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Computer sind nicht das Ende

Im Dokument Auch Computer sind Dinge (Seite 22-28)

Andere Computer werden kommen. Computer als Gerätetyp werden weiter ausdifferenziert werden. Die schnelle Übernahme vage interpretierter Termini der Computer-Professionen, wie z.B.

"software" v s . "hardware", oder "Algorithmisierung" oder "Pro­

grammierung" (des Handelns), als Konzepte einer Computersozio­

logie scheint mir auch aus diesem Grund unklug. Solche Konzepte bewähren sich nur für eine bestimmte Sorte von Geräten. In einer bereits stattfindenden Entwicklung von "Neurocomputern" ("6. Ge­

neration") etwa entfallen solche Unterscheidungen. "Programme"

im landläufigen Sinn gibt es hier nicht, Computerleistungen las­

sen sich vielmehr eher mit einem soziologischen Begriff, dem der emergenten (nicht auf Elementarereignisse rückführbaren) Phäno­

mene fassen.

Ironischerweise handelt es sich hier um Geräte, die be­

stimmte menschliche Leistungen viel besser "emulieren" (täu­

schend ähnlich nachahmen) als die Geräte, denen zuweilen eine

"Algorithmisierung" von Wahrnehmung und Denken angelastet wird.

Und Computerwissenschaftler greifen verstärkt auf Ergebnisse biologischer und kognitionspsychologischer, ja ethnomethodologi- scher Forschung zurück, um das Funktionieren ihrer Erzeugnisse zu erklären und zu verstehen...

Aber nicht nur das. Zukünftige Computertechnik wird gerne in öffentlichen wie sozialphilosophischen, zum Teil auch computer­

wissenschaftlichen Debatten als so etwas wie - im Guten oder im Schlechten - die Spitze und Vollendung technischer Entwicklung vorgestellt. Auch das ist wenig plausibel. Genau so, wie man Vorsicht walten lassen sollte in der radikalen Abhebung elektro­

nischer Kombiniermaschinen von anderen Arten von Maschinen, sollte man sich nicht dem Glauben hingeben, die Morphogenese der

Maschinen habe mit dieser Technik ein Ende gefunden. Es ist ja beispielsweise nicht unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zu­

kunft, in Kombination mit digitalen Geräten oder ziemlich unab­

hängig davon, leistungsfähige künstliche Lebewesen - organische Maschinen - gebaut und sozial angeeignet werden, die dann ver­

mutlich (jedenfalls wenn sie die Form kleiner Haustiere annehmen sollten) bevorzugt die Faszination von Techniksoziologen auf sich ziehen werden...

12. RESÜMEE

Das Interesse für die Dinge hat in der Soziologie zugenommen.

Computer sind besonders interessante Dinge, für die Leute ebenso wie für die Soziologen. Aber Computersoziologen erledigen gegen­

wärtig noch vieles mit, was sie eigentlich voraussetzen können müssten. Formelhaft gesagt: sie haben das, was an Computern bloss dinghaft und nicht speziell technisch, und das, was an Computern bloss maschinell und nicht speziell computertechnisch ist, auch aufzuarbeiten und zu theoretisieren.

Die Pionierrolle, die Computerforschung in der Techniksozio­

logie in der Tat spielt, ist damit auch eine schwierige Rolle:

man riskiert, verführt durch öffentliche Bilder von Computern, diesen vieles zuzuschreiben, an dem sie vielleicht ganz unschul­

dig sind. Für die professionelle sozialwissenschaftliche Compu­

terforschung ergeben sich aus diesen Überlegungen einige Orien­

tierungspunkte :

(a) Computersoziologie darf sich nicht auf die Analyse und Deu­

tung der "Bilder" beschränken, die sich Erzeuger und Nutzer von diesen Geräten machen. Einzubeziehen sind die praktischen Trans­

aktionen, die in den Geräten selbst abgewickelt werden, und die Praktiken von Erzeugern und Nutzern, die eine verlässliche "De­

legation" von Tätigkeiten an komplexe Gerätschaften ermöglichen.

