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2 Das Schuldverh"ltnis

2.1 Anspruch, Schuld und Leistung

Ein zentraler Begriff des Schuldrechts ist derjenige des Schuldver-hltnisses, der – ebenso wie der Rechtsbegriff des Anspruchs – legal definiert ist.

Lernhinweis: Das Schuldverhltnis ist in § 241 BGB legal defi-niert: »Kraft des Schuldverhltnisses ist der Glubiger berech-tigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.«

Die an dem Schuldverhltnis beteiligten Personen werden Glubi-ger(Berechtigter einer Leistung) undSchuldner(Verpflichteter ei-ner Leistung) genannt. Der Leistungspflicht des Schuldei-ners auf der einen Seite (Schuld) steht damit das Forderungsrecht des Glubi-gers (Anspruch) auf der anderen Seite gegen ber. Anspruch auf Glubigerseite und Schuld auf Schuldnerseite korrespondieren hierbei miteinander und bilden zusammen eine ›organische Ein-heit‹, das Schuldverhltnis.

Lernhinweis:Der ureigene Zweck eines Schuldverhltnisses be-steht darin, dass eineLeistungerbracht wird. Schuldverhltnisse sind deshalbleistungsorientiert.

Ein Vergleich zwischen § 241 BGB und § 194 I BGB ergibt, dass ein Anspruch (Forderung) ein Recht auf eine Leistung darstellt, das wiederum entweder in einem positiven Tun oder in einem Unter-lassen (›Nichtstun‹) bestehen kann (vgl. die obigen Beispiele auf S. 11). Schuldrechtliche Anspr che des Glubigers gegen den Schuldner ergeben sich also aus den Schuldverhltnissen, sodass diese schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschfte regelmßig die gesuchten Anspruchsgrundlagen im Bereich des Rechts der Schuld-verhltnisse (2. Buch des BGB) darstellen.

Wesentliches Merkmal der sich aus dem Schuldverhltnis erge-benden Schuld und Forderung (Anspruch) ist, dass sie nur zwischen bestimmten Personen, eben Schuldner und Glubiger, die ja auch nur an ihm beteiligt sind (und kein anderer!), Wirkungen entfalten.

Diese relative Wirkung des Schuldverhltnisses istdas entschei-dende Abgrenzungskriterium zum dinglichen (sachenrechtlichen) Rechtsverhltnis, das durch die Beziehung einer Person zu einer Sache charakterisiert wird, und dem Inhaber eines dinglichen

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chenrechts ein absolutes, gegen jedermann wirkendes Recht an der Sache gibt (z. B. §§ 903 BGB oder 985 BGB).

Ein Schuldverhltnis stellt damit ein Rechtsverhltnis dar, an dem immer mindestens zwei Personen beteiligt sind, die einan-der zu mindestens einer Leistung berechtigt und verpflichtet sind.

2.2 Arten der Schuldverh"ltnisse

2.2.1 Gesetzliche und rechtsgesch"ftliche Schuldverh"ltnisse

Schuldverhltnisse werden zunchst unterteilt in gesetzliche Schuldverhltnisse einerseits und rechtsgeschftliche Schuldver-hltnisseandererseits.

Lernhinweis: Im Gutachten m ssen die in Betracht kommen-den rechtsgeschftlichen Anspruchsgrundlagen immer vor kommen-den gesetzlichen gepr ft werden.

Abb. 2.1: Das Schuldverh3ltnis

2.2.1.1 Gesetzliche Schuldverh"ltnisse

Gesetzliche Schuldverhltnisse kommen zwischen Schuldner und Glubiger durch einen faktischen Geschehensablauf zur Entste-hung und zwar auch dann, wenn die Beteiligten dies m8glicherwei-se gar nicht wollen. Gem8glicherwei-setzliche Schuldverhltnism8glicherwei-se entstehen da-mit auch gegen den Willen der Beteiligten. Es bedarf folglich f r die Entstehung eines gesetzlichen Schuldverhltnisses nicht der

Abga-Grundlagen des Brgerlichen Rechts

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Arten der

Schuldverh"ltnisse

Gesetzliche Schuldverh"ltnisse

be auf entsprechende Leistungsverpflichtungen gerichteter Wil-lenserklrungen des oder der Schuldner (vgl. hierzu nher Teil 2, 1.2).

