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4 Vorproduktion

4.3 Das Skript

Im heutzutage üblichen akustischen Feature entsteht das Manuskript erst nach dem Aufnehmen der Originaltöne.108 Genau so wird auch das Skript für das in dieser Arbeit betrachtete Feature verfasst. Aufgrund der außerordentlichen Länge und dem Informationsgehalt der fünf Interviews bietet sich die Aufbereitung der Thematiken als O-Ton-Collage an. Daraus folgt, dass weniger das Schreiben von Autorentexten und umso mehr das Filtern, Sortieren, Auswählen und Anordnen der zur Verfügung stehenden Originaltonaufnahmen in den Mittelpunkt der Skriptverfassung rücken. Auf den kommenden Seiten wird die Ausarbeitung des Skripts des Features „Mensch sieh Dich um - Ein Blick auf Gesellschaftsspiele und ihren kulturellen Einfluss“ genauer betrachtet. Das fertige Manuskript befindet sich zur Veranschaulichung im Anhang.

4.3.1 Dramaturgie

Das Feature „Mensch sieh Dich um - Ein Blick auf Gesellschaftsspiele und ihren kulturellen Einfluss“ besteht aus zwei verschiedenen, nebeneinander laufenden Strängen. Den Hauptteil und roten Faden bildet das Begleiten der Entwicklung des Kartenspiels Strife of Gods. Als Nebenhandlung sind verschiedene Exkurse zum Thema Gesellschaftsspiele und ihrem Zusammenhang mit Kultur in den Hauptstrang eingepflegt, die für einen größeren Überblick sorgen. Bezüglich der äußeren Dramaturgie ist also ein Ereignis als Gerüst zu erkennen, welches den Aufbau des Features definiert und durch die eingewobenen Exkurse mit Hintergrundinformationen gefüllt wird.109 Als innere Dramaturgie beziehungsweise Reihenfolge der präsentierten Erzählungen wurde passenderweise ein natürlicher Zeitablauf110

108 Siehe: Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit.

109 Vgl. Schwochow und Zindel 2007, S. 150.

110 Vgl. Schwochow und Zindel 2007, S. 157f.

29 gewählt. Die Entwicklung von Strife of Gods wird chronologisch, allerdings mit Zeitsprüngen, von Anfang bis Ende dargestellt. So können die Hörer die ganze Geschichte, von der ersten Idee bis hin zum aktuellen Status und dem geplanten Release des Spiels, in einer logischen Abfolge anhand der O-Töne miterleben. Im besten Fall bekommen die Hörer nach Beenden des Features Lust darauf, selbst mal wieder ein Gesellschaftsspiel zu spielen.

Die erste Vision des Verlaufs dieses Features beinhaltete den schon lang bewährten Aufbau als 3-Akt-Struktur, wie man sie aus dem Theater kennt. Das Einteilen in Exposition, Konfrontation und Auflösung ist inzwischen für die meisten Filme, Hörspiele und auch Features, in denen es um das Erzählen einer Geschichte geht, üblich.111 Allerdings wurde im Laufe des Interviews mit Thomas Sellner klar, dass während der Entwicklung von Strife of Gods wenig Herausforderungen oder Hindernisse aufgetaucht sind und sie stattdessen problemlos verlief.

Optionen für einen Höhepunkt oder eine Konfrontation sind kaum bis gar nicht gegeben. Die Aufmerksamkeit der Hörer muss also anders gehalten werden. Es funktioniert an dieser Stelle durch das Interessewecken der Hörer an den Themen, die informativen und angenehm gesprochenen O-Töne, die Anregung zum Mitdenken und durch den gezielten Einsatz von Atmosphären und Geräuschen. Eine Unterteilung in Anfang, Mittelteil und Schluss lässt sich im Feature trotzdem erkennen: Vor dem Trennen in Haupt- und Nebenstrang startet es mit einem für beide Themenabschnitte gültigen Intro. Die Stränge beginnen daraufhin mit jeweils nur einem Sprecher eher gemächlich, bis nach und nach weitere Sprecher, eine höhere Dynamik und komplexere Themen etabliert werden. Zum Ende beruhigt es sich wieder durch Zukunftsausblicke und ein Schlusswort von Thomas Sellner.

4.3.2 Schreiben fürs Hören

Das Radio-Feature wird rein über die Ohren aufgenommen. Schlussfolgerungen und Erkenntnisse können vom Konsumenten daher nur durch das Gehörte gezogen werden. Die Möglichkeit der visuellen Unterstützung oder des Nachlesens bleibt aus. Walter von La Roche zufolge sollte beim Schreiben fürs Hören unbedingt auf diese Tatsache geachtet werden, weil der Vorgang für die meisten aufgrund vorheriger Erfahrungen erstmal ungewohnt ist.112 Ferner spricht er einige Grundsätze an, auf die beim Verfassen eines Radioskripts für eine bessere Verständlichkeit zu achten sind. Der Hörer darf nicht durch Informationen erschlagen werden.

