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1.1 E INFÜHRUNG

1.1.2 D IAGNOSE UND T HERAPIE DES M AMMAKARZINOMS

Trotz der steigenden Inzidenz ist seit Mitte der 1990er Jahre die Mortalität der Brustkrebserkrankung in Deutschland leicht rückläufig. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate für Brustkrebspatientinnen beträgt mittlerweile ca. 79 % (Bertz et al., 2006).

Diese positive Entwicklung wird einer verbesserten Früherkennung und dem konsequenten Einsatz von systemischen Behandlungsmaßnahmen zugeschrieben (Eucker et al., 2006). In vielen Fällen wird ein Mammakarzinom von der Patientin selbst zum ersten Mal getastet.

Meistens liegt dann bereits ein invasives Karzinom vor. Das Frühstadium des Carcinoma in situ kann am besten mit der Mammographie nachgewiesen werden. Viele Mammakarzinome, insbesondere die älterer Frauen, haben ein langes präklinisches Stadium, in dem sie, falls sie

diagnostiziert werden, kurativ therapiert werden können. Mehrere international randomisiert kontrollierte Studien erbrachten den Nachweis, dass ein Mammographiescreening als Maßnahme zur Senkung der Brustkrebssterblichkeit effektiv ist (Hübbel et al., 2003). In vielen Ländern Europas sowie den Vereinigten Staaten und Kanada wurden daraufhin Mammographie-Screeningprogramme initiiert. In einigen dieser Länder konnte bereits ihre Flächendeckung erreicht werden. In Deutschland wird derzeit ein strukturiertes Mammographie-Screening-Programm für Frauen im Alter von 50-69 Jahren zur Früherkennung flächendeckend von Ärzten und Krankenkassen in Kooperation mit den Bundesländern eingeführt (Bertz et al., 2006).

80 Jahre war die radikale Mastektomie nach Halsted die Therapie der Wahl beim Mammakarzinom. 1969 wurde von der Weltgesundheitsorganisation eine randomisierte Studie genehmigt, welche die Mastektomie mit dem brusterhaltenden Verfahren der Quadrantenresektion vergleichen sollte. Schon in den ersten Jahren zeigten beide Verfahren gleiche Ergebnisse bezüglich der Überlebensrate. Die Ergebnisse einer 20-jährigen Verlaufsbeobachtung wurden vor einigen Jahren vom Erstautor veröffentlicht. Demnach traten nach brusterhaltender Therapie häufiger Rezidive auf als nach ablativer Operation, die Überlebensraten bei beiden Verfahren waren jedoch vergleichbar (Veronesi et al., 2002).

Mittlerweile ist die brusterhaltende Therapie (BET) mit offener axillärer Lymphadenektomie die Standardoperationsmethode. Kontraindikationen der BET sind heute ein ausgedehntes Tumorwachstum, multizentrische Tumoren, eine inkomplette Tumorentfernung sowie eine Lymphangiosis carcinomatosa (Preiß et al., 2005). Da die axilläre Lymphadenektomie jedoch im Hinblick auf die Metastasensuche einen primär prognostischen Charakter hat, kommt neuerdings auch die „Sentinel Lymph Node-Biopsie“ als Alternative in Frage und wird zurzeit im Rahmen von Studien durchgeführt (Dall et al., 2003). Im Anschluss an die brusterhaltende Therapie wird heute eine fraktionierte Bestrahlung der Brust bis zu einer Gesamtdosis von 45-54 Gy mit oder ohne Boostbestrahlung des Tumorbettes durchgeführt.

Als gesichert gilt, dass die Rate an Lokalrezidiven ohne Nachbestrahlung signifikant höher liegt (Malmstrom et al., 2003).

Einen wichtigen Stellenwert in der Therapie des Mammakarzinoms nehmen neoadjuvante und adjuvante Therapieoptionen ein. Hier wären vor allem die Polychemotherapie und die antiöstrogene Therapie zu nennen. Der Vorteil einer primär systemischen Chemotherapie als neoadjuvante Therapieform liegt in dem sogenannten „down-staging“ und der damit verbundenen Operabilität lokal weit fortgeschrittener Tumoren. Bei operablen Mammkarzinomen ist der neoadjuvante Einsatz einer systemischer Therapie immer noch

Studien vorbehalten. Bei Tumoren, die bereits in die Lymphknoten metastasiert haben wird im Anschluss an die Operation und Bestrahlung eine adjuvante postoperative Chemotherapie durchgeführt. Derzeit gehören anthracyclinhaltige Dreier- bzw. Zweierkombinationen aus 5-Fluorouracil, Epirubicin oder Adriamycin und Cyclophosphamid (FEC/FAC; EC) sowie Kombinationen aus Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil (CMF) zur Standardtherapie. In einer groß angelegten Metaanalyse, welche die Ergebnisse von 15- jähriger zytostatischer und antihormoneller Therapie des Mammakarzinoms in über 145.000 Krankheitsverläufen beinhaltet, konnte jedoch gezeigt werden, dass die Wirksamkeit bezüglich des Gesamtüberlebens adjuvanter zytostatischer Standardtherapiemaßnahmen mit zunehmenden Alter der Patientin erheblich abnimmt. Prämenopausale Patientinnen profitieren demnach am meisten von einer adjuvanten Chemotherapie (Early Breast Cancer Trialist’s Collaborative Group, 2005). Andere Daten belegen ferner die Überlegenheit einer dosisintensiven taxanhaltigen Chemotherapie in Bezug auf das rezidivfreie Überleben und die Gesamtüberlebenszeit beim nodalpositiven Mammakarzinom in der adjuvanten Therapiesituation (Nabholtz et al., 2002). Zu diesem Resultat kommen auch die Autoren einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse, welche zusätzlich einen Therapievorteil bei Patientinnen mit hormonrezeptornegativen Tumoren durch den Einsatz von Taxanen (Doxetaxel, Paclitaxel) postulieren (Bria et al., 2006). Für hormonrezeptorpositive Tumoren wird die antiöstrogene Therapie mit Tamoxifen über fünf Jahre als Standard empfohlen.