(b) Eine vorschnelle Transformation temporärer Computerdeutungen im Alltag in theoretische Annahmen sollte vermieden werden. Des­

halb müssen systematische Vergleiche mit anderen, inzwischen

veralltäglichten Techniken ("andere Dingwelten") angestrebt wer­

den .

(c) Dasselbe gilt für eine Verallgemeinerung sowohl "gelungener”

wie beunruhigender Formen alltagsweltlicher Aneignung von Compu­

tertechnik auf umfassendere gesellschaftliche Anwendungen und Auswirkungen der Computertechnik ("andere Welten"). Der alltäg­

liche Umgang mit Computern ist im Kontext computertechnischer Entwicklungen in den Organisationen der Berufsarbeit und der

"unsichtbaren" Ebene der Einlagerung von Computertechnik in praktisch alle Bereiche gegenständlicher Technik zu analysieren.

(d) Als eine zentrale Fragestellung ergibt sich die Analyse der­

jenigen Mechanismen, die im historischen Verlauf immer wieder zu einer Entproblematisierung, Routinisierung und Resymbolisierung von technischen Innovationen führen, die zeitweilig ausser­

ordentliche Hoffnungen, Ängste und Deutungskämpfe auslösen.

Unter professionellen Gesichtspunkten steht es Soziologen nicht gut an, in solche Kämpfe aktuell einzugreifen, ohne dieser, aus der Alltagserfahrung heraus kaum reflektierbaren Frage syste­

matisch nachzugehen.

(e) Sozialwissenschaftliche Forschung zur Genese und gesell­

schaftlichen Umsetzung neuer (Computer)Techniken sollte von einem ingenieurwissenschaftlich und ökonomistisch verkürzten Innovationsbegriff Abschied nehmen. In soziologischer Perspek­

tive ist es erst dann sinnvoll, von einer technischen Innovation zu sprechen, wenn der Vorgang der "Kompatibilisierung" vergegen­

ständlichter Technik mit (laienhaften oder beruflichen) Kompe­

tenzstrukturen, und dieser mit aussertechnischen Orientierungen vorläufig abgeschlossen ist.

(f) Damit wird auch die unfruchtbare Entgegensetzung von "Tech­

nikfolgen" und "Technikgenese" hinfällig. Die Konzentration auf Mechanismen einer fortlaufenden Veralltäglichung technischer Weiterentwicklungen wird zeigen, dass Anlässe für Technikerzeu­

gung immer in der unabgeschlossenen (unabschliessbaren?) "Kom­

patibilisierung" mit gegenwärtigen Verhältnissen liegen.

Auf die eingangs erwähnte Stelle bei Dürkheim zurückkommend sei es erlaubt, dort "Computer" einzusetzen wo er von "Dingen"

spricht. Man liest dann folgendes:

"Der Mensch kann nicht inmitten der Computer leben, ohne sich Gedanken über sie zu machen, nach denen er sein Verhalten einrichtet. Nur weil diese Computerbegriff- lichkeiten uns (als Soziologen) näher stehen und unserem Verstände angemessener sind als die Wirklichkeiten,

denen sie entsprechen, neigen wir naturgemäss dazu, sie an deren Stelle zu setzen. Anstatt die Computer zu beob­

achten, sie zu beschreiben und zu vergleichen, beschei­

den wir uns damit, unserer Ideen bewusst zu werden, sie zu analysieren und zu kombinieren. Anstelle einer Wis­

senschaft von Realitäten betreiben wir nur ideologische Analyse." (nach 1895/1965, S. 115)

Computer sind natürlich, was wir in ihnen sehen. Aber wir soll­

ten sehen, was sie wirklich tun - und welchem Regime sie gehor­

chen .

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