111 Vgl. Mothes 2001, S. 98

112 Vgl. La Roche, 2017, S. 9.

30 Er muss sie, verpackt in einem simpel gehaltenen Satzbau, nach und nach aufnehmen können.

Verben werden Substantiven vorgezogen und dabei übersichtshalber in die Nähe des Satzanfangs gestellt. Eine hohe Wortvarianz sowie das Nutzen zu vieler Synonyme ist zu vermeiden und wichtige Begriffe sind öfter zu verwenden.113 Außerdem sind laut Zindel Adjektive mit Bedacht einzusetzen und wenn möglich ist das Aktiv statt dem Passiv zu benutzen.114

All diese Regeln sind wichtig, können aber beim Schreiben des Manuskript für das in dieser Arbeit betrachtete Feature kaum angewandt werden. Das liegt daran, dass das Feature keinen Autorentext enthält und stattdessen aus den eingefangenen O-Tönen besteht, deren Satzbau vom Verfasser nicht beeinflusst werden konnte. Andererseits handelt es sich bei diesen O-Tönen schon um im Dialog vorgekommene Sätze, die mit der Intention, verstanden zu werden, gesprochen worden sind. Dadurch besitzen sie alle einen Mindestgrad an Hörbarkeit. Im Fall dieses Features muss der Autor also weniger eigene verständliche Texte verfassen, sondern vielmehr die verschiedenen Antworten der O-Ton-Geber in eine logische Reihenfolge bringen.

Um den Vorgang der Skriptverfassung zu erleichtern, werden alle Interviews transkribiert.

Daraufhin werden die Transkriptionen nach für das Feature infrage kommenden Abschnitten durchsucht, die übersichtshalber markiert werden. Diese engere Auswahl wird anschließend anhand der zuvor ausgearbeiteten Struktur des Features in die entsprechenden Themenabschnitte einsortiert und nochmal gefiltert. Es bleiben immer noch etliche Optionen übrig, von denen jetzt die passendsten ausgewählt und in eine innerhalb des Themas sinnvolle Ordnung gebracht werden müssen. Bei diesem gesamten Vorgang steht der Autor vor mehreren Herausforderungen: Die ausgewählten Passagen müssen möglichst, orientiert an den zuvor angesprochenen Regeln, simpel und verständlich sein. Die O-Ton-Geber sollen flüssig erzählen, dürfen aber keine überflüssigen Sätze einbauen. Durch das Ausbleiben einer unterstützenden Erzählerstimme müssen die unterschiedlichen Themenabschnitte und -übergänge allein durch die Antworten der Interviewpartner, mit Beihilfe von Geräuschen und Atmosphären, verstanden werden können. Das mag für die Hörer nicht leicht sein, fordert sie allerdings zu einem akzeptablen Grad und macht das Feature so einnehmender. Im Manuskript findet sich bereits beim ersten Themenabschnittsübergang ein Beispiel dafür.

Anstelle eines Erzählers, der den Themenwechsel hin zur Suche nach dem Zweck des Spielens ankündigt, wird diese Aufgabe vom O-Ton-Geber selbst übernommen („Also wir spielen eben

113 Vgl. La Roche, 2017, S. 11 - 15.

114 Vgl. Zindel, 2007, S. 190.

31 natürlich aus einer großen Vielfalt von Gründen. Also Erholung, ja, das…“115). Diese Art der Orientierungshilfe findet man an verschiedenen Stellen des Skripts wieder. Zusätzlich müssen die O-Töne sinnvoll aufeinander aufbauen, miteinander in Verbindung stehen und sich ergänzen, obwohl sie aus unterschiedlichen Gesprächen mit unterschiedlichen Gesprächspartnern stammen. Das wird besonders ab dem mittleren Teil des Skripts wichtig, wenn alle O-Ton-Geber etabliert worden sind. Ein Beispiel dessen ist unter anderem am Ende des ersten Einsatzes von Manuel Fritsch zu finden, auf den ein Beitrag von Professor Jens Junge folgt („…und ich finde auch, dass es ne richtige Sache ist, Brett- und Videospiele in Museen zu stecken und die zu konservieren und eben auch zu kuratieren.“ - „Aber es gibt auch natürlich bei der tausendfachen Anzahl von Spielen sehr viele, die einfach nur so ähnlich sind, wie.“116).