Hierdurch lässt sich neueren Daten zufolge das Rezidivrisiko von 45 % auf 33,2 % und das Mortalitätsrisiko von 34,8 % auf 24,6 % senken. (Early Breast Cancer Trialist’s Collaborative Group, 2005). Eine Tamoxifentherapie über fünf Jahre hinaus ist aufgrund des Anstieges der nicht brustkrebsbedingten Mortalität durch Thromboembolien und Endometriumkarzinome nicht zu empfehlen. Bei Vorliegen von Kontraindikationen oder Nebenwirkungen können Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren anstelle von Tamoxifen auch mit dem Aromataseinhibitor Anastrozol behandelt werden (Preiß et al., 2005). Für Aromatasehemmer wurde bei postmenopausalen Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren als erste antihormonelle Therapie hinsichtlich eines rezidivfreien Überlebens und einer Fernmetastasierung eine bessere Wirksamkeit als für Tamoxifen nachgewiesen (Howell et al., 2005). In einer sogenannten „switch“-Therapie mit dreijähriger Vorbehandlung durch Tamoxifen und anschließendem Wechsel auf Anastrozol konnte nicht nur die Rezidivfreiheit, sondern auch die Gesamtüberlebenszeit bei postmenopausalen Patientinnen verbessert werden (Eucker et al., 2006).

HER2/neu überexprimierende Mammakarzinome haben eine gesteigerte Tyrosinkinaseaktivität. Sie neigen hierdurch zu einer gesteigerten Proliferation und Entdifferenzierung und haben somit eine deutlich ungünstigere Prognose. Es konnte gezeigt werden, dass bei metastasierten, HER2/neu überexprimierenden Mammakarzinomen die Gabe des monoklonalen rekombinaten HER2/neu-Rezeptorantikörpers Trastuzumab (Herceptin) zusätzlich zu einer Chemotherapie einen additiven und vermutlich auch synergistischen Effekt aufweist (Slamon et al., 2001). Nachdem bei Fernmetastasierung eindrucksvolle Tumorremissionen und signifikant verlängerte Überlebenszeiten um ca. 25 % unter Trastuzumab nachgewiesen werden konnten (Baselga et al., 2001), wurde Trastuzumab zur Standardtherapie beim metastasierten HER2/neu überexprimierenden Mammakarzinom. Seit Mai 2006 ist Trastuzumab auch für die adjuvante Therapie des HER2/neu überexprimierenden Mammakarzinoms zugelassen. Die Zulassung in Europa beruht im Wesentlichen auf den Daten der internationalen, randomisierten HERA (HERceptin Adjuvant)-Studie. Nach vorausgegangener Operation, Strahlentherapie und Polychemotherapie war nach zusätzlicher adjuvanter Therapie mit Trastuzumab eine signifikante Verlängerung des rezidivfreien Intervalls sowie des Gesamtüberlebens festgestellt worden (Piccart-Gebhart et al., 2005). Die Effizienzdaten einer zweijährigen Therapie mit Trastuzumab stehen noch aus und werden voraussichtlich im Jahre 2008 verfügbar sein. Aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsverläufe beim metastasierten Mammakarzinom sollte die Behandlung hierbei individualisiert erfolgen. Obwohl vereinzelt Daten über eine komplette Remission in dieser Krankheitssituation vorliegen, muss das metastasierte Mammakarzinom nach wie vor als nicht heilbare Erkrankung angesehen werden (Sauer, 2005). Aus diesem Grund sollte die palliative Therapie darauf abzielen, bestehende Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patientin zu verbessern. Bei lokalen Rezidiven sollte der operativen und strahlentherapeutischen Therapie sofern möglich den Vorzug gegeben werden. Neben dem Einsatz von Chemotherapeutika kommt bei Patientinnen mit positivem Hormonrezeptorstatus und langsamer Progressionsgeschwindigkeit in der metastasierten Krankheitssituation ebenso wie in der adjuvanten Therapie der Einsatz antihormoneller Substanzen in Betracht. Mono- oder Polychemotherapien werden bei symptomatischer Erkrankung mit rascher Tumorprogredienz und negativem Hormonrezeptorstatus empfohlen. Die Auswahl der geeigneten Chemotherapeutika orientiert sich zum einen an der adjuvanten Vortherapie, dem individuellen Krankheitsverlauf sowie an den Bedürfnissen der Patientin. Vereinheitlichte Schemata hierfür existieren bislang nicht (Sauer, 2005).