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2.1 Grundlagen der FK-NMR-Spektroskopie

2.1.1 Das halbklassische Vektormodell

Ein einfaches Modell zur Beschreibung von FK-NMR-Experimenten ist das sog. halbklas-sische Vektormodell, welches f¨ur eine Vielzahl von Experimenten ausreichend ist. Darunter fallen alle Messungen, die anI = 12-Kernen durchgef¨uhrt werden und bei denen nur Wech-selwirkungen auftreten, die ausschließlich von der z-Komponente des Drehmomentes, ˆIz, abh¨angig sind.

In einer NMR-Messung wird stets die Information ¨uber das gesamte Ensemble von Spins in der Probe und nicht ¨uber die einzelnen Spins gewonnen. Daher wird im Vektormodell nicht der einzelne Spin bzw. das einzelne magnetische Momentµjedes Kernes, sondern die GesamtmagnetisierungMdes gesamten Ensembles von Kernspins einer Probe betrachtet:

M=X

i

µi (2.1)

Um das mit dieser Magnetisierung Marbeitende Vektorbild zu erl¨autern, muss zun¨achst kurz auf die quantenmechanische Beschreibung des einzelnen magnetischen Momentes zur¨uckgegriffen werden. Das magnetische Momentµeines Atomkernes wird durch seinen

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Spin, also den Drehimpuls Ides Kernes, erzeugt:

µ=γ I (2.2)

wobeiγ das gyromagnetische Verh¨altnis des jeweiligen Kernes ist. Daher ist das magneti-sche Moment genauso wie der Drehimpuls entlang der z-Achse quantisiert, w¨ahrend die x-und y-Komponenten vonµunbestimmt sind. In Abwesenheit eines externen Magnetfeldes sind die magnetischen Momente und damit auch ihre z-Komponenten statistisch verteilt im Raum angeordnet, womit keine GesamtmagnetisierungMvorliegt:M = 0. Wird aber durch ein externes MagnetfeldB0 = [0 0B0]T eine z-Achse vorgegeben, so richten sich die einzelnen magnetischen Momente in diesem Feld aus. Nun sind die z-Komponenten entlang der z-Achse quantisiert und die energetische Entartung bzgl. der r¨aumlichen Orientierung ist aufgehoben. Diese sog. Zeeman-Wechselwirkung l¨asst sich ¨uber den Hamilton-Operator HˆZ=−ˆµB0=−ˆµz B0 =−γ Iˆz B0 =−ω0z (2.3) beschreiben. In letztem Schritt ist hierbei die sog. Lamorfrequenz ω0 mit ω0 = γ B0

eingef¨uhrt worden, welche in der NMR eine wichtige Rolle spielt.

Da ˆHZ und ˆIzkommutieren, l¨asst sich die Energie der zugeh¨origen quantisierten Zust¨ande

¨uber die Eigenfunktionen von ˆIz,

berechnen, wobei mI = −L,−L + 1, ..., L. Die Energiedifferenz zweier benachbarter Zust¨ande betr¨agt daher

∆E=EZmI − EZmI±10 (2.5)

Dies entspricht aufgrund der Auswahlregel ∆mI =±1 gleichzeitig der f¨ur einen ¨Ubergang ben¨otigten Energie.

Entsprechend der Boltzmann-Verteilung befinden sich bei Anlegen eines Magnetfeldes mehr Kernspins in den Zust¨anden mit geringerer Energie. F¨ur die Gesamtmagnetisie-rung bedeutet dies, dass sie die magnetischen Momente entlang der z-Achse nicht mehr aufheben: Mz 6= 0. Da die x- und y-Komponenten jedoch weiterhin unbestimmt und da-her statistisch verteilt sind, gilt: Mx =My = 0. Zur¨uck im halbklassischen Vektorbild ist also im Gleichgewichtszustand die Gesamtmagnetisierung eines Ensembles von Kernspins entlang der z-Achse ausgerichtet.