Unerlaubte Handlungen gemß §§ 823 ff. BGB:

Allein der Umstand, dass der Autofahrer A den Fahrradfahrer F fahrlssig im Stra-ßenverkehr verletzt, oder K seinen Diskussionspartner B vorstzlich schlgt, lsst zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhltnis entstehen, aufgrund des-sen A bzw. K zu Schuldnern eines gesetzlichen Schuldverhltnisses gegen ber F bzw. B werden und somit verpflichtet sind, eine Leistung gegen ber den Glubigern zu erbringen, nmlich Schadensersatz zu leisten. Anders ausgedr ckt: F bzw. B er-langen gegen A bzw. K einen Anspruch (Forderung), also einRecht auf eine Leistung, ohne dass es des Austausches entsprechender Verpflichtungserklrungen (Willens-erklrungen) bed rfte.

2.2.1.2 Rechtsgesch"ftliche Schuldverh"ltnisse

Rechtsgeschftliche Schuldverhltnisse (Rechtsgeschfte) zeich-nen sich gegen ber den gesetzlichen Schuldverhltnissen dadurch aus, dass sie ausschließlich auf freiwilliger Grundlage zwischen Glubiger und Schuldner entstehen. Korrespondenzmittel zwi-schen den Beteiligten ist eine entsprechende Willenserklrung.

Ein Rechtsgeschft ist ein Tatbestand, der entweder aus einer oder mehreren Willenserklrungen besteht, und an den die Rechtsordnung den Eintritt einesgewolltenrechtlichen Erfolges kn pft.

2.2.2 Einseitige und mehrseitige Rechtsgesch"fte

Je nachdem, ob ein Rechtsgeschft nur aus einer oder aus mehreren (mindestens zwei) Willenserklrungen besteht, handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschft oder ein mehrseitiges Rechtsge-schft. Mehrseitige Rechtsgeschfte (genauer: mehrseitige rechts-geschftliche Schuldverhltnisse) werden auchVertrgegenannt.

2.2.2.1 Einseitige Rechtsgesch"fte

Ein einseitiges Rechtsgeschft kommt bereits mit Abgabe nur ei-nerWillenserklrung zustande, wodurch der Schuldner seine

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tungsverpflichtung gegen ber dem Glubiger begr ndet. Einer Mitwirkung des Glubigers durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklrung bedarf es f r das Zustandekommen eines einsei-tigen rechtsgeschftlichen Schuldverhltnisses nicht.

Beispiele: Auslobung einer Belohnung gemß § 657 BGB; Aussetzung einer Erb-schaft gemß § 1937 BGB oder eines Vermchtnisses gemß § 1939 BGB.

2.2.2.2 Mehrseitige Rechtsgesch"fte

Ein mehrseitiges rechtsgeschftliches Schuldverhltnis wird auch Vertrag genannt. Ein Vertrag kommt erst nach inhaltlicher Hber-einstimmung mindestens zweier Willenserklrungen zustande, die das GesetzAngebotundAnnahmenennt (vgl. §§ 145 ff. BGB).

Das wirksame Zustandekommen eines Vertrages setzt also eine Ei-nigungzwischen Glubiger und Schuldner voraus. Die grundlegen-de Regelung grundlegen-des schuldrechtlichen Vertrages befingrundlegen-det sich in § 311 BGB. Danach ist »zur Begrndung eines Schuldverhltnisses so-wie zur <nderung des Inhalts eines Schuldverhltnisses ... ein Ver-trag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Ge-setz ein anderes vorschreibt«.

»Ein anderes«schreibt das Gesetz beispielsweise in § 657 BGB (Auslobung) vor. In diesem Fall bedarf es also nicht des Abschlus-ses eines Vertrages. Die Abgabe einer Willenserklrung, nmlich durch den Schuldner, reicht aus, um das einseitige rechtsgeschft-liche Schuldverhltnis der Auslobung zur Entstehung zu bringen.

Nimmt der Glubiger iSv. § 657 BGB die Handlung vor bzw. f hrt den Erfolg herbei, erlangt er gegen den Schuldner einen Anspruch auf die Belohnung, ohne dass der Glubiger beim Zustandekom-men der Auslobung htte mitwirken m ssen. Hieraus wird er-sichtlich, dass der schuldrechtliche Vertrag, also das mehrseitige rechtsgeschftliche Schuldverhltnis denRegeltatbestand,das ein-seitige rechtsgeschftliche Schuldverhltnis den Ausnahmetatbe-standdarstellt.