Besonders elegant wirkt es in diesem Feature, wenn das sinnvolle Aufeinanderfolgen der Textpassagen mit dem Themenübergang verbunden werden kann, wie es beispielsweise beim Beginn des Abschnitts zum Thema Kulturgut der Fall ist. Das Feature springt von Thomas Sellner, der über seine Leidenschaft für die Spieleentwicklung spricht, zu Professor Jens Junge, der den Begriff Kultur definiert. Trotz des gewaltig wirkenden Themenunterschieds wird aufeinander aufgebaut und es scheint so, als würde Professor Jens Junge erklären, dass Thomas Sellner mit seinen Gesellschaftsspielen Kultur erschafft („Weil das ist ja auch nicht das, wofür ich brenne. Also ich brenne, Konzepte mir auszudenken und Spiele irgendwie zu erschaffen.

Aber ich brenne nicht dafür, Logistik und Rechtliches und sowas zu machen.“ - „Kultur ist alles das, was vom Menschen geschaffen ist.“117). Auch Informationen zur Identität der einzelnen O-Ton-Geber kommen nicht von einer Erzählerstimme, sondern sind aus ihren eigenen Antworten zu ziehen. Dadurch muss man die Personen nicht zeitaufwendig am Anfang vorstellen und kann es am Ende des Features mit einbinden. So kann ab dem allerersten Satz schon darauf geschlossen werden, dass Thomas Sellner Gesellschaftsspieleautor ist („Hauptberuflich bin ich Programmierer. Ich mache es aber Hauptnebenberuflich. Also wenn ich Zeit zum Nachdenken habe. […] Ich denke eigentlich immer über Spiele und Spielmechaniken nach.“118). Des Weiteren wurden einige Schritte unternommen, um den Hörern das Aufnehmen der Informationen zu erleichtern und sie nicht zu überfordern. Übersichtshalber wird das Feature mit einer O-Ton-Collage begonnen, in der alle später vorkommenden Sprecher einmal zu hören sind. Dadurch werden Konsumenten an keiner Stelle von einer neuen Stimme überrascht.

Außerdem tauchen diese Sprecher in großem Abstand nacheinander auf, damit sich die Zuhörer

115 Siehe Anhang: Manuskript, Z. 57.

116 Siehe Anhang: Manuskript, Z. 280 - 286.

117 Siehe Anhang: Manuskript, Z. 244 - 252.

118 Siehe Anhang: Manuskript, Z. 2 - 5.

32 an die neue Stimme gewöhnen und sie wiedererkennen können.

Auch eine Auswahl an Geräuschen und Atmos tragen in dem in dieser Arbeit untersuchten Feature zur besseren Orientierung bei. Das gerade erwähnte nacheinander Erscheinen der verschiedenen Sprecher wird jeweils durch das Heranrücken mit einem Stuhl unterstrichen. Es wirkt, als hätte sich eine neue Person mit an den Tisch gesetzt. Zusätzlich werden die Themenbereiche mit eigenen Hintergrundatmosphären voneinander abgehoben, um die Themenwechsel deutlicher zu machen. Anfang und Ende jedes Themas werden dabei durch das Öffnen und Schließen des entsprechenden Spielekartons verdeutlicht. Rein und Zindel halten fest, dass Atmos besser funktionieren, wenn Konsumenten die aufgenommenen auditiven Eindrücke mithilfe des gehörten Texts einer Quelle zuordnen können.119 Deshalb ist im Hauptstrang des Features, der sich mit der Entwicklung des Kartenspiels Strife of Gods befasst, im Hintergrund stets Kartenspielen zu hören. Hier erklärt sich der Zusammenhang von selbst.

In den anderen Abschnitten werden Geräusche gewählt, die jeweils charakterisierend für ein möglichst bekanntes Gesellschaftsspiel sind, das während der Originaltonaufnahmen erwähnt wird. Auf diese Weise ist es für die Hörer einfacher, die vernommenen Geräusche mit diesem konkreten Spiel zu verbinden. Die Sounds der Spiele Pictures und Senet werden für die meisten Zuhörer aber unbekannt sein. Sie tauchen darum erst auf, wenn den Featurekonsumenten die Funktionsweise der Atmos klar ist. So können sie den Zusammenhang zumindest vermuten, selbst wenn sie das dargestellte Spiel nicht kennen.

Durch die außerordentliche Länge der Interviews mussten zuvor eingeplante Exkursthemen wie

„Was ist ein gutes Spiel?“ und „Verdrängen Videospiele die Gesellschaftsspiele?“ Platz machen, damit die übrigen im zeitlichen Rahmen des Features ausreichend behandelt werden konnten. Außerdem entstand ein höherer Arbeitsaufwand bei der Manuskriptverfassung durch die Menge an Material. Der große Vorteil war jedoch, dass der Autor oft zur Vermittlung derselben Information zwischen verschiedenen Textpassagen von unterschiedlichen O-Ton-Gebern wählen konnte. So war es möglich, den Inhalt insgesamt besser aufeinander abzustimmen.

119 Vgl. Zindel und Rein, S. 116

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