Aus der klassischen Physik ist nun bekannt, dass auf diese Magnetisierung M in einem externen Magnetfeld B ein Drehmoment T wirkt, welches senkrecht zur Magnetisierung und zum Magnetfeld orientiert ist:

T=M × B (2.6)

1Alle Energie dieser Doktorarbeit sind in Frequenzeinheiten angegeben, weshalb~in dieser Gleichung nicht vor-kommt.

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Abbildung 2.1:Entwicklung der MagnetisierungMunter verschiedenen effektiven MagnetfeldernBim Laborachsensystem sowie im rotierenden Koordinatensystem f¨ur den on- und offresonanten Fall.

Dieses bewirkt, dass die Magnetisierung M anf¨angt, in einer Ebene senkrecht zu B zu pr¨azedieren. Die Geschwindigkeit ω dieser Pr¨azession betr¨agt dabei

ω=γ B, (2.7)

wobeiB der Betrag vonB ist.

Solange sich die Gesamtmagnetisierung im Gleichgewichtszustand befindet und parallel zum MagnetfeldB0 angeordnet ist, wirkt kein Drehmoment auf sie (Abb. 2.1 (a)). Wird nun aber, z. B. durch einen Puls, die Magnetisierung aus der z-Achse ausgelenkt, so erfah-ren die nun vorhandenen x- und y-Komponenten der MagnetisierungMein Drehmoment und fangen dadurch an, um dasB0-Feld, also um die z-Achse zu rotieren (Abb. 2.1 (b)).

Die Geschwindigkeit entspricht dabei mit ω =γ B00 genau der Energiedifferenz der Zeeman-Zust¨ande.

Alternativ kann nat¨urlich auch die Richtung desB-Feldes ge¨andert werden, wodurch eben-falls eine Pr¨azession der Gesamtmagnetisierung ausgel¨ost wird. Die ¨Anderung desB-Feldes erfolgt in Form eines Radiofrequenzpulses, der ein zus¨atzliches Feld B1 erzeugt, welches in der NMR stets in der xy-Ebene liegt. Auf die Gesamtmagnetisierung M wirkt dann

ein FeldB=B0+B1. Daher pr¨azediert sie nun in einer Ebene senkrecht zuB mit einer Geschwindigkeit ω = γ p

B02+B12 = p

ω0221 (Abb. 2.1 (c)). ω1 wird dabei als sog.

Nutationsfrequenz des Radiofrequenzpulses bezeichnet.

Die Betrachtung dieser Pr¨azession kann durch die Transformation in das sog. rotieren-de Koordinatensystem wesentlich vereinfacht werrotieren-den: das rotierenrotieren-de Koordinatensystem rotiert mit der Geschwindigkeit Ω um die z-Achse des Laborachsensystems, also um das B0-Feld. Ist Ω =ω0, so wird dies als onresonant bezeichnet. Im rotierenden Koordinaten-system wirkt damit dann dasB0-Feld wie

”ausgeschaltet“. Egal ob nun die Magnetisierung parallel zur z-Achse liegt oder ausgelenkt wird, sie erscheint in dieser Betrachtungsweise statisch, da kein effektives B-Feld auf sie wirkt (Abb. 2.1 (d) und (e)). Ist aber Ω etwas gr¨oßer oder kleiner alsω0 (= offresonant), so ist das effektive FeldBef f =B0−Ω/γ(Abb.

2.1 (g) und (h)). Die MagnetisierungMrotiert somit mitω0−Ω um die z-Achse. Dies kann f¨ur Ω> ω0 auch bedeuten, dass die Magnetisierung im rotierenden Koordinatensystem in die negative Richtung rotiert.2

Wird nun ein Feld B1 eingestrahlt, so ist im rotierenden Koordinatensystem das re-sultierende Gesamtfeld im onresonanten Fall einfach das B1-Feld (Abb. 2.1 (f)). Damit pr¨azediert M mit der Nutationsfrequenzω1 =γ B1 um die Richtung des B1-Feldes. Et-was komplizierter wird es im offresonanten Fall. Auf die Magnetisierung wirken nun wieder zwei senkrecht zueinander stehende Felder, deren Beitrag entlang der z-Achse B0 −Ω/γ betr¨agt (Abb. 2.1 (i)). Somit sind das effektive Feld und die Rotationsgeschwindigkeit nun