Weitere besondere mehrseitige Rechtsgeschfte (schuldrechtli-che Vertrge) hat das Gesetz im Besonderen Schuldrecht ab

§§ 433 ff. BGB geregelt, wovon der bekannteste und im Wirt-schaftsleben am hufigsten vorkommende schuldrechtliche Ver-trag derKaufvertraggemß § 433 BGB ist.

Grundlagen des Brgerlichen Rechts

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Abb. 2.2: Arten der Schuldverh3ltnisse (exemplarisch)

In diesem Zusammenhang ist die imAllgemeinen Schuldrechtdes BGB befindliche Vorschrift des § 311 BGB alsgenerelle Anspruchs-grundlageimmer dann einschlgig, wenn keine der in der folgen-den Abbildung 2.3 beispielhaft und nicht abschließend genannten spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen (§§ 433 ff. BGB) ein-greift. § 311 BGB regelt damit lediglich die atypischen Vertrge (sog. ›Vertrge sui generis‹), also diejenigen Vertragstypen, die im Gesetz nicht speziell geregelt sind. Der Vorschrift des § 311 BGB kommt daher der rechtliche Charakter einesAuffangtatbestandes zu.

Von der Subsumtionstechnik her bedeutet dies, dass zunchst immer zu pr fen ist, ob als Anspruchsgrundlage ein typischer Ver-trag, also ein solcher in Betracht kommt, der im Gesetz eine spe-zielle Regelung erfahren hat, wie beispielsweise der Kaufvertrag gemß § 433 BGB. Erst dann, wenn eine solche spezielle An-spruchsgrundlage nicht ersichtlich ist, kann § 311 BGB als Auf-fangtatbestand in die Pr fung einbezogen werden.

Beispielf r einen atypischen Vertrag:

V, der aufgrund eines Kaufvertrages (§ 433 BGB) einen Kaufpreisanspruch in H8he von 500 Euro gegen K hat, vereinbart mit K wegen dessen zwischenzeitlich eingetre-tener Zahlungsunfhigkeit aufgrund eines weiteren Vertrages (§ 311 I 2. Alt. BGB), dass er anstelle der 500 Euro ein Radiogert des K als ›Kaufpreis‹ erhalten soll.

Das Schuldverh3ltnis 17

Atypische mehrseitige Rechtsgesch"fte

Subsumtionstechnik

In diesem Fallbeispiel ist keine spezielle Anspruchsgrundlage im Gesetz ersichtlich, weil der zweite Vertrag, mit dem der urspr ngliche Kaufvertrag gendert wird, als solcher nicht im Gesetz besonders geregelt ist. Allerdings sind die Parteien im Rah-men der bestehendenVertragsfreiheitgrundstzlich frei, eine eigenstndige neue vertragliche Konstruktion zu schaffen. Sie sind nicht an die vom Gesetz in den

§§ 433 ff. BGB lediglich beispielhaft vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Vertragsty-pen gebunden. Damit ergibt sich der Anspruch des V gegen K auf Hbereignung des Radiogertes aus dem zweiten atypischen Vertrag iVm. § 311 BGB.

Ein weiteresBeispielf r einen atypischen Vertrag gemß § 311 BGB ist der Leasing-vertrag,der eine Mischung aus Kauf- und Mietvertrag darstellen kann. Je nach Ver-tragskonstruktion im Einzelfall kann es sich allerdings auch um einen reinen Miet-vertrag gemß §§ 535 ff. BGB handeln, wenngleich der LeasingMiet-vertrag in der Regel nicht den Mietvertrag im klassischen Sinne verk8rpern d rfte (zum Leasingvertrag vgl. nher Teil 2, 1.1.2).

2.3 Der Vertrag als Rechtsgesch"ft

2.3.1 Der Vertrag als mehrseitiges Rechtsgesch"ft

Ein Vertrag ist in der Sprache des BGB ein Rechtsgeschft (vgl.

§ 311 BGB). Da immer mehrere Personen (mindestens zwei) daran beteiligt sein m ssen, stellt der Vertrag einmehrseitiges Rechtsge-schft dar. Demgegen ber stellt ein einseitiges RechtsgeRechtsge-schft ei-nen Tatbestand dar, der nur aus einer Willenserklrung besteht, und an den die Rechtsordnung den Eintritt eines gewollten rechtli-chen Erfolges kn pft (Auslobung, Testament, Vermchtnis).

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Vertrag