zwischen Branchen und Un-ternehmensgröße: Frauen bekleiden vornehmlich in kleinen und

Kleinst-8 Hier wird die berufliche Geschlechtersegregation nur für Deutschland seit der Wieder-vereinigung dargestellt. Für eine Gegenüberstellung der BRD und der DDR siehe Trappe (2006).

unternehmen Führungspositionen (ebd. 2017). Ebenso ist auffällig, dass selbst in Branchen mit hohem Frauenanteil, wie dem Gesundheits- und Sozialwesen (Frauenanteil ca. 67%) oder aber auch bei Finanz- und Versicherungsdienst-leistungen (Frauenanteil 50%), Frauen überproportional selten die Führungs-positionen innehaben (ebd. 2017, Charles und Grusky 2004). Als eine mögli-che Ursamögli-che für diese so genannte ‚gläserne Decke‘ werden in einer Studie für das BMFSFJ die diskriminierenden Mentalitätsmuster der männlichen Füh-rungskräfte aufgezeigt, welche in der Funktion von so genannten ‚Gatekee-pers‘ einen egalitären Aufstieg von Frauen verhindern (Wippermann 2010).

Frauen erfahren also systematische Benachteiligungen auf dem Arbeits-markt, wobei auch das Arbeitszeitvolumen eine zentrale Rolle spielt. Insge-samt arbeiten Frauen deutlich häufiger in Teilzeit als Männer, bei Eltern ist diese geschlechterbezogene Differenz noch stärker ausgeprägt. Dies wird auch als ‚Arbeitszeitlücke‘ von Frauen bezeichnet (Wanger 2011). Berechnungen des IAB zufolge hat die Beschäftigungsquote von Frauen seit 1990 um 16%

zugenommen, während das Arbeitsvolumen in der gleichen Zeit lediglich um 4% gestiegen ist. Das fast gleiche Arbeitsvolumen wird nun also von mehr Frauen geleistet. Dabei wünscht sich ungefähr die Hälfte der in Teilzeit be-schäftigten Frauen eine höhere Stundenzahl (ebd. 2011). Bei erwerbstätigen Müttern ist der Wunsch nach Ausdehnung des Arbeitsvolumens am stärksten ausgeprägt: 36% der verpartnerten Mütter mit einem Kleinkind im Haushalt würden gern ihre Wochenarbeitszeit um mehr als vier Stunden erhöhen. Auf Alleinerziehende mit Kindern im Vorschulalter trifft dies sogar in 44% der Fälle zu (Lietzmann und Wenzig 2017).

Folgen der beruflichen Geschlechtersegregation

In der Konsequenz sind die Erwerbsverläufe von Frauen in Deutschland wei-terhin deutlich stärker im mittleren Prestigebereich konzentriert, wo sie von hoher Beschäftigungsinstabilität (Unterbrechungen) gekennzeichnet sind, während sie im oberen Prestigebereich seltener vertreten sind (Aisenbrey und Fasang 2017). Darüber hinaus erzielen Frauen deutlich niedrigere Löhne als Männer, der Gender Pay Gap liegt aktuell bei 21% (Eurostat 2018b). Dieser hängt wiederum mit der spezifischen Benachteiligung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt zusammen, was in der englischsprachigen Forschung als

‚motherhood penalty‘ bezeichnet wird (Budig et al. 2012, England et al. 2016, Gangl und Ziefle 2009). Dabei findet Diskriminierung zum einen aufgrund des bloßen Mutterschaftsstatus und damit assoziierten niedrigeren Kompetenzen sowie Kommitment statt. Zum anderen werden stark karriereorientierte Mütter als weniger herzlich und unbeliebt wahrgenommen, was ihnen genauso den Zugang zu Arbeitsplätzen erschwert (Benard und Correll 2010).

Im Dokument Sabine Hübgen (Seite 41-44)