Bef f = (B0−Ω

γ)ez+B1 ei und ω= q

0−Ω)212, (2.8) wobei der Einheitsvektoreidie Richtung desB1-Feldes angibt. Da jedoch meist der Betrag der Offresonanzω0−Ω relativ zuω1 sehr klein ist, kann man normalerweise der Einfachheit halber im onresonanten Bild arbeiten. Alle folgenden Betrachtungen der Entwicklung der Magnetisierung werden, soweit nicht anders vermerkt, im rotierenden Koordinatensystem f¨ur den onresonanten Fall dargestellt sein.

Die Richtung des eingestrahltenB1-Feldes wird in der NMR als dessen Phase bezeichnet und als Winkel relativ zur x-Achse angegeben. In der Praxis ist es bei modernen Spektro-metern m¨oglich, die Phase bis auf 0.01° genau vorzugeben. Bei den Sonderf¨allen 0°, 90°, 180° und 270° wird oft auch vereinfachend von einem x-, y-, -x- und -y-Puls gesprochen.

Desweiteren wird ein Puls h¨aufig nicht ¨uber eine Nutationsfrequenz ω1 charakterisiert, sondern ¨uber den sog. (Flip-)Winkelθ mit

θ=ω1 τ, (2.9)

2Welche Richtung positiv oder negativ ist, h¨angt wegen ω0 = γ B0 vom Vorzeichen des gyromagnetischen Verh¨altnisses und somit vom Kern ab. Eine komplette Abhandlung zu diesem Thema kann in Ref. [73] gefunden wer-den. Der ¨Ubersichtlichkeit halber wird in dieser Arbeit stets die Rotation gegen den Uhrzeigersinn als positive Rotation verwendet.

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wobeiτ die Gesamtdauer des Pulses, auch Pulsl¨ange genannt, ist. θbeschreibt damit den Winkel, um den sich die Magnetisierung w¨ahrend des Einstrahlen des B1-Feldes dreht.

Zu einem Puls wird daher stets die Phase und je nach Notwendigkeit entweder die Nu-tationsfrequenz ω1 oder der Winkel θ angegeben. So ist beispielsweise ein (π/2)−x- bzw.

ein 90°−x-Puls ein Puls aus der -x-Richtung, der eine Rotation der Magnetisierung um die -x-Achse von π/2 = 90° bewirkt.

Die Transformation ins rotierende Koordinatensystem hat auch eine praktische Rele-vanz. F¨ur die Aufnahme eines NMR-Signales wird durch eine Spule die Entwicklung der Magnetisierung in der xy-Ebene detektiert. Anschließend wird dieses Signal mit einer Tr¨agerfrequenz gemischt, so dass letztendlich nur die Differenz von Tr¨agerfrequenz und der Signalfrequenz in der xy-Ebene gemessen wird (

”Log in-Technik“). Die Rotationsfrequenz Ω des rotierenden Koordinatensystems entspricht somit in der Praxis der Tr¨agerfrequenz, welche gleichzeitig stets auch die Anregungsfrequenz der Pulse darstellt. Damit k¨onnen wie oben erl¨autert sowohl positive als auch negative Frequenzen gemessen werden. Um zwischen diesen bei gleichem Betrag unterscheiden zu k¨onnen, reicht es nicht aus, die zeitliche Entwicklung des x-Anteils der Magnetisierung aufzunehmen. Daher ist bei jeder Messung die sog. Quadraturdetektion notwendig, unter welcher man versteht, dass sowohl die x- als auch die y-Komponente der Magnetisierung (auch als Real- und Imagin¨arteil des Signales bezeichnet) aufgenommen wird.